Montag, 19. November 2012

Gekehlte Karniesrandschalen

In der Region zwischen Ulm und Augsburg sind im 15. und 16. Jahrhundert gekehlte Karniesrandschalen eine gängige Form des Alltagsgeschirrs. Sie gehören überwiegend zur jüngeren grauen Drehscheibenware, ihr Farbspektrum reicht von hellgrau bis schwarz, gelegentlich sind auch braune Schalen darunter.
Im Raum Ulm gehören sie meist zur polierter Variante der jüngeren grauen Drehscheibenware, wie sie im Raum Ulm wohl schon seit dem 14. Jahrhundert das Tafelgeschirr vertritt. Die Oberfläche ist dabei oft streifig glänzend poliert. In der früheren Forschung (aber teils auch noch in jüngeren Publikationen) wurde diese Ware fälschlich als graphitiert angesehen.
Die Gefäßform der gekehlten Karniesrandschalen kombiniert die übliche Randform der normalen Töpfe mit einer offenen Form, wobei sich oberhalb der Gefäßmitte ein kantiger Umbruch befindet. Der Oberteil der Schale ist konkav ausgebildet.
In der Forschung wurden die Gefäße häufig als Milchschüsseln bezeichnet, doch sind eindeutige Hinweise auf ihre Verwendung - etwa aus Gebrauchsspuren - meines Wissens nicht bekannt.

Eng verwandt sind Karniesrandschalen mit gerader Wandung, die insgesamt eine trichterförmige Grundform aufweisen. In Hummertsried dominieren diese Formen und nur vereinzelt tritt ein Exemplar der gekehlten Karniesrandschalen hinzu.
Ein Ausreißer im Verbreitungsbild bildet derzeit ein Fund aus Slowenien, doch mag mein Kenntnisstand für den Alpenraum hier ungenügend sein, so dass die Verbreitung nach Südosten noch etwas fraglich bleibt.

Was in einer solchen Kartierung zum Ausdruck kommt, sind weniger Kulturräume, als vielmehr Kommunikationsräume, in denen ein Austausch von Gütern, aber auch von Formvorstellungen erfolgt. Bislang ist es schwierig, die Produktionsorte der gekehlten Karniesrandschalen festzulegen. Lützelburg im Landkreis Augsburg und Ingstetten im Lkr. Neu-Ulm sind derzeit am ehesten in Anspruch zu nehmen. Unter den Funden der Pfarrhof-Grabung aus Thalfingen machen die gekehlten Karniesrandschalen 77 % des Bestands an Schalen aus.


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Fundliste (wird ggf. ergänzt)
  • Aichach, Tandlmarkt 6: G. Schmid, Aichachs Siedlungsbild aus archäologischer Sicht. Neueste Erkenntnisse zu den Anfängen Aichachs im 12./13. Jahrhundert bis ins 16. Jahrhundert. Altbayern in Schwaben. Jahrbuch für Geschichte und Kultur, 2009, 15–25. Abb. S. 23, Nr. 10.
  • Augsburg, St. Ulrich und Afra:  W. Endres, Geschirrfunde des späten 16. Jahrhunderts aus dem Klosterbereich on St. Ulrich und Afra in Augsburg. In: W. Czysz/W. Endres, Archäologie und Geschichte der Keramik in Schwaben. Neusäßer Schr. 6 (Neusäß 1988) 175f.
  • Baierbrunn (Lkr. München): H. Hagn/P. Veit, Neuzeitliche Keramikfunde in Weilheim, Landkreis Weilheim-Schongau, Oberbayern. Arch. Jahr Bayern 1984, 179.
  • Bobingen (Lkr. Augsburg), Bäckerstr. 4: Bayer. Vorgeschbl. Beih. 6 (München 1993) 150 Abb. 84,1.
  • Bodman: unpubl. Magisterarbeit H. Tausendfreund.
  • Böttingen (Gde. Dornstadt, Alb-Donau-Kreis), Kirche: G.P. Fehring, Mittelalterliche Befunde und Funde aus SS Petrus und Paulus in Böttingen, Gde. Dornstadt, Alb-Donau-Kreis. Fundber. Bad.-Württ. 1, 1974, 665 ff.
  • Bräunisheim (Gde. Amstetten, Alb-Donau-Kreis), Hof Kraus: Slg. A. Kley (unpubl.).
Bräunisheim, Hof Kraus
(Foto R. Schreg)

