Freitag, 28. Juni 2024

3 Mio DM für Raubgut

Am 13.Juni 2024  unterschrieben der italienische Kultusminister Genaro Sanguliano und Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Übergabevereinbarung für 25 archäologische Objekte. 1984 hat die Berliner Antikensammlung - heute Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 21 rotfigurige Vasen aus Unteritalien für die stolze Summe von drei Millionen D-Mark im Schweizer Kunsthandel erworben. Wie so häufig war die Angabe "aus Genfer Familienbesitz" falsch und diente der Verschleierung der Provenienz aus Raubgrabungen der 1970er Jahre.

Rhesos-Krater, ehemals Antikensammlung Berlin
(Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung /CC BY-SA 4.0
via
https://id.smb.museum/object/677302/apulischer-volutenkrater)

Tatsächlich sind viele der Funde in den Unterlagen des verurteilten Antikenhehlers Giacomo Medici auf Fotos noch grabungsfrisch  zu erkennen.

Leider gar nicht ungewöhnlich die Geschichte.

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Dienstag, 25. Juni 2024

Fundzettel aus der Archäologenhölle

Vor Jahren gab es hier eine Rubrik: Unbraucbare Fundzettel.

Heute gibt es einen Nachtrag:

(Foto: R. Schreg)

Links


 



Donnerstag, 6. Juni 2024

Hochwasser in Regensburg – was wir aus der Geschichte lernen können

ein Gastbeitrag von Iris Nießen 

Das Hochwasser in Regensburg hat am Messpunkt der Eisernen Brücke am 02. Juni 2024 die Meldestufe 4 und in den folgenden Tagen einen Wasserstand von 6 m über Pegelnull erreicht. Die Stadt Regensburg war in ihrer Geschichte häufig von Hochwasserereignissen betroffen, die das Ausmaß diesen Jahres deutlich überstiegen. Archäologische und schrifthistorische Quellen ermöglichen es, die Höhe der vergangenen Hochwasserereignisse zu rekonstruieren und zeitlich einzuordnen. Diese Daten können wichtige Anhaltpunkte bieten, um die aktuellen Ereignisse einzuordnen.

 

Regensburg hatte in der Vergangenheit Wasserstände von über 11 m über Pegelnull

Das letzte große Hochwasser in Regensburg im Juni 2013 erreichte mit 7,3 m über Pegelnull einen noch höheren Wasserstand als dieses Jahr und überschwemmte unter anderem die damals laufenden archäologischen Ausgrabungen am Regensburger Donaumarkt, dem heutigen Standort des Museums der Bayerischen Geschichte. Die Ausgrabung selbst ist eine wichtige Quelle für vergangene Überschwemmungshorizonte aus dem Mittelalter. Eine Auswertung der archäologischen Befunde und der Schriftquellen aus Regensburg zeigt, dass es während des Mittelalters Wasserstände von bis zu 11,6 m über Pegelnull gegeben hat. Hierzu gehören unter anderem eine Überspülung der Steinernen Brücke im Jahr 1284 und Hochwasser bis an die Treppen des Domes im Jahr 1235/36. Diese liegen damit höher als die überlieferten Extremhochwasser der Neuzeit, beispielsweise 1784 mit 8,4 m über Pegelnull und 1845 mit 7,5 m über Pegelnull, was einem HQ100 (einem im Schnitt alle hundert Jahre wiederkehrenden Hochwasser) entspricht. Die Analyse von archäologisch erfassten Überschwemmungsschichten zeigt im Vergleich zu der schriftlichen Überlieferung, dass die Schriftquellen sehr lückenhaft sind und offenbar nur vereinzelte Extremereignisse dokumentieren. Bei der Beurteilung der Schwere der Hochwasserereignisse und der Wasserstände muß die fachspezifische Quellenkritik jeweils beachtet werden. Bei den historischen Pegelständen sollte darüber hinaus bedacht werden, dass die Donau noch nicht begradigt war und eine niedrigere Flusssohle besaß. 

