Mittwoch, 7. Juli 2021

Altes schottisches Bier

1895 ist  kurz nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Glasgow das Dampfschiff Wallachia auf der Fahrt nach Westindien im Nebel gesunken. 1971 wurde das Wrack entdeckt. In mehreren wissenschaftlichen Projekten wurde auf das Wrack Bezug genommen. Sonaruntersuchungen und Tauchgänge haben stattgefunden, einige Funde wurden geborgen.

Mit an Bord: Tausende von Flaschen Bier.

Bierflasche von der SS Walachia
(aus Thomas u.a. 2021 [CC BY 4.0] via Wiley Online Library)


 

Jetzt ist eine Arbeit erschienen, die das Bier aus dem Wrack der Wallachia analysiert und dabei spannende Entdeckungen gemacht hat (Thomas u.a. 2021). Es zeigte sich nämlich, dass das Bier, ein Stout von 7,5% vol mit den Hefen Brettanomyces und Debaryomyces gebraut worden ist. Debaryomyces-Arten bildeten den Hauptbestandteil, während die heute vorwiegend für das Brauen eingesetzen Saccharomyces-Hefen weniger verbreitet sind. Debaryomyces sind nicht dafür bekannt, im historischen Brauen bewusst eingesetzt zu werden, sondern gelten als Spontanfermentation. 1909 wurden Debaryomyces- Hefen zwar in der Brauindustrie registriert, aber erst kürzlich wurde in einem Screening von Nicht-Saccharomyces cerevisiae-Stämmen auf eine mögliche Verwendung von Debaryomyces für die Entwicklung neuer Biere hingewiesen. Die hohen Debaryomyces- Anteile im Bier der Wallachia sprechen indes für eine historische Verwendung. In derselben Studie untersuchte weitere historische nicht-archäologisch überlieferte Bierflaschen  bestätigen das ebenso, wie Untersuchungen an einem - aus einem Schiffswrack im Ärmelkanal geborgenen - Bier aus der Zeit um 1825 wie auch an einem eisenzeitlichen Bier (Aouizerat u. a. 2019). 

Die Analyse historischer Biere aus Schiffswracks, wo sie kühl gelagert waren, ist offenbar ein inzwischen gängiger Ansatz (vgl. z.B. Londesborough u. a. 2015, Presseberichte).  Keith Thomas, Inhaber des Brewlab hat inzwischen verschiedene historische Biere nachgebraut, etwa auf der Basis des 1825er Bieres aus dem Ärmelkanal . Auch nach einem Fund von Bier aus einem Schiffswrack in Tasmanien aus dem 18. Jahrhundert hat eine australische Brauerei Bier hergestellt. Die Fragestellung der Studie von Thomas u.a. 2021 richtete sich darauf, welchen Beitrag die Analyse historischer Biere zur Kenntnis der Bierzutaten und der Mikrobiologie leisten kann. Auch hier wird nun versucht, da Bier nachzubrauen.

Die Bierflaschen aus der Wallachia wurden von Andy Pilley, Global Underwater Explorers (facebook) geborgen. GUE ist seit 2014 auch im Bereich der Unterwasserarchäologie engagiert und unterstützt hier Museen. Leider macht weder der Artikel noch der Bericht bei der GUE Aussagen über die erforderlichen Genehmigungen und die Eigentumsverhältnisse. In den 1980er Jahren wurde alte schottische Whisky, der sich ebenfalls an Bord der Wallachia befand, ausgeräumt und findet sich heute zu enormen Preisen im Handel. Zwei 1988 geborgene Flaschen ("not fit for consumption") standen etwa bei Whisky Auctioneer zur Versteigerung, zusammen mit "dive documents", bei denen es sich aber um einen tauchbericht, nicht etwa um eine Genehmigung der bergung handelt. 

Eine Frage bleibt: Ist das eigentlich ein Selbstbedienungsladen?

 

Literaturhinweise

  • Aouizerat u. a. 2019: T. Aouizerat/I. Gutman/Y. Paz u. a., Isolation and Characterization of Live Yeast Cells from Ancient Vessels as a Tool in Bio-Archaeology. mBio 10, 2, 2019. - doi: 10.1128/mBio.00388-19
  • Londesborough u. a. 2015
    J. Londesborough/M. Dresel/B. Gibson u. a., Analysis of beers from an 1840s' shipwreck. Journal of agricultural and food chemistry 63, 9, 2015, 2525–2536. - doi: 10.1021/jf5052943
  • Thomas u. a. 2021: K. Thomas/K. Ironside/L. Clark u. a., Preliminary microbiological and chemical analysis of two historical stock ales from Victorian and Edwardian brewing. J. Inst. Brew. 127, 2, 2021, 167–175. - DOI 10.1002/jib.641

 Berichte von Brewlab und GUE


 

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