Mittwoch, 23. August 2023

Grund zum Feiern oder zum Trauern? Stadtkataster Trier

Trier bekommt ein Stadtkataster wurde bereits im Juni mit einer Pressemeldung des Ministeriums des Innern und für Sport, Rheinland-Pfalz verbreitet.
Das Anliegen, das Innenminister der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) zum Ausdruck bringt, nämlich die Verzahnung der Bereiche Kulturelles Erbe und Städtebau ist begrüssenswert. Ein archäologisches Stadtkataster ist dafür auch ein gutes Instrument. Dass es das bisher nicht gibt, ist beschämend, dass es landesweit einmalig ist, auch.
 
Tatsächlich ist die Idee des Stadtkatasters in Trier aber auch gar nicht neu. Nur hat es bis zum "Pilotprojekt" eben über 20 Jahre gedauert. Bereits 2002 war von einer Zwischenbilanz und von Vorarbeiten zu einem Stadtkataster Trier die Rede (Kuhnen 2002; Unruh 2002; Kuhnen u.a. 2002). Damals wurden die Daten in einer Datenbank erfasst, doch waren Geographische Informationssysteme noch nicht so einfach verfügbar wie heute, so dass eine Umsetzung in eine digitale Kartendarstellung noch nicht möglich war.
 
2002 hätte man sich damit noch berechtigt brüsten können, 2023 ist das eher peinlich. Stadtkataster sind aber prinzipiell ein altes Instrument der archäologischen Denkmalpflege, das schon weit in die vordigitale Zeit zurück reicht. Seit über 30 Jahren wird es in Baden-Württemberg betrieben und zwar nicht als besonderes Gimmick für Welterbestädte, sondern neben Städten wie Konstanz, Reutlingen, Tübingen oder Ulm auch für Kleinstädte wie Adelsheim, Backnang, oder Osterburken - um nur wenige zu nennen. Hier sind alle bekannten archäologischen Aufschlüsse aufgeführt,  in einer "historischen Topographie" sind darüber hinaus aber auch alle wichtigen Orte der Stadttopographie aufgeführt und möglichst kartiert. Hinzu kommen Negativkartierungen, die Verluste durch Keller und Tiefgaragen zeigen, was allerdings vielfach dahingehend mißverstanden wurde, dass Areale mit Bodeneingriffen archäologisch völlig uninteressant seien. was sich oft genug als Trugschluß erwiesen hat. Immerhin bietet ein solches Stadtkataster den Bürger*innen eine gewisse Transparenz. Publiziert wurden die baden-württembergischen Stadtkataster seit 2000 als Bücher mit umfangreichen Kartenbeilagen. Heute wäre solches als stets fortschreibbares WebGIS allerdings angemessener.
Das ist für das Stadtkataster Trier immerhin der Fall. Es soll digital  nutzbar sein: "Für Bürgerinnen und Bürger, die gut aufbereitete Informationen digital finden werden. Für Investoren, die sich über mögliche Funde unter der Erde einfacher als bisher informieren können und nicht zuletzt auch für die Verwaltung und die Fachbehörden, für die die digitalisierten Unterlagen die Wege und die Bearbeitung von Vorgängen beschleunigen werden." (OB Wolfram Leibe). 
 
Tatsächlich steht das Stadtkataster Trier seit 25.6.2023 auf dem Geoportal des Landes Rheinland-Pfalz. Bislang funktioniert er aber nicht. Das mag dem Arbeitsstand geschuldet sein, denn das Projekt läuft ja noch bis Ende September 2023.
Das Geoportal RhlPf ist insgesamt wenig nutzerfreundlich. Die besten Lizenzen und Nutzungsfreigaben (hier: DL DE BY 2.0) sind Augenwischerei, wenn die Technik eine Nutzung unterbindet.
 
Kartenexport aus dem Stadtkataster Trier: nur schwarz-grau
(Bild: GDKE Rheinland-Pfalz, Stadtkataster Trier - WMS Server, DL DE BY 2.0)


 
Bislang handelt es sich bei dem Stadtkataster Trier nur um ein "Pilotprojekt", das lediglich einen Bereich von 55 ha, eine Achse zwischen Römerbrücke und Amphitheater abdeckt, die für einige aktuelle städtebauliche Projekte relevant erscheint.  Gemeint ist damit aber immerhin wohl doch das Gesamtgebiet der römischen Stadt, während Bereiche wie Trier-Pfalzel außen vor bleiben. Nach den Informationen auf den Seiten der Stadt Trier läuft das zweijährige Projekt schon seit Oktober 2021 und steht damit offenbar bereits am Ende seiner Förderdauer, denn in den Medienberichten ist nicht von einer Weiterförderung die Rede. 
Obgleich in Rheinland-Pfalz außer Trier zahlreiche römische und mittelalterliche Städte liegen, ist keine Rede davon, das Stadtkataster auf andere Städte zu übertragen. Rheinland-Pfalz dürfte aber ohnehin das Bundesland sein, in dem die Stadtarchäologie den geringsten Stellenwert hat.

Auffallenderweise ist auch wieder einmal nur vom römischen Erbe die Rede. Wie so oft in Rheinland-Pfalz spielt die Archäologie des Mittelalters (und erst recht der Neuzeit!) auch heute bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Röomer sind hipper als Napoleon. In Trier deutet schon die Bezeichnung des Grabungsschutzgebietes "Archäologisches Trier der römischen Zeit und seine bauliche Entwicklung bis in die frühe Neuzeit" an, dass den jüngeren Perioden nur in Bezug auf das antike Erbe Bedeutung zukomme. Eine Publikation von 2021 hat ernsthaft vorgeschlagen das römische Erbe von Trier durch Freistellung - das heißt Abriß nachantiker Bausubstanz - zu fördern (Breitner 2021). Das klingt sehr arrogant und nach 19. Jahrhundert...


Freistellung von Geschichte ist Zerstörung von Geschicht
Das mittelalterliche Simeonsstift in Trier ist verschwunden zugunsten der römischen Porta Nigra
(Graphik oben: Merian, Foto unten: R. Schreg)

 

Literaturhinweis

  • Breitner 2021: G. Breitner, Trier - Wahrnehmung und Inszenierung einer urbanistischen Entwicklung. In: H. von Hesberg/J. Kunow/T. Otten (Hrsg.),Römerstädte am Rhein - Strategien archäologischer Erzählung11. Archäologisches Gedächtnis der Städte (Regensburg 2021) 164–176. 
  • Kuhnen 2002: H.P. Kuhnen, Der neue archäologische Stadtplan des römischen Trier. Eine Zwischenbilanz des Archäologischen Stadtkatasters am Rheinischen Landesmuseum Trier. Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 34. 2002 , 98-104. - DOI: https://doi.org/10.11588/fuabt.2002.0.54636
  • Kuhnen u.a. 2002: H.P. Kuhnen/ F. Unruh/ St. Pfahl, Vorstudien zum archäologischen Stadtkataster Trier : 4. Forma Urbis Trevericae. Das römische Trier in archäologischen Stadtplänen. Texte zur Sonderausstellung des Rheinischen Landesmuseums Trier. (Trier 2002)
  • Unruh 2002: F. Unruh, "Ad fontes": Zum Stand der Arbeiten am archäologischen Stadtkataster Trier. Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 34. 2002 , 106-112. -  DOI: https://doi.org/10.11588/fuabt.2002.0.54637

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