Ende 2016 berichtete der Stockholmer Archäologe Johan Runer in der schwedischen Zeitschrift Populär Arkeologi über die in Schweden bei kommerziellen Grabungsfirmen gängige Praxis, Funde, die aufgrund der engen Finanzkalkulation nicht restauriert werden können, wegzuwerfen oder zu schreddern.
Runer benannte konkret zwei Ausgrabungen in Lund und Molnby, bei denen Funde wie Kupfermünzen, Knöpfe, Beschläge, ein Messer, ein Blech mit Ornamenten sowie mehrere unidentifizierte Gegenstände weggeworfen worden sein sollen.
Ausgrabungen in Schweden 2013 (Foto: Västgöten [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons) |
Rettungsgrabungen werden in Schweden - wie in manchen deutschen Bundesländern - mit privaten Gabungsfirmen vorgenommen, die sich mit einem entsprechenden Angebot für den Auftrag bewerben. Je weniger Funde zur Restaurierung vorgesehen sind, um so günstiger lässt sich das Auftragsangebot kalkulieren.
Allerdings gibt es entsprechende Direktiven, die Funde auszudünnen, bereits von den staatlichen Auftraggebern. Runer schreibt:
"Oft, besonders bei kleineren Untersuchungen, lautet die Anweisung der Landesregierung, so wenig Funde wie möglich aufzuheben. Formulierungen wie „Es werden keine Funde aufgehoben“ oder „Die Fundeinsammlung wird äußerst restriktiv sein“ sind eher die Regel in den Direktiven. Auch bei den größeren Untersuchungen wird wesentlich mehr weggeworfen als früher." (Übersetzung: unzensuriert.at)
Das Vorgehen ist unverantwortlich, wenn es auch Situationen gibt, in denen Funde aus praktischen Gründen kassiert werden müssen. Es gibr
Situationen auf Grabungen, bei denen Funde in so großer Zahl anfallen,
dass letztendlich nicht alles geborgen, gelagert und restauriert werden kann. Das
gilt beispielsweise für Dachziegel, bisweulen auch für Nägel oder
Grobkeramik. Aber auch dann ist sicherzustellen, dass die
Quelleninformationen gesichert werden, etwa durch gezielte Stichproben
oder durch eine Kurzaufnahme vor Ort, die in Zeiten der Digitalkamera
auch eine rasche fotographische Dokumentation umfassen kann. Das Problem ist weniger das Wegwerfen als vielmehr das finanzielle Auswahlkriterium. In jedem
Fall müssen die Funde in der Grabungsdokumentation erfasst werden, so
dass zumindest Kartierungen möglich sind. Nicht jeder Ziegel kann beispielsweise archiviert werden, zumal seine
Aussagen eher in der Fundkartierung liegt, die dann wichtige Hinweise
auf die Rekonstruktion des Dachs eines Hauses geben kann.
Entscheidend dürfen letztlich nur
wissenschaftliche Fragestellungen sein, eine verantwortungsbewusste
Entscheidung ist durch den Grabungsleiter oder erfahrene Wissenschaftler zu treffen, nicht, wie das in Schweden Praxis zu sein scheint, schon am Befund durch die betreffenden, meist eher weniger erfahrenen Ausgräber.
Auch scheint nach Runers Artikel in den Berichten nicht immer klar kommuniziert zu werden, was denn nun entsorgt worden ist. Immerhin listet der von Runer zitierte Bericht einer Grabung in Lund die weggeworfenen Objekte kurz auf. Insgesamt erinnert die Praxis mehr an ein Vertuschen als an Wissenschaft, die eben situativ reagieren muss und nicht mit standardisierten Abläufen zu leisten ist.
Gegenüber dem Svenska Dagblatt kommentiert Johan Runer:
Wir werfen unsere Geschichte weg! [...] Es ist völlig verrückt, aber diese Branche hat die Marktkrankheit bekommen. Wir tun so, als würden wir Geschäfte machen.
Das ist ein Skandal, aber gleichzeitig zeigt der Artikel von Runer, dass die wissenschaftliche Selbstkontrolle prinzipiell funktioniert. Allerdings müssen dann jetzt auch rasch Konsequenzen gezogen werden und die betreffende Praxis abgestellt werden. Dass Runers Artikel kaum Resonanz gefunden hat, ist allerdings bedenklich. In einer Stellungnahme betont das Riksantikvarieämbetet die Priorität der wissenschaftlichen Kriterien. Bei dem zitierten Fall aus Lund seien moderne Gegensände ausgesondert worden (spätes 18. Jahrhundert und jünger [was seinerseits in der Tat noch viel zu wenig diskutierte Fragen nach dem Umgang mit der Neuzeitarchäologie aufwirft]). Inzwischen seien die Verfahren insofern geändert, als die Konservierungskosten bei den Preisangeboten für die Grabungen herausgenommen wurden. Das Problem liegt auch hier in der Nachfinanzierung der Grabungen, die bei einem Verursacherprinzip oft die Auswerungs-, Restaurierungs- und Lagerkosten außer Acht lässt.
Wasser auf die Mühlen rechter Verschwörungstheoretiker
Natürlich nutzen einige Kreise diese Nachrichten um gegen professionelle Archäologie Stimmung zu machen. In der European Union Times, einem rechten Propagandaorgan wird der Vorgang als Teil einer Verschwörung dargestellt: "The struggle to erase Swedish history, break down Swedish culture and
force the Swedes to assimilate into the multicultural globalist
phenomenon is going according to plan." Als Quelle wird ein Verweise auf The Daily Westerner News gesetzt, das die Geschichte mit einem Symbolbild mit antisemitischer Symbolik verknüpft.
Links
- Schweden spart beim kulturellen Erbe: Archäologische Funde werden oft weggeworfen. unzensuriert.at (7.9.2017). - https://www.unzensuriert.at/content/0024910-Schweden-spart-beim-kulturellen-Erbe-Archaeologische-Funde-werden-oft-weggeworfen
- Fynd från järnåldern går till metallåtervinningen. Sveska Dagbladet (). - https://www.svd.se/fynd-fran-jarnaldern-gar-till-metallatervinningen (beschränkter Zugang)
- Stellungnahme des Riksantikvarieämbetet :
https://www.raa.se/2017/08/om-gallring-av-arkeologiska-fynd-i-falt/ - http://www.epochtimes.de/politik/europa/artefakte-ins-altmetall-funde-aus-der-wikinger-und-eisenzeit-in-schweden-entsorgt-a2205098.html
- Sweden caught destroying ALL new found Viking archeological artifacts. The European Union Times (25.8.2017). - http://www.eutimes.net/2017/08/sweden-caught-destroying-all-new-found-viking-archeological-artifacts/ mit verschwörungstheoretischem und antisemitischem Schwachsinn!
- http://dailywesterner.com/news/2017-08-16/the-war-on-sweden-sweden-erases-own-history-by-turning-viking-artifacts-into-scrap-metal/
- https://www.pressreader.com/sweden/popul%C3%A4r-arkeologi/20161201/281556585413491
1 Kommentar:
eine Reaktion von Raimund Karl: https://archaeologik.blogspot.de/2017/09/die-markt-und-andere-krankheiten-der.html
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