Ein Wissenschaftler arbeitet in befristetem Vertrag. (KI-generiert mit Craiyon) |
Die rot-grün-gelbe Regierungskoalition will das Wissenschaftszeitvertragsgesetz reformieren und sieht vor, die Post-Doc-Phase von 6 auf 4 Jahre zu verkürzen. Argumentiert wird, die Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sollen besser vor kurz laufenden Arbeitsverträgen und immer neuen Befristungen geschützt werden.
Das Ziel ist gut, der Ansatz daneben: Seit Jahren wird hier mittels des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes immer wieder die Befristungsregelungen verändert.
Solange jedoch die grundsätzliche Finanzierung der Wissenschaft nicht neu strukturiert wird, ist das jedoch kontraproduktiv und eben nicht zum Vorteil der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Seit Jahren wird, um längerfristige Haushaltsverpflichtungen zu vermeiden Geld über Projektförderungen verteilt, die per se befristet sind.
Viele Studierende, die aktuell im System sind,
haben ihre Karriereplanung an den längeren Fristen orientiert. Sie werden nun
unvermittelt aus der Wissenschaft aussortiert. Für Studienanfänger wird die
Wissenschaft noch unattraktiver und der vielbeschrieene Wissenschaftsstandort Deutschland
blutet aus.
Eine noch kürzere Befristung in den Geisteswissenschaften auf vier Jahre ermöglicht es den Nachwuchswissenschaftlern gerade noch ein Forschungsprojekt mitzumachen, ehe sie dann aus der Wissenschaft ausscheiden müssen, denn die unbefristeten Stellen werden ja nirgendwo geschaffen.
Damit wird auch die Möglichkeit unrealistisch,
ein eigenes Projekt zu entwickeln und einzuwerben. Aktuell ist die
Regellaufzeit eines Projektes drei Jahre. Normalerweise benötigt es mehr als
ein Jahr Vorarbeit ein Projekt zu konzipieren und zu beantragen und bis zu
einem Jahr, ehe das Projekt bewilligt ist (oder bei den aktuellen Förderquoten meist eben auch
nicht). Die nötigen Erfahrungen, Vorrbeiten und Wartezeiten werden meist durch die befristete Projektmitarbeit gewährleistet. Mit der Verkürzung der Postdoc-Phase ist dieser Weg
unrealistisch und noch riskanter als bisher. Ohne diese Chance entfällt aber auch das
Argument, befristete Verträge würden die Innovation in der Wissenschaft sichern.
Die Innovationstreiber kommen mit der noch kürzeren Befristung ja gar nicht
mehr zum Zuge. Auch nicht zu vergessen ist, dass in manchen Disziplinen
Projekte, die von Nachwuchswissenschaftlern eingeworben sind, einen gar nicht
geringen Anteil an der Einwerbung von Drittmitteln haben. Gerade in den eh schon kleinen Fächern wird die Forschungsleistung weiter zurück gehen, was am Ende deren Existenz bedrohen kann.
Ohne mehr Geld im Wissenschaftssystem und einer
Strukturreform, die Forschung in mehr Langfristprojekten fördert (die in den vergangenen
Jahren tendenziell wohl eher zurückgefahren als gefördert wurden) sind alle
Veränderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz politischer Aktionismus oder
Augenwischerei und praktisch ein Weiterschieben der Verantwortung auf Universitäten
und Professoren, die aber keine nennenswerten Handlungsspielräume haben. Eine
Problemlösung jedenfalls ist das WissZeitVG nicht, egal ob reformiert oder
unreformiert. Das Konzept der Regierungskoalition ist eine Verschlimmbesserung.
Links
- WissZeitVG im Kabinett beschlossen . Forchung & Lehre (28.3.2024). - https://www.forschung-und-lehre.de/politik/wisszeitvg-im-kabinett-beschlossen-6330
- Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes - BMBF (ziemlich beschönigende Darstellung)
- https://www.deutschlandfunk.de/bundesregierung-einigt-sich-ueber-zeitvertraege-an-hochschulen-102.html
- https://www.deutschlandfunk.de/interview-geraldine-rauch-praesidentin-tu-berlin-zu-wissenschaftsystem-dlf-6c5e6ff3-100.html (Audio)
1 Kommentar:
aufgegriffen im DGUF-Newsletter: https://dguf.de/newsletter/newsletter-lesen/dguf-newsletter-nr-123-vom-30-03-2024
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