Montag, 23. September 2024

Rechtsanwalt darf Synagoge nicht abreissen

 Der Streit um ein Baudenkmal in Detmold wurde jetzt vor Gericht entschieden.

Eine Synagoge von 1633 - die älteste freistehende Hofsynagoge Nordwestdeutschlands - darf nicht für einen Parkplatz abgerissen werden. Das Oberverwaltungsgericht folgte der Einstufung des LWL. Der Denkmalschutz hat Vorrang gegenüber einem Parkplatz. Der Denkmaleigentümer will weitere Rechtsmittel ausschöpfen und erklärt auf seiner Seite: "Neben der Translozierung und dem schlichten Verfall des Denkmals gibt es keine Alternative, und ich kann das gar nicht oft genug sagen, damit die Vertreter der Stadt Detmold und ihre Gesinnungsgenossen von der Antifa bis zu den „Omas gegen Rechts“, und vom „Forum Offenes Detmold“ bis zur Lippischen Landeskirche und anderen religiösen Vereinigungen endlich aus ihren bunten Träumen aufwachen."

Presseberichte legen nahe, dass es im Hintergrund um eine politische Agenda gehe, der jüdisches Erbe nicht genehm ist. 

Der Bau war ursprünglich als Gartenhaus des 19. Jahrhunderts unter Denkmalschutz gestellt worden, doch Bauuntersuchungen 2010 zeigten sein höheres Alter und legen nahe, dass es sich um ein Bethaus von 1633 handelt. Die jüdische Bevölkerung war 20 Jahre zuvor aus Denkmal vertrieben worden und erhielt erst in den 1660er Jahren wieder eine offizielle Genehmigung zur Feier religiöser Feste. Das nun festgestellte Bethaus vertritt den Typ der Hofsynagoge, der darauf ausgelegt war, jüdische Religion im Verborgenen des Hinterhofes auzuüben.

Der Widerspruch des Eigentümers, läuft darauf hinaus, dass er den Wert der dendrochronologischen Datierung bestreitet und auf schriftliche Quellen verweist, die für die Zeit um 1860 einen Neubau nahelegen. Die dendrochronologische Untersuchung ist jedoch durch mehrere Proben imBaubestand abgesichert. Ein erster Fehlversuch der Datierung, auf den der Antragsteller verweist, ist wohl nicht der Sekundärnutzung der Hölzer geschuldet, sondern beruht wohl eher auf einer ungünstigen Beprobung, bei der viele Proben wohl wegen Wuchsanomalien oder einer nicht ausreichender Zahl an Jahrringen "nicht zu einem belastbaren Ergebnis" führten.  Eine Diskrepanz zwischen schriftlichen Quellen und dem bauhisorischen oder archäologischen Befund ist nicht ungewöhnlich. Wenn die Dendrodatierung in sich stimmig ist, ist hier erst der Sachevidenz zu folgen. In der Vergangenheit hat man mehr im Bestand "neu" gebaut und ein Recycling erfolgte oft nicht in Form der Wiederverwendung einzelner Hölzer, sondern ganzer Bauteile der Vorgängerbebauung.Dass der Bau in einigen Altkarten zu fehlen scheint ist auch so ein quellenkritisch zu hinterfragender Widerspruch, der aber höchst wahrscheinlich in der thematischen Intention der betreffenden Karten zu suchen ist.

 

Detmold, Bruchmauerstr. 37.Ehemalige Synagoge,
(Foto: Jan Mathys CC BY-SA 4.0 via WikimediaCommons)

Die Idee einer Translozierung übergeht die Existenz archäologischer Befunde im Boden - und den Kontext umliegender jüdischer Vergangenheit.