Bräunisheim, Hof Kraus
(Zeichnung R. Schreg)

  • Burgwalden (Lkr. Augsburg),  Wasserschloß Burgwalden: Keramikfunde aus dem 16. Jahrhundert. In: W. Czysz/W. Endres, Archäologie und Geschichte der Keramik in Schwaben. Neusäßer Schr. 6 (Neusäß 1988) 173f.
  • Celje (Slowenien), Evropa 1979: M. Guštin (Hrsg.), Srednjeveško Celje. Archaeologia historica Slovenica 3 (Lubljana 2001) 232f. Nr. 197-199 mit Ausguß.
  • Dasing (Lkr. Aichach-Friedberg): H. Hagn/P. Veit, Neuzeitliche Keramikfunde in Weilheim, Landkreis Weilheim-Schongau, Oberbayern. Arch. Jahr Bayern 1984, 179.
  • Dießen (Lkr. Landsberg a. Lech): H. Hagn/P. Veit, Neuzeitliche Keramikfunde in Weilheim, Landkreis Weilheim-Schongau, Oberbayern. Arch. Jahr Bayern 1984, 179.
  • Dischingen (Kr. Heidenheim): U. Gross, Bemerkungen zur mittelalterlichen Keramikentwicklung im Raum zwischen Schwäbischer Alb und Neckarmündung [Diss. Heidelberg 1987] Taf. 205).
  • Donauwörth (Lkr. Donau-Ries): Ausgr. u. Funde in Bayer. Schwaben. Zeitschr. Hist. Ver. Schwaben 73, 1979 Abb. 20,5-7.
  • Eggingen (Stadt Ulm): U. Gross, Das Fundmaterial. In: C.-J. Kind (Hrsg.), Ulm-Eggingen. Die Ausgrabungen 1982 bis 1985 in der bandkeramischen Siedlung und der mittelalterlichen Wüstung. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 34 (Stuttgart 1989) 332–361.  Taf. 119, 13.
  • Epfach, Lorenzberg: G. Pohl, Spätmittelalter. In: J. Werner (Hrsg.), Der Lorenzberg bei Epfach. Die spätrömischen und frühmittelalterlichen Anlagen. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 8 = Veröff. Komm. Arch. Erforschung d. spätröm. Raetien 2 (München 1969) 242-246 Taf. 70, 3-4.
  • Erdweg (Lkr. Dachau), "Wirtshaus am Erdweg": M. Schnetz/ V. Fischer/ J. Schießl, Ausgrabung im "Wirtshaus am Erdweg". Das Archäologische Jahr in Bayern 2012, 150-152 Abb. 255,4 (ergänzt 29.11.2013) 
  • Friedberg: Arch. Jahr Bayern 1990, 97.
  • Geislingen (Lkr. Göppingen), Hauptstraße 36: u.a. ein relativ weitgehend erhaltenes, verzogenes Exemplar -  W. Lang/R. Schreg, Neues aus dem Geislinger Untergrund. Grabungen auf dem Gelände der Alten Post. Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 7, 1997, 9–32.
  • Heidenheim: U. Gross, Das Fundmaterial. In: C.-J. Kind (Hrsg.), Ulm-Eggingen. Die Ausgrabungen 1982 bis 1985 in der bandkeramischen Siedlung und der mittelalterlichen Wüstung. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 34 (Stuttgart 1989) 332–361. 349.
  • Hummertsried (Gde. Eberhartszell, Lkr. Biberach): unter zahlreichen Karniesrandschalen mit gerader Wandung auch ein Exemplar des hier relevanten Typs - A. Hejna/A. Buschle/U. Wiedemann, Das "Schlössle" zu Hummertsried. Ein Burgstall des 13. bis 17. Jahrhunderts. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 2 (Stuttgart 1974)  Taf. 19,65.
  • Ingstetten (Gde. Roggenburg, Lkr. Neu-Ulm): Grube mit Fehlbränden – R. Ambs, Eine spätmittelalterliche Hafnerbruchgrube in Ingstetten, Gemeinde Roggenburg. Werkstatt und Brennofen sind noch unbekannt. In: Geschichte im Landkreis Neu-Ulm 14, 2008, 15-41.
  • Lützelburg, Kr. Augsburg: W. Endres, Werkstattabfälle der Lützelburger Hafner, Lkr. Augsburg, aus dem 15./16. Jahrhundert. In: W. Czysz/W. Endres, Archäologie und Geschichte der Keramik in Schwaben. Neusäßer Schr. 6 (Neusäß 1988) 171 f.
  • München: H. Hagn/P. Veit, Neuzeitliche Keramikfunde in Weilheim, Landkreis Weilheim-Schongau, Oberbayern. Arch. Jahr Bayern 1984, 179.
  • Murnau: T. Mittelstraß, Die Funde der archäologischen Ausgrabungen von 1991 und 1992 im Murnauer Schloß. In: Schloß Murnau. Forsch. Arch. Baugesch. Mittelalter u. Neuzeit Bayern 1 (Murnau 1994) 120 ff. Taf. 41.
  • Oberbalzheim: unpubl. Grabung Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters Tübingen.
  • Oberwittelsbach (Stadt Aichach, Lkr. Aichach-Friedberg): R. Koch, Ausgrabungen in der Burg Wittelsbach bei Aichach (Augsburg 1980) Abb. 56.
  • Otzlberg (Gde. Kröning, Lkr. Landshut): Altbayerische Töpfer. Keramikfunde vom 15. bis 19. Jahrhundert. Ausstellungskat. Prähist. Staatssammlung 18 (München 1990) 20 Nr. 23.
  • Schongau (Kr. Weilheim-Schongau): R.A. Maier, Mittelalterlich-neuzeitliche Bodenfunde für das neue Stadtmuseum Schongau. Arch. Jahr Bayern 1986, Abb. 154.
  • Thalfingen (Lkr. Neu-Ulm), Pfarrhof: R. Ambs, Die Pfarrkirche St. Laurentius in Thalfingen. Berichte zur Archäologie im Landkreis Neu-Ulm und in den angrenzenden Gebieten 3 (Neu-Ulm 2002).
  • Tomerdingen (Gde. Dornstadt, Alb-Donau-Kreis): H. Zürn/F. Fischer, Die keltische Viereckschanze von Tomerdingen. Materialh. Vor- u. Frühgesch. Bad.-Württ. 14 (Stuttgart 1991) Taf. 48,19.
  • Türkheim (Stadt Geislingen, Lkr. Göppingen), Hof Ziegler: R. Schreg, Vor mehr als 900 Jahren... Archäologische Zeugnisse zur Siedlungsgeschichte Türkheims. In: H. Gruber (Hrsg.), 1107-2007. 900 Jahre Türkheim. Veröff. Stadtarchiv Geislingen 23 (Geislingen 2006) 32-44. Abb. 3,3 - online bei academia.edu).
Türkheim, Hof Ziegler
(Schreg 2006)

