Samstag, 29. Oktober 2011

Forum für Scharlatane?

Eine interessante Diskussion um eine Einladung des Pseudoarchäologen Semir Osmanagić an die Linnæus Universität in Kalmar durch Cornelius Holtorf findet derzeit im Blog Aardvarchaeology statt. Martin Rundkvist hat dort seine Kritik geäußert, dass dem bosnischen Geschichtsrevisionisten und Nationalisten ein Forum und vor allem akademische Reputation gegeben wird.

Bosnian Pyramid
"Pyramide" in Bosnien
(Foto: mhare [public domain/ wikimedia commons])
Cornelius Holtorf verteidigt in den Kommentaren seine Einladung mit dem Argument, die Archäologie müsse sich mit der zeitgenössischen Gesellschaft auseinandersetzen.
Sicher ist es interessant, zu sehen, warum Osmanagić mit seinen fantastischen bosnischen Pyramiden so erfolgreich ist und welche Auswirkungen das auf Gesellschaft und Archäologie hat. Eine davon ist sicher, dass die Archäologie an Glaubwürdigkeit verliert - eine Diskussion über das "Phänomen der bosnischen Pyramiden" ist deshalb zweifellos nötig (zumal offenbar echte archäologische Befunde zerstört werden), aber eine Einladung an eine Universität ist m. E. das falsche Zeichen.


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Montag, 24. Oktober 2011

Ungarn: Umstrittenes Denkmalschutzgesetz angenommen

Das Ungarische Parlament hat mit 234 (v.a. Fidesz und KDNP) zu 90 Stimmen das umstrittene Denkmalschutzgesetz angenommen, das ohne Anhörung der Archäologie das kulturelle Erbe des Landes und Europas wirtschaftlichen Interessen opfert.

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Sonntag, 23. Oktober 2011

Throwable Panorama Ball Camera

Throwable Panorama Ball Camera - Wär das nicht was für die rasche Grabungsdokumentation? Bisher gibt es nur einen Proto-Typen. Aber ob das mit der richtigen Senkrechtaufnahme so klappt?



Donnerstag, 20. Oktober 2011

Kulturlandschaft an der Adria

Auf der Insel Hvar in der Adria (Kroatien) spiegelt die Flureinteilung in der Ebene zwischen Stari Gard und Vrbroska eine antike Landvermessung wieder. Luftbilder lassen die regelmäßige Anlage der Straßen und Felder noch heute erkennen.


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Im benachbarten Karstbergland zeigen die Luftbilder eine andere Kulturlandschaft. Lesesteinriegel und Lesesteinhaufen, teils verbunden mit Terrassierungen gliedern die steinige Landschaft: Sie dienen dazu, Felder zu schaffen, die mit einem Pflug bewirtschaftet werden können, sollen aber andererseits Bodenerosion und einen schnellen Wasserabfluss verhindern. Teil der Landschaft sind sogenannte Trims, aus Lesesteinen errichtete Feldhütten, oft mit falschen Gewölben gebaut (ähnlich der Bories in Südfrankreich oder der trulli in Süditalien). Solche Landschaften sind das Produkt einer jahrtausendelangen Geschichte - erste Terrassierungen sind im Mittelmeerraum bis auf das Neolithikum zurückverfolgen. Heute sind sie auf großer Fläche wüst gefallen.


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Bislang kenne ich keine Arbeit, die näheres über Alter und Organisation dieser Fluren verrät. Wahrscheinlich sind sie im Kontext der Wüstungserscheinungen der mediterranen Bergländer zu sehen, die John R. McNeill für die Neuzeit herausgearbeitet hat. Er verweist auf den starken Einfluß neuzeitlicher Übernutzung auf die mediterranen Wälder, die weit mehr als antiker und venezianischer Holzbedarf zur Degradation mediterraner Wälder beigetragen habe. - Mein Interesse gilt derzeit mehr der Entstehung dieser Flursysteme, scheinen die Relikte in den Bergen bei Hvar den Befunden unserer Surveys auf der Krim sehr gut vergleichbar. Dort konnte eine lange Genese dieser Flursysteme seit der Bronzezeit belegt werden.

Literaturhinweise


Änderungsvermerk (13.7.2013)

Kartenausschnitte ausgetauscht, Google Street View ergänzt

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Angst und Verzweiflung - ein Brief aus Ungarn

Ein Kollege aus Ungarn schreibt mir heute über seine Sicht der Lage (siehe Neues Gesetz gefährdet archäologische Notgrabungen in Ungarn). Mit seiner Einwilligung poste ich diese Einschätzung hier (etwas gekürzt):



Lieber Rainer!

