Mittwoch, 29. Juli 2020

Superspreader älter als gedacht? Neue Pocken-Belege aus Nordeuropa

Zu Beginn der Corona-Epidemie habe ich hier eine "Archäologie der Erreger" skizziert und dabei auch die Pocken knapp dargestellt:
Und schon gibt es Neues - nämlich Älteres:
  • Mühlemann, Barbara; Vinner, Lasse; Margaryan, Ashot; Wilhelmson, Helene; La Fuente Castro, Constanza de; Allentoft, Morten E. et al. (2020): Diverse variola virus (smallpox) strains were widespread in northern Europe in the Viking Age. In: Science (New York, N.Y.) 369 (6502). - <doi: 10.1126/science.aaw8977>.
Viren
(biology pop [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)
War bislang ein Fund aus dem 17. Jahrhundert der älteste DNA-Beleg, so ist es nun gelungen, bei 11 Bestattungen aus Nordeuropa, unter anderem von der Insel Öland Variola-DNA zu identifizieren. Die Gräber datieren zwischen 600 und 1050 n.Chr. Es handelt sich nicht um einen direkten Vorfahren der modernen Pocken, sondern um eine wahrscheinlich weniger tödliche Variante. Aus zwei weiteren neuzeitlichen Gräbern wurde DNA des modernen Variola-Virus gefunden. Der gemeinsame Vorfahr wird auf etwa 1700 Jahre vor heute geschätzt. 
Die Publikation verrät leider keine Details über die archäologischen Kontexte.

Die Forschungen haben viel Medienecho gefunden - allerdings mit einigen nicht ganz zutreffenden Sensationalisierungen.  
"Die Pocken kamen in Europa schon viel früher vor als bisher angenommen." meint die Süddeutsche Zeitung. Tatsächlich kann angesichts der Schriftquellen der neue Befund nicht überraschen.  Der Fortschritt liegt in der Möglichkeit, die Virenevolution genauer zu verstehen. Die nachgewiesenen Erreger weisen nämlich große Ähnlichkeit zu Pockenviren auf, die man heute bei Kamelen und Mäusen nachweisen kann.
"Wikinger waren "Superspreader" von Pocken" titelt mdr Wissen, obwohl die Befunde dazu gar keine Aussagen machen können. Die Befunde betreffen auch nicht ausschließlich Wikinger, sondern datieren zum Teil früher.



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