Freitag, 27. Juni 2025

Zwischen Maßhalten und Massaker – Die Trierer Marc-Aurel-Ausstellung

Jutta Zerres 

Am 15.06.2025 eröffnete erneut eine große Sonderausstellung des Landes Rheinland-Pfalz ihre Pforten. Nach „Konstantin der Große“ (2007), „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ (2016), „Der Untergang des Römischen Reiches“ (2022) (und der großen Ausstellung anlässlich des runden Geburtstages von Karl Marx 2018) steht nun wieder eine römische Herrscherpersönlichkeit im Zentrum der Betrachtung.

 

Marc Aurel – Kaiser, Feldherr, Philosoph im Landesmuseum

Das Konzept der zweiteiligen Schau folgt dem bewährten Schema: Das Landesmuseum beleuchtet brav chronologisch geordnet die Biographie (und sollte deshalb zuerst besucht werden) und das Stadtmuseum Simeonstift befasst sich mit Rezeptionsgeschichte. Anders als bei vergangenen Landesschauen ist das Dommuseum dieses Mal nicht beteiligt (warum eigentlich?). Das Verhältnis von Stoischer Philosophie und Christentum, geprägt von Gegensätzen und wenigen Berührungspunkten, hätte m. E. ein  interessantes Thema für eine Beteiligung des Hauses an der Landesausstellung bilden können. Dafür steuert die Stadtbibliothek einen kleinen Beitrag hinzu.

Die Trierer selbst haben die Messlatte hoch angesetzt, denn schließlich waren die früheren Schauen Publikumsmagneten, die nicht nur Museumskassen klingeln ließen, sondern auch die der gesamten regionalen Tourismusbranche.

Man wird nicht enttäuscht: 400 Objekte, darunter zahlreiche Leihgaben aus 117 internationalen Museen, beispielsweise dem Louvre, dem British Museum London oder den Vatikanischen Museen werden präsentiert. Eingebettet in eine kulissenhaft inszenierte Ausstellungslandschaft erzählen sie von Marc Aurels Herkunft, seiner Jugend- und Thronfolgerzeit, seinen philosophischen Neigungen, seinem Umfeld und seinen Herrscherjahren. Digitale Stationen illustrieren und vertiefen das jeweilige Thema.

Das Ganze spielte sich ab in einer Zeit, die als die Blüte des Römischen Reiches gilt. Die Ausdehung des Machtraumes ist auf dem Höhepunkt, mehrere Jahrzehnte währt Frieden, die Wirtschaft floriert.

Einzig das Auftreten der „Antoninischen Pest“ bereitet mancherorts Sorgen. Um welche Krankheit es sich konkret handelte, ist unbekannt. Erst in der späten Regierungszeit Marc Aurels kommt es zu einer Kette militärischer Auseinandersetzungen mit Barbarenstämmen an den Rändern des Reiches, gewissermaßen als leise Vorboten für den Niedergang im folgenden Jahrhundert.


Gegensätze sind das Salz in der Suppe

Da ist der feinsinnige Philosophenkaiser, der seine von der Stoa geprägten Ansichten über eine gute Lebensführung in griechische Sätze zu gießen weiß, darunter Aussagen wie diese: „Bleibe ein einfacher, guter Mensch, integer, ernsthaft, schlicht, ein Freund der Gerechtigkeit, gottesfürchtig, wohlwollend, liebevoll und standhaft in der Erfüllung deiner Pflichten.“ Sein Schreibtisch steht währenddessen in Militärcamps an der Donau, in deren Umfeld sich die gesamte Grausamkeit des Krieges entfaltet. Prägnant wird dieses durch vergrößerte Ausschnitte von Reliefs der Marcus-Säule, prominente Bildquelle zu den Markomannenkriege, illustriert: Barbarische Krieger in römischen Diensten enthaupten gefangene Barbaren, eine Germanin mit Kind wird an den Haaren fortgezerrt.

Eines wird klar: In der Wahrnehmung der Zeitgenossen galt Marc Aurel als tatkräftiger und pflichtbewusster Staatsmann und erfolgreicher Feldherr. Militärische Führungsstärke gehörte zur Stellenbeschreibung eines römischen Kaisers, Philosophie hingegen nicht. Diese mag so mancher Mann und so manche Frau des einfachen Volkes eher als nerdige Freizeitbeschäftigung der upper class angesehen haben.

