Samstag, 21. April 2012

Vergessene Siedlungen - Großflächige Geophysikalische Prospektion auf der Schwäbischen Alb

Mehrere römische Villen und mittelalterliche Bauernhöfe konnten die Österreichischen Spezialisten des LBI ArchPro auf der Stubersheimer Alb orten. Die erste Messkampagne fand vor gut einem Jahr statt - jetzt wurden die ersten vorläufigen Ergebnisse vorgestellt.

Die Auswertung der im April 2011 gesammelten Prospektionsdaten zeigt unter anderem eine überraschend dichte römische Besiedlung. Durch flächendeckende Magnetik mit über 1,2 km², sowie gezielt eingesetztes Bodenradar konnten bei Bräunisheim zwei römische Gutshöfe untersucht werden.

Insbesondere die Radar-Prospektion zeigt zahlreiche architektonische Details. Im Hauptgebäude der östlichen kleinen Villa bei Bräunisheim lassen sich etwa die kleinen Ziegelstützen einer Fußbodenheizung im Badetrakt sowie die Fundamente eines Säulen umstandenen Innenhofes erkennen. Von einer weiteren römischen Villa weiter westlich bei Bräunisheim waren bislang lediglich zwei Nebengebäude aus Luftbildbefunden bekannt, nun konnte das Hauptgebäude sowie eine Umfassungsmauer lokalisiert werden.

Überraschend ist ein dritter, wohl ebenfalls römischer Befund. Direkt an die Römerstraße zwischen Urspring und Heidenheim anschließend, wurden zwischen Schalkstetten und Waldhausen die Reste eines rechteckigen, mit Zaungräbchen eingefassten Gehöftes entdeckt. Dieser Bezug zur Römerstraße sowie römische Keramikfunde legen es nahe, dass es sich hier um einen nur in Holzbauweise ausgeführten Gutshof handelt. Gerade in letzter Zeit konnten Rettungsgrabungen der archäologischen Denkmalpflege ähnliche Anlagen bei Merklingen und bei Heuchlingen nachweisen. Damit zeichnet sich auf der Albhochfläche ein bislang kaum bekannter Bautyp ab. Weitere Spuren einer alten Flureinteilung nehmen im Umfeld die Ausrichtung der Römerstraße auf und zeigen möglicherweise eine römerzeitliche Feldeinteilung.

Römisches Gehöft in Holzbauweise (Graphik LBI ArchPro, © LBI-ArchPro)



Im selben Areal sind aber auch Relikte der 1225 genannten Siedlung Wolfgerswilare zu vermuten. Wenig westlich liegt eine bei Feldbegehungen festgestellte Konzentration von hochmittelalterlichen Keramikscherben, ohne dass dem beim derzeitigen Auswertungs­stand sichere Siedlungsbefunde zugeordnet werden können. Die Reste eines Holz­pfostenbaus im Bereich des römischen Gehöftes könnten aber zu dieser mittelalterlichen Phase gehören.

Nördlich von Bräunisheim zeichnen sich in den Magnetometerdaten zwei lange Reihen rechteckiger Gruben ab, die als Flachsröstgruben zu interpretieren sind. Ein Lagerbuch aus dem Jahre 1520 überliefert bereits den auch heute noch gängigen Flurnamen “Röse“, der sich eben von diesen Flachsrösten ableitet.

Ganz im Nordosten des Arbeitsgebietes, das hier in das Sackental und seine Seitentäler übergreift, erfasste die Prospektion alte Terrassenstrukturen und zahlreiche Anomalien, die auf Siedlungsaktivitäten verweisen. Aufgrund einer historisch-geographischen Fluranalyse war hier die 1289 genannte Siedlung Dietlinsweiler vermutet worden, was sich in den Prospektionsergebnissen eindrucksvoll widerspiegelt.

Das Prospektionsprojekt ermöglicht einen vertieften Einblick in die regionale Siedlungsgeschichte und kann dazu beitragen, zu verstehen, wie der Mensch in der Vergangenheit seinen Lebensraum gestaltet und genutzt hat, und wie es zu Veränderungen der Siedlungs- und Sozialstrukturen kam. Die heutigen Dorfstrukturen sind das Ergebnis eines langen Prozesses, der nicht nur von der politischen Geschichte, sondern auch von Klimawandel und ökologischen Faktoren der Landnutzung bestimmt wurde.

Links:

    Literaturhinweis
    Ein Vorbericht ist in den Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2011 im Druck.

    Kontakt:
    Dr. Rainer Schreg
    Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz
    Telefon: +49-174-4995251
    E-Mail: schreg@rgzm.de


    Mag. Karolin Kastowsky-Priglinger
    Ludwig Boltzmann Institute für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie
    Telefon: +43-660 5527780
    E-Mail: karolin.kastowsky@archpro.lbg.ac.at


    Projektträger:
    Das Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (archpro.lbg.ac.at) gründet auf einer internationalen Kooperation der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, der Universität Wien, der Technischen Universität Wien, der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, des Amts der Niederösterreichischen Landesregierung, des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, des Zentralen Schwedischen Denkmalamtes, des IBM VISTA Laboratoriums der Universität Birmingham, des norwegischen Institutes für Denkmalforschung (NIKU) und der österreichischen Firma Airborne Technologies.
    http://archpro.lbg.ac.at/

    Das Römisch-Germanische Zentralmuseum ist ein traditionsreiches Forschungsinstitut auf dem Gebiet der Archäologie. Seit seinen Anfängen 1852 wertet es materielle Überreste vergangener Perioden in Bezug auf historisch-kulturwissenschaftliche Fragen aus. Seine Forschungen reichen von der Steinzeit vor 2,5 Millionen Jahren bis ins Mittelalter, vom Nahen Osten bis nach China. Schwerpunkt sind die Kulturen der Alten Welt Europas. Das RGZM ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft und wird von Bund und Ländern getragen, hinzu kommen Drittmittelprojekte. www.rgzm.de

    3 Kommentare:

    kg hat gesagt…

    http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6148/pdf/Graf_Fulradzelle.pdf

    Rainer Schreg hat gesagt…

    Besten Dank für den Hinweis!!!

    Rainer Schreg hat gesagt…

    auch unter
    http://web.rgzm.de/578.html?&tx_ttnews[tt_news]=389&tx_ttnews[backPid]=65&cHash=9c63a28baea8f771b43bae93f716d590