ein Gastbeitrag von Miriam Surek
Am Rand der Düringsheide in der Niederlausitz, zwischen Briesnig und Horno erhob sich einst ein 'mystischer' Hügel mit Namen Teufelsberg. Ebenso wie das Dorf Horno und die Düringsheide wurde er in Vorbereitung von Braunkohletagebau abgeräumt und enthüllte seine Vergangenheit. Archäologische Untersuchungen der Binnendüne stießen zunächst auf einen spätmittelalterlichen Hof des 14. Jahrhunderts und einige Meter tiefer auf ein mehrphasiges germanisches Gehöft der 2. Hälfte des 3. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts. Sandüberwehungen konservierten sowohl die Höfe als auch umliegendes Ackerland und überlieferten so Hinweise auf die Landnutzung beider Besiedlungszeiträume. Eine Auswertung der Grabungen zeigte die Geschichte der lokalen Bodenveränderungen unter dem Pflug des Menschen. Der Teufelsberg präsentiert eine Geschichte der Bodenerosion, aber mehr noch: eine Parabel zur Geschichte menschlichen Umweltverhaltens.
Die Geschichte des Teufelsbergs im Längsschnitt (Graphik: M. Surek, mit freundlicher Genehmigung) |
ein germanisches Gehöft
Die Befunde des germanischen Gehöfts waren sehr gut erhalten. Man stellte drei aufeinander folgende Wohnhäuser mit Lehmfußboden und Nebengebäuden fest. Die Siedlungsfläche wurde phasenweise teils von Ackerland überlagert. Es ist anzunehmen, dass eine Siedlungsverlagerung nach Westen hin stattfand um mit Nährstoffen angereicherte ehemalige Siedlungsfläche landwirtschaftlich zu nutzen, da Phosphat als Dünger das Pflanzenwachstum unterstützt. Die erhaltenen Pflugspuren und der Oberschenkelknochen eines älteren Rindes weisen auf die Nutzung eines von Ochsen gezogenen Hakenpflugs hin.
Nach etwa 100 Jahren Besiedlung ist die vierte Phase des Gehöfts die für die Umweltforschung ergiebigste. Auf der grauen fundreichen Kulturschicht der ersten drei Phasen befand sich eine feine fundführende Sandüberwehung als letzte germanische Schicht.
Als Wohnhaus wurde weiterhin das der dritten Phase genutzt, der westlich angrenzende Acker wurde jedoch aufgegeben. Hier legten die Siedler mehrere offene Feuerstellen gleicher Bauart mit Feldsteinpackungen an. Westlich der Hauptdüne besteht die jüngere Phase aus einer massiven Brandschicht, Schlacken und verbranntem Lehm. Hier wird ein Eisenverhüttungsofen vermutet, der jedoch nicht ergraben wurde.
Aufgrund der Vielzahl der Feuerstellen und der angenommenen Eisenverhüttung wurde auf eine enorme Holznutzung geschlossen, die zu einem Rückgang des Waldes geführt habe. Die Befunde legen nahe, dass nach hundertjähriger Beackerung und Rodung die schützende Vegetationsdecke der Landschaft verschwand und die darunter liegenden Sande der Binnendüne offen lagen. Durch Windverwehung wurde der Sand auf die Äcker und bis in die Siedlung getragen. In der letzten Phase waren Teile der Siedlungsfläche bereits zugeweht.
Nach Aufgabe der germanischen Siedlung, etwa um 400 n.Chr. drang immer mehr Sand ein. Innerhalb von weniger als 100 Jahren türmte sich eine etwa 3 m hohe Sanddüne über dem ehemaligen Hof auf. Nach weiteren 200 Jahren wuchs auf 20 cm hohem humosen Boden ein Wald. Die Landschaft hatte sich von den anthropogenen Einflüssen geheilt. Es sollte noch weitere 700 Jahre dauern, bis neue Siedler das Land erschlossen.