Regensburg im Juni 2013; vollständig überschwemmtes Grabungsareal am Donaumarkt
(Foto: Archaios GmbH; Nießen/Wollenberg 2019, Abb. 1).


 

 

Eigentlich sind Winterhochwasser typisch für Regensburg

Regensburg hat aufgrund seiner geografischen Lage ein starkes Risiko für schwere Winterhochwasser, da die nordbayerischen Zuflüsse Wörnitz, Altmühl, Naab und Regen ihr Niederschlagsmaximum im Winterhalbjahr haben. Damit unterscheidet sich die Situation in Regensburg stark vom Süden Bayerns. Witterungsklimatisch sind folgende Risikofaktoren für Regenburg typisch: 

  1. plötzlich einsetzendes Tauwetter mit Schneeschmelze, 
  2. Warmlufteinbruch mit Dauerregen auf Schneedecke und gefrorenem Boden, 
  3. starke Wasserführung von Naab und Regen gemeinsam mit der sommerlichen Haupthochwasserwelle der Donau. 

Tatsächlich sind durch Schriftquellen über 30 schwere Winterhochwasser in Folge von Schneeschmelze und plötzlich einsetzendem Tauwetter, teils verbunden mit Eisgang, für den Zeitraum des 12. bis 19. Jahrhunderts überliefert - wohingegen schwere Sommerhochwasser aufgrund starker Regenfälle lediglich für die Jahre 1210, 1275, 1295 und 1501 überliefert sind. Der Bau der Steinernen Brücke 1135-1146 dürfte die Hochwasserlage noch verschärft haben, da sich an der Brücke das Eis staute und so die Stadt überschwemmt wurde. Die entlang der Donau verlaufende Stadtmauer diente damals auch dem Hochwasserschutz und verhinderte das Eindringen von Schlamm und Eis in die Stadt - eine Funktion, die heute portable Spundwände übernommen haben.

 

Regensburg: Verwüstungen durch den Eisgang am 28./29. Februar 1784
(Stich von Johan Mayr, Stadtarchiv München DE-1992-HV-BS-B-11-43 via WikimediaCommons)

 

Über- und Unterspülung der Donauinseln (Wöhrde)

Die Regensburger Donauinseln waren schon immer von Hochwasser besonders gefährdet. Hier siedelten Fischer, Müller und Handwerker im suburbanen Bereich vor der Stadt. Heute sind die Wöhrde weitgehend überbaut und Teil der Stadt. Das überlieferte Hochwasser von 1304 zeigt wie stark die Flussinseln von Überschwemmungen betroffen sein konnten. Das Hochwasser zerstörte Teile der Donauinseln stromaufwärts der Steinernen Brücke, wodurch sich der Flusslauf veränderte. Es strömte nun mehr Wasser in das tiefer liegende Flussbett bei Stadtamhof, wodurch die Regensburger Schifflände trocken zu fallen drohte. Für die Regensburger war dies eine echte Umweltkatastrophe mit wirtschaftlichen Folgen. Aus diesem Grund errichteten die Regensburger an der Spitze des Oberen Wöhrdes ein Beschlächt (sog. Wöhrloch). Dieses sollte den Wasserfluss kontrollieren und sorgte wieder für mehr Wasser für die Mühlen und den Hafen an der Stadtseite. Dieses Wasserbauwerk war in der Folge immer wieder ein Streitpunkt zwischen Stadtamhof (Bayerisches Herzogtum) und der Freien Reichsstadt Regensburg. Allgemein waren die Regensburger durch den Bau der Steinernen Brücke schon früh dazu gezwungen, Wasserbau zu betreiben, da es für die Brücke notwendig war, den Fluss im vorgesehenen Flussbett zu halten. Die Ausgrabungen am Regensburger Donaumarkt zeigen verschiedene Uferbefestigungen bereits ab dem frühen Mittelalter.

