Sonntag, 16. Juni 2019

Das letzte Sklavenschiff

In den vergangenen Tagen hat ein Fund in Alabama/USA mediale Aufmerksamkeit gefunden. Natürlich ging es in den Berichten wieder primär um die Entdeckung an sich, aber deutlich werden hier auch die Potentiale der Neuzeitarchäologie für die politische Bildung, Erinnerungskultur und Identitätsstiftung.

Die Fahrt der Clotilda

Es geht um das Schiff Clotilda, das 1860 im Fluß Mobile in Alabama versenkt wurde, um die Spuren eines damals bereits illegalen Sklaventransports aus Afrika in die Südstaaten der USA zu vertuschen. Nach Einschätzung einer Journalistin gehört die Geschichte der Clotilda und der  überlebenden Afrikaner zu den am besten dokumentierten Fällen des Sklaventransports von Afrika über den Atlantik: "the story of the Clotilda and its survivors eventually became one of the best-documented accounts of Africans transported through the transatlantic slave trade" (M. Thompson, PBS).
Der nur 26 m lange zweimastige Schooner erreichte die Mobile Bay am 9. Juli 1860 mit 110 Sklaven an Bord. Das Schiff, das eigentlich dem Holztransport diente, war 1856 durch den in Mobile ansässigen Schiffseigner Timothy Meaher gebaut worden. In der Hoffnung auf ein gutes Geschäft lief die Clotilda unter dem Kommando von Kapitän William Foster Anfang März 1860 über den Atlantik nach Ouidah im heutigen Benin an der westafrikanischen Küste aus. Der König von Dahomey wollte Gefangene aus seinen Kriegen verkaufen, was eine US-Zeitung damals berichtet hatte. Foster rüstete in Ouidah  das Schiff für den Transport von Sklaven um und kaufte 125 Gefangene. Als während der 'Beladung' lokale Piraten auftauchten, lief das Schiff sofort aus, obwohl 15 der gekauften Sklaven noch nicht an Bord waren.
1807 war in den USA der transatlantische Sklavenhandel - nicht die Sklaverei und der lokale Handel - durch den Act Prohibiting Importation of Slaves verboten worden. Im selben Jahr beschloß das britische Parlament den Act for the Abolition of the Slave Trade. Ouidah, eine wichtige Küstenstadt des Königreichs Dahomey verlor seine Bedeutung. Portugiesen, Niederländer, Franzosen und Engländer hatten hier Forts zum Schutz des Sklavenhandels errichtet. Aber 1860 hatten beispielsweise die Portugiesen ihr 1680 errichtetes Fortaleza de São João Batista de Ajudá verlassen.
An der afrikanischen Küste entkam die Clotilda mit ihrer illegalen Fracht nicht nur den Piraten, sondern auch einem englischen Kriegsschiff. Ende Juni erreichte sie die Bahamas und tarnte sich nun als Küstenboot. Am 9. Juli ging die Clotilda am Point of Pines in Grand Bay, Mississippi vor Anker, nahe der Grenze zu Alabama. Nachdem Foster von hier aus auf dem Landweg Meaher in Mobile aufgesucht hatte, brachte er das Schiff mit seiner Sklavenfracht nachts in den Hafen von Mobile und dann weiter flussaufwärts nach Twelve Mile Island. Die Sklaven wurden hier auf ein Flußboot umgeladen und schließlich an die Investoren der Clotilda-Fahrt verteilt. 30 der Sklaven blieben auf dem Besitz von Timothy Meaher.
Die Clotilda aber wurde angezündet und im Fluß versenkt. Tatsächlich wurde zwar gegen Meaher und Foster ermittelt, doch mangels Beweisen kam es gar nicht erst zu einer Anklage.
Cudjoe Kazoola Lewis und Abache kamen 1860 auf der
Clotilda unfreiwillig in die USA.
Jahre später schilderten sie die Reise.
(Foto aus E. Langdon Roche, Historic Sketches of the South
[New York: The Knickerbocker Press, 1914]
via WikimediaCommons [PD])

Augenzeugenberichte

Die letzten Überlebenden der auf der Clotilda in die USA verfrachteten Gefangenen starben erst in den 1930er Jahren. Oluale Kossoula/ Cudjo Lewis, wohl 1841 in Westafrika geboren, kam nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg frei und beteiligte sich mit anderen West-Afrikanern am Aufbau einer Gemeinschaft  nördlich Mobile, die als Africatown bekannt wurde. Eine Rückkehr nach Afrika scheiterte aus finanziellen Gründen. Kossoula erzählte die Geschichte der Clotilda unter anderen der Schriftstellerin Emma Langdon Roche, die sie 1914 publizierte.
Aus dem Nachlass der Anthropologin Zora Neale Hurston (1891-1960) wurde erst 2018 ein Buch publiziert, das Kossoulas Lebensgeschichte und die Fahrt der Clotilda nach Interviews aus dem Jahr 1927 beschreibt.

