Ländliche Märkte und Versammlungsorte waren für die sozialen Kontakte und die Versorgung der Bevölkerung von großer Bedeutung.
Sie sind uns heute aber meist kaum noch bewusst - einerseits weil wir Märkte als wesentliches Element der Stadt begreifen und andererseits weil die Quellenlage im ländlichen Raum bei weitem nicht so gut ist, wie bei den großen städtischen Märkten, die Händler und Kunden über große Distanzen anzogen.
Regelmäßige Bauernmärkte aber auch Jahrmärkte waren sicherlich wesentlich für die Verbreitung von Innovationen und Ideen. Sie waren wichtige Vooraussetzung für die Ausbildung angepasster Landnutzungssysteme mit besonderen Produkten, lokaler Gesellschaften mit den ihnen eigenen kulturellen Normen, Gedanken und Identitäten - und oft spezifischer materieller Kultur.
Märkte und informelle Handelsplätze waren Teile und Knotenpunkte von regionalen Wirtschafts- und Sozialsystemen, die nicht nur Handel und Tausch einen Ort gaben, sondern auch Handwerkern und Bauern einen Absatzmarkt für agrraische und nichtagrarische Produkte erschlossen. In vielen ländlichen Gebieten gab es eine umfangreiche, wenn auch oft im Nebenerwerb erfolgende nicht-agrarische Produktion. Aber auch die regionalen Eliten dürften in die Märkte eingebunden gewesen sein, als Kunden, aber auch als Organisatoren und politische Profiteure.
Die lokalen Märkte waren sicher auch wichtige Begegnungsorte mit Gelegenheit zum Tratschen, Tanzen, Trinken und Protzen und mithin wichtig für das soziale Leben der Menschen und Familien.
Die Archäologie ländlicher Räume hat diese Strukturen zumindest in Mitteleuropa bislang wenig thematisiert und deshalb soll die nächste Ruralia-Tagung diese Thematik aufgreifen und methodische Ansätze aber auch Ergebnisse aus verschiedenen europäischen Landschaften zusammen tragen.
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Neuhof an der Zenn: Marktmauer (Foto R. Schreg, 2022)
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Ruralia XV in Frederikstad
Die Tagung soll vom 4. bis 10. September 2023 in Fredrikstad / Norwegen stattfinden. Zusätzlich zu den Vorträgen werden eine ganztägige und eine halbtägige Exkursion sowie eine optionale zweitägige Exkursion zu Orten in Südostnorwegen und Ostschweden angeboten. Die Tagung wird gemeinsam organisiert von Marie Ødegaard, Kjetil Loftsgarden, Catarina Karlsson, Mark Gardiner und Claudia Theune. Unterstützt wird die Tagung durch das Museum of Cultural History, Jernkontoret und die Norwegian Archaeological Society.
In Erinnerung an Frode Iversen
Großen Anteil an der Entwicklung der Tagungsidee hat Frode Iversen, zuletzt Professor an der Universität Oslo. Er ist vor wenigen Wochen nach langer Krankheit verstorben. Er wird uns als geschätzter Kollege und großartiger Mensch, der Norwegen in Ruralia für viele Jahre vertreten hat, in Erinnerung bleiben. Mit seinen Forschungen zu Versammlungsplätzen in der Nordseeregion wird er auch jetzt noch - und hoffentlich auch mit Hilfe unserer Ruralia-Tagung - in die Zukunft der Forschung wirken.
Tagungsbeiträge gesucht!
Das Organisationsteam hat nun einen Call for Papers gestartet. Gesucht werden Vorträge von voraussichtlich 20 min Dauer, in begrenztem Ausmaß auch Posterbeiträge. Sie sollen später im Konferenzband nach einem Review auch publiziert werden.
Insbesondere folgende Themen und Fragen sollen behandelt werden:
- Die Lokalisierung ländlicher Märkte und Versammlungsplätze anhand archäologischer und historischer Quellen, Ortsnamen etc.
- Was wurde an den Standorten gehandelt?
- Wie und von wem wurden die ländlichen Markt- und Versammlungsstätten organisiert?
- Welche wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge lassen sich an Marktstandorten feststellen?
- Können wir lokalen, regionalen, überregionalen oder gar globalen Austausch ausmachen?
- Wie haben der Handel und die Bewegung der Menschen zu Märkten die ländliche Landschaft geprägt?
- Was waren die nicht-wirtschaftlichen Aspekte der Begegnungs- und Marktplätze?
- Welche gesellschaftliche Bedeutung hatten solche Stätten auf regionaler und überregionaler Ebene?
Ausdrücklich geht es nicht speziell um die städtischen Märkte, die - insbesondere in den Regionen mit größerere Städtedichte - gleichwohl als Teil des Wirtschaftssystems gesehen werden müssen.
Organisatorisches
Die Konferenzsprache ist Englisch.
Die Tagungsgebühren mit Unterkunft und Verpflegung liegen bei 650€, dazu kommen die Reisekosten. Ruralia möchte aber auch Nachwuchswissenschaftler:innen zur Teilnahme gewinnen und bietet ggf. finanzielle Unterstützung an.
Das Organisationsteam ist zu erreichen unter ruralia2023@gmail.com
Frist für die Anmeldung mit Abstracts ist der 31.1.2023.
Weitere Informationen:
- Call for Papers mit Anmeldeformular
Internal Links
RURALIA - European Association for Medieval and Post-Medieval Rural Archaeology
RURALIA
ist eine internationale Vereinigung für die Archäologie
mittelalterlicher (und neuzeitlicher) Siedlungslandschaften und des
ländlichen Lebens. Es
bietet eine europaweite Plattform für den wissenschaftlichen Austausch
über aktuelle Probleme der ländlichen Archäologie, um vergleichende und
interdisziplinäre Studien zu stärken. Die Konferenz umfasst die Zeit vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Die Konferenzsprache ist Englisch.