Sonntag, 13. Oktober 2024

Wieder mal ein Skandal in der Denkmalpflege Rheinland-Pfalz

Zahlreiche Medien berichten:

Kein Skandal wäre es allerdings, wenn sich (wie man manche Medienberichte auch lesen könnte) archäologisch datierte beigabenlose Skelettreste eines Gräberfelds nach Zweifeln mit Radiocarbondatierung überprüft werden und sich dann als jünger erweisen.Methodisch unsicher,aber aufgrund der Finanzierungsmögkichkeitenist es, dass beigabenlose Bestattungen auf einem vorgeschichtlichen Gräberfeld pauschal in dessen belegungszeit datiert werden. Das muß nicht richtig sein. In dem Koblenzer Fall liegt die Sache aber wohl anders.

Ich glaube zu wissen, um wen es geht - das wäre jenseits der persönlichen Überraschung nun keine Bagatelle für die Glaubwürdigkeit des Fachs und insbesondere der Denkmalpflege. Das wird gründlich und offen aufzuklären sein. Insofern ist es aber auch nicht unproblematisch, dass der Downloadlink zur nun ebenfalls angezweifelten Dissertation auf der Publikationsplattform der betreffenden Universität deaktiviert wurde und dieArbeit aktuell nicht mehr einzusehen ist. 

Dabei hat die GDKE noch anderen Ärger am Laufen, der leider in einer längeren Tradition steht:

Das sieht in der langen, hier unvollständigen Reihe der Skandale nicht mehr nach persönlichen Einzelfällen aus, sondern eher nach gefrusteten Mitarbeitern einer völlig unterfinanzierten und strukturell kaum arbeitsfähigen Landesbehörde. Es gibt in Rheinland-Pfalz kein funktionierendes Grabungssystem etwa auf Basis des Verursacherprinzips noch verfügt die Landesarchäologie über adäquate Publikationsreihen. 

Dienstag, 8. Oktober 2024

CfP - Ruralia-Konferenz XVi, 2025 in Kłodzko / Polen - „Land und Stadt. Ländliche Siedlungen im städtischen Umland in Mittelalter und Neuzeit“

Das Thema Stadt und Land ist ein altes Thema, allerdings mit einer ungebrochenen Aktualität. Derzeit ist verstärkt vom Stadt-Land-Gefälle die Rede, in Deutschland gar vom geteilten Land, was darauf aufmerksam macht, dass rund 3ß Jahre nach der Wedervereinigung die Unterschiede zwischen Ost- und West durch andere regionale Differenzierungen abgelöst werden. Dabei Spielen die Unterschiede zwischen Stadt und Land zzunehmend eine wichtige Rolle. Den dynamischen, optimistischen, elitären Städten steht ein ländlicher Raum gegenüber, der teils überaltert, infrastrukturell vernachlässigt und  abgehängt erscheint. Es scheint mit der Industrialisierung und der Entstehung einer Dienstleistungsgesellschaft in Vergessenheit geraten, dass der ländliche Raum das Rückgrat auch der Städte darstellt. Ohne die Lebensmittelproduktion auf dem Land kann keine Stadt existieren. Auch das ist heute bei globalen Warenströmen und einem Energiesystem, das nicht mehr wie vor der Erschließung der Kohle auf Wasser- und Windkraft, vor allem aber auf nachwachsende pflanzliche Energieträger angewiesen ist, kaum noch im Bewußtsein. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die modernen Bauern dieser Aufgabe der Produktion gar nicht mehr nachkommen, denn die moderne Agrarwirtschaft benötigt mit Kunstdünger und Maschineneinsatz mehr Energie als sie erzeugt.

Daraus ergibt sich eine umwelthistorische Perspektive, aber die These einer gespaltenen Gesellschaft zwischen Stadt und Land verweist auch auf unterschiedliche demographische Strukturen, auf Landflucht, eine rückständige bzw. vielfach eher absinkende Infrastruktur etwa in der medizinischen Versorgung,  oder in der Nahversorgung mit schließenden Läden des Einzelhandels, dem Abbau von Bankfilialen und Dienstleistungs angeboten. Meist sind die ländlichen Gemeinden heute auch nicht mehr autonom, sondern wurden in Gemeindereformen entweder  von ihren städtischen Nachbarn eingemeindet oder zu oft augedehnten Verwaltungsgemeinschaften zusammengefasst. Der Ausbau des ÖPNV und die Breitbandersorgung rentieren sich für Investoren kaum und kommt ncht voran. Tatsächlich scheint die Unzufriedenheit die Landbevölkerung afälliger zu machen für populistische Parolen. Das zeigt zumindest, dass die Stadt-Landbeziehungen auch eine wirtschaftliche, soziale und politische Dimension haben.