 

Orientierungswissen für heute

Forschungen zu vergangenen Hochwassern sowie der historischen Umgestaltung von Auen und Flüssen bieten ein wichtiges Orientierungswissen für heute und sollten in hochwasserpolitische Entscheidungen einbezogen werden. Viele wasserbauliche Strukturen haben ihre Ursprünge im Spätmittelalter und der Neuzeit und zeigen Pfadabhängigkeiten zu heutigen Problemen im Wasserbau und den Nutzungskonflikten auf. 

 

Höhenangaben zu Hochwassern in Regensburg. Abkürzungen: MNW: mittlerer niedrigster Wasserstand; MW: mittlerer Wasserstand; MHW: mittlerer höchster Wasserstand
(Nießen/Wollenberg 2019, Abb. 11).

 

Ein aktuelles Projekt, das von der DFG gefördert wird, forscht derzeit zur vorindustriellen Überprägung von Flüssen und Auen im Einzugsgebiet von Rhein, Donau und Elbe. Das Schwerpunktprogramm „Auf dem Weg zur Fluvialen Anthroposphäre“ untersucht mit sieben Teilprojekten deutschlandweit die komplexen Mensch-Natur Wechselwirkungen an Fluss und Aue: https://www.physes.uni-leipzig.de/fluviale-anthroposphaere

 

Die Textinhalte und Quellennachweise (archäologischen Quellen, quantitative Erfassung der Schriftquellen zu Hochwasser in Regensburg) sind ausführlich publiziert in:

  • Iris Nießen/Doris Wollenberg, Aus Fluss wird Stadt – Die Stadtentwicklung im Osten von Regensburg im Fokus von Hochwassern und Landgewinnung. In: D. Schneller / G. Lassau (Hrsg.), Erdbeben, Feuer, Wasser und andere Katastrophen. Ihr Einfluss auf die Stadtentwicklung und Stadtgestalt im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (Basel 2019) 1-25. Volltext unter: https://www.denkmalpflege.bs.ch/dam/jcr:14d886e5-15e9-41b1-ae90-1021ac55d298/Pub_Erdbeben_Feuer_Wasser_2019_Web.pdf ISBN 978-3-03797-597-8
  • Iris Nießen, Donau – Ufer – Regensburg. Genese einer Ufersiedlung zum mittelalterlichen Stadtquartier. Die Ausgrabungen am Regensburger Donaumarkt / „Museum der Bayerischen Geschichte" 2009-10 und 2012-15. Regensburger Studien 29 (Regensburg 2023).

 

 



Iris Nießen hat mit einer mehrfach Preis-gekrönten Dissertation über die Ausgrabungen am Donaumarkt in Regensburg an der Universität Jena promoviert und arbeitet aktuell im SPP Fluviale Anthroposphäre. Ihr Interesse gilt der Umweltarchäologie und der archäologischen Kulturlandschaftsforschung.

 

Sonntag, 2. Juni 2024

Filshochwasser am 12. Mai 1853

Wieder gibt es Überschwemmungen in Süddeutschland. Wasserreiche Luft strömt östlich an den Alpen vorbei vom Mittelmeer nach Süddeutschland. Aktuell drückt die Luftströmung diese Wolken gegen die Alpen, so dass sie hier lange stehen bleiben und ausregnen.  Es ist dies eine Wetterlage, die oft gefährliche Hochwässer bringt, Die Hochwässer 2021 - in Erinnerung geblieben ist vor allem das im Ahrtal - und wohl auch das Jahrtausendhochwasser 1342 gehörten dazu (vgl. Archaeologik 20.7.2021).

Betroffen ist aktuell auch das Filstal, insbesondere gilt das für Uhingen und Ebersbach, aber aufgrund der Regenmassen auch die Ortschaften Holzhausen, Albershausen und Bünzwangen  besonders getroffen haben.

