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Seit Herbst 2015 gibt es am Heidelberger Sonderforschungsbereich 933 „Materiale Textkulturen“ ein Projekt, das sich mit „Magischer Schriftlichkeit und ihrer Deponierung in mittelalterlichen Gräbern“ beschäftigt. Das Ziel ist die Sammlung und Kontextualisierung physisch erhaltener Textträger aus archäologischem Befund, die in den Bereich der Magie und Volksreligion des christlichen Mittelalters gehören. Bereits nach kurzer Zeit ist hierbei eine Gruppe von Objekten in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, die bislang wenig erforscht ist und doch in großen Teilen Europas verbreitet gewesen sein dürfte. Es handelt sich um christlich geprägte Textamulette, die mit Bibelzitaten, Gebeten, Segenssprüchen oder Beschwörungen beschriftet und z. T. deutlich individualisiert wurden. Bestandteile dieser Formeln finden sich in einer großen Zahl vor allem medizinischer Handschriften, die in klösterlichen Skriptorien zirkulierten und als Vorlagen für die Anfertigung schutzbringender Artefakte gegen Krankheiten, dämonische Einflüsse und Unheil aller Art dienten.
Seit Herbst 2015 gibt es am Heidelberger Sonderforschungsbereich 933 „Materiale Textkulturen“ ein Projekt, das sich mit „Magischer Schriftlichkeit und ihrer Deponierung in mittelalterlichen Gräbern“ beschäftigt. Das Ziel ist die Sammlung und Kontextualisierung physisch erhaltener Textträger aus archäologischem Befund, die in den Bereich der Magie und Volksreligion des christlichen Mittelalters gehören. Bereits nach kurzer Zeit ist hierbei eine Gruppe von Objekten in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, die bislang wenig erforscht ist und doch in großen Teilen Europas verbreitet gewesen sein dürfte. Es handelt sich um christlich geprägte Textamulette, die mit Bibelzitaten, Gebeten, Segenssprüchen oder Beschwörungen beschriftet und z. T. deutlich individualisiert wurden. Bestandteile dieser Formeln finden sich in einer großen Zahl vor allem medizinischer Handschriften, die in klösterlichen Skriptorien zirkulierten und als Vorlagen für die Anfertigung schutzbringender Artefakte gegen Krankheiten, dämonische Einflüsse und Unheil aller Art dienten.
Auch wenn andere Schreibmaterialien (vor allem Pergament, s. Abb. 3) vorkamen und in bestimmten Regionen deutlich verbreiteter gewesen sein dürften, sind beschriftete Bleibleche aufgrund ihrer Dauerhaftigkeit und des Einsatzes von Metallsonden doch die Fundgruppe, bei der der größte Zuwachs zu erwarten ist. 2013 erschien eine erste Monographie von Arnold Muhl und Mirko Gutjahr, die acht Bleiamulette aus dem Untersuchungsgebiet Sachsen-Anhalt beinhaltet und weitere 80 verwandte Objekte in ganz Europa –von der Spätantike bis zum Ausgang des Mittelalters- auflistet. Darunter sind sowohl am Körper getragene Amulette als auch andere Stücke, die nach Form, Größe und Textinhalt dazu gedacht waren, Häuser, Gräber oder andere Orte zu beschützen. Dabei zeigen sich neben regionalen Besonderheiten auch deutliche Lücken in der Verbreitung (v.a. Westeuropa und der alpine Raum, wo es aber durchaus entsprechende Texte in Manuskripten gibt), deren Zustandekommen momentan ebensogut mit der Verwendung vergänglicher Materialien wie mit der desolaten Forschungssituation erklärt werden kann, da das Thema exakt zwischen Archäologie, Epigraphik und Manuskriptforschung liegt und die Objekte im Fundzustand meist klein zusammengefaltet sind und unscheinbar bzw. unbeschriftet wirken. Auf gezielte Nachforschung hin tauchen kontinuierlich entweder neu gefundene oder erst im Nachhinein erkannte bzw. bislang unbearbeitete Textamulette auf, sodass beispielsweise ein erster Fund in Tschechien (s. Abb. 1) demnächst publiziert wird und in Sachsen-Anhalt die Zahl binnen vier Jahren auf ca. 20 bekannte Stücke angewachsen ist (s. Abb. 2).
Im Hinblick auf die laufende Promotion würde ich mich freuen, möglichst viele noch un- oder wenig bekannte Amulette erfassen zu können. Einzelne Sammlungen und auch ehrenamtliche Sondengänger wurden von mir und hilfsbereiten Kollegen bereits sensibilisiert; flächendeckend und europaweit ist das aber in der Projektlaufzeit nicht zu leisten. Daher wäre ich für die Verbreitung dieses Aufrufs sehr dankbar und nehme Rückfragen und Rückmeldungen gerne unter der folgenden Mailadresse entgegen:
- konrad.knauber [at] zaw.uni-heidelberg.de
Weitere Informationen finden Sie auch in der Projektbeschreibung (englisch/deutsch) und in einem einführenden Artikel (deutsch), der im Herbst 2016 im SPEKTRUM Sonderheft „Die Magie der Schrift“ erschienen ist und den ich Nicht-Academia-Mitgliedern auch gerne als .pdf zuschicke.
Links
Literatur
- Katerina Blažková / Zdenek Šámal / Daniela Urbanová / Konrad Knauber / Dalibor Havel, Stredoveký olovený amulet z hradište Drevíc (k. ú. Kozojedy, o. Rakovník) / A medieval lead amulet from the Drevíc hillfort in Central Bohemia. Archeologické rozhledy 69, 121-142 (im Druck).
- Klaus Düwel, Mittelalterliche Amulette aus Holz und Blei mit lateinischen und runischen Inschriften, in: Volker Vogel (Hg.), Ausgrabungen in Schleswig 15, Neumünster 2001.
- Arnold Muhl / Mirko Gutjahr, Magische Beschwörungen in Blei. Inschriftentäfelchen des Mittelalters aus Sachsen-Anhalt (Halle [Saale] 2013).
- Monika Schulz, Beschwörungen im Mittelalter. Einführung und Überblick (Heidelberg 2003).
- Don Skemer, Binding Words. Textual Amulets in the Middle Ages (University Park 2006).
Konrad Knauber ist Mitarbeiter im SFB 933 "Materiale Textkulturen" am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Heidelberg und promoviert dort im Teilprojekt A03 "Materialität und Präsenz magischer Zeichen zwischen Antike und Mittelalter" zum Thema "Magische Schriftlichkeit und ihre Deponierung in mittelalterlichen Gräbern".
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