Ist das alles eine neue Entwicklung? Wie sieht dies in der historischen Dimension aus? Vieles, was ich hier an Faktoren angeführt habe, war in vormoderner Zeit ohne Relevanz. Eine medizinische Versorgung in unserem Sinne war auch in der Stadt nur bedingt gegeben, an eine kommunale Selbstverwaltung im modernen Sinn war nicht zu denken - wenngleich man die bäuerliche Agency wohl auch nicht unterschätzen darf. .

Das ist erst mal meine Einschätzung zur Relevanz der Thematik. Die kommene Ruralia-Tagung 2025 greift das Thema aus der Sicht einer Archäologie des ländlichen Raumes auf.

Die Organisatoren  der Tagung charakterisieren das Verhältnis zwischen ländlichem Umland und Städten als Dialog und verweisen darauf, dass die Stadt von ihrem Umland abhängig war und es gleichzeitig auch prägte. "Die Metapher, dass die ländlichen Siedlungen und ihr Hinterland sowie die Städte einen funktionierenden Organismus bildeten, mag banal klingen; Ein Blick auf die Forschung zeigt jedoch, wie oft sie  Land und Stadt isoliert betrachtet und Zusammenhänge vernachlässigt hat."

Die Ruralia-Tagung will eine Plattform bieten, um die Auswirkungen ländlicher Landschaften auf die städtische Umgebung zu untersuchen und die Zusammenhänge und Kontraste in verschiedenen räumlichen und historischen Kontexten in den Mittelpunkt zu stellen.

Der Call for Paper sucht vor allem beiträge, die folgende Themen und Fragen behandeltn:

  • methodisch-theoretischer Rahmen und archäologische Konzepte zum städtischen Hinterland bzw. Land-Stadt-Beziehungen.
  • räumliche Strukturierung des städtischen Hinterlands. Gibt es verschiedene Zonen? Gibt es charakteristische archäologische Befunde? Iwiefern spiegeln diese die soziale Praxis? 
  • Chancen und Probleme landschafts- und umweltarchäologischer Befunde
  • Sozioökonomische Strukturen und Prozesse. Wie beeinflüssen ländliche Sielungen und Landnutzung die sozioöonomischen Strukturen der benachbarten Städte? Wie tragen archäologische Befunde zum Vrständnis der Argrargeschichte, des Wandels der Siedlungsgefüge der Sozialstrukturen und zur Schwächung bäuerlicher Gemeinden, zur Kommerzialisierung und Monetarisierung der Agrarwirtschaft bei?
  • Der Einfluß städtischer Grundeigentümer und Investoren auf das LandBeziehungen zwischen städtischem und ländlichem Handwerk 

Es soll der Transfer von Wissen, Innovationen, Gütern, Produkten, Institutionen und Menschen ebenso untersucht werden, wie die Infrastruktur, die durch unterschiedliche Ebenen territorialer Kontrolle und Machtstrukturen geprägt ist und ländliche Regionen unterschiedlich beeinflusst hat. Die Perspektive dieser Konferenz ist der Blick von der ländlichen Landschaft auf die Stadt und nicht umgekehrt.

 

Ich fände es gut, wenn die oben skizzierten verschiedenen Perspektiven aus Umwelt-, Sozial-, und Wirtschaftsarchäologie vertreten wären.

In den vergangenen Jahren waren bei Ruralia Deutschland und die Schweiz (für die es aktuell keinen Landesvertreter im Ruralisa-Kommitee gibt) unterrepräsentiert. Vorschläge für Präsentationen auf der Tagung, insbesondere auch von Nachwuchswissenschafter*innen dürften dem Auswahlkommitee also hoch willkommen sein!

 

Ruralia XVI in Kłodzko / Polen

Die Tagung soll vom 8. bis 14. September 2025 in Kłodzko / Poland stattfinden. Der Ort in Schlesien nahe der Grenze zu Tschechien wurde auch deshalb gewählt. weil die Tagung gemeinsam Pawel Duma aus Wrocław und Tomas Klír aus Prag organisiert wird.
Am Wochenende nach der Tagung findet wie bei Ruralia üblich eine Post-Conference-Excursion statt.

historische Ansicht von Kłodzko/ Glatz

Tagungsbeiträge gesucht!