Archäologische Forschungen

Trotz der detaillierten Beschreibung der Reise bestand schon lange ein Interesse, die Clotilda zu finden. Viele Schiffswracks am Mobile river wurden im Lauf der Zeit für die Clotilda gehalten. Erst 2018 war die Entdeckung der Clotilda vermeldet worden, die sich dann aber als verfrüht heraus stellte: Das entdeckte Wrack war zu groß  und nach dem Befund der Hölzer an der Westküste und nicht in Alabama gebaut.
Obgleich dieser Fund sich nicht als Clotilda erwies, ermutigte er systematischere Forschungen, die in den Gewässern um Mobile gar nicht einfach sind, da hier sehr viele Wracks liegen, viele aus der Seeschlacht von Mobile, die im amerikanischen Bürgerkrieg 1864 stattfand.
Die Alabama Historical Commission sowie die auf historische Schiffswracks spezialisierte Firma SEARCH Inc., die Meeresarchäologen und Taucher umfasst, begannen weiter nachzuforschen, bald unterstützt durch das Smithsonian’s National Museum of African American History and Culture, an dem derzeit ein großes Forschungsprojekt zu Sklavenschiffen durchgeführt wird.

Im Mai 2019 wurde nun im Mobile River ein Schiff identifiziert, das von der Größe und überlieferten Details wie auch Spuren eines Brandes zur Clotilda passt. Die Kollegen sind sich sicher, dieses Mal das richtige Wrack gefunden zu haben.

Entgegen der Darstellung in den Medien ist die Clotilda aber wohl nicht das letzte Sklavenschiff, das illegal in Afrika gefangene Menschen über den Atlantik verfrachtete. Im Juli 2012 wurde an der Küste der Bahamas das Wrack der Peter Mowell identifiziert. Das Schiff, ursprünglich aus Louisiana stammend, war etwa zur selben Zeit über den Atlantik unterwegs. Schon am 8. Februar war es in New Orleans nach Monrovia in Liberia ausgelaufen. Vor der westafrikanischen Küste übernahm sie von einem größeren Sklavenschiff 400 Sklaven und fuhr zurück über den Atlantik. Am 25. Juli befand sich das Schiff mit den Verschleppten an Bord in den Gewässern der Bahamas und versuchte einem vermeintlichen britischen Kriegsschiff (in Wahrheit war es der Dampfer Karnak) zu entkommen und lief dabei auf Grund. Vom Wrack ist wenig erhalten, nur die Ballaststeine geben die Wracksituation wieder.
Die Peter Mowell ist somit wenige Tage später gesunken als die Clotilda. Die Sklaven waren allerdings nicht für die USA, sondern für Kuba bestimmt. Die geretteten Sklaven erhielten auf den Bahamas Freiheit und Bürgerrechte. Ende des Jahres 1860 berichtet die New York Times von einem weiteren Sklaventransport. Das Schiff America sank im Dezember ebenfalls vor den Bahamas. Der Besatzung gelang es indes, ihre Sklaven-Fracht mit einem anderen Schiff nach Kuba zu bringen (https://www.nytimes.com/1860/12/31/archives/fr0m-havana-arrival-of-the-steamship-karnakactivity-of-the.html).

Bereits in den 1970er Jahren war vor Florida das Wrack der 1700 gesunkenen Henrietta Marie geborgen werden, deren Funde heute im Mel Fisher Maritime Museum gezeigt werden. Neben der Schiffsglocke wurden zahlreiche Fesseln, Glasperlen, Metallgefäße und eine Dentistenzange gefunden. 
Die Fredensborg im Jahr 1765, eine auch für Sklaventransporte
eingesetzte Fregatte der Dänisch-Asiatischen Kompagnie
Gemälde wohl von Clement Mogensen Clementsen
(Museet for Søfart, Kopenhagen [PD] via WikimediaCommons)
Das Schiffswrack der Fredensborg wurde im September 1974 als Ergebnis einer gezielten Suche von einem Taucher vor der südnorwegischen Küste in der Nähe von Arendal entdeckt und in den folgenden Jahren erforscht und 2000 auch publiziert (Svalesen 2000).  Das Schiff 1752 oder 1753 gebaut, lief hier am 1. Dezember 1768 aus der Karibik kommend auf Grund und sank.  Unter den geborgenen Funden war Elfenbein von Elefant und Flußpferd von der westafrikanischen Goldküste. Zum Zeitpunkt des Untergangs waren zwar keine Sklaven an Bord, aber der Fund eines afrikanischen Mahlsteins sowie eine große Zahl an Tabakpfeifen lassen sich mit der Praxis des Gefangenen-Transports verbinden. Die Lebensbedingungen der menschlichen Fracht waren menschenunwürdig, aber die Schiffseigner versuchten durch einheimische afrikanische Kost und das Austeilen von Tabak und Pfeifen gesundheitliche Probleme und Unruhen zu vermeiden.

