Montag, 29. Oktober 2018

Kulturgüterschutz: Aktuelles aus Ägypten

Beitrag von Jutta Zerres


Informationen über die Situation der ägyptischen Kulturgüter sind im Netz in der letzten Zeit deutlich seltener zu finden, während Syrien und der Irak weiterhin im Fokus der Berichterstattung stehen. Besonders Meldungen über Raubgrabungen, wie sie .im Zuge des "Arabischen Frühlings" 2011 erschienen sind, sind rarer geworden. Leider haben auch die Aktivitäten der Gruppe „Egypt‘s Heritage Task Force“, die eine zeitlang mit Vehemenz auf Raubgrabungen und illegalen Bauaktivitäten im Bereich von archäologischen Fundstellen in den sozialen Netzwerken hingewiesen hatten, sehr deutlich nachgelassen. Die Berichterstattung wird vielmehr von Meldungen zu Neufunden und zum Aufbau des „Grand Egyptian Museum“ (Teileröffnung 2019) dominiert. Es ist aber kaum anzunehmen, dass Raubgrabungen und illegaler Handel nachgelassen haben; vielmehr wird hier die Tendenz sichtbar, möglichst positive Nachrichten zu lancieren, um wieder mehr Touristen anzulocken. 
Hier die Meldungen zum Kulturgüterschutz aus den vergangenen drei Monaten:

Ein Artikel in ABC News nimmt den Fund von 200 kleinen Artefakten und 20000 Münzen in einem Diplomatengepäck in Neapel aus dem vergangenen Jahre zum Anlass, um über einige länger zurückliegende Fälle zu berichten. Besonders interessant ist ein Video von Google Earth-Satellitenbildern, das die Entwicklung von Raubgrabungsaktivitäten am Gräberfeld von Abusir-al-Malaq zwischen 2010 und 2017 zeigt. 

Aktuellere Meldungen zu Raubgrabungen und Schmuggel:

Der ägyptische Zoll und eine Kulturgutschutzeinheit (Egypt’s Antiquity Unit) haben die illegale Ausfuhr eines historischen Manuskripts aus dem 10. Jh. nach islamischer Zeitrechnung (17. Jh. unser Zeit) verhindert. 

Die Polizei stellte 121 antike Objekte in einem Kairoer Privathaus sicher. 

Elf Personen wurden von der ägyptischen Polizei festgenommen und 22 Artefakte sichergestellt. 

Bei einer Hausdurchsuchung in Beni Suef fand die Polizei eine Sammlung von antiken Objekten vor. Die beiden Verdächtigen werden noch gesucht. 

Drei Personen wegen illegaler Ausgrabungen an pharaonischen Gräbern in Sohag festgenommen.

    Restitutionen:

    Der Botschafter Ägyptens in London nahm ein illegal ausgeführtes Relief mit der Namenskartusche des Pharao Amenemhat I entgegen. 

    Ein hölzerner Sarkophagdeckel, der im März dieses Jahres als Schmuggelgut in einem Sofa versteckt nach Kuwait verbracht werden sollte, ist nun nach Ägypten zurückgekehrt.

    Ein Statuenfragmentes des Pharao Djedefre, das illegal in die Schweiz verbracht worden war und im Freihafen von Genf sichergestellt wurde, soll an Ägypten restituiert werden. Die Rückgabe wird derzeit vorbereitet: 

    Antikenhandel:

    Ein gut erhaltenes Totenbuch aus dem 6. Jh. v. Chr. wurde in Monaco für 1,3 Mio € versteigert. Die Herkunft dieses Stückes scheint für den Berichterstatter keine besondere Rolle zu spielen. Lapidar heißt es: „The Book of the Dead was put up for auction from the private collection of an amateur French collector of Egyptology, who had acquired it in the 1960s“. Es wurde von einem privaten Sammler erworben. 

    Zerstörungen:

    Nach dem großen Brand im Nationalmuseum von Rio de Janeiro ist das Schicksal von ca. 700 ägyptischen Artefakten ungewiss.

    Schutzmassnahmen:

    Die US-amerikanische Botschaft richtete in Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Antikenministerium einen Workshop zum Kulturgüterschutz und zur Verhinderung von illegalem Handel aus. Mitarbeiter des Zolls, der Touristenpolizei und anderer Institutionen berieten über eine verbesserte Zusammenarbeit der beiden Länder.



