Sonntag, 18. Februar 2018

Dunkelhäutig und blauäugig - DNA-Analysen passen nicht in mancher Weltbild

In den vergangenen Tagen ging die Meldung durch die britischen Medien, wonach DNA Analysen nachgewiesen haben, dass der älteste "Brite" dunkelhäutig und blauäugig war:

Der Schädel des 1903 entdeckten Cheddar Man
(C. G. Seligman - F. G. Parsons:
The Cheddar Man: A Skeleton of Late Palaeolithic Date.
The Journal of the Royal Anthropological Institute
of Great Britain and Ireland 44, 1914, 241-263
[Public Domain] via WikimediaCommons)
Übrigens: Der Befund dunkeklhäutiger Bevölkerung in Europa ist nicht neu. Schon 2014 hat eine DNA-Studie ein entsprechendes Ergebnis an mesolithischen und neolithischen Skelettresten auf dem europäischen Festland erbracht (das damals über Doggerland auch noch fest mit der Insel verbunden war).
  • I. Lazaridis/N. Patterson/A. Mittnik u. a., Ancient human genomes suggest three ancestral populations for present-day Europeans. Nature 513, 7518, 2014, 409–413. - doi 10.1038/nature13673 -  https://www.nature.com/articles/nature13673
  • I. Mathieson/I. Lazaridis/N. Rohland u. a., Genome-wide patterns of selection in 230 ancient Eurasians. Nature 528, 7583, 2015, 499–503. - doi 10.1038/nature16152 - https://www.nature.com/articles/nature16152

Reaktionen in den Social Media

Neben eher witzigen und launigen Kommentaren finden sich im Netz zahlreiche Reaktionen, die erkennen lassen, wie manche ihr rassistisches Weltbild angegriffen fühlen und nun von Betrug und marxistischer Verschwörung schwafeln.
Dass solche ein Befund diese Reaktionen hervorruft zeigt, dass das Konzept der Rasse in den Köpfen eben doch immer noch mit der Nation verbunden und für Viele identitätsstiftend ist. Deshalb wird solch eine Erkenntnis als "War on Whites" und fake news gelabelt und natürlich auch als Verschwörung verstanden: "Turns out Britons were black, so let's replace all Europeans with migrants NOW!!!"
Bisweilen geben sich die Kommentare seriös, verweisen auf die Einzelprobe des Cheddar Man, stellen in Frage, wie man nach 100 Jahren auf einmal die Erkenntnis haben könnte, Cheddar Man hätte dunkle Haut, nachdem man ihn zuvor immer weiß rekonstruiert hätte. Es gäbe keine Möglichkeit, zu wissen, welche Haut- und Augenfarbe gehabt haben könnte. Wissenschaftlicher Fortschritt wird einfach augeblendet, nebenbei wird die Evolutionstheorie angezweifelt. Das Problem liegt nicht in einer Unkenntnis der Existenz moderner Methoden, sondern in der Selektion dessen, was ins bereits bestehende (sogar zugegeben rassistische) Weltbild passt.
Eine Passage im obigen Interviewe ist bemerkenswert: "The scientists and these anti-racist campaigns at the run are just stupid. So they think, that we [!] think it is only skin color, so that if they could convince them, that he had black skin, haha, they all suck it to all the racists out there." Wenige Sekunden zuvor, hat er jedoch noch postuliert, dass aufgrund der blauen Augen eine eigene "branch" von Menschen angenommen werden müsse und bestätigt eben damit, dass Äußerlichkeiten als Abgrenzungskriterium dienen.

Unsinnige und rassistische Kommentare zu den Meldungen in den Social Media haben verschiedene Beiträge gesammelt:
Dem anzugliedern ist ein Tweet des republikanischen Trump-Anhängers und Kongresskandidaten Paul Nehlen, der auf Twitter die Gesichtsrekonstruktion des Cheddar Man über ein Bild von Meghan Markle montiert und mit dem Kommentar "Honey, does this tie make my face look pale?" versehen hat, um sie als nicht-weiß zu brandmarken.


Die Debatte folgt auf eine ähnliche, die im August 2017 ein Comic über das römische Britannien ausgelöst hatte, das passend zu der Vielzahl der Bevölkerungsgruppen des Römischen Reiches und DNA-Analysen auch dunkelhäutige 'Römer' dargestellt hatte:

Natürlich steckt hinter solchen Meldungen eine Agenda, nämlich die, alte, aber falsche Vorstellungen aufzubrechen. Wenn davon Begriffe betroffen sind, mit denen Parteien Politik machen, dann ist das zwangsläufig eine politische Agenda, ob wir wollen oder nicht. Themen können nicht ad acta gelegt werden, nur weil sie politisch werden könnten. Wissenschaft würde ihren Sinn verlieren, nämlich Klarheit über unsere Lebensbedingungen zu erhalten.
Das ist generell eine Aufgabe der Wissenschaft, insbesondere der Geisteswissenschaften.  Sie ist hier unter anderem auch auf die Medien angewiesen, die häufig einem Thema erst die nötige Aufmerksamkeit verschaffen. Entsprechende Ergebnisse wie beim Cheddar Man liegen schon seit einigen Jahren von anderen mesolithischen und neolithischen Skelettresten vor, die bei weitem nicht diese Aufmerksamkeit gefunden haben. Die Untersuchung des Cheddar Man war eine Auftragsstudie für die BBC und hat das Thema tatsächlich publik gemacht - leider mit einer problematischen, nach wissenschaftlichen Kriterien unzulässigen Vereinfachung. Cheddar Man als Brite zu bezeichnen ist Unsinn, funktioniert aber eben, um Aufmerksamkeit zu erhalten.

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