Montag, 13. August 2012

Gebrauchsspuren an Keramik

Es gibt auffallend wenige Studien zu Gebrauchsspuren an Keramikfunden. Inhaltsreste werden in der Literatur selten genannt, obwohl sie erfahrungsgemäß gar nicht so selten sind. Auch die meisten Leitfäden zur Beschreibung von Keramik übergehen diesen Punkt.

Kesselstein an hochmittelalterlicher Keramik aus Merdingen
(Foto R. Schreg)
Häufig sind
  • Schwarze anhaftende Krusten. Sie finden sich häufig auf der Innenseite, bisweilen aber auch außen am Rand.
  • Verrußung. Häufig auf der Außenwand.
  • Kesselstein. Kalkablagerungen im Innern, bisweilen ist ein geschichteter Aufbau zu erkennen.
  • Abschabungen und Ritzungen.

Problematisch bei diesen Gebrauchsspuren ist es, dass sie beim Waschen der Scherben verloren gehen können. Beanspruchungen der Oberfläche sind häufig durch "Bürstenstrich" vom Sauberschrubben überprägt.


Hochmittelalterliche Keramik aus
Merdingen FR (1-2) und Altdorf BB (3-5)
(Graphik R. Schreg, aus Schreg 2012)
Sehr häufig weisen die Gefäße der hochmittelalterlichen nachgedrehten Waren (Abb. Nr. 1-2)  in Südwestdeutschland Gebrauchsspuren auf. In der beistehenden Abbildung finden sich auf der Innenseite der Scherbe Nr. 1 anhaftende Kalkreste. Auf Nr. 2 sind im Randknick schwarze organische Reste erkennbar.
Nach meinen empirischen Beobachtungen sind Kesselstein wie auch anhaftende organische Reste bei der nachgedrehten Keramik weit häufiger als bei der Älteren gelben Drehscheibenware (Nr. 3-5). Derzeit kann allerdings wohl nicht ausgeschlossen werden, dass dies damit zusammenhängt, dass die nachgedrehte Keramik vorsichtiger gewaschen wird, während die härter gebrannte, helle gelbe Drehscheibenware zu stärkerem Schrubben animiert.
Ausgesprochen häufig treten bei der nachgedrehten Ware auch Reparaturlöcher auf (Nr. 2).

Entsprechend sind bei der Bearbeitung handgemachter Keramik in Panama (vgl. Archaeologik) nur an Scherben dieser Warenart dicke schwarze Krusten aufgefallen. Sie lässt sich dadurch eindeutig funktional als das Kochgeschirr gegenüber anderen Waren wie der Majolica und der Hafnerware absetzen. Bei einigen Scherben der handgemachten Keramik wurden an der Innenseite Abnutzungsspuren beobachtet, teilweise offenbar auch durch die Nutzung von Messern.

Phytolith
(Foto: H.G. Naton [CC BY-SA 3.0]
via WikimediaCommons)
Im Rahmen unserer Untersuchungen zur frühneolithischen Besiedlung der Schwäbischen Alb (siehe Archaeologik) wurden testweise in den USA einige Proben von Inhaltsresten der Grabung Sonderbuch Schaghau 2008 auf Phytolithen untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich diese Silikatablagerungen aus Pflanzenzellen gut nachweisen lassen. Da die Phytolithen mehrheitlich kaum artspezifisch sind, sind Rückschlüsse auf den Inhalt schwierig und bedürfen einer relativ großen Probe. Trotzdem scheint es lohnend, diesen methodischen Weg weiter zu verfolgen.

Für eine nähere Bestimmung der Krusten kommen verschiedene Analyseverfahren in Frage. Am einfachsten ist der Einsatz eines digitalen Mikroskops, doch kenne ich bislang keine nutzbaren Referenzbilder, um etwa Reste von Sinterablagerungen (Kesselstein) sicher von Engoberesten zu unterscheiden oder Verrrußungen von eingekokelten 'Suppen'resten zu trennen. 
Chemische Analysen wurden häufig zur Analyse von Inhaltsresten, insbesondere von Fetten eingesetzt. Hier ist daran zu denken, dass die Ethnologie verschiedene Verfahren kennt, die normalerweise poröse Irdenware durch Fette oder das Auskochen mit Milch wasserdicht zu bekommen. Eine Möglichkeit sind Phytolithenanalysen, wie sie anderswo bereits eingesetzt wurden, im Einzelfall könnte evtl. auch C/N-Isotopie in Frage kommen.


Inhaltsreste an einem Scherben der LBK aus Sonderbuch, Schlaghau, Grabung 2008. In dieser dunklen Masse ließen sich mehrere Phytolithen nachweisen. Für die Interpretation der Mikroskopaufnahmen fehlt uns z. Zt. die nötige Expertise. Auffallend sind wiederholt die bläschenartigen Strukturen in den Randbereichen der anhaftenden schwarzen Masse.
(Foto: R. Schreg)

 Voraussetzung für eine Bearbeitung solcher Gebrauchs- und Inhaltsreste scheint mir eine systematische Serie experimenteller Archäologie. Benötigt werden Referenzproben, die mittels einer ersten optisch-mikroskopischen Vergleichs eine Eingrenzung der weiteren geeigneten Analytik ermöglicht. Dazu wird man nicht nur verschiedene Nutzungen, sondern vor allem auch verschiedene Keramik-Qualitäten zu berücksichtigen haben.
Experimentelle Archäologie ist aber vor allem für das Verständnis mechanischer Gebrauchsspuren von Bedeutung. Hier ist eine große Bandbreite zu bedenken - bis hin zum Hundefressnapf.
Vielleicht lässt sich im Idealfall anhand einer Mikrostratigraphie unterschiedlicher Einwirkungen ja die individuelle Nutzungsgeschichte eines Gefäßes rekonstruieren.

Dank

Maria Raviele für die Phytolithenanalysen aus unserem Alb-Projekt.

Literaturhinweise
Interne Links


Nachtrag (13.8.2012)
Als Reaktion auf diesen Post hat Maxi Platz Beispiele aus Marburg auf ihrem Blog vorgestellt, bei denen sich das Problem stellt, ob Engobe oder Verrußung vorliegt:

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