Montag, 28. Oktober 2024

Grabungsberichte aus Bayern und BaWü

Endlich gibt es in Bayern und Baden-Württemberg die digitalen Grabungsberichte online!

Die neuen Reihen erscheinen auf Propylaeum, dem von der UB Heidelberg und der BSB München betriebenen Fachinformationsdienst für die Altertumswissenschaften. Hier gibt es neben den Online-Zeitschriften, den e-books auch Propylaeum-Dok, wo die hier besprochenen Reihen bisher allerdings die einzigen sind.

Archäologische Ausgrabungen in Bayern (ISSN 2944-1544)

  1. Die Ausgrabungen in Arnstein im Bereich des Kreisverkehrs an der B 26 (M-2018-277-2) Binzenhöfer, Benjamin ; Mahrdt, Jens Alexander ; Specht, Oliver 2024
    DOI: 10.11588/propylaeumdok.00006271

Dokumente zur Archäologie in Baden-Württemberg (ISSN 2944-1056)

  1. Siedlungsspuren vom Neolithikum bis zur Eisenzeit, Abschlussbericht zur Rettungsgrabung (2022_0387) Leinfelden-Echterdingen „Goldäcker“
    Birker, Manuel 2024
    DOI: 10.11588/propylaeumdok.00006330
  2. Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Stuttgart-Feuerbach. Abschlussbericht der Rettungsgrabung (2022_0698) Stuttgarter Straße 144/Burgenlandstraße 115
    Barthel, Susanne 2024
    DOI: 10.11588/propylaeumdok.00006362
  3. Von der späten Urgeschichte bis in die Neuzeit. Abschlussbericht der Rettungsgrabung (2023_0219) Endingen-Mannsmatten
    Winterhalter, Sabrina 2024
    DOI: 10.11588/propylaeumdok.00006363
  4. Siedlungs- und Werkstattareale des Hoch- und Spätmittelalters. Abschlussbericht zur Rettungsgrabung (2023_0149) Löchgau „Ärztehaus Nonnengasse“
    Berger, Steffen 2024
    DOI: 10.11588/propylaeumdok.00006364
  5. Ausschnitte eines Gräberfeldes der frühen Merowingerzeit. Abschlussbericht zur Rettungsgrabung (2023_0096) Heilbronn „Gasleitung Kraftwerk“
    Liebermann, Carmen 2024
    DOI: 10.11588/propylaeumdok.00006365

Inhaltliches Profil

In Bayern wie in Baden-Württemberg handelt es sich um die Berichte der Grabungsfirmen. Autor*innen sind die Grabungsleiter*innen und Mitarbeiter*innen der Grabungen vor Ort, ohne dass sich hier die Ämter mit eigenen Coautor*innen hineindrängen, wie das in anderen Bundesländern schon für erheblichen Ärger gesorgt hat (vgl. Zerres 2021). Vielleicht ist das nur der Tatsache geschuldet, das den neuen Reihen geringeres Renomée und Aufmerksamkeit zugebilligt wird als den etablierten?
Dokumente zur Archäologie
in Baden-Württemberg 2
  (Umschlag: LfD Bad.-Württ, CC BY-ND 4.0)



Die neuen Dokumente enthalten Informationen über die Umstände der Ausgrabungen. Sehr viele technische Daten zur Lage, zur Grabungstechnik und zur Dokumentation. In Fotos und Plänen werden die Befunde charakterisiert. Profilaufnahmen habe ich in keinem der bislang vorliegenden Dokumentationen gesehen. Es wird nicht die gesamte Grabungsdokumentation zur Verfügung gestellt, sondern nur ein Überblicksbericht.

Der Umgang mit dem Fundmaterial ist höchst unterschiedlich, mal gibt es einfache Fotos der Funde in situ, mal der unrestaurierten Einzelstücke, mal eine Tabelle mit kurzen Beschreibungen.

Mit den Dokumenten “Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Stuttgart-Feuerbach” und “Die Ausgrabungen in Arnstein im Bereich des Kreisverkehrs an der B 26” liegen zwei Berichte vor, in denen merowingerzeitliche Gräber behandelt werden und die sich daher gut miteinander vergleichen lassen.
 