 

Literatur

  • F. Kaspar/ P. Barthold: Eine „vergessene“ Synagoge von 1633. Das Gebäude Bruchmauerstraße 37 in Detmold. Westfalen 96, 2018, 95–124.
  • M. Delker-Hornemann/ A. Köllner: Erste Mikwe in Detmold entdeckt. Ausgrabungen in der Freiligrathstraße in DetmoldLippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 75, 2006, 125–133 (Digitalisat

Links

die Dokumentation der Position des Abbruch-Antragstellers:

  • http://www.hofsynagoge.de/

Eintrag auf Wikipedia s.v. Hofsynagoge Detmld: https://de.wikipedia.org/wiki/Hofsynagoge_Detmold

aktuelle Berichte

über Hinweis bei Archivalia: https://archivalia.hypotheses.org/212881

Freitag, 13. September 2024

Noch ein Krieg: Sudan

Seit April 2023 ist der Sudan in einen Bürgerkrieg versunken. Insbesondere in der Hauptstadt Khartum –kämpfen die regulären  Sudanesischen Streitkräfte (SAF) und di ehemals verbündetene Rapid Support Forces (RSF) um Macht und Einfluß. Dabei wurde die einstige Millionenstadt Khartum weitgehend zerstört und entvölkert. Zehntausende Tote, 9 Millionen Binnenflüchtlinge und 17 Millionen vom Hungertode bedrohte Menschen sind die Folge.
 
Europa und die "westliche" Welt haben grade andere "Probleme" mit Rußland/Ukraine, Israel/Palästina, Klimakrise und Antidemokraten, so dass für den Sudan keine Aufmerksamkeit mehr übrig bleibt.
 
Und wie fast immer gerät das Kulturerbe in den Konflikt. In de letzten Wochen häuften sich Berichte über Plünderungen und nun warnt offiziell auch die UNESCO.
Ein Teil der Zerstörung von Kulturgut ist schlicht Kollateralschaden, doch plündern insbesondere die RSF gezielt kulturelle und staatsliche Institutionen, Sie erklären, Sudans Geschichte müsse neu geschrieben werden, da es sie nicht repräsentiere. Im Hintergrund stehen Spannungen, die auf die britische Kolonialzeit zurück reichen (Berridge 2023).
Der Sudan verfügt über ein reiches kulturelles Erbe, das nicht nur als Ausläufer Oberägyptens verstanden werden sollte. Leider gibt es bei ICOM jedoch noch keine Rote Liste für den Sudan.
 
Statue eines Nubischen Königs im Sudan, 1.Jh. n.Chr.
(Foto: Steve Evan, CC BY SA 2.0 via WikimediaCommons)



 
 

Literatur

  • Berridge 2023. W. Berridge, Western Sudanese Marginalization, Coups in Khartoum and the Structural Legacies of Colonial Military Divide and Rule, 1924-Present. Journal of Eastern African Studies 17/4: 535–56. - doi:10.1080/17531055.2023.2280933 .

 

Links

Bilder aus dem Nationalmuseum:

interner Link

 

Mittwoch, 11. September 2024

"Migranten fressen Hunde" - Trumps Rassismus im Spiegel von Hundefunden

Im TV-Duell im US-Wahlkampf Kamela Harris vs. Donald Trump am 10.9.2024 behauptete Möchtegern-POTUS Donald Trump, in einer Kleinstadt in Ohio würden Einwanderer Hunde und Katzen fressen.

Donald Trump und die
geschlachteten Hunde und Katzen:
KI-generiertes Symbolbild
(Craiyon)

Die örtlichen Behörden wissen davon nichts. Zahlreiche Videos, die vor allem auf TwiX geteilt werden,  erscheinen sehr dubios und behaupten auf Gerüchtebasis ("die Mutter des Freundes der Tochter vom Nachbarn") und mit aus dem Kontext gerissenen Fotos und Videos, es gäbe handfeste Belege, dass Haitianer Hunde und Katzen schachten und essen - und Vodoo damit betreiben.

Das ganze klingt sehr nach dem Muster der üblichen Kindsmordgerüchte, die für Hexenverfolgungen und Judenpogrome herhalten mussten - und nach übelstem Rassismus.

Aber natürlich gibt es Kulturen, in denen Hunde und Katzen geschlachtet und gegessen werden. - "unsere".

Zwei archäologische Beispiele mögen hier genügen:

Jamestown/Virginia

Erst im Mai ist in der Zeitschrift American Antiquity eine Studie über die Hunde aus Jamestown erschienen (Thomas et al. 2024).