Das Organisationsteam hat nun einen Call for Papers gestartet. Gesucht werden Vorträge von voraussichtlich 20 min Dauer, in begrenztem Ausmaß auch Posterbeiträge. Sie sollen später im Konferenzband nach einem Review auch publiziert werden.

Organisatorisches 

Die Konferenzsprache ist Englisch. 

Die Tagungsgebühren mit Unterkunft und Verpflegung liegen bei 550€, dazu kommen die Reisekosten sowie die Teilnahme an der Exkursion (ca. 280€). Ruralia möchte aber auch Nachwuchswissenschaftler:innen zur Teilnahme gewinnen und bietet ggf. finanzielle Unterstützung an. 
Das Organisationsteam ist zu erreichen unter ruralia2025@gmail.com

Frist für die Anmeldung mit Abstracts ist der 31.1.2025.

Weitere Informationen:


 

RURALIA - European Association for Medieval and Post-Medieval Rural Archaeology

RURALIA ist eine internationale Vereinigung für die Archäologie mittelalterlicher (und neuzeitlicher) Siedlungslandschaften und des ländlichen Lebens. Es bietet eine europaweite Plattform für den wissenschaftlichen Austausch über aktuelle Probleme der ländlichen Archäologie, um vergleichende und interdisziplinäre Studien zu stärken. Die Konferenz umfasst die Zeit vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Die Konferenzsprache ist Englisch. 
 

 


Internal Links

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Trend verpennt?

Der Podcast "Der Rest ist Geschichte" des Deutschlandfunks hat eine interessante Folge zur Geschichte der Forschungen zum Klimawandel und des Bewusstseins für ihn:

Um Archäologie geht es hier nicht, aber es ist eine interessante Folie für die jüngere Geschichte einer Umweltarchäologie. Es zeigt sich, wie spät Archäologie und Geschichte die Thematik  aufgegriffen haben - selbst heute hat man oft den Eindruck, dass es mehr um die Modebegriffe als um die Sache geht.

Montag, 23. September 2024

Rechtsanwalt darf Synagoge nicht abreissen

 Der Streit um ein Baudenkmal in Detmold wurde jetzt vor Gericht entschieden.

Eine Synagoge von 1633 - die älteste freistehende Hofsynagoge Nordwestdeutschlands - darf nicht für einen Parkplatz abgerissen werden. Das Oberverwaltungsgericht folgte der Einstufung des LWL. Der Denkmalschutz hat Vorrang gegenüber einem Parkplatz. Der Denkmaleigentümer will weitere Rechtsmittel ausschöpfen und erklärt auf seiner Seite: "Neben der Translozierung und dem schlichten Verfall des Denkmals gibt es keine Alternative, und ich kann das gar nicht oft genug sagen, damit die Vertreter der Stadt Detmold und ihre Gesinnungsgenossen von der Antifa bis zu den „Omas gegen Rechts“, und vom „Forum Offenes Detmold“ bis zur Lippischen Landeskirche und anderen religiösen Vereinigungen endlich aus ihren bunten Träumen aufwachen."

Presseberichte legen nahe, dass es im Hintergrund um eine politische Agenda gehe, der jüdisches Erbe nicht genehm ist. 

Der Bau war ursprünglich als Gartenhaus des 19. Jahrhunderts unter Denkmalschutz gestellt worden, doch Bauuntersuchungen 2010 zeigten sein höheres Alter und legen nahe, dass es sich um ein Bethaus von 1633 handelt. Die jüdische Bevölkerung war 20 Jahre zuvor aus Denkmal vertrieben worden und erhielt erst in den 1660er Jahren wieder eine offizielle Genehmigung zur Feier religiöser Feste. Das nun festgestellte Bethaus vertritt den Typ der Hofsynagoge, der darauf ausgelegt war, jüdische Religion im Verborgenen des Hinterhofes auzuüben.

