Dienstag, 4. März 2025

What have the Romans ever done for us? Uns glücklich gemacht!?

  • M. Obschonka / F. Wahl / M. Fritsch / M. Wyrwich / P. J. Rentfrow / J. Potter / S. D. Gosling, Roma Eterna? Roman rule explains regional well-being divides in Germany. Current Research in Ecological and Social Psychology 8, 2025, 100214 /1-17. - https://doi.org/10.1016/j.cresp.2025.100214

Die Studie in einer psychologischen Fachzeitschrift - der das Monty-Python-Zitat voran gestellt ist - stellt fest, "dass Regionen, die von der römischen Zivilisation entwickelt wurden, heute adaptivere Persönlichkeitsmuster (Big Five) und ein besseres Gesundheits- und psychisches Wohlbefinden aufweisen. Die Ergebnisse einer räumlichen Regressionsdiskontinuitätsdesign zeigen einen signifikanten Effekt der römischen Grenze auf die heutigen regionalen Variation dieser Ergebnisse. Zusätzliche Analysen legen nahe, dass römische Investitionen in Wirtschaftsinstitutionen (z. B. Handelsinfrastruktur wie römische Straßen, Märkte und Minen) entscheidend für die Schaffung dieser langfristigen Wirkung waren." (Abstract)

Diese Korrelation wird auch kartographisch dargestellt, wobei die betreffenden Karten nur die "beiden stärksten Wirkungen des römischen Erbes (auf Neurotik und Lebenserwartung) " zeigt. Laut Abbildungslegende sollen die "Karten zeigen, dass die historische römische Grenzmauer die heutige Deutschland immer noch „trennt“, insbesondere in Bezug auf die psychologischen und gesundheitlichen Ergebnisse."  Für besonders eindrucksvoll und überzeugend halte ich diese Kartierung nicht. Allerdings argumentieren die Autoren mit statistischen Korrelationen, die sie als Gegenprobe auch für zahlreiche andere räumliche Daten vorgenommen haben.

 

fig. 3 der Studie: Neurotizismus und Lebenserwartung in Deutschlands mit dem römischen Limes.
(nach Obschonka 2025, CC BY NC ND 4.0)

 
Letztlich scheint dies eine Schrotflintenmethode, bei der irgendwann ein Treffer passen wird.  Das kann man so machen, aber weitergehende Rückschlüsse sind darauf kaum aufzubauen. Statistisch signifikant ist nicht gleichbedeutend mit historisch valide. Man müsste erklären können, wie diese Daten historisch zu korrelieren sind. Die Autoren haben dazu drei Hypothesen, die vereinfacht darauf herauslaufen, dass die Relikte römischer Infrastruktur bis heute besere Lebensverhältnisse bedingen. 
Letztlich hangeln sich die Autoren von Hypothese zu Hypothese. Als Hypothese 1 formulieren sie, dass die römische Herrschaft innerhalb des Limes mit den heutigen adaptiven Persönlichkeitsmerkmalen, mit besserer Gesundheit und Wohlbefinden verbunden. sei.  Hypothese 2 nimmt darauf hin an, die römische wirtschaftliche Infrastruktur seit mit den heutigen adaptiven Persönlichkeitsmerkmalen sowie den damit verbundenen Gesundheits- und Wohlbefindensergebnissen verbunden. Sie postulieren dabei, dass es die römischen Wirtschaftsinfrastrukturen gewesen seien, die zur Entstehung und Persistenz adaptiverer makropsychologischer Muster führte. Sie argumentieren mit dem römischen Straßensnetz und den Absatzgebieten römischer Keramik.  Hypothese 3 macht eine Annahme zu der Frage, warum genau die regionalen Unterschiede in adaptiven makropsychologischen Merkmalen den Limesfall überstanden und bis heute präsent seien. Hypothese 3 lautet indes nur" "Die regionale Variation des wirtschaftlichen Wohlstands im modernen Deutschland vermittelt die Auswirkung der römischen Herrschaft auf die heutigen adaptiven Persönlichkeitsmerkmale sowie die damit verbundenen Ergebnisse für Gesundheit und Wohlbefinden. " Der Text sieht Pfadabhängigkeiten, präzisiert diee aber nicht. Wir sehen heute, dass der Limes in der Tat auch das jüngere Siedlungsbild beeinflusst hat, etwa wenn die Verbreitung merowingerzeitlicher Gräberfelder immer noch das Limesgebiet nachzeichnet. Dennoch bleibt zu erklären, warum das Mittelalter und die Neuzeit dies nicht überprägt haben sollen, trotz zahlreicher Migrationen und einer Urbanisierungsphase, die keine Rücksicht mehr auf den alten Limes nimmt.
 
