Freitag, 7. Februar 2014

Ein Beitrag zur Magdalenenflut

Auf dem Mittelalterblog bei hypotheses bietet Martin Bauch einen Überblick über den Forschungsstand zum 'Magdalenenhochwasser' 1342:
  • Martin Bauch: Die Magdalenenflut 1342 – ein unterschätztes Jahrtausendereignis?, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 04. Februar 2014, http://mittelalter.hypotheses.org/3016 (ISSN 2197-6120). 
Der Beitrag gibt nicht nur einen Überblick über den Stand der mediävistischen Forschung, sondern  fordert hier auch den 'material turn' ein, der in der Tat die erforderliche interdisziplinäre Zusammenarbeit erst möglich macht.
Für diese Zusammenarbeit scheint es mir wichtig, dass mögliche Szenarien aufgezeigt werden, die es ermöglichen, Ansatzpunkte für weitere gemeinsame Forschungen zu finden.

Spannend scheint mir die hier nur grob zu skizzierende Frage, inwiefern 1342 die entscheidende Voraussetzung für 1347 war -  Eine Störung der Nagerpopulationen mit massiver Ausbreitung nach den Unwettern 1342? Kurz vor der Ernte stehende, keimfähiges Getreide wird in der Landschaft verteilt und könnte auch in den Folgejahren ein besseres Nahrungsangebot für Nager geboten haben. Problematisch an der These ist die Ausbreitung der Pest aus dem Osten im Vergleich mit den bekannten 1342 getroffenen Regionen. Die These geht nur aus, wenn man  annehmen würde, dass die Pest zuvor schon heimisch war, aber durch Mutationen an Virulenz gewonnen hat. Die aktuelle Diskussionen um tatsächliche Veränderungen der yersinia pestis-DNA kurz vor der 1347ff-Welle sind da spannend, aber im Augenblick vielleicht noch zu unsicher.
Von der bekannten Ausbreitung der Pest her, möchte man eigentlich annehmen, dass die Mutation nicht erst in Mitteleuropa stattgefunden hat, da sie ihre Gefährlichkeit offenbar schon 1347 auf der Krim besaß. Insofern müssten die Regionen südlich der Alpen oder gar im Schwarzmeerraum und östlich davon, verstärkt berücksichtigt werden. 
Der Hinweis von Martin Bauch, dass eben nicht nur der deutsche Mittelgebirgsraum, sondern darüber hinaus "Ost- und Zentralfrankreich, die Provence, Norditalien, das ganze heutige Deutschland sowie Böhmen, Österreich und Ungarn" von den Überschwemmungen betroffen waren, ist hier wichtig. Inwiefern reichten die Unwettersituationen aber noch darüber hinaus?
Erosions-Gully im Schönbuch bei Tübingen.
(Foto: R. Schreg, 2013)
Ein 'material turn' der Geschichtswissenschaft ist hier dringend erforderlich, aber auch ein Nachdenken, darüber, wie man die unterschiedlichen Quellen zusammenführt, ohne dem einen oder anderen Determinismus zu verfallen. 
In diesem Zusammenhang sei noch auf einen anderen, freilich ebenso hypothetischen Aspekt der 'Magdalenenflut' 1342 hingewiesen: Inwiefern wurden die Wetterextreme durch die damalige Landnutzung gefördert und im weiteren die Vulnerabilität der Landschaft für Erosion vergrößert? Könnte da nicht die immer als agrartechnischer Fortschritt gepriesene Dreizelgen(!)wirtschaft eine Rolle spielen: Entstehung großer Felder mit Auswirkungen auf Mikroklima und Wasserabfluß?

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1 Kommentar:

Martin Bauch hat gesagt…

Lieber Herr Schreg, vielen Dank für Ihr Aufgreifen meines knappen Beitrags. Was Sie skizzieren, sind genau die Punkte, an denen weiter zu suchen ist: Ob man einen plausiblen Link zur Pest (re-)konstruieren kann, ist für mich noch sehr offen; allerdings ist gerade für Italien - wo nun einmal die detailliertesten Quellen zum Schwarzen Tod vorliegen - das meteorologische Pessimum der 1340er Jahre kaum thematisiert worden, und wenn, dann wurde seine Relevanz - auch von etablierten Forschern zu Hungerkrisen wie z.B. Luciano Palermo - schlicht ignoriert. Ich hoffe, mit meinen eigenen Forschungen in den nächsten Monaten und Jahren dieser Spur nachgehen zu können. Mindestens ebenso relevant scheint mir aber die Frage nach den agrarhistorischen Rahmenbedingungen zu sein, die sie aufwerfen: Wenn ich Hans-Rudolf Bork richtig verstehe, sind seine Ergebnisse nur in einer großflächig gerodeten Landschaft mit offenen Feldern zu verstehen. Und ich möchte noch einmal betonen: Warum kommt der Landesausbau gerade auch östlich von Elbe und Saale schon vor der Pest zum Stehen? Mir scheint dieser Aspekt in der Historiographie zur ehemals so genannten "Deutschen Ostsiedlung" weiterhin unterbeleuchtet und unbefriedigend erklärt.