Donnerstag, 21. August 2014

Online-Petitionen in der Archäologie

Online Petitionen sind in Mode. Man kann darüber streiten, inwiefern sie tatsächlich Einfluß auf politische Entscheidungen nehmen können. Der DGUF-Newsletter v.6.8.2014 frägt "Folgenlose Klickerei oder wachsender Einfluss der Bürger: Was Online-Petitionen und -Kampagnen erfolgreich macht". Aber jenseits der Frage, was Petitionen praktisch erreichen können, sind sie auch ein Zeichen dafür, dass eine Öffentlichkeit zunehmend eine Mitbestimmung und Beteiligung an ihrem Kulturerbe einfordert.

Petitionen

Petitionen sind ein Instrumentarium der demokratischen Meinungsbildung und können sich an verschiedene Adressaten der Legislative wie der Exekutive wenden. Petitionen an die Parlamente haben oft insofern besonderen Rechtscharakter, als ein Anrecht besteht, dass sich die Volksvertretung mit dem Anliegen auch tatsächlich auseinandersetzt. Der Bundestag unterhält dazu einen eigenen Petitionsausschuß. Über ein eigenes Portal können Petitionen auch online eingereicht werden (https://epetitionen.bundestag.de/epet/peteinreichen.html). 
Ansonsten gibt es heute zahlreiche Petitionsplattformen, von denen in Deutschland change.org und openpetition derzeit besonders bedeutend sind. Im Unterschied zu den offiziellen Petitionen an die Parlamente haben diese online-Petitionen keine rechtliche Wirkung. Sie sind lediglich Appelle. Wirksam werden sie, wenn es gelingt, eine überraschende Anzahl von Unterstützern zu finden, die zeigt, dass sich Wähler oder Kunden für ein Thema einsetzen. 

Petitionen zur Denkmalpflege

Inzwischen gibt es international eine große Zahl von Petitionen, die Fragen der Denkmalpflege und der Archäologie betreffen. Einige Beispiele seien im folgenden aufgeführt:
Pont Valentré in Cahors
(Foto: S. Schreg, 1978)


In Deutschland sind entsprechende Petitionen (noch?) relativ selten. Beispiele sind etwa:

Das Anliegen sind meist einzelne Kulturdenkmale. Oft gehen sie in ihren Forderungen weiter als die zuständigen Stellen der Denkmalpflege. Initiatoren sind häufig Bürgerinitiativen, bei den universitären Themen natürlicherweise die Studierenden.
Die Adressaten von Denkmalschutz-Petitionen sind meist eher in den Kommunen, als auf Länder- oder Bundesebene ansässig.
Da Angelegenheiten der Archäologie in erster Linie Ländersache sind, sind Petitionen an den Bundestag selten. Zu nennen wäre hier die Initiative der DeGUWA (Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie e.V.), die 2009 zusammen mit dem Verband Deutscher Sporttaucher e.V. (VDST) eine Petition gestartet hat, mit dem Ziel, dass die Bundesregierung endlich der 2001 beschlossenen UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasserkulturerbes beitritt (Pressemitteilung der DEGUWA vom 15.7.2010). Der aktuelle Koalitionsvertrag legt nun fest, dass die neue Regierung dies endlich in Angriff nehmen will (siehe Archaeologik).

Beispiel Nordrhein-Westfalen 2013

Ein herausragendes Beispiel ist die Petition 2013 zu Nordrhein-Westfalen an die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (Beiträge dazu auf Archaeologik). Sie richtete sich gegen Mittelkürzungen in der Denkmalpflege und hat erfolgreich Schlimmeres verhindert.
Bis zu einem gewissen Grad dürfte der Erfolg der Petition in Nordrhein-Westfalen gerade darin begründet liegen: Denkmalpflege ist eine hoheitlich von den Ländern wahrgenommene Aufgabe, die in der Öffentlichkeit auch meist so registriert wird. Engagement beschränkt sich auf den Einzelfall, durch Initiativen für einzelne Denkmäler, zielt aber weniger auf die Denkmalpolitik als ganzes. Anders als beim Umweltschutz, wo grassroot-Bewegungen oft wesentlich weitergreifende Interessen vertreten, war so etwas für die Denkmalpflege bisher nicht bekannt.
Zwar gibt es im Bereich der Baudenkmalpflege schon lange private Initiativen zur Rettung oder Instandhaltung einzelner Denkmäler, doch die Werbung um große Unterstützerkreise und insbesondere allgemeinere, über den Einzelfall hinausweisende Initiativen sind zumindest selten. 
Die Politik - aber auch Vertreter der Denkmalpflege - reagierten dementsprechend verunsichert. Ministerpräsidentin Kraft und Bundeskanzlerin Merkel haben das Thema registriert. Das zuständige Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat zunächst sehr unsicher reagiert, nach einem Entscheidungsfindungsprozess aber einen erst mal vertretbaren Kompromiss gefunden.

