Dienstag, 16. August 2016

Fertig erfasst - Sammlungsprobleme

Vorsortierte Funde
Die Aufnahme der Sammlung Albert Kley ist abgeschlossen, jedenfalls was die Funde selbst angeht. Die Arbeit hat fast 15 Jahre in Anspruch genommen, nachdem eine ursprünglich angedachte Finanzierung aus Mitteln der Denkmalpflege sich nach einer Kürzungsrunde zerschlagen hatte. Neben meinen Dienstaufgaben war dies nun über die Jahre hinweg eine Tätigkeit, die ich 'nebenbei' erledigt habe. Der eine oder andere Aspekt konnte in einem Forschungsprojekt aufgegriffen werden (Stubersheimer Alb, Blaubeurer Alb), bei der Masse der Funde wurde aber lediglich die Beschriftung, der Zustand der Funde und die Verpackung kontrolliert. Vieles war seit 50 Jahren noch im Zustand, wie es von der Baustelle oder vom Feld geborgen wurde. Funde mussten daher in vielen Fällen noch gewaschen werden.

Bei einigen Funden ist der Kontext verloren gegangen beispielsweise durch "Mäusefraß" an Fundzetteln, Ausbleichen von Stiften (Rubrik: Unbraucbare Fundzettel (3)), Zersetzung säurehaltigen Papiers (Rubrik: Unbrauchbare Fundzettel (2)) oder Wasserschaden. Vielfach war die Beschriftung von Anfang an ungenügend (Rubrik: Unbrauchbare Fundzettel), einige Metallfunde sind rettungslos verloren. Viele Kartons waren feuchtigkeitsbedingt instabil und der Inhalt musste nicht unähnlich einer Grabung geborgen worden. Oft wurden in einzer Schachtel Funde mehrere Fundstellen, nur durch ein Zeitungspapier getrennt aufbewahrt. Einige Funde waren angeschimmelt (vergl.Schimmel-Keramik).

Meist fehlt auch eine Dokumentation der genauen Tätigkeiten im Gelände, etwa in Form eines Tagebuchs oder einer Fundstellendokumentation Für die Auswertung ist dies grundlegend, denn nur so kann eingeschätzt werden, ob Funde repräsentativ sind, ob Fundausdehnungen und chronologisches Fundspektrum ausreichend erfasst sind. Der schriftliche Nachlass ist bislang nur grob sortiert. Für einige Fundstellen gibt es systematische Beschreibungen in kleinen Notizbüchern, für andere beschränken sich die Informationen auf kurze Bemerkungen auf den Briefumschlägen, die als Fundtüte gedient hatten.

Fundorte der Sammlung Kley (vergl. Eine Karte der Sammlung Kley)

Immerhin: Die Sammlung hat nicht das Schicksal vieler anderer Privatsammlungen geteilt. Sie ist nicht in den Müll gewandert. Ich kenne einige Fälle, in denen die Sammlung von den Erben einfach entsorgt wurde. Ähnliches gilt übrigens auch für kleinere Schulsammlungen oder eine Aufbewahrung auf dem Rathaus. Bei irgendeinem Umbau oder Umzug wandern die Funde in den Container. Eine Übergabe der Sammlung zu Lebzeiten kommt oft nicht zustande, da die Sammler, die Funde als ihr Eigentum ansehen und die Kontakte zur Denkmalpflege oder den Museen oft eher sehr locker sind. 
Im Falle der Sammlung Kley war es deshalb kein Problem, weil die Erben sich des wissenschaftlichen Wertes der Sammlung bewusst waren und über Jahre hinweg auch bereit waren, die Sammlung in den ursprünglichen Räumen zu belassen, wo es am ehesten möglich war, die Informationsverluste zu minimieren und die Funde zu sortieren.
Die Sammlung Kley zeigt die Probleme, mit der sich die Archäologie bei der Auswertung von Privatsammlungen  konfrontiert sehen. Diese betreffen zunächst 
  • die ungenügende Dokumentation an der Fundstelle, 
  • den kaum dokumentierten Arbeitsablauf vor Ort, dessen Kenntnis wichtig ist für die unerlässliche Quellenkritik, 
  • die oft unübersichtliche Ordnung und
  • die Konservierung der Funde,
  • den Umgang mit der Sammlung nach dem Tod des Sammlers.
Eine umfassende Auswertung einer einzelnen Sammlung macht meist wenig Sinn. In der Regel muss der siedlungsgeschichtliche kontext hergestellt werden, was bedeutet, das für eine Region alle verfügbaren Funde (oder doch eine als repräsentativ eingeschätzte Stichprobe), nicht nur die zufällige Auswahl einer Sammlung berücksichtigt werden müssen.
Damit die Sammlung für die Wissenschaft und die Gesellschaft einen Nutzen hat, benötigt es
  • eine Erschließung und Zugänglichkeit der Sammlung
  • die Sicherstellung einer dauerhaften Aufbewahrung
Nur so können die Funde zu einem Gesamtbild zusammen gefügt werden.