 
Titel Baden-Württemberg Bayern

Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Stuttgart-Feuerbach Die Ausgrabungen in Arnstein im Bereich des Kreisverkehrs an der B 26
Erscheinungsjahr 2024 2024
Grabungsjahr 2022 2018
Layout Layout der Grabungsfirma,
einspaltig


einfaches zweispaltiges,
wahrscheinlich einheitliches Layout
Rechte CC BY SA Alle Rechte vorbehalten, frei zugänglich
Inhalt 1. Auf einen Blick
2. Inhalt
3. Zusatzinformationen
• Anlass der Grabung
• Veranlassung durch
• Durchführende Firma
• Fachaufsichtführende Behörde
• Vorangegangene Maßnahmen
• Absprachen mit Dritten
4. Vorbereitende Maßnahmen
• Prospektionen
• Vorbereitung der Grabungsfläche
• Einrichtung der Grabung
• Kontaktdaten der beteiligten Firmen
5. Quellenauswertung
• Archiv- und/oder Prospektionsunterlagen
• Karten (Urkataster), DGK
• andere relevante Karten
• Mündliche Überlieferungen
• Plan mit Darstellung historischer und aktueller Grundstücksgrenzen
6. Vermessung
• Übersichtspläne
• Angaben zum Umfang der Fläche
• Vermessungssystem und dessen Einbindung
• Angaben zu weiteren Vermessungen
7. Erläuterung des Maßnahmenablaufs
• Zeitraum
• Grabungstechnik
• Personal der Maßnahme
• Methoden, Bedingungen
• Ablauf der Maßnahme
• Rekultivierungsmaßnahmen der Fläche
8. Dokumentation
• Ablauf der Dokumentationsmaßnahme
• Angewendete Dokumentationstechnik
9. Naturwissenschaftliche Maßnahmen
• Beschreibung des Probenprogramms
• Nennung des Analyselabors sowie Beschreibung der Analysemethoden
• Beschreibung der Behandlung der Proben
10. Maßnahmen am Fundmaterial
• Blockbergungen
• Verwendung chemischer Mittel
• Bearbeitung
11. Ergebnisse
• Geografische Beschreibung
• Geologische/geomorphologische Beschreibung
• Zusammenfassende Beschreibung der wichtigsten Befunde und Funde
• Grab 01
• Grab 02
• Grab 03
• Grab 04
• Grab 05
• Grab 06
• Grab 07
• Große Grube
• Pfostengrube
• Moderne Befunde?
• Phasenpläne mit Befundnummern
• Erste zeitliche und räumliche Interpretation der Befunde und Funde
• Übersichtsplan mit den wichtigsten Befunden
• Rekonstruktionen
• Einarbeitung weiterer Berichte
12. Zusammenfassung der Ergebnisse
• Grabräubern auf der Spur
Information zur Einordnung der Grabungsergebnisse

Inhalt

Grabungsanlass

Wissenschaftlicher Vorbericht
• Topographie, Bodenverhältnisse
• Befunde und Funde
• Neolithikum
• Urnenfelderzeitliche Siedlung
• Eisenzeitliche Befunde
• Das merowingerzeitliche Gräberfeld

Fazit

Literatur

Zusammenfassung


Angaben zu einzelnen Gräbern Befundbeschreibung,
Funde kursorisch ohne Beschreibung und Fotos im Fließtext erwähnt
den Grabungsablauf beschreibend,
Funde im Fließtext erwähnt,selten abgebildet
Anhang • Übersichtsplan des Gesamtprojekts
• Gesamtplan der Grabung
• Übersichtsplan der wichtigsten Befunde
• Phasenplan
• Fundliste
keiner

Pan einspaltig im Text  
Graphikausführung
Plan als eingebundene Vektorgraphik
Plan als unscharfe, einspaltige Bildgraphik irgendwo im Text

Auffallend bei diesen beiden Publikationen ist der unterschiedliche Umgang mit weiterführenden Grabungsdaten. In den Ausgrabungen in Bayern (oder jedenfalls dem einen bisher vorliegenden Dokument) fehlt ein Anhang und der Grabungsplan ist einspaltig in den Text integriert. Dabei ist die Abbildung (Ber. Arnstein Abb. 13) als Bild und nicht etwa als Vektorgraphik eingefügt, was dem pdf-Leser das Vergrößern am Bildschirm erlaubt hätte.