Der Erkenntnisgewinn


Die Schiffsfunde wie die Henrietta Marie, die  São José Paquete Africa, die Fredensborg und künftig wohl auch die Clotilda lassen Aussagen über die konkret eingesetzten Schiffe und ihre Ausstattung, über das Leben und Leiden an Bord zu. Im Falle der São José Paquete Africa haben wir sogar einen Katastrophenfund vor uns, der mitten aus dem 'Alltag' herausgerissen wurde und für 200 ertrunkene Sklaven zum Grab wurde. Die Henrietta Marie sank auf einer Fahrt, als keine Sklaven an Bord waren, dennoch war sie mit Fesseln und einem Ofenkessel ausgerüstet, der es möglich machte, für eine große Zahl von Personen zumindest einen Brei zu kochen. Die Clotilda hingegen wurde entladen und dann bewusst versenkt.
Die Clotilda ist einer von ganz wenigen Funden von Sklavenschiffen. Das ist insofern bemerkenswert, als 825 Schiffsverluste aus schriftlichen Quellen bekannt sind. Häufig ist es allerdings schwierig, sie von normalen Handelsschiffen zu unterscheiden, denn im Atlantischen Dreieckshandel transportierten sie nur auf einer Teilstrecke auch Sklaven. Für diese Passage wurden die Schiffe mit temporären Einbauten ausgestattet. Fesseln und große Kapazitäten von Kochmöglichkeiten wie auf der Henrietta Marie können dennoch einen Anhaltspunkt für ihre Rolle als Sklavenschiff geben. Problematischer ist, dass die Unterwasserarchäologie ein Feld ist, in dem vor allem kommerzielle Bergungs- und Schatzsucherfirmen unterwegs sind. Die Fracht von Sklavenschiffe hat für sie keinen Wert. Es ist sicher kein Zufall, dass die Entdeckungen der Henrietta Marie und der Peter Mowell der Beifang von Schatzsuchern sind.

Das Interesse an den Sklavenschiffen setzt sich deutlich von dem dieser Schatzjäger ab und hat demgegenüber eine wissenschaftliche oder soziale Motivation.
Zwar waren die ersten Entdeckungen von Sklavenschiffen wie die Henrietta Marie und die Fredensborg bereits in den 1970er Jahren gemacht worden, aber erst  das 200jährige Jubiläum des offiziellen Verbots des Sklavenhandels 1808 in den USA und in Großbritannien gab Anlass für systematischere Forschungen. 2008 erschien im International Journal of Historical Archaeology der erste archäologische Überblick über die Sklavenschiffe, der Beobachtungen der Unterwasserarchäologie und der Archaeology of the African Diaspora zusammen brachte (Webster 2008 und weitere Beiträge im selben Heft des JHA).

Im Rahmen des oben genannten SWP-Projektes war es 2015 gelungen, ein weiteres  Schiff aufzufinden und zu dokumentieren, auf dem gefangene Afrikaner über den Atlantik auf eine Reise ohne Rückkehr verfrachtet wurden. Die São José Paquete Africa sank 1794 auf der Fahrt von Mozambique nach Brasilien vor der Küste von Kapstadt in Südafrika. Dabei kamen 212 der 400 bis 500 Gefangenen ums Leben.

Bislang liegen also nur wenige Sklavenschiffe vor, zudem ist der Publikationsstand sehr schlecht. Abgesehen von der Fredensborg sind oft nur kurze Berichte publiziert, meist nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften, sondern nur über Museums-Websites oder Medienberichte. Mangels aussagekräftiger wissenschaftlicher Publikationen der Sklavenschiffe sind die  Erkenntnisse bisher recht oberflächlich. Die Clotilda ist bislang nur lokalisiert, im trüben Wasser bisher aber nicht wirklich dokumentiert, geschweige denn geborgen.

Bislang liegt der Gewinn der Forschungen also nicht in den Erkenntnissen aus den Funden als materiellen Quellen, sondern in deren Fähigkeit, Emotionen zu wecken, Vorstellungen zu liefern und Geschichten zu beglaubigen.

