Montag, 29. Februar 2016

Archäologie in beispielhafter Mission

Constanze Röhl

Häufig kommt in aktuellen Diskussionen die Frage nach dem gesellschaftlichen Mehrwert der Archäologie auf. Dass dieser durchaus - beispielsweise in der Form von “sozialem Engagement“ - seitens der Disziplin zu leisten ist, zeigte unlängst ein Projekt in Ein Lamur nahe Abu Ghosh bei Jerusalem.
Eine dortige Ausgrabung, welche als kommunales Projekt unter der Leitung des Archäologen Gideon Sulymani von der Organisation Emek Shaveh stattfand, zeigt anschaulich, wie moderne Gesellschaften unmittelbar von archäologischer Arbeit profitieren können.

Ein kurzes Video zu ’Ein Lamur / Ein Limon - עין לימון /עין למור’ erläutert dies in übersichtlicher Weise.

(hebräische Version mit engl. Untertiteln [engl. Fassung ist angekündigt] - https://www.youtube.com/watch?v=tPNSjoBmxSw).

Emek Shaveh ist eine von israelischen Archäologen gegründete Institution, die vor allem durch ihre Arbeit im palästinensischen Silwan im Ostteil Jerusalems unter anderem mit alternativen Führungen zum offiziellen Narrativ der dortigen ’City of David’ in Erscheinung tritt, aber auch viele weitere Aspekte behandelt. Ihr grundlegendes Credo, dass Archäologie nicht im Sinn politischer Motivation zweckentfremdet und zur Rechtfertigung gegenwärtiger Aktionen missbraucht werden darf steht dabei stets im Vordergrund.

Emek Shaveh definiert sich entsprechend selber als eine Organisation von gesellschaftlich engagierten Archäologen, die archäologische Funde unabhängig von nationalen, ethnischen oder religiösen Narrativen versteht:
’... an organization of archaeologists and community activists focusing on the role of archaeology in Israeli society and in the Israeli-Palestinian conflict. We view archaeology as a resource for building bridges and strengthening bonds between different peoples and cultures, and we see it as an important factor impacting the dynamics of the Israeli-Palestinian conflict. Our fundamental position is that an archaeological find should not and cannot be used to prove ownership by any one nation, ethnic group or religion over a given place. We believe that the archaeological find tells a complex story which is independent of religious dictates or traditional stories, and that listening to this story and bringing it to the wider public can enrich culture and promote values of tolerance and pluralism.’ (http://alt-arch.org/en/about-us/)

Gemäß diesem Verständnis der Disziplin erläutert G. Sulymani die initialen Bedenken der lokalen arabischen Gemeinschaft des Dorfes Ein Rafa, insbesondere die Angst vor einer Instrumentalisierung  und dem daraus resultierendem Missbrauch der archäologischen Ergebnisse einer Grabung in Ein Lamur zu politischen Zwecken.

Indirekt wird mit der Wahl des Grabungsortes, einem starken Bezug zu antikem Wassermanagement und zu Fragen der Wasserversorgung in eher ariden Gebieten ebenfalls ein weiteres wichtiges aktuelles sozio-politisches Problem thematisiert.
Schlussendlich wird in dezenter Weise, rein durch die Wahl des gezeigten Bildmaterials, der interkulturelle Aspekt der Arbeit von Emek Shaveh präsentiert, und zeigt so erneut, dass eben neben der archäologischen Arbeit auch das Bemühen um die Belange der Menschen heutzutage im Vordergrund stehen sollte.
Israelisch-arabische Grabungen in Ein Lamur
(mit freundl. Genehmigung von Emek Shaveh)

Ala Barhoom als Vertreter der lokalen Gemeinde und der israelische Archäologe Gideon Sulymani erklären gemeinsam arabischen Kindern die Grabungen in Ein Lamur
(mit freundl. Genehmigung von Emek Shaveh)

Projekte wie dieses spannen den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart, und führen eindrücklich das Potential archäologischer Arbeit zum durchaus vielseitigen Nutzen der heutigen Gesellschaft vor Augen.



Grundsätze des Archäologie-Verständnisses von Emek Shaveh
Emek Shaveh: Archaeology – Outline of Principles (http://alt-arch.org/en/about-us/)

1. We believe that archaeology can and should be used to promote understanding, not conflict.  Archaeology can further the peace of Jerusalem.

2. Our archaeology provides a rich tapestry of the lives of people in Jerusalem, allowing everyone to find their own links to the past.

3. Our archaeology is not text-bound or selective: it serves to tell an inclusive and independent story of human existence, culture, and achievement.

4. We do not assign different values to different cultures: all strata contribute to an understanding of Jerusalem’s history on equal terms.

5. It is not our business to establish links between modern ethnic identities (e.g., Palestinians, Israelis, or Europeans) and ancient ones (e.g., Judeans, Canaanites, or Crusaders). We do not use archaeology to prove precedence.

6. Since archaeology provides an independent view of human and social origins, it is inherently critical of all historical narratives.

7. Where archaeological and textual narratives overlap, each serves to illuminate the other: both are interpretive, neither has absolute truth-value.

8. Since archaeologists appropriate public property, the use they make of this property must be justified, particularly to the public whose property was appropriated.

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