Sonntag, 9. Februar 2014

Die frühmittelalterliche Siedlung von Neuwied-Gladbach - ein Vorbericht nach 75 Jahren

Die Siedlung von Neuwied-Gladbach wurde in den Jahren 1937/38 ausgegraben. Eine angemessene Publikation steht bis heute aus. Dabei kommt der Grabung forschungsgeschichtlich größte Bedeutung zu, war dies doch eine der ersten Siedlungsgrabungen, anhand derer eine Vorstellung über Hausbau, Wohnen und Arbeiten zur Merowingerzeit gewonnen werden konnte. Hier entstanden erste Rekonstruktionsversuche frühmittelalterlicher Grubenhäuser.
Die Grabungen gingen aus vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn, das auch heute die Funde wohl geordnet aufbewahrt. Einer der Ausgräber war Hermann Stoll, einst wissenschaftlicher Assistent am Tübinger Institut und als Geologe ein Pionier der Siedlungsforschung zum frühen Mittelalter. In Bonn war Stoll seit 1937 mit dem Frankenkatalog vertraut, der systematischen Erfassung aller merowingerzeitlicher Fundstellen der Rheinlande. Stoll wie auch K.H. Wagner überlebten den zweiten Weltkrieg nicht. Kurt Böhner übernahm nun in Bonn die Auswertung - eine Aufgabe, die er nach seinem Wechsel nach Mainz ans RGZM weiter verfolgte. In den 1950er Jahren entstand ein erstes Skript, das insbesondere die Keramikfunde behandelte. In den 1960er Jahren wurde Walter Sage für die Auswertung der Baubefunde engagiert, die ebenfalls mit einem Manuskript abgeschlossen wurde. Was noch fehlte, war die Auswertung der Grabfunde von Gladbach, die Konrad Weidemann vornehmen sollte. In Gladbach wurden in der Siedlung und in ihrem näheren Umfeld mehrere Bestattungsplätze entdeckt und untersucht. Solche eine Kombination von Siedlungs- und Grabfunden an einer Fundstelle ist bis heute ein seltener Glücksfall, der eingehende Erkenntnisse in die Siedlungsstrukturen und die Gesellschaft verspricht. Die Auswertung der Grabfunde stockte. Die Grabinventare wurden zusammengestellt, die Funde gezeichnet, eine Auswertung kam aber nicht zustande. Als Hermann Ament  nach seiner Bearbeitung der merowingerzeitlichen Funde auf der gegenüberliegenden Rheinseite im Lauf der Zeit durch Doktoranden systematisch die Grabfunde am Mittelrhein in Mainz bearbeiten ließ, blieb Gladbach ausgeklammert, weil man auf eine monographische Vorlage von Siedlung und Gräberfeld hoffte.

Neuwied-Gladbach vor dem Hintergrund der regionalen Verbreitung merowingerzeitlicher Gräberfelder,
dem Verlauf des römischen Limes und der Arbeitsgebiete der regionalen Bearbeiter
(braun: Materialedition - gelb: Liste - weiß: grobmaßstäbige Kartierung)
(Graphik R. Schreg, Kartengrundlage: Open Street Map
[CC BY-SA/„Open Database Licence (ODbL) 1.0"])

Die Fundstelle wurde beim Ausbimsen entdeckt, das heißt, die heutige Landschaft ist eine archäologische Wüste, die alten Oberflächen sind nicht mehr erhalten, selbst Bachläufe wurden verlegt. Ergänzende Geländeuntersuchungen, etwa mittels Geophysik, sind somit heute nicht mehr möglich. Die Frage, inwiefern die bekannte Siedlung nur einen Ausschnitt einer wesentlich komplexeren Siedlungsverlagerung darstellt, muss daher wohl offen bleiben.
Die Situation der Siedlung Neuwied-Gladbach 2013. Die ehemaligen Bimsgruben werden wieder landwirtschaftlich bewirtschaftet, die archäologischen Befunde sind großflächig vernichtet.
(Foto: R. Schreg)


In Absprache und Kooperation mit dem Rheinischen Landesmuseum Bonn wird nun ein neuer Anlauf gemacht, die Grabungsergebnisse so vorzulegen, dass sie der Forschung zur Verfügung stehen.
Inzwischen ist gewissermaßen die vierte Wissenschaftlergeneration  mit der Grabungsauswertung befasst. Das ist leider nicht ungewöhnlich. Vielen Siedlungsgrabungen der Zwischenkriegszeit war ein ähnliches Schicksal beschieden, nachdem die ursprünglichen Ausgräber im Krieg gefallen waren und die nachfolgenden Auswerter sich angesichts aktueller Dienstgeschäfte immer nur nebenbei mit den Arbeiten befassen konnten. Das ist auch heute kaum anders.
Derzeit geht es darum, eine Strategie zu entwickeln, wie die Grabungsauswertung und -publikation nun sicher gestellt werden kann. Dazu wurden in einer ersten Runde die vorhandenen Funde und Dokumentationsunterlagen gesichtet und eruiert, wo Auswertungspotentiale bestehen. Dazu hat Lutz Grunwald erste Verteilungsanalysen der Keramikfunde innerhalb der Siedlung vorgenommen, die einen Hinweis darauf geben, dass innerhalb der Grabungsfläche mit Verlagerungen zu rechnen ist. Desweiteren zeichnet sich ab, dass man mit einer längeren Laufzeit der Siedlung wie auch der siedlungsinternen Bestattungsplätze zu rechnen hat.

Aus diesen Arbeiten ist fast 75 Jahre nach Abschluß der Grabung ein Vorbericht entstanden, der die Altgrabung:
Literaturhinweise
  • W.Sage, Die fränkische Siedlung bei Gladbach, Kreis Neuwied. Ein Führer zum Diorama. Rhein. Landesmus. Kl. Mu -seumsh. 7 (Düsseldorf 1969).
  • H. Stoll, Die fränkische Besiedlung des Neuwieder Beckens. Rhein. Vorzeit Wort u. Bild 2, 1939, 120-138.
  • H. Stoll / K.H.Wagner, Fränkische Siedlung mit Friedhof bei Gladbach, Kreis Neuwied. Nachrbl. Dt. Vorzeit 13, 1937, 119-121.
  • K.H.Wagner / L.Hussong / H.Mylius, Fränkische Siedlung bei Gladbach, Kreis Neuwied. Germania 22, 1938, 180-190 

2 Kommentare:

Markus Schäfer hat gesagt…

Guten Abend,
gibt es denn das beannte Diorama noch? Ich habe es in einer Dokumentarreihe über die Germanen gesehen, finde aber weiter nichts dazu.
Vielen Dank

Rainer Schreg hat gesagt…

Das weiß ich leider nicht, müsste man beim RLM in Bonn eruieren.