Sonntag, 18. September 2016

Pipeline durch sacred land löst Indianeraufstand aus

Ein Pipeline-Projekt im US-Bundesstaat Nord-Dakota hat zu einem Zusammenschluss von 60 Indianerstämmen geführt, die gemeinsam gegen eine Pipeline kämpfen.
Auslöser ist unter anderem die Zerstörung einer archäologischen Fundstelle, die den Indianern als sacred land gilt.

The Dakota Access Pipeline (under construction)
Baustelle der Dakota Access Pipeline im Juli 2016 in North Dakota
(Foto: Lars Plougmann [CC BY SA 2.0] via flickr)


Der Protest setzt vor allem an zwei Punkten an: Am Risiko der Wasserverschmutzung bei einem Unfall und in der Tatsache, dass die Pipeline sacred land ("geheiligtes Land") durchquert und bei den Bauarbeiten indianische Bestattungsplätze zerstört wurden. 

Risiko für Land und Wasser

Die Pipeline soll Rohöl aus Fracking in der Bakken Region in North Dakota nahe der kanadischen Grenze durch vier Bundesstaaten nach Illinois leiten. Nach ihrer noch für 2016 geplanten Fertigstellung soll sie eine Kapazität von bis zu 570.000 Barrel (mehr als 90 Millionen Liter) Öl pro Tag haben. Die Pipeline quert mehrere Flüsse, unter anderem den Missouri. War zunächst eine Querung nördlich der Stadt Bismarck geplant gewesen, die ihr Wasser aus dem Missouri bezieht, so wurde sie schließlich flußab verlegt. Damit liegt die Querung direkt bei dem Reservat der Standing Rock Sioux und gefährdet deren Grundwasser. Das Risiko wurde damit einfach auf die 'first nation' abgeschoben.
Gerade in den letzten Monaten war es in Nordamerika  mehrfach zu Unfällen gekommen, meist auf Kosten der Indianer. Ganz aktuell sind Nachrichten über ein Pipeline-Leck in Alabama.
 

Zerstörung von Gräberfeldern

Ende August/Anfang September hatten die Bauarbeiten westlich des Lake Oahe, N.D. Dutzende von Gräberfeldern und anderen Fundstellen einplaniert, darunter eine steinerne Stele, die ein Experte des Stammes als den bedeutendsten archäologischen Fund in Nord-Dakota seit vielen Jahren einstufte. In einem Gutachten war Anfang September 2016 auf die Bedeutung der Fundstelle hingewiesen worden. Kurz darauf haben Baueinheiten außer der Reihe, frühmorgens, gezielt und unter Bewachung mit Hundestaffel und Helicoptern die archäologischen Fundstellen gebulldozert. Es liegt der Verdacht nahe, dass die Zerstörung kein Versehen war. 

Ausgeführt wurden diese Arbeiten durch das U.S. Army Corps of Engineers. Dessen Aufgaben betreffen nicht nur militärische Anlagen, sondern es übernimmt auch die Ausführung staatlicher Bauingenieurprojekte, und ist für Baugenehmigungen zuständig, die Staatsland - wie etwa Wasserstrassen wie den Missouri - betreffen (siehe wikipedia). Das Corps besitzt für kleinere Pipelines eine generelle Genehmigung, die eine nach dem Umwelt- und Denkmalschutzgesetz (National Historic Preservation Act) eigentlich vorgeschriebene Risikoabschätzung umgeht. Die 1930 km lange Pipeline wurde deshalb als eine Kette kleinerer Bauabschnitte 'genehmigt'. Zwar beteuert das texanische Unternehmen Energy Transfer Partners, dass es sämtliche Genehmigungen für den Bau seiner Pipeline habe, doch ergeben sich einige Zweifel, an deren Rechtmäßigkeit, da die eigentlich vorgeschriebenen Risikoabschätzungen und Abstimmungen mit den Belangen des Kulturschutzes nicht ausreichend erfolgt oder ganz misachtet worden sind.
Die Klageschrift der Standing Rock Sioux:
Die Society of American Archaeologists SAA hat sich mit einem offenen Brief an den Kommandeur des U.S. Army Corps of Engineers (USACE) dem Protest angeschlossen. Die SAA konstatiert, dass die Belange des historischen Erbes, nicht genügend berücksichtigt werden. Die Umgehung der Regelungen sei illegal, die Zerstörung der Gräber verstoße gleich gegen mehrere Gesetze.
Auf ihrer gesamten Strecke betrifft die Pipeline 360 bekannte archäologische Fundstellen.