Unterschiedlich ist auch der Umgang mit den Funden. Zwar sind sie sowohl in dem bayerischen als auch in dem baden-württembergischen Heft nur beiläufig im Text erwähnt, so findet sich in Baden-Württemberg im Anhang doch eine tabellarische Fundliste.

Auch wenn die Funde noch unrestauriert sind und abgesehen von den Übersichtsplänen genauere Befunddarstellungen wie beispielsweise Grabpläne - von Fotos einmal abgesehen - fehlen, sind diese Grabungsberichte fachlich gesehen sehr viel wertvoller als die gängigen Vorberichte in den populärwissenschaftliche Reihen der Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg oder dem Archäologischen Jahr in Bayern. Am Beispiel von Arnstein lässt sich dies sehr gut nachvollziehen, denn über diese Grabung liegt auch ein Bericht im Archäologischen Jahr in Bayern vor (Specht 2019). Dieser Kurzbericht liefert deutlich weniger Informationen, dafür aber spekulative Aussagen über eine Frankisierung von Westen her, die zwar wichtig sind, um der Leserschaft und den zahlenden Verursachern eine Vorstellung vom Erkenntnisgewinn zu geben, die aber eigentlich eine eingehende Auswertung voraus setzen. 

Durch die systematische Darstellung auch der Grabungsumstände, hinreichender Lokalisierungen und beispielsweise der Angabe der Grabungsgröße erlauben diese Berichte in der Tat eine erste Einschätzung zum Quellenwert und auch zur Quellenkritik. Es kann prinzipiell beurteilt werden, ob die entsprechende Grabung unter einer bestimmten Fragestellung von Relevanz ist und ob es sich lohnt, anhand der originalen Dokumentation und der archivierten Funde weiter zu forschen. Das ist in den Berichten der jeweiligen Jahrbücher oft nicht möglich und das war auch nicht bei den alten, leider fast überall aus Gründen ungenügender Finanz- und Personalkapazitäten eingestellten oder zurück gefahrenen Fundchroniken möglich.

Publikationsstrategie Bayern

In Bayern war mit der Einstellung der Fundchronik, die in den Bayerischen Vorgeschichtsblättern und dann, als deren Beihefte erschienen sind, versprochen worden, dass neue Strukturen sie künftig ersetzen würden (Sommer et al. 2011). Das ist fast zwei Jahrzehnte lang nicht passiert (letzte Fundchronik 2006 für 2003/4 erschienen), denn der BayernAtlas ist mit seinen Darstellungen der Bodendenkmäler wenig informativ. Die Reihe Ausgrabungen in Bayern ist hier ein erster Lichtblick, aber auch sie wird die alten Fundchroniken nicht ersetzen können, da einzelne Funde hier keinen Platz finden werden. Hier muss die Entwicklung weitergehen, um auch mit dem Problem der massenhaften, in ihren Fundumständen und -kontexten, meist leider nicht vertrauenswürdigen Sondengängerfunden umzugehen. Leider ist es so, dass deren Quantität den Mangel in der Qualität nicht ausgleichen kann, die Wissenschaft aber, diese Funde nicht ignorieren kann. Am ehesten wird man hier an eine online-Publikation in Form einer dynamischen Datenbank zu denken haben. Das britische Portable Antiquities Scheme (PAS) kann technisch, keinesfalls aber von der Organisation dahinter Vorbild sein (Schreg 2015).