Der (fast) letzte Transport: Die Beladung eines
Transporters des Denkmalamtes, 12.8.2016
(Foto: R. Schreg)
Der finanzielle und personelle Aufwand einer Inventarisierung und Bearbeitung der hinterlassenen Sammlung sowie ggf. einer nötigen Restaurierung ist nicht zu unterschätzen. Ich habe - allerdings zum allergrößten Teil in meiner Freizeit und nur wenige Tage im Jahr, aber immer wieder mit freiwilliger Unterstützung - fast 15 Jahre für eine komplette Sichtung der Bestände gebraucht. Im Sommer 2016 konnte nun das letzte Material in ein Depot der Denkmalpflege Baden-Württemberg gebracht werdem, wobei dort unter besseren Platzbedingungen noch eine endgültige Sortierung und Beschriftung zu erledigen ist. Einige Funde gingen zu einer Bearbeitung im regionalen Kontext an die Kreisarchäologie Straubing-Boden sowie die Kreisarchäologie Göppingen.

Die zugehörige schriftliche Dokumentation, die oft auf wiederverwendeten Briefumschlägen oder großen Pappbögen findet, ist bisher nur grob gesichtet und den Fundstellen zugeordnet. Offenbar gibt es zahlreiche Geländebeobachtungen, zu denen keine Funde vorliegen. Die Lokalisierung der Fundstellen erweist sich ohne Koordinatenangaben häufig als schwierig. Für Herrn Kley war es vielfach nicht einfach, geeignetes Kartenmaterial zu beschaffen. Manche Skizzen beruhen auf einer Handpause der offiziellen Flurkarten.
Als die Aufnahme der Sammlung um 2001 begann, war noch kaum abzusehen, welche Möglichkeiten Geographische Informationssysteme heute spielen. Die Erfassung erfolgte daher in einer einfachen Tabellenstruktur, die vielfach nur grobe Angaben enthält.  


Die Art und Weise der Aufarbeitung der Sammlung Kley - als freiwillige, unbezahlte Leistung - kann nicht der Regelfall sein.

Der letzte Fund in den Sammlungsbeständen:
spätbronzezeitliche Henkeltasse aus einem Brandgrab aus Niederhofen
(Foto: R. Schreg)
Bis ganz zum Schluß war die Aufnahme der Sammlung voller Überraschungen. Nach dem letzten Transport fiel noch ein Schränkchen ins Auge, in dem sich dann noch als letzte von rund 575 Fundstellen das Keramikinventars eines 1940 entdeckten spätbronzezeitlichen Brandgrabes befand.




Interner Link


Änderungsvermerk (23.9.2016)
Link zu Rubrik Unbrauchbare Fundzettel 3

 nachgetragen

1 Kommentar:

Stefan Wenzel hat gesagt…

Lieber Rainer,
auch wenn die Dokumentation einiger Funde vielleicht nicht optimal ist - Du hättest Dich wohl kaum 15 Jahre mit der Sammlung von Herrn Kley befasst, wenn da nicht wertvolle Informationen zu holen wären. Dass so viel Zeit nötig war zeigt, wie fleissig Albert Kley war. Da auch Funde "von der Baustelle" dabei sind heißt, sie wären verloren, wenn er sie nicht gerettet hätte. Was Du an Mängeln an Dokumentation und Aufbewahrung von Funden beschreibst, kenne ich auch von professionellen Archäologen (selbstverständlich nur von früheren ...). Was kein Freibrief sein soll, nicht aus Fehlern zu lernen. Aber das Fazit ist doch wohl in diesem Fall: das Glas ist nicht halb leer, sondern mehr als halbvoll.
Viele Grüße,
Stefan