eine mittelalterliche Siedlung
Im 14. Jahrhundert, fast 1000 Jahre nach der vorherigen Besiedlung, ließen sich erneut Menschen auf dem Plateau der Düne nieder. Sie befestigten die erhöht gelegene Siedlung mit Graben und Wall am Hangfuß. Nördlich der Düne entstanden Wölbäcker. Auch hier konnten Pflugspuren festgestellt werden. Unter den Metallfunden befindet sich neben Sicheln, Reitzubehör wie Reitersporn und Sattelgurtschnallen. Neben Getreideanbau wurde vermutlich auch Reitpferdezucht betrieben. Dies, die Befestigung und wenige Fragmente von Ofenkacheln weisen darauf hin, dass an dieser Stelle kein gewöhnlicher Pachthof erbaut wurde. Der Ausgräber sieht in Funden Indizien auf eine „Pioniersiedlung“ eines größeren Gutshofes, da Reitpferdezucht nicht von einfachen Pächtern betrieben worden sei. Tatsächlich weist auch die Existenz eines Kachelofen auf etwas wohlhabendere Siedler hin. Dieses Vordringen sollte jedoch schnell vereitelt werden. Wie ihren germanischen Vorgängern wurde die Öffnung der Landschaft den Neusiedlern zum Verhängnis. Der Wind blies mehrere Meter tiefe Mulden in die dünne Ackerschicht. An anderen Stellen wurde das Feld meterdick von Sand bedeckt. Nach wenigen Jahrzehnten wurde die Siedlung kontrolliert verlassen, die Keller verfüllt und alles wertvolle mitgenommen. Der Verfall ließ nur noch die Keller des Hofs überdauern.
Über all dies war Wald gewachsen und mystische Geschichten rankten sich um den Platz. Ob die „verfluchte“ Lage als Siedlungsort ein Grund für den Namen Teufelsberg ist, wurde nicht überliefert.
Im 20. Jahrhundert wurde der Wald erneut abgeholzt. Im 21. Jahrhundert erschloss man die Braunkohlevorkommen und räumte den Teufelsberg ab; heute ist hier eine große Tagebaugrube.
Orientierungswissen
Das Beispiel in der Niederlausitz mahnt, wie empfindlich Böden auf Übernutzung reagieren und wie wichtig eine intakte Bodendecke als Erosionsschutz ist. Hätten die Menschen des 4. Jahrhunderts ihre Umwelt nicht bis zur Unbewohnbarkeit ausgenutzt, wäre der Siedlungsversuch 1000 Jahre später möglicherweise erfolgreich gewesen.
Das Beispiel illustriert die Bedeutung langfristiger Erkenntnistradierung. Den Neusiedlern des Spätmittelalters waren die Erfahrungen ihrer Vorgänger nicht mehr bekannt. Die Risiken einer Landnutzung am Teufelsberg konnten sie daher nicht einschätzen.
Die Archäologie klärt uns heute über solche Risiken auf und zeigt, wie Fehler in der Vergangenheit, mangels entsprechenden Orientierungswissens wiederholt wurde.
Die Archäologie zeigt (prä-) historische Fehlversuche auf, aus denen als Lerneffekt Vermeidungsstrategien erarbeitet werden können, die heute und in Zukunft Relevanz besitzen. Die Strategien beziehen sich dabei nicht nur auf die beispielgebenden Problematiken wie etwa die Landnutzung. Das gesammelte Wissen der Archäologie kann bei der Entwicklung von Maßnahmen zur sicheren Überlieferung relevanter Daten helfen. Es ist wichtig, auch die vor verhältnismäßig kurzer Zeit erkannten Gefahrenpotentiale sicher an nachfolgende Generationen weiterzugeben, wie etwa die Effekte von Treibhausgasen oder den Ort zukünftiger Atomendlager.
Literaturhinweise
- M. J. Brather, Siedlungen unter Dünensand. In: Umwelt und Mensch. Archäologische Entdeckungen aus der Frühzeit der Niederlausitz. Ausstellungskatalog (Wünsdorf 2000) 87-89.
- C. Krauskopf, Der Teufelsberg – Germanische und spätmittelalterliche Siedlungsspuren in einer Binnendüne in der östlichen Niederlausitz. Veröff. d. Brandenburgischen Landesmuseums für Ur- und Frühgeschichte 32, 1998, 87-131.
- C. Krauskopf, C. Pasda, Aufwehung, Umbildung, Zerstörung. Zur Entwicklung der Dünen im Baruther Urstromtal zwischen Cottbus und Forst. Arch. Korrespondenzblatt 29, 1999, 289-298.
Miriam Surek studiert Vor- und Frühgeschichte an der JoGU Mainz. Als Praktikantin war sie in die Vorbereitung der Museumsgespräche 2012 involviert.
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