Jamestown in Virginia/USA ist eine archäologische Stätte, die nicht nur für die Geschichte Nordamerikas von Bedeutung ist. Jamestown ist die erste, 1607 gegründete permanente englische Siedlung in Nordamerika. Da sie archäologisch recht gut erforscht ist, steht sie auch exemplarisch für eine Geschichte der Globalisierung, was deren wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte angeht.

Die aktuelle Studie interessiert sich in erster Linie für die DNA der Hunde.und zielt darauf ab, die deren Abstammung zu klären. Dazu wurde die mitochondriale DNA von sechs Hunden aus der Zeit von 1609–1617 sequenziert. Einige DNA-Studien an modernen Hunden in den USA hatten schon früher gezeigt, dass alle mitochondrialen Abstammungslinien nordamerikanischer Hunde, wie sie in präcolumbischer Zeit verbreitet waren, heute ausgestorben und durch die DNA europäischer Hunde ersetzt sind. Schriftliche Quellen belegen, dass die Kolonisten bereits im 17. Jahrhundert Hunde aus Europa nach Nordamerika brachten, wo sie auch in Handel und Austausch mit der indigenen Bevölkerung einbezogen wurden. Mindestens sechs der aus Jamestown genetisch untersuchten Hunde zeigten indes noch die heimische nordamerikanische Abstammungslinie. Diese Hunde hatten eine mitochondriale DNA die Hunden aus dem Kontext der präkolumbischen Hopewell-, Mississippi- und Late Woodland Kulturen ähnelt. Die in den Mitochondrien, einem Zellorgan, enthaltene DNA wird ausschließlich über die Mütter vererbt. Die Abstammungslinien indigener Hunde aus einer europäischen Kolonialstätte zeigen, dass  diese während der frühen Kolonialzeit an der Schnittstelle zwischen indigener Bevölkerung und europäischen Immigranten natürlich in das soziale Geschehen involviert waren.

Die Studie hat einen in unserem Kontext wichtigen Nebenaspekt: Die untersuchten Hunde zeigten mehrheitlich Schlacht- und Schnittspuren. Das ist indes keine ganz neue Erkenntnis, denn dies überliefern auch schriftliche Quellen, denen man indes oft nicht glauben wollte (Hermann 2011; Winchcombe 2023). Ein weiterer Aufsatz (Hill et al. 2024) vertieft die Frage nach dem Verhältnis von Hund und Mensch in der Frühzeit von Jamestown und insbesondere im Winter 1609-10, der den Siedlern eine schwere Hungersnot brachte. Hier zeigt sich auch, dass Hunde in den frühen Jahren der Siedlung als Nahrungsmittel dienten.
 
Jamestown; Schnittspuren an Hundeskeletten
(Thomas et al. 2024, fig. 2),


Weiße Immigranten fressen die Hunde der Einheimischen. Im Unterschied zu Trumps Aussage, ist dies einigermaßen sicher belegbar...

Nur nebenbei: Archäologisch lässt sich für Jamestown auch Kannibalismus belegen. In der Verfüllung eines Kellers wurden die Skelettreste eines 14jährigen Mädchens gefunden, an deren Schädel eindeutige Schnittmarken zu erkennen sind.


Geislingen an der Steige, Hauptstraße 23

Das zweite Beispiel geht auf die Auswertung der Tierknochenfunde aus einer spätmittelalterlichen Latrine aus Geislingen an der Steige zurück, die die Kreisarchäologie Göppinge bereits 1994 ausgegraben hat und die 1999 publiziert wurden (Krönneck/Dollhopf 1999).

Geislingen an der Steige, Hauptstraße 23:
Schnittspuren an einem spätmittelaltzerlichen Hundeskelett
(Krönneck/Dollhopf 1999)

An 25 der insgesamt 46 Knochen vom Haushund wurden Schnitt- oder Hackspuren entdeckt, die belegen, dass hier Schlachttechniken ganz ähnlich wie bei Rind und Schwein angewandt wurden.