Vergangenheitsbewältigung

Eine wesentliche Motivation des SWP-Projektes, das seinen Ausgang in der Erforschung der Sklavenschiffe in Südafrika hatte, war von Anfang an, ein Bewusstsein für den Sklavenhandel zu schaffen, Bildungs- und Versöhnungsarbeit zu leisten und soziale Gerechtigkeit zu fördern. Das Projekt arbeitete mit den Nachkommen der Sklaven, um die lokale Geschichte  mit der globalen Geschichte des Sklavenhandels zu verbinden.
So vermerkte auch die angeführte erste Überblicksarbeit von 2008, dass das Studium der Sklavenschiffe nicht allein eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern ebenso mit der Gegenwart ist: "To study slaver wrecks is to engage with the present, as well as the past" (Webster 2008, 17). Bis heute ist die Verschleppung von Afrika über den Atlantik für viele Afro-Amerikaner identitätsstiftend und ein kritischer Teil ihrer Geschichte. Noch immer wird die Schwarze Bevölkerung in den USA benachteiligt und so ist ihre Geschichte auch kein Teil der Meistererzählung der amerikanischen Geschichte als Land der unbegrenzten Möglichkeiten und der Zivilisierung der Wildnis.

Die 'Black History' ist seit langem ein wichtiges Forschungsfeld nicht zuletzt schwarzer Historiker und Archäologen. Sie ist geradezu ein Motor auch für die Entwicklung der Historical Archaeology geworden, die schon lange nicht mehr eine Archäologie der europäischen Kolonisten ist.
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Afro-Amerikaner wird dabei als identitätsstiftend begriffen, da sie ein Selbstbewusstsein schafft, aber auch mit der Hoffnung verbunden ist, mit der Darstellung der Geschichte Aufmerksamkeit und Gerechtigkeit zu erfahren.

Verlassenes Haus in Africatown
(Foto: Leigh T Harrell [CC BY SA 3.0]
via Wikimedia Commons)
Auch im aktuellen Fall der Clotilda geht es in hohem Grad auch um Aufmerksamkeit, speziell für Africatown, der Siedlung vieler Überlebender der Clotilda. Sie liegt nur wenig nördlich des Stadtzentrums von Mobile und ist heute umgeben von Industrieanlagen. Seit Jahrzehnten leidet Africatown an politischer und wirtschaftlicher Vernachlässigung. Von ehemals 10000 Einwohnern sind  etwa 300 übrig geblieben. Viele Parzellen sind beräumt, anderwo finden sich noch Holzhäuser, die noch ins 19. Jahrhundert zurück reichen dürften. Eines steht auch unter Denkmalschutz.
In direkter Nachbarschaft zur Siedlung wurde über Jahrzehnte eine Papierfabrik betrieben. Sie war im Besitz der Familie Meaher, den Nachfahren jenes Mannes, der die Vorfahren der heutigen Einwohner von Africatown aus Westafrika verschleppt hatte. 2017 verklagten nun 1200 Einwohner von Africatown die Eigentümer der inzwischen geschlossenen Fabrik wegen schwerwiegender Umweltverschmutzung und Gesundheitsrisiken. Eine hohe Krebsrate und kurze Lebenserwartung seien auf die Fabrik zurückzuführen, deren Folgelasten nach der Schließung nicht beseitigt worden seien.
Der Artikel über die aktuellen Umwelt- und Gesundheitsprobleme zeigt deutlich, wie wichtig die Geschichte der Clotilda für das Selbstverständnis der heutigen Bewohner ist. Der Fund des Schiffes lässt sie hoffen, dass ihrem Schicksal und dem ihrer Vorfahren mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
So sehen es sowohl das Smithsonian Museum wie das Ship Wreck Project auch als ihre Aufgabe an, sowohl  archäologisch zu arbeiten, als auch  Möglichkeiten zu schaffen, wie die Gemeinschaft von Africatown darin eingebunden werden kann, die Erinnerung an die  Clotilda wie auch an die Folgen von Sklaverei und Befreiung zu pflegen.
Besonders verwiesen sei hier auf ein Video von NG: 
Eine Neuzeitarchäologie hat es  oft mit Themen zu tun, die auch heute noch persönliche Betroffenheit auslösen können und die aktuelle politische Debatten unmittelbar betreffen können. Dies auszuklammern ist nicht möglich, denn daraus erfährt die Auseinandersetzung eine wesentliche Legitimation. Archäologie vermag hier meist gerade jenen Gruppen eine Stimme zu verleihen, die sonst eher unbeachtet am Rande stehen. 



