Montag, 20. Mai 2013

Die württembergische Landesaufnahme - Vaterlandsliebe als Wurzel der Landschaftsarchäologie

Zwischen 1821 und 1851 wurde im Königreich Württemberg die topographische Landesvermessung durchgeführt. Sie war noch vor der Annahme der württembergischen Verfassung angeordnet worden und sollte einer gerechten Besteuerung in dem 1806 erheblich erweiterten und zum Königreich erhobenen Württemberg dienen. Das Produkt war neben dem steuerrelevanten Primärkataster auch der topographische Atlas des Königreichs Württemberg, der die Messtischblätter 1:50000 umfasste.
 

Eduard Paulus der Ältere

Eduard Paulus der Ältere
(Ölgemälde: Landesmus.
Württemberg
[Urheberrechte erloschen];
Wikimedia Commons)
Einer der Mitarbeiter der Landesvermessung war Karl Eduard Paulus, geboren am 29.1.1803 in Berghausen südlich von Speyer. Er trat 1823 in das Königliche statistisch-topgraphische Bureau ein. Anfangs als Messgehilfe tätig, war Paulus bei der Erstellung mehrerer Urkarten und Atlasblätter beteiligt. 1843 wurde er zudem in das Projekt der Oberamtsbeschreibungen einbezogen. Nach und nach legte er eine archäologische Karte von Württemberg vor. 1852 konnte er die ganz Württemberg umfassende Karte im Maßstab 1:200000 auf der Tagung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz präsentieren. Es war die erste, ein Land vollständig abdeckende archäologische Karte. Da Paulus das Dreiperiodensystem nicht anerkannte, unterschied er - blau kartiert - altgermanisch (keltisch) und alamannisch (fränkisch) sowie - in rot - römisch.

Paulus ergänzte die Karte in mehreren Auflagen. Die vierte Auflage erschien posthum, als sein Sohn Eduard Paulus der Jüngere Landeskonservator war.

Surveymethoden

Mehrfach hat Paulus seine Methoden beschrieben. Die neuen topographischen Karten mit ihrer Schraffur-Darstellung des Geländes wie die genauen Flurkarten im Maßstab 1:2500 spielten hier eine zentrale Rolle, dienten sie Paulus doch einerseits zur Eingrenzung potentieller Fundstellen, zugleich aber auch der Kartierung und Dokumentation. Einzelne vor- und frühgeschichtliche Anlagen, wie beispielsweise die Viereckschanze von Fleinheim wurden bereits bei der topographischen Landesvermessung im Maßstab 1:2500 aufgenommen.
Anhand der Karten definierte Paulus archäologisch interessante Situationen, die er dann beging. Die lokale Bevölkerung war ihm dabei eine wesentliche Informationsquelle (siehe Archäologen und mißrathene Genies - Tips für die archäologische Kartierung). Mit ihren topographischen Beobachtungen haben Paulus' Forschungen mehr mit einer modernen Landschaftsarchäologie gemein als mit der Kossinna'schen Siedlungsarchäologie, auch wenn auch für Paulus die Zuweisung zu früheren Völkern grundlegend war.
Ausschnitt aus der topographischen Karte des Königreichs Württemberg
4. Aufl., 1882

Vaterlandskunde

Das Projekt der topographischen und der archäologischen Ebene hängen nicht nur methodisch - die topographischen Karten als Voraussetzung zur archäologischen Kartierung - sondern auch auf der inhaltlichen Ebene zusammen: Karten und Archäologie als Elemente der Identitätsbildung.

Das steigende Interesse für die Vorgeschichte hat in Deutschland sehr viel mit der politischen Situation nach der Auflösung des Alten Reiches zu tun. Der Blick in die Vergangenheit bot Ausgleich für die Gegenwart und lieferte mit seinen nationalen Untertönen Argumente für eine neue Reichsgründung.
Unterhalb der "nationalen" Ebene diente eine Vaterlandskunde auch dazu, den neu geschaffenen oder vergößerten Staaten selbst eine Identität zu verschaffen.
Parallel zur topographischen Landesvermessung und der von Paulus betriebenen Kartierung der archäologischen Fundstellen wurden in Württemberg weitere Vorhaben der Vaterlandskunde forciert: detaillierte Landesbeschreibungen, die zunächst die verwaltungsrechtlichen Rahmenbedingungen festgehalten hatten, aber bald schon um geologische, naturräumliche, volkskundliche und historische - einschließlich archäologische - Informationen ergänzt wurden. Ziel dieser Vaterlandskunde war unter anderem die Schaffung einer gemeinsamen Identität im neuen, gewachsenen Staat Württemberg, der nun neben den alten protestantischen Regionen auch katholische Landstriche mit einbezog. "Ohne Kenntnis des Vaterlands kann es unmöglich wahre Vaterlandsliebe geben (Memminger 1822, 2)." "Die Kenntnis des Vaterlands ist zugleich die Grundlage bürgerlicher Tüchtigkeit und fördert das staatsbürgerliche Leben. (Memminger 1822, 4f.)"

Literaturhinweis

    ResearchBlogging.org
  • F. Kreienbrink, Mapping the Past: Eduard Paulus the Elder (1803–1878) and the Archaeological Survey of Württemberg. Bulletin of the History of Archaeology, 17 (2), 2007 DOI: 10.5334/bha.17202
  • Memminger, Neuere Anstalten und Mittel zur Förderung der Vaterlandsliebe. Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1, 1822, 1-71 (Digitalisat)

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