Bei den Katzen war das Bild ein etwas anderes, denn hier fehlen diese typischen Schlachtspuren. Wohl aber gab es Knochen nämlich 2 Schädel und 3 Unterkiefern, An denen sich Schnittspuren fassen lassen die am ehesten damit zusammenhängen, dass man den Katzen das Fell abgezogen hat. Ähnliche Beobachtungen liegen beispielsweise vom Konstanzer Fischmarkt vor, während Grabungsfunde aus der Konstanzer Katzgasse und aus dem Kloster Hirsau auch an Katzen klassische Schlachtspuren zeigen (Priloff 2000, 131).

Ich kenne auf Anhieb keine Studie, die das Phänomen der Schnittspuren an Hunden und Katzen auf breiterer Basis betrachtet hätte - außergewöhnlich ist es jedenfalls nicht. Befunde gibt es auch aus dem "keltischen" Manching (Winger 2017).  Ob hier Hunde und Katzen in einer Krisensituation gegessen wurden, bleibt ebenso unklar wie die Frage, ob es spezifische Bevölkerungsgruppen waren, die vermehrt auf diese Nahrungsmittel angewiesen waren.


Trump als Katzenretter

Hund und Katzen zu essen, halte ich nicht für angemessen, aber weit unangemessener ist es, mit dem Finger auf Migranten zu zeigen und primitivst Haß zu schüren - mit höchstwahrscheinlich erfundenen, sicher aber aufgebauschten und passend gedengelten "Informationen".  - Die Funde aus Jamestown und der alten Welt zeigen, dass gerade diese Story nicht dazu geeignet ist, eine vermeintlich weiße Überlegenheit zu demonstrieren und andere herabzuwürdigen. 

Es wäre interessant, nachzuverfolgen, ob es ein Zufall ist, dass die Geschichte der Hunde fressenden Immigranten gerade dann aufkam, als aim August die Geschichte der Hunde von Jamestown durch die US-medien ging - schließlich ist es kein ungewohntes Bild rechter NarrativeTäter und Opfer auszutauschen.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Schlachten von Hunden erst 1986 verboten, In den USA war es tatsächlich die Trump-Administration, die 2018 ein Gesetz, den Dog and Cat Meat Trade Prohibition Act of 2018 durchbrachte, das den Verzehr von Hunden und Katzen verboten hat. Davor gab es - auch erst seit den 1980er Jahren - entsprechende Gesetze in den einzelnen Staaten. Dass Trump sich nun als der große Retter von Hunde- und Katzen inszeniert, ist aber schon schaurig...



 

Literaturhinweise

  • Herrmann 2011: R. B. Herrmann, The “tragicall historie”: Cannibalism and Abundance in Colonial Jamestown. The William and Mary Quarterly 68,1, 2011, 47. - https://doi.org/10.5309/willmaryquar.68.1.0047
  • Hill et al. 2024: M. E. Hill Jr/ A.E. Thomas, Human-Dog Relationships at Jamestown Colony, Virginia, from Zooarchaeological Analyses. International Journal of Historical Archaeology 2024, 1-28. - https://doi.org/10.1007/s10761-024-00747-5
  • Krönneck/Dollhopf 1999: P. Krönneck/ K.-D. Dollhopf, Die Tierknochen aus der Hauptstraße 23 in Geislingen an der Steige. Hohenstaufen/Helfenstein 9,  1999, 79- 8
  • Prilloff 2000: R.-J. Prilloff, Tierknochen aus dem mittelalterlichen Konstanz. Eine archäozoologische Studie zur Ernährungswirtschaft und zum Handwerk im Hoch- und Spätmittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 50 (Stuttgart 2000).
  • Thomas et al. 2024: Ariane E.Thomas/ Matthew E. Hill,/Leah Stricker,/Michael Lavin,/David Givens/ Alida de Flamingh et al. ‘The Dogs of Tsenacomoco: Ancient DNA Reveals the Presence of Local Dogs at Jamestown Colony in the Early Seventeenth Century’. American Antiquity, 2024, 1–19 -  http://dx.doi.org/10.1017/aaq.2024.25
  • Winchcombe 2023: R. Winchcombe, The Limits of Disgust: Eating the Inedible During Jamestown’s Starving Time. Bestattungen aus dem Mittelneolithikum, der Bronze- und Eisenzeit - Militärlager und zivile Besiedlung in römischer Zeit - die Königspfalz. Global Food History 5, 2023, 1–23.  - http://dx.doi.org/10.1080/20549547.2023.2234252
  • Winger 2017: K. Winger, Der appetitlichste Freund des Menschen? Überlegungen zu den Schnittspuren an Hunde- und Menschenknochen aus dem Oppidum von Manching. In: J. Kysela / A. Danielisová / J. Militký (Hrsg.), Stories that made the Iron Age. Studies in Iron Age archaeology dedicated to Natalie Venclová (Praha 2017) 365–373. 