 

Selbstbestrachtungen des Marc Aurel 
(Ausgabe des Artemis Verlags 1951, Foto: R. Schreg)

Was ist gute Herrschaft? Die Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift

Das Werk, das unsere moderne Sicht auf Marc Aurel prägt, die „Selbstbetrachtungen“, bildet den Konnex zu dem zweiten Teil der Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift. Der Autor hatte es wohl zu privaten Zwecken geschrieben und nie eine Veröffentlichung intendiert - die Schrift dürfte also bestenfalls nur einem sehr kleinen Kreis im Umfeld des Kaisers bekannt gewesen sein. Dieses einzigartige Selbstzeugnis eines antiken Menschen enthält den Entwurf des idealen Mindsets eines Herrschers. Die Karriere der Schrift in der Geistesgeschichte begann erst mit der Wiederentdeckung im 16. Jahrhundert. Denker und Politiker von Machiavelli bis Helmut Schmidt outen sich als Fans. In Zitate verhackstückt findet es heute Eingang in die Popkultur und begegnet uns etwa in Form von Kalendersprüchen oder Merksätzen für Führungskräfteseminare, quasi als westliches Pendant zu fernöstlichen Gelassenheitsweisheiten.
Die Ausstellung verlässt dann allerdings Marc Aurel und weitet die Perspektive auf die zeitlose Frage, was ein guter Herrscher bzw. eine gute Herrschaft sei. Kunstwerke illustrieren die unterschiedlichen Antworten, die seit der Antike gegeben wurden. Somit schlägt der letzte Teil der Ausstellung im Simeonstift die Brücke zurück in die Gegenwart.


Fazit

Der Fall Marc Aurel ist ein Lehrstück für die zeitbedingte Geschichtsdeutung und dieser Aspekt hätte im Rahmen der Ausstellung m. E. eine etwas weitergehende Betrachtung verdient. Trotz dieses kleinen Verbessungsvorschlags möchte ich einen Besuch der Ausstellung dringend empfehlen, noch bis zum 23.11.2025 ist Zeit dafür.


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Freitag, 20. Juni 2025

Die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes

Am 22. Mai 2025 wurde im deutschen Bundetstag eine Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes beraten. In den Medien hat das kaum Interesse gefunden, denn hier herrscht seltene Übereinstimmung aller Parteien. Auf den Websiten des Deutschen Bundestags lassen sich die Debatten und Gesetzesentwürfe aber nachvollziehen.

Der Gesetzesentwurf geht in die Zeit der Ampel-Koalition zurück. Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimar hat das bereits von seiner Vorgängerin Claudia Roth angestoßene Novellierungsverfahren rasch fortgesetzt.

2016 wurde das Kulturgutschutzgesetz beschlossen und 2022 im Wesentlichen positiv evaluiert. In der aktuellen Debatte sprechen sich alle Redner*innen ungwöhnlich einhellig für den Gesetzesentwurf aus, wenn auch die Redner der Rechten in absurde Verdrehungen abschweifen und zuvorderst die Rückgabe von Beutekunst aus der ehemaligen Sowjetunion und eine Negierung der Ansprüche der rechtmäßigen Eigentümer von NS-Raubkunst fordern. Die Bundestagsreden betonen, dass Kulturgut identität stifte und Orientierung schaffe und einen Wert für kulturellen Austausch darstelle. Ziel der Novellierung ist eine Anpassung an das zwischenzeitlich weiter entwickelte EU-Recht, das unter anderem eine nationale Behörde vorsieht, die für die Erteilung der Einfuhrbewilligungen zuständig sein solle. Diese Aufgabe wird dem BKM zugewiesen (das die Aufgabe delegieren kann), während Rückgaben in den Aufgabenbereich des Auswärtigen Amts fallen.

Praktisch soll der Leihverkehr erleichtert werden,etwa dadurch, dass nun maximal 10jährige Ausleihen statt lediglich 5jährige vorgesehen sind. Gestärkt werden soll der Rechtsanspruch auf Herausgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Der Handel soll erleichtert werde, indem die Bagatellgrenze bei der Sorgfaltspflicht auf 5000€ angehoben wird. Die Sorgfaltspflicht bei Einfuhr archäologischer Funde - die im Gesetzesentwurf ohnehin kaum Thema sind - betrifft dies nicht.