Also die Lage ist verwirrt und ändert sich Tag für Tag immer in einer schlechten Richtung, und ich weiss wirklich nicht was es am besten zu tun wäre. Es wäre sehr gut - meiner Meinung nach - wenn Du die Stellungsnahme des Ungarischen Verbandes der Archäologen unterschreiben könntest. (Sein Text ist - so weit ich das sehen kann - gut und ist mit einem Vokabular geschrieben, dass die Fidesz-Regierung versteht.) Dein Unterschrift ist auch deswegen wichtig, weil mehrere ungarischen Archäologen Angst haben, diese Stellungsnahme unterzuschreiben. Östlich der Elbe sind diese Ängste gut bekannt. Museen sind unter der Verwaltung der Komitate oder der Städte. Die beiden Selbstverwaltungen sind voll mit Fidesz-Leute, die sich rächen können. Also die Ängste sind gut bekannt. Was für mich kaum zu verstehen ist, dass diese jetztige Schweinerei durch diejenigen Leute gemacht wird, die bis gestern durch dieselbe Politik getroffen waren. Das ist für mich nicht zu fassen. Also es wäre gut wenn Du diesen Dokument unterstützen könntest.

Das ist aber offensichtlich nicht genug! Heute erschien die neue Fassung des Gesetzvorschlages (http://www.parlament.hu/irom39/03486/03486-0015.pdf), dass nichts in einer guten Richtung ändert. Der zeitliche Limit von zweimal 30 Tagen ist wiederum darin, ohne Rücksicht auf der Grösse der durch Baumassnahmen erfassten Oberfläche, was natürlich die Rettungsgrabungen im kurzen hinrichten wird. Besonders die Siedlungsarchäologie ist schwer betroffen, weil die Siedlungsgrabungen am längsten dauern. Was zu tun? Wer kann diese Leute, diesen Bann der raschen und rücksichtslosen Gesetzgebung stoppen? Kaum jemand. Trotzdem wäre es gut je mehr desto besser Stellungsnahmen aus Ausland zu haben. Sie werden diese Lage nicht ändern können, aber es ist bloss für unsere geistige Gesundheit gut, das wir wissen, dass es schon etwas gemacht wurde.

Die Einzige Sache die vielleicht etwas in guter Richtung ändern kann, liegt in der Tatsache, dass es hinter diesem Gesetzvorschlag offensichtlich die grossen Baufirmen stehen, die in Ungarn eigentlich alle Branchen der grossen westlichen Baufirmen sind. Die andere grosse Firma die in der Umgebung von Raab/Györ in der Mitte eines Naturschutzgebietes(!) ihre Fabrik baut, ist der Opel-Konzern. Die Frage ist, ob die Verwaltungen dieser Firmen wissen, was für Schweinereien in ihrer Namen, durch die lokalen Führungen dieser Firmen gemacht werden? Und ferner was darüber ein Staatsbürger/Wähler in Deutschland weisst? Was meint darüber die deutsche und auch die österreichische Regierung? Vielleicht bin ich auch in diesem Hinsicht ein bischen zu naiv?


Dein

Freund aus Ungarn

Ich gebe hier nochmals den Link auf die angesprochene Unterschriftensammlung des Ungarischen Archäologenverbandes: Archäologen-Protest gegen Ungarische Gesetzgebung

Und eine kleine Korrektur ist anzumerken: Das Automobilwerk im Naturschutzgebiet wird von AUDI gebaut (siehe Automobilwoche).

Montag, 17. Oktober 2011

Schweinesuhlen im archäologischen Experiment

Antiquity Project Gallery v. Sept. 2011 stellt die Ergebnisse eines archäologischen Experiments in West Stow dar, die interessant im Hinblick auf archäologische Studien zur Landnutzung sind. Zwei Schweine wurden in einem kleinen Gehege gehalten, dessen Boden anschließend mit Mikromorphologie und Phosphatanalysen untersucht wurde.
Das Ergebnis ist grundsätzlich nicht überraschend: Es zeigt sich ein deutlich erhöhter Phosphatgehalt im durchwühlten Boden. Mit den Untersuchungen liegen nun jedoch Referenz-Untersuchungen dar, die grundlegend für die Interpretation von Phosphatanalysen in Bezug auf Landnutzung sind.
Interner Link


Donnerstag, 13. Oktober 2011

Archäologen-Protest gegen neue Ungarische Gesetzgebung

Der Verband Ungarischer Archäologen hat nun einige Informationen auf englisch online:
http://www.regeszet.org.hu
Hier finden sich auch Hinweise auf die Aktivitäten der European Association of Archaeology, die einen Protestbrief an den zuständigen Minister geschickt hat (ungarischer Text).