Obwohl Leute evakuiert und zuletzt in Ebersbach auch mit dem Helicopter gerettet werden mussten, ist das aktuelle Hochwasser noch relativ glimpflich. Obwohl man vielerorts unverandtwortlich in die Abflusschneisen und Auen gebaut hat, gibt es doch Wettervorhersagen, Warnapps, Rettungsdienste,, Regenrückhaltebecken und motorierites Gerät. Im Mai 1853 war das anders. Da gab es 40 Tote, 200 Stück totes Vieh und unzählige total zerstörte Gebäude. Das Wasser stand 1 m hoch in der Faurndauer Stiftskirche. 

Der Jebenhauser Pfarrer E. Dietrich berichtete über das Unweteer und schildere dabei die Situation in Faurndau:

„Der Morgen des 12. Mai war ein wahrer Frühlingsmorgen, so lieblich und warm, wie zuvor noch kein anderer in diesem Jahr über uns aufgegangen war. Gegen Mittag aber zogen sich in südwestlicher Richtung bedenkliche Wolken zu einem Gewitter zusammen. Und was noch bedenklicher war, es sammelte sich in gerade entgegengesetzter Richtung nach Nordost ein zweites Gewitter, allem Anschein nach noch heftiger als das erste. Beide stießen zusammen und nun fiel unter heftigstem Blitz und Donner ein wolkenbruchartiger Regen mit Hagel verbunden in solchen Strömen, daß das Wasser von allen Seiten brausend daherstürzte und Straßen und Bäche in einem Nu anfüllte und schwellte. So ging es über eine Stunde lang fort und man glaubte, das Toben der Elemente wolle sich legen. Aber zwischen 6 und 7 Uhr brach nun das nordöstliche Gewitter mit einer Wut aus, demgegenüber das erste noch unbedeutend war. Denn jetzt erst fiel ein Wolkenbruch ein, wie seit Jahrhunderten keiner erlebt worden ist. Man glaubte, die tiefe Nacht sei schon hereingebrochen, so finster war es, der Hagel fiel so dicht und massenhaft, daß die Vögel erschlagen, Fenster und Ziegel zertrümmert, die Felder aber so überschüttet wurden, daß noch am andern Tag alles wie unter einer Eisdecke lag. Faurndau, das bei jeder Wassernot als der ersten einer unter den Orten ins Gedränge kommt und erst in den letzten Jahren einen Schaden von 22000 fl zu tragen hatte, war diesmal zwischen eine doppelte Flut von zwei gefährlichen Seiten her eingeengt und mußte ihre zermalmende Kraft recht empfindlich fühlen. Von der Südseite her stürzte mit Ungetüm der Jebenhäuser Bach, der an diesem Abend unglaubliche Verheerungen anrichtete. Gleichwie 3 Brücken, die auf die Felder führten, zerstört wurden, so sind auch ganze und große Stücke Acker und Wiesen verschlammt und versandet oder ganz mitfortgenommen worden. Und schnell, blitzschnell, eh man sich nur versah, stand der ganze Ort von oben bis unten tief unter Wasser. Ach! da war nun aber eine Bestürzung und Not, ein Laufen und Rennen, ein Schreien und Drängen, daß es nicht zu sagen ist. Denn alles, Menschen, Vieh und Häuser, kam in die größte Gefahr. Was in den unteren Räumen war, mußte sich in höhere hinauf flüchten oder geflüchtet werden. Bis unter die Arme wateten Manns- und Weibersleute in den Häusern und Ställen herum, um noch dem Wasser zu entreißen, was es bereits zu verschlingen drohte: Betten, Kleider, Geld und Hausrat. Pferde und Rindvieh zog man mit Macht und unter viel Gefahr aus den Ställen heraus und brachte sie in die Stuben und auf die Bühnen hinauf. Wo es aber nicht gelang, wurden sie entweder von den Wellen fortgerissen, wie es bei 12 schönen Stücken der Fall war, oder aber sie standen in ihren Ställen bis um den Hals im Wasser und streckten nur noch mühselig und notdürftig die Köpfe draus hervor, in bebender Angst, jeden Augenblick ersäufet zu werden.