Bemerkenswert ist, dass bei Sicherstellungen des Zoll die Frist für die Ermittlungen im Verdachtsfall von 10 auf 15 Tage ausgedehnt wird.

So positiv die Reaktionen auf das Gesetz und dessen Novellierung ausfallen, sollte nicht vergessen werden, dass mit der Novellierung 2016 Verjährungsfristen eingeführt worden sind, die viel archäologisches Raubgut legalisiert hat. Im Vorfeld der aktuellen Novellierung hat der Kunsthandel erfolgreich lobbyiert, um Bestrebungen abzuwenden, solche Fristen komplett zu kippen. Eben diese Fristenregelungen, die nun nicht angetastet werden, waren der Hauptkritikpunkt an dem Gesetz. Immerhin ist es gelungen die Zahl der Rückgaben zu steigern, Zahlen über sichergestellte Raubgrabungsgüter liegen nicht vor, sie scheinen nach den ILLICID-Erfassungen weiterhin viel zu hoch - weil die Fristenregelung gefälschte Provenienzen generiert .

 

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Mittwoch, 18. Juni 2025

Der deutsche Sachbuchpreis geht an die Mammutjägerinnen

ein dokumenatarischer Comic


 Ulli Lust
Die Frau als Mensch. Am Anfang der Geschichte
 (Berlin: Reprodukt 2025). 
 
 
ISBN 978-3-95640-445-0 
29,-€

Es berichten

Freitag, 6. Juni 2025

Nachlaß Helmut Thoma: Zeit für die Rückgabe des palmyrenischen Grabreliefs

Helmut Thoma, Women's World Awards 2009
Helmut Thoma
(Foto Manfred Werner - Tsui
[CC-BY-SA-3.0
via Wikimedia Commons])
Anfang Mai 2025 ist Helmut Thoma an seinem 86. Geburtstag in Wien verstorben. Die Medien haben ihm als einem unterm Strich wohl erfolgreichem Medienmanager einige Nachrufe gewidmet. Die Geschichte seiner Beteiligung an einer Raubgrabung in Palmyra und dem Schmuggel eines palmyrenischen Grabreliefs nach Deutschland wird nicht erwähnt. Dennoch ist das der Augenblick, daran zu erinnern, denn jetzt wäre der Zeitpunkt, zu dem seine Erben das Stück - sofern es nicht schon wieder längst auf den Markt gelangt ist - nach Syrien zurück geben sollten. In Syrien hat sich die Lage verändert und die Geste einer solchen Rückgabe würde eine positive Entwicklung dort auch unterstützen. 
 
Bereits 2010 forderte der Palmyra-Experte Prof. Andreas Schmidt-Colinet eine Rückgabe des Reliefs an den syrischen Staat als rechtmäßigem Eigentümer.. Nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011 und der Verbrechen des Assad-Regimes war eine Rückgabe an diesen Staat aber nicht denkbar. Jetzt aber ist die Lage eine andere. Jetzt kann und muß das unrechtmäßig aus einem Grab entfernte und nach Deutschland geschmuggelte Relief zurück gegeben werden.


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Mittwoch, 4. Juni 2025

International Landscape Conference (LAC) 2026 in Bamberg!

Vom 18. bis 21. März 2026 findet in Bamberg die nächste LAC statt. 
 

Die LAC meetings präsentieren das breite Spektrum der Landschaftsarchäologie und finden unter der Schirmherrschaft der International Association for Landscape Archaeology (IALA) alle zwei Jahre statt. 14 Jahre nach dem Treffen in Berlin (2012) findet die LAC wieder in Deutschland statt.  Für Fachleute und Studierende aus verschiedenen Disziplinen ist sie eine (englischsprachige) Diskussionsplattform für neue Forschungen und Methoden zu vergangenen Landschaften. 
 
Schwerpunktthemen sind:
  • River and wetland landscapes
  • Vertical landscapes
  • Populations and demography
  • Economies and resources
  • Archaeological heritage and valorization of past landscapes
  • Non-invasive methods and techniques
  • Geospatial analysis
  • Big data 

Bis 11. Juli 2025 läuft erst einmal der Call for Sessions. Ende Juli bis Mitte Oktober folgt der Call for Papers.

Nähere Informationen unter:

Dort kann man sich ganz altmodisch zu einer Mailingliste anmelden,  man kann aber auch auf instagram lac_2026_bamberg folgen.