Übrigens, statistisch nicht abgesichert, aber optisch überzeugender ist ein Vergleich der Karte der Lebensserwartung mit dem Ausländeranteil in Deutschland (abrufbar bei https://regionalatlas.statistikportal.de/). Auch hier muss man die Zusammenhänge erklären, aber es müssen keine 1700 Jahre überbrückt werden.
 
Die Autoren weisen darauf hin, dass die psychologische Forschung sich in den vergangenen Jahren verstärkt historischen Analysen zugewandt hätte, um die Wurzeln regionaler Ungleichheiten bei adaptiven Ergebnissen wie Gesundheit, Wohlbefinden und verwandten Persönlichkeitsmerkmalen zu untersuchen. Eine Schlußfolgerung der aktuellen Studie: "Zusammen zeigen diese Ergebnisse, wie alte Kulturen ein makro-psychologisches Erbe beeindruckt können, das zu regionalen Ungleichheiten der heutigen täglichen beiträgt."  Das gibt die Studie aber nicht her, den hier fehlt es an einer passenden Methodik einer zeitübergreifenden Korrelation, die nicht ohne eine klare Vorstellung über die zwischenzeitliche Entwicklung auskommen kann. Die historische Perspektive der Psychologie braucht hier dringend eine bessere Methode.
 

Letztlich bleibt der Eindruck, dass hier schon wieder ein Versuch vorliegt, die eigenen Daten durch einen gekünstelten Römer-Bezug aufzuwerten (vgl. Die „blöden Römer“ - Köder für Medien und Publikum? Archaeologik 19.1.2025)

 

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Montag, 3. März 2025

Oscar verpasst

Für den Oscar als Beste Dokumentation  war auch  "Sugarcane" nominiert, ging nun aber leer aus. 

Der Film  handelt über die Nachforschungen in der kanadischen Residental School St. Joseph's Mission. Vor Jahren begannen hier die Untersuchungen mit Hilfe geophysikalischer Prospektion, mit denen mehrere Gräber lokalisiert wurden. In diesen Schulen sollten indigene Kinder "zivilisiert" werden, tatsächlich wurden sie vielfach vernachlässigt, mißbraucht und teilweise auch ermordet.

In Zeiten, in denen in den USA sich ein autokratisches Regime etabliert, das DEI-Themen unterdückt und der Wahnsinn Politik macht, ist es bemerkenswert, dass der Film mit einer indigenen Perspektive überhaupt noch nominiert wurde. Das war allerings noch vor dem Amtsantritt von POTUS Trump. Haben die Oscar-Feierlichkeiten in der Vergangenheit immer wieder als Plattform für politische Statementsgedient, so war es dieses Jahr offenbar vergleichsweise unpolitisch. Die Kulturschaffenden kuschen und werden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht.

Die Forschungen an den Residental Schools in Kanada sind ein gutes Beispiel, das die Bedeutung der Archäologie der Moderne für die Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit zeigt. Schade, dass es dafür nicht die Aufmerksamkeit eines Oscars gab.