    Sobek-Tempel von Kom Ombo im Januar 2013
    (Foto: J. Zerres)

    Grundwasser hat jahrzehntelang dem Tempel von Kom Ombo zugesetzt. Ein Drainage-Graben, dessen Baukosten von 9 Mio. $ von den USA übernommen werden, soll nun Abhilfe schaffen. 
    Laufende Restaurierungen an der mittelalterlichen Lehmziegelsiedlung Shali in der Oase Siwa sollen 2020 abgeschlossen werden.




    Montag, 15. Oktober 2018

    Empfang für den Krieger

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    Die Lokjäger - historische Archäologie als Abenteuer

    Anfang Oktober ging vor allem in Südwestdeutschland - Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen - aber auch aufgegriffen von der Washington Post eine Geschichte durch die Medien, die den Bergungsversuch einer Dampflokomotive aus dem Rhein thematisierte. 
    Die in der Maschinenfabrik von Emil Keßler in Karlsruhe gebaute Lok "Rhein" sollte 1852 mit einem Lastensegler zur Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahngesellschaft gebracht werden. Sie sollte auf der Strecke Düsseldorf-Wuppertal eingesetzt werden. In einem schweren Unwetter stürzte die tonnenschwere Lok am 14. Februar 1852 aber bei Germersheim von Bord und versank im Rhein. Mehrere Bergungsversuche nach dem Unfall blieben erfolglos.

    Zum Bergungsvorhaben

    Langjährige Recherchen nach dem genauen Unglücksort und der Lage der Lok erstreckten sich über Jahre. Maßgeblich daran beteiligt waren der Cochemer Lokomotivführer Horst Müller, Volker Jenderny vom Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein und Professor Bernhard Forkmann, inzwischen pensionierter Geophysiker an der TU Freiberg. Als problematisch erwiesen sich die enormen Landschaftsveränderungen im Rheintal. Seit 1817 erfolgte die Rheinbegradigung, die seit dem Verlust der Lok auch den Raum Germersheim betroffen hat.
    Aufgrund der Akten des ehemaligen Straßen- und Flußbauamtes Speyer im dortigen Landesarchiv gelang es 2015 jedoch, eine potentielle Fundstelle auszumachen, die heute doch noch im aktuellen Lauf des Rheins liegt. Seitdem begleitete der SWR das Forschungsprojekt "Jäger der Versunkenen Lok". Geomagnetische Messungen erbrachten 2012 am potentiellen Unglücksort eine Anomalie, die rasch als Signal der Lok interpretiert wurde. Zur Prüfung wurde mehrere Kontrollmessungen durchgeführt.
    Rund 500 000 Euro waren für die Bergung, den Transport und die Restaurierung vorgesehen. Das notwendige Geld wurde von Sponsoren und über eine Crowdfunding-Aktion eingetrieben. Ein Unternehmen erklärte sich bereit, die Arbeiten durchzuführen.
    Über die Bergung berichtete auch das WallStreet Journal - und in Germersheim war man stolz auf die internationale Aufmerksamkeit.

    Das Scheitern der Bergung

    Nachdem eine größere Fläche als ursprünglich vorgesehen  abgebaggert war und dennoch keine Lokomotive gefunden wurde, wurde die Bergung  am 2.10.2018 abgesagt.
    Ungeklärt ist, was die geomagnetische Anomalie verursacht hat. In den Medien werden als Möglichkeiten alte Kabel oder ein Basaltbrocken angeführt. Bernhard Forkmann will dies nun prüfen.