Türkheim, Hof Ziegler
(Foto R. Schreg)

  • Ulm, verschiedene Fundstellen: u.a. Dreiköniggasse 7; Frauenstraße 31: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968) Taf. 58, 10; A. Bräuning/U. Schmidt/R. Schreg, Ulm. Arch. Stadtkataster Bad.-Württ. 35 (Esslingen 2009) Abb. 39. 

Ulm, Frauenstraße 31
(Bräuning u.a. 2009 [Zeichnung R. Schreg])

  • Urspring, Gde. Lonsee, Alb-Donau-Kreis: K.H. Maier, Eine mittelalterliche Siedlung auf Markung Urspring. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 23 (Stuttgart 1994) Taf. 26,1.
  • Villenbach, Lkr. Dillingen, Burgstall Konzenburg: Ausgr. u. Funde Bayer. Schwaben. Zeitschr. Hist. Ver. Schwaben 75, 1981 Abb. 24,8).
  • Weilheim, Kr. Weilheim-Schongau: Hagn/Veit, a.a.O. Abb. 126.
  • Weißenhorn, Lkr. Neu-Ulm: unpubl., Kreisarchäologie Neu-Ulm.
  • Wolfratshausen, Kr. Bad Tölz-Wolfratshausen: Hagn/Veit, a.a.O. 179.


in älterer Fassung publiziert: W. Lang/R.Schreg, Neues aus dem Geislinger Untergrund. Grabungen auf dem Gelände der Alten Post. Hohenstaufen/ Helfenstein. 7, 1997, 1-32. Abb. 19.

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