Die Monographienreihe der Materialhefte zur Archäologie in Bayern hat jüngst vom Verlag Michael Lassleben zum Habelt-Verlag gewechselt, erscheint aber weiterhin nicht digital im Open Access. Obwohl Bayern die Fahne der Digitalisierung extrem weit hoch hält, sind weder die Berichte der Bayerischen Bodendenkmalpflege noch die (von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Archäologischen Staatssammlung und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege herausgegebenen) Bayerischen Vorgeschichtsblätter digital verfügbar.

Hier ist eine Weiterentwicklung der Publikationsstrategien dringend geboten.

Anders als in Baden-Württemberg gibt es in Bayern noch eine ganze Reihe weiterer Publikationsserien, die Grabungsberichte und archäologische Forschungen vorlegen. Sie sind stärker regional orientiert und sind damit wahrscheinlich prinzipiell bürgernäher als die landesweiten Reihen, doch scheint ihnen eine nachhaltige Struktur zu fehlen, wie die zum Teil sehr unregelmäßige Erscheinungsweise zeigt, die sich auch darin spiegelt, dass z.T. schon lange kein neuer Band erschienen ist. Gemeint sind folgende die im Verlag Dr. Faustus unter Beteiligung der Außenstellen des BLfD erscheinenden Reihen:
  • Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands - umfasst theoretisch auch Baden-Württemberg, doch ist dies deutlich unterrepräsentiert
  • Materialien zur Archäologie in der Oberpfalz (zuletzt 2015)
  • Beiträge zur Archäologie in der Oberpfalz und in Regensburg (zuletzt 2020)
  • Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken (zuletzt 2019)
  • Beiträge zur Archäologie in Niederbayern (von Zeitschriftenbänden zu Monographien mutiert, zuletzt 2018)
  • Beiträge zur Archäologie in Ober- und Unterfranken (zuletzt 2023)
Keine davon ist online verfügbar.

Publikationsstrategie Baden-Württemberg

Demgegenüber ist Baden-Württemberg schon entscheidend weiter.  Nachdem vor acht Jahren die Publikationsreihen neu strukturiert wurden, sind in Kooperation mit Propylaeum bereits einige Bände im Volltext online zugänglich.
Noch 2024 soll eine weitere Reihe an den Start gehen, die “Materialien zur Archäologie in Baden-Württemberg”, die ebenfalls der Veröffentlichung von Ausgrabungsergebnissen der baden-württembergischen Landesarchäologie dienen sollen.
Damit würden sich in Baden-Württemberg drei Stufen an Publikationen ergeben, die durch zwei Zeitschriften und eine populärwissenschaftliche Reihe ergänzt werden:

Reihe Publikationsweise Inhalt Bemerkung
Forschungen und
Berichte zur Archäologie
in Baden-Württemberg
Buchpublikation mit
Festeinband

Moving Wall von 2 Jahren
digital im "Open Access"
(unterschiedlich lizenziert:
Freier Zugang – alle Rechte
vorbehalten oder auch mal
CC BY SA 4.0)
umfassende wissenschaftliche
Auswertungen
die versprochene
Bereitstellung nach zwei
Jahren ist nicht gegeben
Materialien zur
Archäologie in
Baden-Württemberg
“frei und ohne
Karenzzeit
zugängliches Online-Format”
(Lizenzierung bisher unklar)
möglichst zeitnahe Bereitstellung von Katalogwerken und Materialeditionen noch kein Band erschienen
Dokumente zur
Archäologie in
Baden-Württemberg
digital,
"Open Access"
bislang alle
CC BY SA 4.0
Grabungsberichte
Fundberichte aus
Baden-Württemberg
Buchpublikation mit
Moving Wall von 1 Jahr
digital im "Open Access" (ist jedoch nur Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten)
wissenschaftliche Aufsätze in unregelmäßiger
Folge mit sehr zufälliger
Fundchronik
Archäologische
Ausgrabungen in
Baden-Württemberg
kartonierte
Buchpublikation