Und dieser Jebenhäuser Bach, soviel Angst und Not er über das arme Faurndau gebracht, war doch nur erst der Vorbote von einem andern, noch wütenderen Feind, der eben im Anzug war. Nämlich abends gegen 21 Uhr kam von der nordöstlichen Seite her der Marbach heran, und wie? Eine Lawine kann sich nicht schneller wälzen und brausender daherrollen; ein Bergsturz über eine schöne lachende. Landschaft hin kann nicht schauerlicher sein, als hier dieser Marbach von Rechberghausen her auf Faurndau zu. Zwar im allerersten Anfang wurde der über alle Begriffe furchtbare Bach durch den hohen und starken Eisenbahndamm etwas aufgehalten, aber nur kurz.

Denn rasch durchbrach er denselben bis auf 2000 Schuh (560 m) Länge und warf Schienen, Schwellen und Telegraphenstangen weithin über das Feld, riß auch sonst alles fort und drängte die Fils so fürchterlich in den Ort hinein, daß auch der FiIsdamm auf eine weite Strecke ganz zerstört war.


Jetzt erst ging die Not recht an und Menschen und Wohnungen kamen in gleiche Gefahr. Die Häuser, welche meist 8 bis 10 Schuh (2 bis 2,80 m) im Wasser standen und häufig nur noch das Dach über dasselbe erhoben, litten zum Teil großen Schaden, brachen zum Teil auch zusammen. Und die Leute auf ihren Bühnen hatten Todesangst und wußten nicht, wann sie von der gähnenden Flut verschlungen werden. Zumal eines armen Webers Familie ist schwer heimgesucht worden. Unten, hart an der Fils, stand das mit einer neuen Scheuer verbundene Haus des Webers Hösch, welcher seine Familie bei uns zu Land nicht mehr zu ernähren vermochte und daher voriges Spätjahr nach Amerika ausgewandert ist, willens, Frau und Kinder mit dem ihnen noch übrig bleibenden Erlös des verpfändeten Hauses nachkommen zu lassen. Und nun dies Häuslein, auf dessen glücklichen Verkauf die Hoffnung einer ganzen Familie stund, ist fast ganz zerstört und die Scheuer völlig mitgenommen worden. Die Leute selbst kamen dabei in solche Todesnot, daß eine alte, gebrechliche Ahne die Bühnenstiege herunterpurzelte und kaum noch gerettet werden konnte; eine 15jährige Tochter aber in der Angst und Einfalt ihres Herzens jammernd schrie, sie wolle ja gerne sterben, nur nicht im Wasser.

In noch größere Not kam ein Hausvater, der Bauer Säufferer. Am westlichen Ende des Ortes, am Mühlkanal, auf dessen beiden Seiten stehen zwei Sägmühlen einander gegenüber. Auf den Boden der einen flüchtete dieser Mann zwei Kühe und ein Pferd, während sein Weib im eigenen Hause jüngeres Vieh auf die Bühne brachte. Nachdem er es in Sicherheit glaubte, ging Säufferer selbst in des Sägmüllers Stube, kehrte aber in Sorge um sein liebes Vieh bald wieder um, nach demselben zu sehen. Doch kaum war er in seine Nähe gekommen, da stieß das Wasser mit neuem Ungestüm an und die Sägmühle borstete und brach mitten entzwei. Der arme Mann aber wäre schon von Balken und Klötzen erdrückt worden, doch sein Vieh, zwischen welches er sich hineingestellt, ward ihm zum Schild. Dagegen wurde er in die brausende Flut gestürzt, aber glücklicherweise hob ihn eine starke Welle hoch und warf ihn auf die andere Seite des Kanals, gerade an eine offene Türe der andern Sägmühle, wo er sich festhielt und rettete. Seine Kühe aber waren verloren. Nur sein Pferd, ein alter Rappe, durfte ein Wunder an sich selbst erfahren. Denn am andern Morgen, als Säufferer sein Vieh suchte, hörte er im Gebüsch das Stöhnen eines Pferdes. Es war sein Rappe, der matt und kraftlos, aber doch noch lebendig, ihm den nach Hilfe schmachtenden Kopf entgegenstreckte.

