Im Laufe des Mittelalters kam es zu erheblichen Verschiebungen innerhalb des Siedlungsgefüges und der Landnutzungsstrategien, die bisher nur ansatzweise erkannt und verstanden sind. Regionale Detailstudien sind eine Möglichkeit, diese Prozesse in ihrer Tragweite und in ihren Zusammenhängen zu verstehen.
Laufende archäologische Forschungen im Bereich der Stubersheimer Alb bemühen sich exemplarisch um die Rekonstruktion der Siedlungsentwicklung dieser Kleinregion, um sie vor dem Hintergrund einer sich verändernden Dorfökologie und einer komplexen Mensch-Umwelt-Interaktion zu interpretieren. Den Ausgangspunkt dazu bilden die Aufarbeitung privater Sammlungsbestände sowie ergänzende Prospektionen.
Im Arbeitsgebiet sind zahlreiche Wüstungen aufgrund schriftlicher Quellen nachweisbar, doch ist ihre Lokalisierung im Gelände sehr schwierig.
Das galt insbesondere auch für die Wüstung Diezlinsweiler.
Im 13. Jahrhundert wurde der Ort mehrfach in schriftlichen Quellen erwähnt. 1289 überlässt Graf Ulrich von Helfenstein dem Abt des Klosters Kaisheim als Schadensersatz (und für das Seelenheil seiner Frau) eine Reihe von Gütern in Schalkstetten, Stubersheim und eben auch in dem heute verschwundenen Diezlinsweiler (WUB IX., Nr. 4136). Der Geograph Hermann Grees hatte in den 1970er Jahren vermutet, dass die Aufgabe dieser Siedlung, die aus mindestens zwei Höfen bestand (wie auch weiterer Wüstungen), im Zusammenhang mit der Ausbildung von Schalkstetten als geschlossener Siedlung im Spätmittelalter stand.
Prof. Hermann Grees, ehemals Professor für Historische Geographie an der Universität Tübingen ist im Frühjahr dieses Jahres verstorben. Als Alterswerk hatte er sich in der Fluranalyse zahlreicher Ortschaften um Geislingen engagiert und unter anderem die Aufgabe übernommen, die Ortschaften der Stubersheimer Alb geographisch zu bearbeiten. Er konnte diese Arbeiten nicht abschließen - in seinem Nachlass fand sich nun jedoch die Kartierung der Flurnutzung Schalkstettens bezogen auf das 19. Jahrhundert sowie die Zusammenstellung der älteren Quellen. Hier zeichnet sich nun Diezlinsweiler innerhalb der Gemarkung Schalkstetten als ein Block von Wechselfeldern ab, der nicht in die Zelgorganisation der Flur integriert war. Die Identifikation mit Diezlinsweiler ist über Flurnamen möglich, doch fällt auf, dass die angrenzenden Felder auf der Nachbargemarkung den Flurnamen "Berlingen" tragen.
Eine Überprüfung im Gelände hat bisher nicht stattgefunden. LIDAR-Scans zeigen jedoch, dass sich hier unter Wald auch alte Feldstrukturen erhalten haben.
Die Lokalisierung dieser Wüstung ist ein wesentlicher Schritt zum Verständnis der Umstrukturierungen der mittelalterlichen Siedlungslandschaft der Stubersheimer Alb. Möglicherweise spielt hier die auf der Karsthochfläche problematische Wasserversorgung eine Rolle, die durch Wetterextreme, wie sich sich im Spätmittelalter häuften, einem erhöhten Risiko ausgesetzt war. Die überdauernden Dörfer jedenfalls konzentrieren sich auf den Bereich kleiner, durch Brunnen erschließbarer Grundwasservorkommen. Eine regionale Sage verknüpft das Verschwinden einer nahegelegenen Wüstung mit Unwettern.
(academia.edu)
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