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Dienstag, 10. September 2024

Archäologie als Kunst (12): Varus kämpft noch immer

 Jutta Zerres

 


Dennis Oppenheim: Battle Drums
in Osnabrück
(Foto: J. Zerres 2024,
CCBY 4.0)


Dennis Oppenheim: Battle Drums
in Osnabrück
(Foto: J. Zerres 2024,
CCBY 4.0)


 

Dennis Oppenheim: Battle Drums
in Osnabrück
(Foto: J. Zerres 2024,
CCBY 4.0)

Zum 2000jährigen Jubiläum der Varusschlacht schuf der New Yorker Künstler Dennis Oppenheim (1938–2011) die Kunstinstallation„Battle Drums“, die auf dem Theodor-Heuss-Platz (vor dem Hauptbahnhof) in Osnabrück zu sehen ist. Die beiden Trommeln können von Innen beleuchtet werden. Wenn sie sich
drehen, wird ein Lichtspiel in Form von kämpfenden Legionären und fliegenden Speeren auf den Boden
geworfen.

 

 

Links

„Battle drums“ beleuchtet:: 

 

 

 

 

 

 

 

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Donnerstag, 5. September 2024

Kinder finden beim Spiel mit Metalldetektor römische Münze …

ein Beitrag von Miriam Steinborn


Dieser Beitrag soll nicht von illegalen „Schatzsuchern“ handeln, die in ihrer Gier wie jüngst in Schlierschied/Rhein-Hunsrück-Kreis (Geplünderte Totenstätte: Grabräuber im Hunsrück unterwegs - SWR Aktuell) Fundkontexte zerstören und Kulturgüter rauben. Hier wird nicht auf fragwürdige Werbung für Metalldetektoren eingegangen, die sich beispielsweise bei National Geographic Kids gezielt an Kinder richtet, sondern auf das, was dabei passieren kann.

Ein wissenschaftsinteressiertes Mädchen wünscht sich eine Metallsonde. Die neun- und zehnjährigen Freunde ziehen mit dem neuen Gerät los, spielen damit auf einem Spielplatz in Remagen (Kreis Ahrweiler), graben ein Loch - und finden neben Metallschrott auch gleich eine antike Münze. 

Das Kastell Rigomagus in ihrem Wohnort ist seit 2022 als Teil des Niedergermanischen Limes UNESCO-Weltkulturerbe. Die Münze vom Spielplatz ist zwar augusteisch, gehört aber wohl erst in die zweite  Phase der römischen Siedlung in tiberisch-claudischer Zeit. 

Es könnte bei der Schlagzeile bleiben: Kinder finden beim Spielen römische Münze… und den Absatz der Kindersonden weiter fördern.

Oder: die Kinder lernen dabei etwas. Dieser Beitrag berichtet über betriebene Schadensbegrenzung und einen wissenschaftskommunikativen Wert, der aus einer solchen Situation generiert werden kann.

Euphorisiert baten die Nachbarskinder mich als Archäologin um eine Einschätzung der „Echtheit“ ihrer gerade gefundenen Bronzemünze. In den Händen hielt ich ein erdfrisches augusteisches As und steckte in einem Dilemma: Auf der einen Seite feuerte dieser Fund das Interesse der Kinder an der Vergangenheit und ihren materiellen Überresten an. Auf der anderen Seite kann die Begeisterung in ein Schatzfieber umschlagen, dem im schlimmsten Fall eine Karriere als Raubgräber folgt. Nach einer Aufklärung über die Meldepflicht an die Denkmalbehörde entschloss ich, Eltern und Kinder für die Problematik zu sensibilisieren. 