Die Indianer bezeichnen die Zerstörung ihrer Gräberfelder als Genozid.  LaDonna Bravebull Allard ist historic preservation officier der Standing Rock Sioux. Sie erklärt:
"The U.S. government is wiping out our most important cultural and spiritual areas. And as it erases our footprint from the world, it erases us as a people," she continued. "These sites must be protected, or our world will end, it is that simple. Our young people have a right to know who they are. They have a right to language, to culture, to tradition. The way they learn these things is through connection to our lands and our history.
If we allow an oil company to dig through and destroy our histories, our ancestors, our hearts and souls as a people, is that not genocide?"



Nach Luftbildern verläuft die Pipeline auf einer schon länger genutzten Trasse.

Proteste

Der Widerstand der Stämme ist friedlich. Sie legen wert darauf, nicht 'protestors', sondern 'protectors' zu sein. Auf der geplanten Trasse ist ein Camp mit fast 4000 Demonstranten entstanden, doch findet der Kampf vor allem vor Gericht statt. Der Stamm der Standing Rocks Sioux hat hier das Army Corps of Engineers verklagt (Klageschrift).  Nach einer gerichtlichen Niederlage der Stämme hat sich die Bundesregierung eingeschaltet und den Weiterbau vorerst gestoppt.

Aktivisten weisen darauf hin, dass es einen solchen Zusammenschluss zuletzt 1867 gegeben habe, als die Indianer die Schlacht am Little Big Horn gewonnen hätten.Mittlerweile wird auch in anderen Städte, in Washington, Los Angeles und Atlanta gegen das Projekt demonstriert.
Vor Ort kam es zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen, nachdem Sicherheitspersonal Pfefferspray und Hunde gegen die Demonstranten eingesetzt hat. Aktivisten vermuten, dass die Baugesellschaft auch mit der Zerstörung der Gräberfelder darauf zielte, Gewalt von Seiten der Demonstranten zu provozieren: "There's only one conclusion, they are attempting to provoke us to violence." folgert ein Protector.

Die American Anthropological Association unterstützt den Protest, ebenso wie mehrere Hollywood Stars, wie Leonardo di Caprio:

Archäologie, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit

Bemerkenswert an den Vorkommnissen ist, wie eng in den USA die Themen "environmentalism", Menschenrechte  und Kulturerbeschutz miteinander verwoben sind. Das ist nicht nur im konkreten Konfliktfall so, sondern schon in der Gesetzeslage des National Historic Preservation Act so angelegt.

Medienberichte


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Änderungsvermerk (18.9.2016):  Abschnitt 'Proteste' verändert und erweitert, da ursprüngliche Formulierung den Eindruck erweckt hat, die Gewalt ginge von den Stämmen aus.

3 Kommentare:

CvE hat gesagt…

Hallo Rainer, diese Karte fand ich äußerst hilfreich. Auch finden sich in den Kommentaren noch einige Details bzgl. der Frage ob und wann die Sioux vor der Planierung der Stätten kontaktiert wurden - hier gibt es wohl unterschiedliche Narrative. https://northlandia.wordpress.com/2016/11/01/a-nodapl-map/

Rainer Schreg hat gesagt…

Hatte ich eben bei Dir auf fb gesehen und als Link für einen neuen Blogpost vorgemerkt, falls ich das Thema nochmals aufgreife (ist immer wieder zeitabhängig). Danke.

Anonym hat gesagt…

sehr hilfreich