Bemerkenswert ist die Einschätzung von Heinz Günter Horn. In einem Kommentar in Archäologie in Deutschland "Bärendienst oder Schützenhilfe - Mit Freunden ist das so eine Sache..." Er kritisiert die DGUF-Petition 2013 gegen die die drastischen Mittelkürzungen in der Archäologie und Baudenkmalpflege von Nordrhein-Westfalen. "Der Einsatz für die Belange der Bodendenkmalpflege um jeden Preis kann auch Positionen schwächen und genau das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich erreicht werden soll". Grundsätzlich ist diese Einschätzung sicherlich richtig, offen bleibt, aber, was denn die Denkmalpflege in NRW erreichen wollte. Nicht zuletzt als Erfolg der Petition konnte eine komplette Streichung der Finanzmittel verhindert werden - das Gegenteil dessen was die Denkmalpflege erreichen wollte? (Staunen kann man auch nur darüber, dass Heinz Günter Horn die Berichterstattung über den Fund von Bingerbrück [vergl. Archaeologik] so versteht, als "gäbe es in den zuständigen Museen nur Schlafmützen und Deppen").
"Seriosität, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Augenmaß und Verantwortung für das Gemeinwohl" sind in der Tat Grundlagen für eine professionelle Bodendenkmalpflege. Wie die Reaktionen auf den Fund des Barbarenschatzes von Rülzheim zeigen, sind aber genau dies die Eigenschaften, die der Denkmalpflege längst abgesprochen werden (vergl. Archaeologik) - was im übrigen keine ganz neue Entwicklung ist (vergl. Archaeologik). Durch die neuen Medien verändert sich aber die Konstellation der Akteure. Die Öffentlichkeit ist nicht mehr nur Publikum, sondern fordert eine Beteiligung ein und fordert vor allem auch Transparenz. Wenn selbst ein Berufsverband "in Unkenntnis der wahren Zuständigkeiten und Verhältnisse" bleibt, so scheint es daran zu mangeln. 
Die Frage, was die Denkmalpflege konkret selbst unternommen hat, um die Mittelkürzungen zu verhindern, wurde in der Öffentlichkeit nicht angesprochen. Der offizielle Dienstweg ist eine innere Angelegenheit und dem Beamtenrecht zufolge, müssen diese Vorgänge vertraulich behandelt werden. Um die nötige Transparenz herzustellen, bedarf es also der kritischen Kommentare und Nachfragen von draußen. Petitionen sind hier eine Möglichkeit, um öffentliches Interesse zu bekunden.

Risiko Petition

Richtig an Horns Bemerkungen ist, dass schlecht formulierte Petitionen eher Schaden anrichten können, indem sie unrealistische Forderungen stellen oder Zusammenhänge postulieren, die so vielleicht nicht gegeben sind.

Das Instrument der Petition kann natürlich auch gegen archäologische Projekte eingesetzt werden. In Köln wurde im Januar 2013 eine Petition gegen die Einrichtung der archäologischen Zone gestartet. Innerhalb der drei Monate Laufzeit wurden von den angestrebten 10.000 Unterschriften aber nur 27 eingesammelt.
Eine Petition, die sich bescheidene Ziele der Signaturen setzt oder ihr Ziel nicht erreicht, dürfte der Sache eher schaden, signalisiert sie doch, dass sich niemand für das Thema interessiert.

"Schrott-Petitionen schwächen die guten."
Viele zeigen nur Aktivismus und sind außerordentlich schlecht gemacht: Keine Klarheit über den Empfänger und dessen Handlungsoptionen, und keine klar formulierten Forderungen. Die Petition in Tournai hat eine Laufzeit von über einem Jahr. Die Prognose: Sie wird vergessen und wohl auch zu spät kommen. 
Die Petition aus Ägypten (https://www.change.org/petitions/civic-society-saving-egyptian-heritage) richtet sich ganz allgemein an die "civic society" und hat nur sehr allgemeine Forderungen. 


Kriterien für sinnvolle, erfolgversprechende Petitionen
- klarer, handlungskompetenter und -befugter Adressat
- klare Formulierung, die auch der Laie und der Adressat, der ja oft ebenfalls nicht vom Fach ist, versteht. Der Text muss dennoch fachliche Kompetenz erkennen lassen.
- verlässliche Darstellung der Fakten
- konkrete Forderung
- wichtiges, genau erklärtes und begründetes Anliegen, das gegen ähnliche Aktivitäten abgewogen und priorisiert werden muss
- richtiger Zeitpunkt: Warum gerade jetzt? Wie lange läuft die Zeichnungsfrist? Stehen Entscheidungen an? Ist das Anliegen nicht mehr aufzuschieben? Was wurde bereits unternommen?
- Wer steht dahinter? Eine Organisation, die über einen guten Verteiler verfügt?

Idealerweise steht eine kompentente Gruppe hinter einer Petition, ein Verein oder ein Verband. Da das Ziel einer Petition zumeist politische Entscheidungsträger sind, scheiden die meisten öffentlichen Institutionen aus, da ihr politischer Handlungsspielraum beamtenrechtlich und von ihren Statuten her begrenzt ist. Dementsprechend sind hier die zahlreichen und oft mitgliedstarken Fördervereine der Landesarchäologien gefragt. Um sich den Handlungsspielraum zu erhalten und um die Kollegen in den Ämtern nicht in dienstrechtliche Loyalitätskonflikte zu bringen, dürfen sie personell nicht zu eng mit der amtlichen Denkmalpflege verknüpft sein. 

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