An der Sägmühle des Bürgers Kümmerle, dem allein 4200 fl Schaden zugefügt worden war, hat das Wasser seine Gewalt und Tücke besonders gezeigt, sie ist greulich zerrissen und zerschmettert. Weiter abwärts von der Sägmühle, unterhalb des Dorfes, wurden mitten in den schönsten Obstgärten haushohe Barrikaden von allen nur denkbaren Gegenständen, als da sind Baumstämme, Wägen, Pflüge, Leitern, Tische, Bettladen, halbe Mühlwerke usw. angeschwemmt und aufgetürmt.

Vier volle Tage hatte man zu schaffen, um dies fremde Eigentum, das in die verschiedensten Gemeinden gehörte, wieder wegzubringen.

Die Faurndauer Kirche würde uns bezeugen, daß sie in den 800 Jahren, die sie nun zum mindesten steht, ein größeres Gewässer nicht durchgemacht habe. Seit Menschengedenken hat noch kein Tropfen aus der Fils seine Schwelle auch nur berührt.

Diesmal aber stund das Wasser in seinen innersten Räumen bei 4 Schuh (über 1 m) hoch und hat nicht nur alles mit Schlamm bedeckt, sondern auch die hölzerne Einfassung um den Altar, den Deckel auf dem Taufstein weggeschoben und die Kirchenstühle zum Teil umgestürzt. Darum konnte an Pfingsten der Gottesdienst nicht in der Kirche, sondern mußte auf dem Kirchhof abgehalten werden."

  • E. Dietrich, Das Gewitter am 12. Mai 1853 sammt dem, was es im Filsthal angerichtet hat. Zum Gedächtniß dieses großen Schreckenstags zusammengestellt und zum Besten der Beschädigten herausgegeben (Ulm 1853), S. 37-44 (zitiert nach W. Ziegler, Faurndau 875 - 1975 (Faurndau 1974)).

Aufgrund des Klimawandels  wird prognostiziert, dass derartige Ereignisse an Häufigkeit und Heftigkeit zunehmen. 

Wie können wir Häufigkeit und Heftigkeit in der Vergangenheit einschätzen? Das ist schwierig, denn derartige Katastrophenereignisse haben es schwer, über längere Zeit in Erinnerung zu bleiben. Das führt oft zu einem falschen Sicherheitsgefühl und mangelnden Risikoabschätzungen.

Inzwischen bin ich beteiligt an einem großen, als Schwerpunktprogramm der DFG durchgeführten Forschungsverbund zur fluvialen Anthroposhäre,  Vor allem Bodenkundler, Geographen und Archäologen untersuchen hier die Wechselwirkung von Mensch und Fluß in Auenlandschaften - die je besonders überschwemmungsgefärdet sind. Von Bamberg aus untersuchen wir das Tal der Wiesent in der fränkischen Schweiz unter anderm mit der Frage, welche Flächennutzungen es gab und wie sie sich auf den Wasserabfluß und die Sedimente im Talgrund ausgewirkt haben. Archivarbeit wird mit der Arbeit im Gelände kombiniert.

Die Konsequenzen des Klimawandels sind letztlich nur abzuschätzen, wenn wir die langfristige Entwicklung sicher beurteilen können. 
Derartig detaillierte Zeugnisse wie das des Pfarrers Dietrich für das Filstal sind leider nicht so zahlreich und reichen leider auch nicht weit genug in die Vergangenheit.

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