Aktuell (bis 22.3.2026) ist im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg eine sehr schöne Ausstellung zu sehen, die das Phänomen der Globalisierung aus Sicht einer der größten deutschen Reichsstädte schildert - und zeigt, dass Globalisierungstendenzen kein neues Phänomen sind. Das GNM kann dazu auf seine umfangreichen Sammlungsbestände zurück greifen. Zu sehen gibt es frühe Globen und Karten, Nürnberger Exportschlager wie Waffen und Kunstprodukte, bemerkenswerte Importe wie Emailarbeiten, Porzellan und Majolica, aber auch exotische Objekte wie Straußenei- und Kokosnusspokale oder ein Barrett aus Straußenfedern.
B. Baumbauer/M.-T. Feist/S. Jakstat (Hrsg.)
Nürnberg GLOBAL. 1300-1600
ART-Books
(Berlin: Deutscher Kunstverlag 2025).
ISBN 9783985013821
408 S., 280 Abb., Broschur, 27 x 22 cm
und im Open Access: https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1668
Der Blick der Ausstellung geht nach Süden über die Alpen nach Venedig, ins Heilige Land, ins Osmanische Reich, nach Spanien und weiter in die Neue Welt und bis Indien.
Die Ausstellungsobjekte stammen mehrheitlich aus dem bürgerlichen oder adligen Milieu der Reichsstadt. Leider fehlt die archäologische Perspektive, die diese überwiegend kunsthistorische Perspektive gerade in Nürnberg zu ergänzen vermag.
Nürnberg zählt in Bayern zu jenen Stäten, in denen sich schon früh, nicht zuletzt durch das GNM, eine Mittelalter- und Stadtarchäologie etablieren konnte. Damit ist es einerseits möglich, in Nürnberg das Ausmaß der Importe genauer zu bestimmen. Das scheint - wenn nicht der gute Forschungsstand uns da etwas vorpsiegelt - in Nürnberg weit überdurchschnittlich. In einer Bamberger Dissertation wurden 2019 die Fayencen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem Nürnberger Stadtgebiet bearbeitet, nicht zuletzt anhand von Funden, die im GNM aufbewahrt werden (Koppelmann 2019). Die Importe wurden vorab publiziert (Koppelmann 2017). Italienische Importe liegen vor allem aus dem Komplex „Lorenzer Platz 19“ vor, bleiben insgesamt aber Einzelstücke. Deutlich wird jedoch, wie die Anregungen aufgegriffen wurden und schließlich zur lokalen produktion von Fayence führten. Leider fehlt dieser archäologische Blick in der Ausstellung.
Ebenfalls werden die "Nürnberger Waren" - Nadeln, Drähte, Stufte, Beschläge, Schüsseln, Kannen, Becher, Leuchter, aus Buntmetall - nur am Rande erwähnt. Dabei gibt es auch hier wichtige Einblicke in die globalen Vernetzungen Nürnbergs (Cassitti 2021). Schriftliche Quellen belegen, dass diese „Nürnberger Waren“ auch in Afrika südlich der Sahara gefragt waren. Ein Schiffswrack aus der Adria, die 1583 vor Gnadić gesunkene Gagliana grossa hatte Nürnberger Waren an Bord. Zu Ihrer Ladung zählen zahlreiche Buntmetallobjekte wie Leuchter, Fingerhüte, Schellen, Stecknadeln, Buchschließen, Dochtscheren, Messingdrähte, -bleche und -barren. Die geborgenen Messingbarren wiegen zusammen etwa 80 kg, die Zinnbarren hingegen 1000 kg – dabei ist zu beachten, dass das Wrack vor den archäologischen Grabungen von Raubgräbern heimgesucht wurde. Laut schriftlichen Quellen waren solche „Nürnberger Waren“ auch in Afrika südlich der Sahara gefragt.
Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass es archäologische Quellen erlaubt hätten, hier noch vieles deutlicher herauszuarbeiten.
Kurzurteil: Trotzdem sehenswert.
Literaturhinweise
- Baumbauer u.a. 2025: B. Baumbauer/M.-T. Feist/S. Jakstat (Hrsg.), Nürnberg GLOBAL. 1300-1600. ART-Books (Berlin, Heidelberg 2025) https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1668
- Cassitti 2021: P. Cassitti, Nürnberger Waren. Herstellung, Handel und Konsum europäischer Buntmetallprodukte in Mittelalter und früher Neuzeit. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Beiheft 27 (Bonn 2021).
- Koppelmann 2017: S. Koppelmann, Imitation und Inspiration. Ausgewählte Fayencen aus dem Nürnberger Stadtgebiet und die Frage ihrer Provenienz. Mitt. Dt. Ges. Arch. Mittelalter u. Neuzeit 30, 2017, 229–242 https://doi.org/10.11588/dgamn.2017.0.40269
- Koppelmann 2018: S. Koppelmann, Fayencen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem Nürnberger Stadtgebiet als Untersuchungsgegenstand der Archäologie (Diss. Bamberg 2019) https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/46667.
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Der Blogpost ist parallel auf AMANZnotozblog erschienen: https://amanzblog.hypotheses.org/1355
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