Links


Literatur

  • Emma Langdon Roche, Historic Sketches of the South (New York 1914). - https://archive.org/details/historicsketches01roch/page/28
  • Z. N. Hurston/D. G. Plant/A. Walker, Barracoon. The story of the last "black cargo" (New York 2018).  
  • Moore/Malcom 2008
    D. D. Moore/C. Malcom, Seventeenth-Century Vehicle of the Middle Passage. Archaeological and Historical Investigations on the Henrietta Marie Shipwreck Site. Internat. Journ. Hist. Arch. 12, 1, 2008, 20–38. 
  • Svalesen 2000
    L. Svalesen, The slave ship Fredensborg (Kingston, Jamaica 2000).
  • Webster 2008
    J. Webster, Historical Archaeology and the Slave Ship. Internat. Journ. Hist. Arch. 12, 1, 2008, 1–5. - DOI: 10.1007/s10761-007-0038-2

2 Kommentare:

Alexander Riedmüller hat gesagt…

Ein inhaltlich hochinteressanter Artikel, der neben den Potentialen der Neuzeitarchäologie, zugleich die dem Forschungsgegenstand innewohnende Problematik politischer und ethnischer Instrumentalisierung und Vereinnahmung von Archäologie und deren Ergebnissen sowie der, nicht zuletzt hierdurch bedingten, medialen wie wissenschaftlichen Einengung des Forschungsgegenstandes auf transatlantischen Sklavenhandel und die Rolle "westlicher" Handels- und Kolonialmächte aufzeigt.
Angesichts zahlreicher wissenschaftlicher Desiderate, sowie der bis heute nachwirkenden hochgardigen Emotionalisierung und gesellschaftspolitischen Sprengkraft der Thematik, gilt es daher - neben einem generell verstärkten wissenschaftlichen Engagement - auch eine verstärkte Kontextualisierung, Systematisierung und soziohistorischen Verortung des Forschungsgegenstandes im Rahmen einer global angelegten und sowohl hinsichtlich ihrer diachronen wie synchronen Perspektive deutlich erweriterten "Interaktions- und Mentalitätsgeschichte" unterschiedlicher sozialer, kultureller, politischer, ethnischer und religiöser Gruppen zu entwicklen.
Aufgrund der hohen "Gegenwartsrelevanz" des Themas, gilt es dabei auch verstärkt persönliche und (gesellschafts-)poltitische involviertheit(en) und Motivation(en) von Forschenden und deren Einfluss auf Forschungsgegenstände und -ergebnisse transparent zu machen und kritisch zu reflektieren. Nicht zuletzt müssen hierbei auch Fragen nach - aus hitorischer Sicht häufig anarchonistischen - bzw. "gegenwartsmotivieren" - "Beurteilungen", "Werturteilen" und "Schuldzuschreibungen" und die damit einhergehenden Akteursstereotype von "Tätern" und "Opfern" problematisiert, in ihrer "historischen Gewordenheit" wahrgenommen und deren gegenwärtige soziopolitische "Wirkung" und "Nutzung" im Rahmen ethnischer und soziokultureller Agenden und "Selbst- wie Fremdbilder" reflektiert wird.
Kurz: Es ist bitter nötig, dass sich in Zukunft deutlich mehr Forschende dem Thema zuwenden!

Rainer Kirmse hat gesagt…

Ein kleines Gedicht zur kaum aufgearbeiteten leidvollen Geschichte der Schwarzen in den Vereinigten Staaten:

BLACK LIVES DIDN'T MATTER

In Ketten gelegt aus Eisen,
Rechtlose Sklaven der Weißen;
So kamen sie dereinst ins Land,
Auch Gottes eigenes genannt.

Es folgten Jahre harter Fron,
Schläge und Tritte nur der Lohn;
Jahrhunderte bitteres Leid,
Kein Gott sie je daraus befreit.

Ein Sklavenleben galt nicht viel,
Der Profit war oberstes Ziel.
Das Geschäft der Weißen lief gut,
Schwarze Sklaven zahlten mit Blut.

Ein Krieg erst konnt' sie erretten,
Nun endlich fielen die Ketten;
Doch in den Köpfen die Mauern
Sollten lang noch überdauern.

Mit Lynchjustiz und Ku-Klux-Klan
Reagierte der weiße Mann;
Die Rassentrennung propagiert,
Wurden Farbige attackiert.

Es brauchte viele Gefechte,
Bis kamen die Bürgerrechte.
Wenn sie auch gewaltig wanken,
Noch stehen die Rassenschranken.

Rainer Kirmse , Altenburg

Herzliche Grüße aus Thüringen