Jahrbuch
populärwiss. Vorberichte
Archäologische
Informationen aus
Baden-Württemberg
kleinformatige kartonierte Buchpublikation

irgendwann
digital im "Open Access"
(unterschiedlich lizenziert: Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten oder auch mal
CC BY SA 4.0)
regionale Themen der archäologischen Denkmalpflege
vorwiegend populärwiss. ausgerichtet.
Begleitbände zu Ausstellungen,
stärker fachlich orientierte Veröffentlichungen wie Berichte zu wissenschaftlichen Tagungen


Wie sich das Verhältnis der neuen Dokumente-Reihe zu den Berichten in dem Jahrbuch der “Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg” und in den Fundberichten aus Baden-Württemberg gestalten wird, wird wohl abzuwarten sein. Auffallend ist, dass keine der nun in den Dokumenten vorgelegten Ausgrabungen in den “Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg” aufscheint, obwohl dort doch angeblich “zu fast allen Grabungen kurze Aufsätze veröffentlicht” würden (Krausse 2024, 6). Nach dem erschreckenden Ende der WBG werden die Archäologischen Ausgrabungen nun im Selbstverlag direkt von der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie in Baden vertrieben. Von einer 2023 mit einer Mitgliederbefragung in der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern ins Spiel gebrachten digitalen Publikation ist allerdings nicht mehr die Rede. 

Die Lizenzierung der Einzelbände in den Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg ist nicht einheitlich, da sie teilweise mit CC-Lizenz auftreten, teils aber alle Rechte vorbehalten sind - was kein Open Access ist.

Fazit

Die neuen Reihen sind zu begrüßen!

Eine rasche Einsicht in aktuelle Grabungen ist für die Forschung aber auch für das Bild der Archäologie in der Öffentlichkeit essentiell. Gerade in Zeiten der kommerziellen Archäologie und des Verursacherprinzips ist es wichtig, den zahlenden Verursachern auch ein öffentlich sichtbares Ergebnis zu präsentieren.

Deutlich ist auch, dass nicht mehr jede Grabung standardmäßig in der klassischen Auswertung vorgelegt werden kann - und dies auch nicht mehr muß. Viele Forschungsfragen sind geklärt und nicht jedes merowingerzeitliche Gräberfeld muss nach dem aus den 1940er Jahren stammenden Muster erneut Typologie und Chronologie der Beigaben untersuchen. Ihre Bedeutung liegt nun vorwiegend in der Landes- und Lokalgeschichte sowie in neuen primär sozialarchäologischen Fragestellungen, wo neue naturwissenschaftliche Methoden ebenso von Bedeutung sind, wie serielle, vergleichende Massenauswertungen, die nicht mehr unbedingt an einzelnen Fundstellen ansetzen.

Auch das bisherige Konzept der Landesarchäologien, die Bearbeitungen über universitäre Abschlußarbeiten vornehmen zu lassen und den Druck und ein Stipendium oder bestenfalls eine befristete Teilzeitstelle zu finanzieren, geht nicht mehr auf. Tausenden von denkmalpflegerischen Maßnahmen in Deutschland pro Jahr stehen gerade mal etwa 200 Abschlußarbeiten gegenüber, die Material und Ausgrabungen bearbeiten. Zudem erscheint gerade die Auswertung und historische Einordnung einer Ausgrabung, die wissenschaftlichen und nicht rein deskriptiven Anspruch hat, als eine der schwierigsten wissenschaftlichen Aufgaben in der Archäologie zu sein, die wir bisher systematisch an die unerfahrensten Kolleg*innen delegiert haben.

Hier wird man an einem System nicht vorbei kommen, das festangestellte Grabungsbearbeiter*innen vorsieht, was am ehesten über eine Einbeziehung in das Verursacherprinzip zu leisten ist - was inhaltlich völlig korrekt wäre, nur juristisch vielleicht schwierig und politisch wohl kaum gewollt sein dürfte.

Hier wird das gestaffelte System in Baden-Württemberg interessant - reine Grabungsberichte, Materialeditionen und schließlich “Forschungen und Berichte”. Vielleicht ist im Titel der letztgenannten Reihe das “Berichte” nun redundant.

