Mittwoch, 13. September 2023

Australopithecus und homo naledi kommen aus dem Weltall (fast...)

Mit dem Schwachsinn der Ancient Aliens hat das nichts zu tun, wohl aber mit einem merkwürdigen, unethischen Umgang mit Wissenschaft und archäologischen Funden.

Fossilien des Australopithecus sediba  (ca. 2 Mio Jahre alt) und des Homo naledi (ca. 250.00 Jahre alt) wurden von dem Unternehmer Timothy Nash zusammen mit einer Flagge Südafrikas in einer Karbon-Box auf den dritten Touristenflug der privaten Firma Virgin Galactics. Der Flug an Bord der VSS Unity führte am 8. September in den suborbitalen Raum etwa 88,5 Kilometer über der Erdoberfläche.

VSS UNity, 2016
(Foto: Ronrosano CC BY SA 3.0 via WikimediaCommons)

Initiiert hat diese PR Aktion der Anthropologe Lee Burger, der schon früher einige Auseinandersetzungen um sein Wissenschaftsgebaren ausgelöst hat. Dabei ging es zumeist jedoch um die Art der Publikation seiner Forschungsergebnisse, die ohne peer review im open access erscheinen.

 

Lee Berger
Lee Berger und Australopithecus sediba 2011
(Foto Brett Eloff, courtesy of Lee R. Berger and the University of the Witwatersrand,
CC BY SA 3.0 via WikimediaCommons)

 

Von den südafrikanischen Behörden, der South African Heritage Resources Agency (SAHRA) war die Aktion genehmigt worden. Begründet war der Antrag Bergers mit der  Werbung für Wissenschaft und eine globale Anerkennung der Frühmenschenforschung in Südafrika  Dabei wurde das Risiko für die Funde offenbar als gering eingestuft, wobei diese als paläontologische, nicht als menschlche Überreste klassifiziert worden sind. Die Situation analysiert die Archäologin Natsicle auf Twitter / X: 

Der Antrag stand wohl irgendwo zum Kommentieren online, doch gab es da keine Rückmeldungen.

Timothy Nash ist ein südafrikanischer Milliardär, der sich seit langem für die menschliche Evolution interessiert und der den Landstrich mit der Rising Star-Höhle (Dinaledi-Höhle) aufgekauft hat und nun sein Privateigentum nennt. Die Höhlen sind seit 1999 UNESCO-Welterbe.

Motive

Eine Pressemeldung der Universität Wittswaterrand in Johannesburg nennt einige Begründungen für die Mitnahme der Fossilien ins All:

"Die Mitnahme dieser Fossilien soll als symbolische Hommage an das menschliche Streben nach Weltraumerkundung dienen. ("a tribute to the contribution of all human ancestors and ancient human relatives for their part in making the ultimate gesture of human exploration and technological advancement possible – space fligh)"

Es gehe um eine Anerkennung für den Beitrag der Vorfahren der Menschheit ("appreciation of the contribution of all of humanity’s ancestors and our ancient relatives" Lee Berger) ". 

Die Fossilien wurden nicht nur wegen ihrer symbolischen bedeutung, sonder auch weil sie die am besten dokumentierten menschlichen Fossilien sind, die mit Abformungen, Scans und Bildern dank der Open Access-Politik überall auf der Welt verfügbar sind (“The fossils were carefully chosen not only for their symbolic importance, but also because they are among the most documented fossils of hominins in existence, with casts, scans and images available across the world due to our scientific and open access efforts” (Bernhard Zipfel, Curator of Collections at the University of the Wittwatersrand).

Die Expedition sei eine Hommage an Wissenschaft und Entdeckung und bedeutet die Möglichkeiten, unsere Vergangenheit mit unserer Zukunft zu verbinden. (“This expedition is a tribute to science and discovery and signifies the possibilities of connecting our past with our future." (Zeblon Vilakazi, Vice-Chancellor and Principal of the University of the Witwatersrand)).

Festzuhalten ist: Es ging nicht um irgendwelche spacigen Fragestellungen und Experimente, sondern tatsächlich nur um die PR.  Vielmehr ist geplant, dass die Fossilien zusammen mit Erinnerungsstücken aus dem Flug in Museen und anderen Institutionen in Afrika und auf der ganzen Welt nach ihrer Rückkehr nach Südafrika ausgestellt werden. ("It is the intention for the fossils, along with memorabilia from the flight, to be placed on display in museums and other institutions in Africa and around the world after their return to South Africa.)"

Teil der PR-Aktion ist auch National Geographic, die Lee Berger als National Geographic Explorer in Residence führt. Timothy Nash gehört dem Advisory Board von National Geographic an.

Anders als bei den beiden vorherigen kommerziellen Flügen der VSS Unity gab das Unternehmen die Namen der Passagiere erst nach der Landung bekannt und verzichtete auch auf einen Webcast, sondern berichtete nur in den Social Media.

Kritik

Die PR-Aktion löste einige Reaktionen bei Archäolog*innen und Anthropolog*innen aus - soweit zu sehen einhellig ablehnend.

Die Kritik setzt an vielen Punkten an:

  • das Risiko für die Funde
    • durch die Reise selbst
    • durch Weltraumstrahlung 
    • Es handelt sich um einzigartige Funde, sogar um jene, an denen die Arten definiert worden sind.
  • der Umgang mit menschlichen Überresten 
    • die hier offenbar als paläontologisch klassifiziert wurden, da sonst eine Genehmigung hätte verwehrt werden müssen - eine bewusste Entmenschlichung
    • die Individuen hätten ihre Reise in die obere Atmosphäre nicht verstanden
  • die finanziellen Interessen
  • nationale Interessen
     
Möglicherweise, aber das ist hier nur zu vermuten, spielt es auch eine Rolle, dass aktuell verschiedene Nationen wieder mit Weltraumabenteuern ihr nationales Selbstbewusstsein aufzupolieren versuchen und Südafrika hier vorerst nicht mitspielt.

Eine PR-Aktion ist per se nicht unbedingt verwerflich, die Frage, die sich hier stellt, ist die nach dem ethischen Umgang mit Funden von Frühmenschen, die hier nicht als Menschen anerkannt werden, obwohl gerade ihr Beitrag für unsere Kultur herausgestellt werden soll. Fraglich ist auch, ob die Risikoabwägung angemessen war. 
Zwar nennt die Pressemeldung der Universität Witwatersrand zwar einige Motive für die Aktion, aber eine klare Botschaft, die vielleicht das Risiko hätte aufwiegen können, wurde mit der Aktion nicht verbunden. Die Notwendigkeit, sorgsam mit archäologischen Funden umzugehen, wäre durchaus eine wichtige Botschaft - aber so funktioniert das natürlich nicht. Aber vielleicht nur ein gut platziertes Statement gegen Ancient Aliens-Mythen, die offenbar immer mehr um sich greifen? So ist das leider nur angeberische Selbstdarstellung, die Wissenschaft nicht fördert, sondern diskreditiert.

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