Montag, 19. September 2022

Windenergie: Energiebranche beschuldigt Denkmalschutz

Im April 2019 hat die "Fachagentur Windenergie an Land" ein Hintergrundpapier  Windenergie und Denkmalschutz vorgelegt. Damals wurde festgestellt, dass sich aus der Betrachtung der Windenergienutzung im Verhältnis zum Denkmalschutz kein grundsätzlicher Vorrang für einen der beiden Belange ergebe und beide Aspekte gleichberechtigt nebeneinander stünden. Inzwischen haben sich mit der neuen Ampel-Bundesregierung und der Energiekrise in Folge des russischen Kriegs gegen die Ukraine und den Westen die Prioritäten verschoben. Selbst Bayern will mit der bevorstehenden Änderung des Denkmalschutzgesetzes den bislang verzögerten Bau von Windrädern erleichtern. 

Aktuell kommuniziert die Windkraftbranche jedoch, der Ausbau der Windenergie ginge wegen des Denkmalschutzes nicht voran. 10% der Projekte lägen des wegen auf Eis.

Ein Bericht des rbb stellt einen Fall aus dem Norden Brandenburgs dar, in dem Anwohner tatsächlich mit Hilfe des Denkmalschutzes Windräder verhindern möchten. Wie so oft, gibt es nur eine formale lapidare Begründung, wonach die "gestalterische Komposition und das Erscheinungsbild" des Gartendenkmals Damitzow "in erheblicher Weise beeinträchtigt" werde. Dem Laien ist so etwas unverständlich, zumal offenbar schon der Denkmalcharakter eines alten Gutshauses und des zugehörigen Gartens nicht ausreichend erklärt ist. 

Wirtschaftsgebäude des Gutshofs von Damitzow
(Foto: Florian Koppe [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons)


 

Eine Reportage von ntv geht speziell auf Darnitzow ein und verweist ebenfalls auf die bayerische Gesetzesinitiative:

Es ist ungut, wenn der Denkmalschutz instrumentalisiert wird, um ein paar Windräder zu verhindern. Denkmalschützer sollten sich bewusst sein, dass unerklärte/ unerklärliche Entscheidungen auf die Denkmalpflege zurückfallen, die dann leicht zur Zielscheibe wird. Im Unterschied zu anderen Energiegewinnungen sind die Einbußen in punkto Ästhetik reversibel. Wenn es Bedenken wegen Umweltproblemen und Folgen für die Gesundheit gibt, sollten das auch die Ansatzpunkte sein.

Weit problematischer sind die Bodeneingriffe, die für so ein Windrad erforderlich sind, da sie alle eine Zufahrtsmöglichkeit für Schwerlasttransorte brauchen, was massive Eingriffe in Bodendenkmäler bedeutet. Wenn sich hier die Zufahrten nicht so legen lassen, dass keine Bodendenkmäler tangiert werden, muss eben das Instrument der Rettungsgrabungen greifen, das mittlerweile meistens über das Verursacherprinzip finanziert ist. 

Betroffen sind dabei auch Flächen, die man lange für weitgehend gut geschützt ansah: Immer wieder weichen Windparks auch in Waldgebiete aus, die in oft in eher abgelegenen Gebieten liegen, die aber dicht mit Kulturlandschaftsrelikten von vorgeschichtlichen Grabhügeln und Ringwallanlagen über Altflure bis zu neuzeitlichen Kohlemeilern (letztlich übrigens Zeugen einer früheren Energiewende, die andeuten, dass nicht alles nachhaltig ist, was grüne Energie liefert) durchsetzt sein können.

Die Angriffe der Windenergiebranche auf den Denkmalschutz konzentrieent sich auf die Bau- und Kunstdenkmalpflege, die Archäologie wird auch in dem genannten Hintergrundpapier nicht thematisiert. Das kann erst mal positiv bedeuten, dass hier kein wesentliches Problem gesehen wird, kann aber auch bedeuten, dass bei künftigen Anpassungen der Denkmalschutzgesetze als Kollateralschaden auch die Archäologie leidet.