Der Widerspruch des Eigentümers, läuft darauf hinaus, dass er den Wert der dendrochronologischen Datierung bestreitet und auf schriftliche Quellen verweist, die für die Zeit um 1860 einen Neubau nahelegen. Die dendrochronologische Untersuchung ist jedoch durch mehrere Proben imBaubestand abgesichert. Ein erster Fehlversuch der Datierung, auf den der Antragsteller verweist, ist wohl nicht der Sekundärnutzung der Hölzer geschuldet, sondern beruht wohl eher auf einer ungünstigen Beprobung, bei der viele Proben wohl wegen Wuchsanomalien oder einer nicht ausreichender Zahl an Jahrringen "nicht zu einem belastbaren Ergebnis" führten.  Eine Diskrepanz zwischen schriftlichen Quellen und dem bauhisorischen oder archäologischen Befund ist nicht ungewöhnlich. Wenn die Dendrodatierung in sich stimmig ist, ist hier erst der Sachevidenz zu folgen. In der Vergangenheit hat man mehr im Bestand "neu" gebaut und ein Recycling erfolgte oft nicht in Form der Wiederverwendung einzelner Hölzer, sondern ganzer Bauteile der Vorgängerbebauung.Dass der Bau in einigen Altkarten zu fehlen scheint ist auch so ein quellenkritisch zu hinterfragender Widerspruch, der aber höchst wahrscheinlich in der thematischen Intention der betreffenden Karten zu suchen ist.

 

Detmold, Bruchmauerstr. 37.Ehemalige Synagoge,
(Foto: Jan Mathys CC BY-SA 4.0 via WikimediaCommons)

Die Idee einer Translozierung übergeht die Existenz archäologischer Befunde im Boden - und den Kontext umliegender jüdischer Vergangenheit.

 

Literatur

  • F. Kaspar/ P. Barthold: Eine „vergessene“ Synagoge von 1633. Das Gebäude Bruchmauerstraße 37 in Detmold. Westfalen 96, 2018, 95–124.
  • M. Delker-Hornemann/ A. Köllner: Erste Mikwe in Detmold entdeckt. Ausgrabungen in der Freiligrathstraße in DetmoldLippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 75, 2006, 125–133 (Digitalisat

Links

die Dokumentation der Position des Abbruch-Antragstellers:

  • http://www.hofsynagoge.de/

Eintrag auf Wikipedia s.v. Hofsynagoge Detmld: https://de.wikipedia.org/wiki/Hofsynagoge_Detmold

aktuelle Berichte

über Hinweis bei Archivalia: https://archivalia.hypotheses.org/212881

Freitag, 13. September 2024

Noch ein Krieg: Sudan

Seit April 2023 ist der Sudan in einen Bürgerkrieg versunken. Insbesondere in der Hauptstadt Khartum –kämpfen die regulären  Sudanesischen Streitkräfte (SAF) und di ehemals verbündetene Rapid Support Forces (RSF) um Macht und Einfluß. Dabei wurde die einstige Millionenstadt Khartum weitgehend zerstört und entvölkert. Zehntausende Tote, 9 Millionen Binnenflüchtlinge und 17 Millionen vom Hungertode bedrohte Menschen sind die Folge.
 
Europa und die "westliche" Welt haben grade andere "Probleme" mit Rußland/Ukraine, Israel/Palästina, Klimakrise und Antidemokraten, so dass für den Sudan keine Aufmerksamkeit mehr übrig bleibt.
 
Und wie fast immer gerät das Kulturerbe in den Konflikt. In de letzten Wochen häuften sich Berichte über Plünderungen und nun warnt offiziell auch die UNESCO.
Ein Teil der Zerstörung von Kulturgut ist schlicht Kollateralschaden, doch plündern insbesondere die RSF gezielt kulturelle und staatsliche Institutionen, Sie erklären, Sudans Geschichte müsse neu geschrieben werden, da es sie nicht repräsentiere. Im Hintergrund stehen Spannungen, die auf die britische Kolonialzeit zurück reichen (Berridge 2023).
Der Sudan verfügt über ein reiches kulturelles Erbe, das nicht nur als Ausläufer Oberägyptens verstanden werden sollte. Leider gibt es bei ICOM jedoch noch keine Rote Liste für den Sudan.
 
Statue eines Nubischen Königs im Sudan, 1.Jh. n.Chr.
(Foto: Steve Evan, CC BY SA 2.0 via WikimediaCommons)



 
 

Literatur

  • Berridge 2023. W. Berridge, Western Sudanese Marginalization, Coups in Khartoum and the Structural Legacies of Colonial Military Divide and Rule, 1924-Present. Journal of Eastern African Studies 17/4: 535–56. - doi:10.1080/17531055.2023.2280933 .

 

Links

Bilder aus dem Nationalmuseum:

interner Link