 

Gemeinsames Dokumentieren der Münze
(Foto: © B. Surek, mit Einwilligiung der Eltern)


Das Angebot eines gemeinsamen Workshops zur Erforschung der Münze und ihrer Geschichte wurde begeistert aufgenommen. Am letzten Augustwochenende erschienen die Kinder mit einigen Geschwistern und interessierten Eltern. Dem praktischen Teil wurde der Hinweis auf die Rechtslage hinsichtlich des Einsatzes von Metallsonden vorangestellt – auch im Spiel. Etwas enttäuscht waren die Kinder und versicherten sich: „Dann dürfen wir also nicht einfach losziehen und suchen?“ Der Kastellbereich, die Ausfallstraßen mit den Gräberfeldern und damit einem Großteil der Remagener Kernstadt sind seit 2020 Grabungsschutzgebiet. Eltern und Kindern wurde die Relevanz unberührter Fundkontexte für die Wissenschaft erklärt, indem gemeinsam die Fundstelle genauer hinterfragt wurde. Im Fall ihres Fundes ist der Archäologie glücklicherweise kein Schaden entstanden: Das Fundgebiet liegt außerhalb des Schutzgebietes und das Erdreich wurde bei der Anlage des Spielplatzes in den frühen 1990er Jahren aufgeschüttet. Aufgrund dieser Verlagerung ist der ursprüngliche Kontext nur näherungsweise zu bestimmen.

Der zweite Teil des Workshops nahm das Forschungsinteresse der Kinder ernst. Das Landesamt  (GDKE in Koblenz) hatte nach einer ersten Prüfung dem Verbleib der Münze in den Händen der Familie zugestimmt, aber noch einige Informationen angefordert. Daher wurde der Fund vermessen, gewogen und fotografiert. Beim Zeichnen erfassten die Kinder die Details der Münze. Ihre Beobachtungen wurden nach und nach mit Kontextwissen ergänzt, sodass sie schließlich eine Vorstellung des ursprünglichen Gegenwerts „ihres“ Fundes besaßen. „Die Münze war ja nur so viel Wert wie ein Döner!“ 


Die Doku der jüngsten Teilnehmerin (fast 6 Jahre)
(Foto:  B. Surek)

Die Objektgeschichte wurde im Zusammenspiel mit der Entwicklung des Remagener Auxiliarlagers erzählt, das die Teilnehmenden bei einem anschließenden Besuch im Römischen Museum und den wenigen offen zugänglichen Überresten für sich erschlossen. Die Strecke führte entlang der Kastellhauptstraßen, die noch heute den Straßenverlauf in der Innenstadt prägt und die als Denkmalzone ausgewiesen sind, hinunter zum Rhein. Hier warteten ein Eis und der Blick in das enge Flusstal, der die Position des Sperrkastells an der Wasserstraße verdeutlichte. Auf dem steilen Weg zurück ins Kastellareal erfuhr die Gruppe seine hochwassersichere Topografie am eigenen Leibe. 


Auf den Spuren der Fundstelle im Römischen Museum Remagen
(Foto: @ Surek, mit Einwilligiung der Eltern)

Während die Kinder am Ende etwas erschöpft zusammenpackten, zogen die erwachsenen Begleiter ihr Fazit: „Das hat Spaß gemacht und obwohl ich mich dafür sonst nicht interessiere, hab ich noch was gelernt. Und das will schon was heißen!“ Die Münze öffnete an diesem Nachmittag den Blick der Kinder und ihrer Eltern für die archäologischen Grundlagen, mit denen eine vergangene Welt erforscht werden kann.

Das Wort „Schatz“ fiel übrigens nur einmal. Im Zusammenhang mit dem Wort „Schatzregal“. 

Mit dem Kids-Workshop wurde innerhalb weniger Tage auf den Fund reagiert, um das Interesse der Kinder zu befriedigen, aber auch, weil der üblichen Entdeckergeschichte so die Botschaft beigegeben werden kann, dass es um sensible archäologische Funde geht. Sie erzählen uns vieles über unsere Geschichte, aber genau deshalb sollten sie eben nicht einfach aus dem Boden gerissen werden..

 

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