Sonntag, 7. Februar 2021

Eine weitere Fantasieprovenienz

Die Provenienzangaben im Antikenhandel sind meist wenig glaubwürdig, wenn auch nur selten definitiv ihre Fälschung nachgewiesen werden kann. Bei Raubgrabungsfunden entsteht ja keine Dokumentation, die eben dies tatsächlich beweisen kann. Dennoch sind die Fälle inzwischen sehr zahlreich, in denen klar gezeigt werden kann, dass die Provenienzangaben schlicht falsch sind. Die vermeintlichen Einzelfälle sind wahrscheinlichst nur die Gipfel eines riesigen Eisbergs.

Im Dezember 2020 berichtete der Standard über einen Fall aus Wien, bei dem das Auktionshaus selbst die Fälschung erkannt hat. Laut Etikett handelte es sich um ein "Geschenk Georg I., König der Hellenen 1888 an Fürst Alexander von Bulgarien, dessen Gattin Gräfin Joh. Hartenau 1945 an V. Esertic". Tatsächlich stammt die rotfigurige Vase jedoch aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, wo sie zwischen 1952 und 1976 abhanden gekommen war. Sie war als Tafelaufsatz (nebst 11 weiteren Vasen) Teil eines Modells der Tempel von Paestum, das die Königin von Neapel-Sizilien Maria Karolina, Tochter von Kaiser Franz I. und Maria Theresia in Auftrag gegeben und 1805 ihrem Vater geschenkt hatte. Der Diebstahl aus dem Museum ist inzwischen verjährt, der aktuelle Eigentümer hatte die Vase samt Unterbau gutgläubig erworben. Im Auktionshaus, so schreibt der Standard, "stand man – auch aufgrund der Verschwiegenheitspflicht als Kommissionär – vor einem Dilemma. Eine Versteigerung des Objektes stand angesichts des Rechercheergebnisses nicht zur Debatte. Würde man dem Einbringer die Vase, die er zuvor im Wiener Antiquitätenhandel (gutgläubig) erworben hatte, als 'unverkäuflich' retournieren, könnte sie für immer verschwinden."

Immerhin hat hier das Auktionshaus erreicht, dass der aktuelle Eigentümer die Vase dem Kunsthistorischen Museum in Wien gegen einen relativ geringen "Finderlohn" geschenkt hat. 

kein Vorbesitzer: Fürst Alexander I von Bulgarien (1857-18893)
(via WikimediaCommons)


 

Ein Münchner Auktionshaus, das sich deutlich weniger Mühe bei der gesetzlich vorgeschriebenen Provenienzprüfung gegeben hat, wurde in einem ähnlich gelagerten Fall von Dritten darauf aufmerksam gemacht, dass die betreffenden Objekte aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien geklaut seien. Trotz besseren Wissen verbreitete das Auktionshaus die falsche Provenienz aktiv weiter und brachte die Funde zur Versteigerung. Hier ging es um ägyptische Kanopen, die laut Provenienzgeschichte aus dem Besitz der österreichischen Kaiserhauses stammten und nach 1945 in den Kunsthandel gekommen seien. Hier wird einfach verschwiegen, dass der kaiserliche Besitz Ende des 19. Jahrhunderts an das Kunsthistorische Museum gelangte.

 

Weitere Fake-Provenienzen 

Das ist indes nur eine kleine Auswahl dokumentierter Fälle.  Zahlreiche Beispiel hat Christos Tsirogiannis identifiziert:



 

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