Schüler*innen der Fort Albany Residential School unter Aufsicht einer Nonne, um 1945.
(Foto: Edmund Metatawabin collection at the University of Algoma [gemeinfrei] via WikimediaCommons)
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Freitag, 28. Februar 2025

Feldforschung des Great Viking Survey

Klischee-Wikinger in der Vorstellung von KI
(Bild: mit ideogram.ai)

Die Universität Oslo hat vor kurzem den Great Viking Survey gestarte, eine breit angelegte Studie, um zu untersuchen, wie Menschen auf der ganzen Welt die Wikinger wahrnehmen und mit ihrer Geschichte und Kultur umgehen. Es sollen die unterschiedlichen Arten dargestellt werden, wie moderne Medien und Wissenschaft diese Bilder schildet. Diese online-Umfrage lädt alle Erwachsenen ein, ihre Gedanken über die legendäre Figur des Wikinger-Kriegers und das bleibende Vermächtnis der und die Erinnerung an die Wikinger in der modernen Welt zu teilen. Damit können die Wissenschaftler genau beleuchten, welche Mittel und Mechanismen es ermöglichen, Bilder und Mythen der Wikinger zu formen und in der öffentlichkeit. zu verbreiten.



Die Umfrage ist Teil des " Making a Warrior-project" ein skandinavisches Netzwerk von Wissenschaftlern, das sich für das Konzept des wikingischen Kriegertums und dessen historischen und aktuellen Darstellungen interessiert. Durch eine Differenzierung der Wikingerbilder verschiedener Gruppen und Gemeinschaften erlaubt es das Projekt künftiger Öffentlichkeitsarbeit und Kulturerbe-Initiativen Iformationen zu den Interessen der Öffentlichkeit bereit zu stellen und so ein differenziertes Bild der Wikingerzeit zu fördern.


Auf vikingsurvey.org ist die Umfrage bis Mitte Mai 2025 zugänglich.


Donnerstag, 27. Februar 2025

Forschungsfreiheit in den USA #DefendResearch

In den USA formiert sich zögerlich der Widerstand gegen die Eingriffe der US-Regierung in die Wissenschaftsfreiheit.

Als Reaktion auf die "alarmierende Einschränkung der akademischen Meinungs- und Forschungsfreiheit" haben eine Handvoll Wissenschaftler*innen die Declaration To Defend Research Against U.S. Government Censorship verfasst, die zur Unterschrift offen steht. Sie wendet sich an die Mitglieder der weltweiten wissenschaftlichen Kommunikationsökosysteme – Forscher, politische Entscheidungsträger, wissenschaftliche Gesellschaften, Bibliotheken, Hochschul- und Forschungseinrichtungen, Verleger, Geldgeber und andere.

Auf einer konservativen Website ist eine "DEI Watch List" online, die namentlich Wissenschaftler aös "Ziele" ("targets") aufführt, die sich gegen die DEI-Richtlinien von Trump & his Admins ausgesprochen haben, Black Lives Matter unterstützen oder einfach gendersensibel online das Pronomen benennen, mit dem sie angesprochen werden wollen. Zahlreiche Wissenschaftler sehen das als persönliche Bedrohung und Einschüchterung. 

u.a.:

Das sind Methoden der Mafia und autokratischer Systeme. 

 

Ein Artikel in der britischen medizinischen Zeitschrift theBMJ weißt darauf hin, dass die Trump-Administration von staatlich bediensteten Wissenschaftlern verlangt hat, Artikel zurückzuziehen, die nicht zu dem Trumpisten-Weltbild passen. Sie fordert die Herausgeber von Wissenschaftszeitschriften in der Medizin auf, sich dieser Einflußnahme zu widersetzen.


Links

Donald Trump und die
geschlachteten Hunde und Katzen:
KI-generiertes Symbolbild
(Craiyon)


 

Freitag, 21. Februar 2025

Der Teil der Geschichte, der verschwiegen oder verborgen werden sollte

Mitschnitt eines Vortrags an der FU Berlin, der einen wichtigen Aspekt der Archäologie der Moderne aufzeigt.