Die neuen digitalen Grabungsberichte machen aber auch klar, dass die Digitalisierung für die Ämter eine Aufgabe ist, in die wenig konzeptionelles und strategisches Denken investiert wurde. Diese These begründe ich damit, dass ganz offensichtlich weiterhin in klassischen Papierformaten gedacht wird, die nun eben als pdf statt auf Papier erscheinen.

In einer rein digitalen Publikation ist es völlig unnötig wie in dem bayerischen Dokument zwischen linken und rechten Seiten zu unterscheiden oder gar Leerseiten einzufügen. Auch Pläne einspaltig als Pixelgraphik einzufügen, denkt hier die digitalen Möglichkeiten in keiner Weise mit. War früher das Papierformat eine Entschuldigung, Pläne lieber klein als gar nicht abzudrucken (wobei man bei guter Druckqualität wenigstens eine Lupe benutzen konnte), führt das im digitalen Format zur Unbrauchbarkeit der Abbildung. Mit einer vektorbasierten Graphik wäre das Problem behoben. Die Pläne im baden-württembergischen Dokument sind diesbezüglich vorbildlich. Hier lässt sich gut heranzoomen.

Indes stellt sich auch die Frage, wie man mit Tabellen umzugehen hat. Die Fundliste im baden-württembergischen Bericht lässt sich relativ leicht mit copy&paste exportieren, das ist aber nicht spaltenhaltig und erschwert eine Weiterbearbeitung der Daten. Wäre es nicht sinnvoller hier anstelle eines pdf gleich die Tabelle zu publizieren? Die Zukunft liegt vielleicht nicht allein in pdfs, sondern in einer Forschungsdateninfrastruktur, die auch Pläne, Listen und Fotos in passenden, offenen digitalen Formaten bereit hält.

Zuletzt wäre zu begrüßen, wenn durchgängig CC BY SA-Lizenzen benutzt würden. Nur das verdient den Begriff OpenAccess.

Literatur

  • Krausse 2024: D. Krausse, Vorwort. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2023 (2024), 5-6 
  • Schreg 2015: R. Schreg, Das Portable Antiquities Scheme als Vorbild? Anmerkungen zum Beitrag von Christoph Huth, Arch. Inf. 36, 2013. Arch. Inf. 38, 2015, 317-322. - DOI: https://doi.org/10.11588/ai.2015.1.26196
  • Sommer et al. 2011: C. S. Sommer / J. Haberstroh / W. Irlinger, Die Fundchronik für Bayern - "Abgesang" auf ein ambivalentes Produkt der Bodendenkmalpflege. Ber. Bayer. Bodendenkmalpfl. 52, 2011, 9–17.
  • Specht 2019: O. Specht, Wiederentdeckung am Kreisverkehr: das frühmittelalterliche Gräberfeld von Arnstein. Das archäologische Jahr in Bayern 2018 (2019), 106-109. 
  • Zerres 2021: J. Zerres, Nutzungs- und Publikationsrechte an Grabungsdokumentationen – eine Übersicht zu den Regelungen der Denkmalpflegeämter in Deutschland. Arch. Inf. 44, 2021, 65-70. - DOI: https://doi.org/10.11588/ai.2021.1.89124

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Samstag, 26. Oktober 2024

Hilfe erbeten! Wer kennt Töpfer- bzw. Hafnerschienen oder deren Abbildungen?

Töpfer- oder Hafnerschienen dienen dem Töpfer dazu, aus dem  noch feuchten Ton Formen zu präparieren oder Oberflächen zu gestalten. Heute dienen Spatel, Messer oder Schlaufen dazu.

Bis ins 19. Jahrhundert hatten sie aber häufig eine spezifische Form, die geradezu zum Symbol des Töpferhandwerks wurde. Hergestellt waren Töpferschienen aus Holz oder Kupfer - was erklärt, warum sie so selten überliefert sind: sie sind verrottet, verbrannt oder als Altmetall recycelt. Originale gibt es nur wenige, einige wenige Stücke sind museal überliefert, noch weniger sind als archäologische Funde bekannt.