Jeder, der sich mit den Erklärungen solidarisch zeigen möchte, kann dies mit einer e-Mail an torvenymodositas@regeszet.org.hu tun.


interne Links

Protest against Hungarian cultural heritage legislation

The Association of Hungarian Archaeologists now has English information available:
http://www.regeszet.org.hu
The European Association of Archaeologists also protested by a letter (Hungarian text) to minister Miklós Réthelyi

There is also the possibility to join the initiative concerning the reconsideration of the draft ruling can sign it by sending a short message to torvenymodositas@regeszet.org.hu.

internal link

Montag, 10. Oktober 2011

The Archaeological Heritage is in extreme danger in Hungary

Rescue Excavation in Southern Hungary 2010
(Foto R. Schreg)
New legislation in Hungary endangers archaeological sites. Orsolya Láng translated information at the Hungarian facebook community ’600-ana Régészetért’ – ’600 for Archaeology’, which is posted here by permission:


According to archaeologists, a new draft law recently submitted to the Hungarian Parliament could mean the end of heritage protection in Hungary. The most serious point in the draft is that first phase test-excavations related to large-scale investments (e.g. motorway constructions, major state investments) would be limited to a time period of at most 30 days. Furthermore, any necessary follow-up preventive excavations could not last longer than another 30 days either. This would not be applied to simply to the sites themselves – which would also be equally irresolvable - but to the whole of the investment area!

Take motorway projects for example. Dozens of archaeological sites, sometimes ten or even hundreds of thousands of square metres would have to be excavated in only 30 days! The other seriously dangerous point in this draft legislation is the brutal decrease in the money that would be allocated to the excavations. According to the earlier regulation – still in effect in Hungary - costs of excavation should be a minimum of 0.9% of the total cost of the investment. The new draft legislation caps the money received by the excavation at a maximum of 1% of the investment.

Nowadays, it has been calculated that in a well organized investment, the amount of money spent on rescuing the site and finds normally comes to about 4-8% of the total investment cost. Thus, it is completely clear that if this new draft legislation passes through parliament, only about 13-25% of the archaeological heritage in Hungary can be protected. Another ramification of the drastic cut in funds is that institutions involved in excavation will be forced to concentrate on digging rather than documentation, conservation of finds, inventorizing, storing and publishing finds because of the impossible-to-meet time and financial constraints. There will simply be no money left for the for this equally vital part of archaeological work.

The new draft would also affect on-going projects. The parties involved would be forced to parties to modify contracts 30 days after they took effect. Nineteen directors of county museums and the Budapest History Museum (institutes responsible for rescue (preventive) excavations in Hungary) and the Association of Hungarian Archaeologists have sent open letters addressed to the Ministry of National Resources as well as to the prime minister expressing their deep concern about this proposed legislation. No one has received any answers so far. The president of the Cultural Committee of the government, L. Simon L.,– has said “I think it is a reasonable compromise proposal (…). I hope that economic agents will also support this draft” However, no archaeologists were ever consulted during the drafting of this legislation.

Addendum (12.10.2011)

Protest against Hungarian cultural heritage legislation

Neues Gesetz gefährdet archäologische Notgrabungen in Ungarn

Notgrabung in Südungarn 2010
(Foto R. Schreg)
Ein neuer Gesetzesentwurf, der die Denkmalpflege vollständig wirtschaftlichen Interessen unterordnet, gefährdet archäologische Notgrabungen in Ungarn. In den letzten Jahren war es gelungen, den massiv voranschreitenden Autobahnbau mit modernen archäologischen Ausgrabungen zu begleiten und grundlegende neue Einsichten in die Vor- und Frühgeschichte Ungarns zu erhalten. 
Orsolya Láng hat die wichtigsten Informationen, die in der ungarischen Facebook Gruppe ’600-ana Régészetért’ – ’600 for Archaeology’, zusammengetragen wurden, ins Englische übersetzt.


DARIAH - digitale Forschungsinfrastruktur für Geistes- und Kulturwissenschaftler

DARIAH - "Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities" - in Deutschland gefördert durch das BMBF

Link

Mittwoch, 5. Oktober 2011

9. Ruralia-Konferenz: Hierarchien in ländlichen Siedlungen

Exkursion der Ruralia-Tagung, 29.9.2011: Werdenberg (CH)
(Foto: R. Schreg)
Über 30 Beiträge beleuchteten bei der 9. Ruralia-Konferenz, die vom 26.9. bis 2.10.2011 in Götzis in Vorarlberg (A) statt fand, die archäologischen Quellen, mit denen sich soziale Unterschiede und Hierarchien innerhalb ländlicher Siedlungen erfassen lassen (s. Programm [pdf]). Da die Beispiele vom Atlantik bis östlich der Wolga und von Spanien bis Grönland streuten und zeitlich vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit reichten, deckten sie sehr unterschiedliche ländliche Gesellschaften ab, in denen Hierarchien auch  sehr unterschiedlich ausgeprägt waren.

Montag, 3. Oktober 2011

Merkbuch, Alterthümer auszugraben und aufzubewahren 1888

In einem Nachlaß kam mir ein forschungsgeschichtlich interessantes Büchlein unter: "Merkbuch, Alterthümer auszugraben und aufzubewahren. Eine Anleitung für das Verfahren bei Ausgrabungen, sowie zum Konserviren vor- und frühgeschichtlicher Altertümer. Herausgegeben auf Veranlassung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten", Berlin 1888

(1888, PD [Urheberrechte erloschen])