Die Diskussion um Windenergie und Denkmalschutz ist wichtig - bedenklich ist nur der Tenor, der Denkmäler als Problem und nicht als gesellschaftliches Gut darstellt. Deutlich wird, dass Grundbelange der Denkmalpflege nicht richtig vermittelt sind. Wenn etwa der bauliche Zustand oder die Tatsache dass oberirdisch nichts mehr sichtbar ist, als Argument gegen die Denkmaleigenschaft angeführt wird, zeigt sich, dass hier Erklärungsbedarf besteht. - Wobei auch in den Denkmalwissenschaften oft ein Denkmalbegriff gepflegt wird, der auf die Archäologie gar nicht anwendbar ist. Hier fehlt es vor allem an der Kommunikation des Denkmals als historische Quelle. Diese Eigenschaft wird nicht durch das Windrad beeinträchtigt, sondern allenfalls durch die vorgenommenen Bodeneingriffe.


Die Novellierung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes

Das bayerische Kabinett beschloss Anfang August 2022 eine Novellierung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes, das Solaranlagen auch auf Dächern von denkmalgeschützten Häusern, energetische Sanierungen an denkmalgeschützten Gebäuden und auch Windkraftanlagen im direkten Umfeld von Denkmälern erlauben soll. Ausgenommen sind von dieser Regel nur einige wenige Anlagen wie Schloß Neuschwanstein oder die Befreiungshalle in Kelheim. Vorgesehen ist, dass bei Windkraftanlagen auf eine Erlaubnispflicht verzichtet werden soll.

Da der Gesetzesentwurf mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt wurde, sollte davon auszugehen sein, dass dadurch die Belange der archäologischen Bodendenkmalpflege nicht einfach vergessen worden sind und vorliegende Erfahrungen aus der Praxis auch eingeflossen sind (was keineswegs selbstverständlich ist, siehe NRW).


 
Windräder in Rheinhessen (Foto: R. Schreg)

 

Verfahrensabläufe

Im konkreten Fall Damitzow wird der Vorwurf erhoben, dass sich die Denkmalpflege nicht bereits in die Regionalplanung eingebracht hätte und die denkmalpflegerische Ablehnung nun ganz überraschend gekommen sei (was nicht ganz stimmt, denn bereits vor mehr als einem Jahr hat das Handelsblatt am Beispiel Damitzow über denkmalpflegerische Bedenken und einen Entscheid vom Dezember 2020 berichtet).

Wichtig sind die jeweiligen Abläufe in den Genehmigungsverfahren. Ein Verzicht auf eine Erlaubnispflicht, darf nicht bedeuten, dass die Anträge gar nicht mehr der Denkmalpflege vorgelegt werden. Die Zeitschrift "Erneuerbare Energien" verweist auf das Beispiel eines Hügelgrabs ebenfalls in Brandenburg, in dessen Umgebung kein Windrad genehmigt wurde, Zitiert wird dazu Nadine Haase, Kommunikationsleiterin des Energieunternehmens Enertrag, die nicht versteht, dass auch die Umgebung eines Hügelgrabs unter Schutz steht und dass es völlig irrelevant ist, ob das Hügelgrab als solches gekennzeichnet ist und dass darauf ein Hochsitz steht. Sie denkt nur an den klassischen Umgebungsschutz im Sinne eines Sichtfelds. Wahrscheinlich aber dürfte bei der denkmalpflegerischen Entscheidung auch eine Rolle gespielt haben, dass im Umfeld des Grabhügels durchaus mit weiteren Bestattungen zu rechnen ist.

Energiewende und Denkmalpflege waren schon in letzter Zeit immer wieder ein Thema, aber offenbar gibt es da noch grundlegenden Kommunikationsbedarf.

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