Eine Bezeichnung, mit der Töpferschienen in schriftlichen Quellen identifizierbar wären, scheint nicht bekannt zu sein. Daher kommt Bildquellen eine besondere Bedeutung zu. Aber auch diese sind rar.  Wir kennen nur wenige frühneuzeitliche Töpfereidarstellungen, auf denen Töpferschienen dargestellt sind. In Prag und in Brünn sind die Hafnerschienen als Zunftzeichen zu verstehen. Sie waren wohl auch auf der Zunftlade in Brünn dargestellt, wie eine Abbildung derselben von 1777 nahe legt.

Meist handelt es sich um schematische Abbildungen von Töpferschienen als Symbol des Handwerks. etwa auf Grabsteinen, als Hauszeichen möglicherweise von Töpfereien. Sie kommen aber auch an Orten die man eher als "Kraftorte" bezeichnen möchte, also beispielsweise an Wetterkreuzen oder, exponierten Felsformationen. Die bisher bekannten Beispiele fallen in den Zeitraum von frühen 16. bis frühes 19. Jahrhundert.

Buchen, Bildstock auf der Walldürner Höhe
Screenshot 3DScan




Neustadt an der Weinstraße, Bergstein
(Foto: R. Schreg 2024)


 
Dieburg, St. Maria/Gnadenkapelle
(Foto: R. Schreg 2023)


Der Forschungsstand hierzu ist allerdings nicht besonders gut, da es im Wesentlichen der Chemiker und Experte für Handwerkszeichen und Kleindenkmale Karl Friedrich Azzola war, der sich mit dieser Thematik befasst hat. Aus seiner Feder gibt es zahlreiche Publikationen, meist in lokalen Geschichtsblättern publiziert, die einzelne solcher Darstellungen in den Mittelpunkt stellen. Da er im Rhein-Main-Gebiet ansässig war, decken die bekannten Beispiele die Weinstraße, Rheinhessen, den Odenwald und den mittleren Main ab. Vereinzelte Belege darüber hinaus deuten an, dass dieses Verbreitungsbild ein Artefakt der Forschung ist.

 

provisorische Kartierung der Hafnerschienen
(Graphik R. Schreg, Kartenbasis: SRTM)


Da wir jüngst nahe einer spätmittelalterlichen Töpferei eine weitere Darstellung einer Hafnerschiene identifiziert haben, suche ich nun nach weiteren Beispiele, um den Neufund besser einordnen zu können. Wichtig sind mir Anhaltspunkte, die die bisherige Datierungsspanne von 16.-18. Jh. verifizieren oder auch falsifizieren können. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine Datierung vor 1500 möglich wäre. Zudem gilt es aber, die Verbreitung breiter abzusichern.

Wer kann mir Hinweise geben? Wer hat so eine Töpferschiene oder eben eine Abbildung gesehen?

Hinweise bitte an rainer.schreg[at]uni-bamberg.de oder hier in die Kommentare

Literaturhinweise

  • Azzola 1984: F. K. Azzola, Die Schere als Handwerkszeichen auf Grabsteinen und Steinkreuzen in Hessen. Das Kleindenkmal 8/12, 1984, 160–168.
  • Heege 2021: A. Heege Winterthurer Schätze der Hafner Graf und Pfau (Andreas Heege) Revue. Keramikfreunde der Schweiz 135, 2021, 7-36
  • Stadler 1992: H. Stadler, Neufunde aus der Lienzer Hafnerei Zimmermann -Troger -Ganzer. Osttiroler Heimatblätter 60/3, 1992, 1-3. - https://www.osttirol-online.at/4eb3c0c09b5b8/1992-60-3.pdf


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G
M
T
Y
Die Sound-Funktion ist auf 200 Zeichen begrenzt

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Die Kunstretter

 Der Deutschlandfunk hält einen sechsteiligen Podcast zum Schicksaldes Kulturguts inder Ukraine bereit.

Folgen

Einführungen  

interner Link

Blogposts auf Archaeologik zu Putins Krieg gegen die Ukraine

 

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Die Musealisierung des Kriegs

Noch während der russische Eroberungskrieg fortgesetzt wird, beginnen russische Museen Objekte der "Spezialoperation" zu sammeln, musealisieren und auszustellen. Das Spektrum der Objekte ähnelt sehr dem Fundspektrum, das die Archäologie der Moderne an Plätzen der NS-Zeit findet und ebenso ausstellt. 

Erst eine genaue Kenntnis der Auffindungssituationen erlaubt eine Interpretation als Täter-  oder Opferfunde. Dann kommt es aber auch auf das Narrativ an, das kritisch zu hinterfragen ist. Für die Museen existieren laut dem russischen Exilmedium Mediazone Anweisungen, wie die Objekte zu inszenieren seien, um Ukrainer als Nazis und Drogensüchtige, die Russen als Opfer darzustellen.

Involviert ist die Stiftung My History, die auch für den Geschichtsfantasypark in Cherson verantwortlich ist.

 

interner Link



 

 

Samstag, 19. Oktober 2024

Blickpunkt Archäologie erscheint digital

Die durchaus schöne, aber bislang wenig erfolgreiche Zeitschrift Blickpunkt Archäologie des Deutschen Verbands für Archäologie (DVA) erscheint nun digital - via Propylaeum-ejournals

Das ist gut, denn die Beiträge zu aktuellen Themen waren in der Totholz-Variante weitgehend ohne Resonanz. Das ändert sich nun hoffentlich, da die Zeitschrift regelmäßig wichtige Themen behandelt, die oft wissenschafts- und fachpolitisch von Bedeutung sind, und über den kleinen Abonnentenkreis hinaus wahrgenommen werden sollten.

Genannt sei hier aus dem ersten und aktuellen Heft neben dem Themenschwerpunkt Archäologische Landesaufnahme vor allem der Beitrag von Harald Meller zu den Streichungen archäologischer Studiengänge:

Es zeichnet sich ab, dass die Streichungsrunde auch nach Leipzig und Frankfurt weiter gehen wird. Dazu ist es wichtig, solche Positionierungen gerade auch von nicht primär universitären Kolleg*innen greifbar zu haben - und zwar leicht teilbar und verlinkbar, nicht versteckt in Buchregalen und Bibliotheksmagazinen.

Die Online-Publikation ermöglicht es, auch digitale Quellen direkt zu verlinken. So kommt man von Harald Mellers Artikel auch gleich zu den aktuellen Studierendenzahlen bei der DGUF (wenn auch mit dem nur temporären funktionierenden Link auf das EarlyView).

Dennoch scheint im neuen Blickpunkt die Digitalisierung nicht ganz mitgedacht. Das zeigt sich vor allem darin, dass die pdfs der einzelnen Artikel auf deren ersten Seite gar keinen Hinweis auf Zeitschrift und Band haben, in denen sie erschienen sind. Das war eigentlich schon seit Erfindung des Xerox-Kopierers in den 1960er Jahren gute (wenn auch nicht immer ästhetisch gestaltete) Praxis. Die Vorgängerzeitschrift des alten Blickpunkt Archäologie, das "Archäologische Nachrichtenblatt" und dessen Vorgänger, die in der DDR erschienenen "Ausgrabungen und Funde" waren da bereits fortschrittlicher...

Obwohl die Herausgeber mit einer Rücksetzung der Jahrgangszählung auf 1 eine Zäsur markieren, bleibt der Name der Zeitschrift genau gleich (und die Website der Zeitschrift beim DVA ist auch eins). Es gibt nun also die Zeitschrift Blickpunkt Archäologie 1, 2024 und Blickpunkt Archäologie 1, 2013. Verwirrung wird in Kauf genommen und eine wünschenswerte Retro-Digitalisierung wird damit auch nicht einfacher. Eine Zeitschrift, die von vorn herein online erscheint, könnte auch die doi auf das pdf bringen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Erhöhung der Reichweite der Zeitschrift und ihrer Inhalte - und genau das wünscht man sich doch für den Blickpunkt Archäologie...