    Gedanken zur Historischen Archäologie

    Weshalb mir diese Geschichte einen Blogpost Wert ist, hat jedoch nichts mit Methodenkritik zu tun (ich selbst kann die Geophysik diesbezüglich nicht einschätzen und habe aus den Medienberichten auch nicht die Angaben herausgesucht geschweige denn mal nachgefragt).
    Interessant finde ich an dem Projekt etwas anderes: Die Kombination von Archivarbeit, historischer Geographie, Geophysik und Ausgrabung macht das Projekt eigentlich zu einem Musterbeispiel einer historischen Archäologie - trotz des Scheiterns. Archäologische Untersuchungen zum 19. und 20. Jahrhundert sind meist eine Archäologie des Horrors, die sich mit Kriegen, Lagern und Mord befasst. Sie hat unbeachtet der Frage, welchen Erkenntnisgewinn Archäologie hier schafft (sie schafft welchen!) unzweifelhaft einen geschichtsdidaktischen Aspekt.
    Das Lok-Projekt hat zwar nicht wie ein primär wissenschaftliches Projekt klar seine Fragestellungen formuliert, aber in den Medienberichten wird durchaus deutlich, was man sich von der Bergung jenseits des Fundes und des Ausstellungsobjektes erhoffte.
    • die genaue Konstruktion der Lokomotive - es hat sich ansonsten keine so alte Lok oberirdisch erhalten, Konstruktionspläne sind oft nicht so genau, wie ältere Rekonstruktionsverusche etwa der Adler gezeigt haben
    • methodisch: genauere Erkenntnisse über die Erhaltungs- und Zersetzungsbedingungen der Materialien im Fluß - etwa in Bezug auf den Farbanstrich der Lok (Ronald Bockius, RGZM-Museum für antike Schiffahrt)
    • Rettung von wertvollem Kulturgut
    • eine Facette der Umwelt- und Kulturgeschichte des Rheins, im Rahmen einer Langfristperspektive
    Vieles an diesen Aspekten wurde wohl von den Journalisten als Story für ihre 90-minütige Dokumentation erdacht, machen aber tatsächlich auch wissenschaftlich Sinn. Allerdings, für den letzten Aspekt beispielsweise, reicht die Geschichte; sie ist nicht abhängig davon, dass die Lok selbst geborgen wird. Die Lokomotive ist diesbezüglich kein direkter Informationsträger - allerdings durchaus das, was sich nun andeutet: Wenn die schriftlichen Quellen aus dem Landesarchiv Speyer richtig interpretiert sind und der Unfallort richtig lokalisiert ist, wurde die Lok flußabwärts verlagert, was die Archivalien so auch ansprechen. Die tatsächliche Lage der Lok wäre dann im Abgleich mit dem Unfallort dann eben doch eine Quelle - im genauen Lagekontext. Prinzipiell ist es auch etwas blauäugig, zu erwarten, die Lok könnte als Ganzes geborgen werden. Mit Sicherheit ist sie inzwischen durch die Kräfte des Rheins und dem zweimaligen Absturz (beim Unfall und einem ersten Bergungsversuch) stark beschädigt.

    Die Akteure sind keine Fach-Archäologen. Diese Feststellung soll sie nicht disqualifizieren, führt aber zu dem Punkt, dass sie in den Medien, nicht zuletzt beim swr als Schatzjäger oder Lok-Jäger stilisiert werden. Kommentare, insbesondere auch nach dem Scheitern feiern sie dennoch als Helden. Gegönnt! Aber nicht dazu angetan, die seriösen wissenschaftlichen Komponenten des Unterfangens angemessen ins Bewusstsein zu bringen.
    Um "die Schatzsuche zu finanzieren, medial zu begleiten" wurde ein Crowd-Funding-Projekt gestartet, das eben auf die Teilhabe an der Schatzsuche setzt und ein Abenteuer verspricht.

    Archäologie wird hier in der medialen Darstellung leider wieder auf die Funde und das Finden reduziert, was in der Kommunikation der Neuzeitarchäologie, die ja noch so jung ist, dass es an klaren Formulierungen und Bewertungen ihres Erkenntniswertes noch weitgehend fehlt, leider ebenso üblich wie kontraproduktiv ist. Diese Verkürzung ist hier allerdings auch der Hebel, um die Öffentlichkeit emotional und mit Spenden einzubeziehen, was etwas die Frage auch nach den negativen Aspekten einer Bürgerbeteiligung aufwirft.



    Kurz: Ein auch nach dem Scheitern faszinierendes Projekt, das allerdings auch Denkstoff für die Profilierung der Neuzeitarchäologie liefert.


    Änderungsvermerk 14.11.2018: kleinere stilistische Korrekturen, Ergänzung eines unvollständigen Satzes im vorletzten Abschnitt

    Sonntag, 14. Oktober 2018

    Der Präsident eskortiert den Leibwächter

    Der Händler redet die Sache schön und behauptet, es hätte keinen Grund gegeben, anzunehmen, dass es illegal war, das Relief aus Persepolis zu entfernen.
    Kopf eines Kriegers
    nach einer Pressemeldung zum Museumsraub 2011
    (Foto: Pressemeldung The Globe and Mail  via Wikipedia)
    “We are pleased to report that the Persian Guard Relief is being returned to Iran. The relief originally came from Persepolis. We have concluded that Iran has a strong moral claim to it… When we acquired the relief, we had no reason to believe that it was unlawfully removed from Persepolis, and we still do not know how and when it left Persepolis, despite claims by some that it was stolen in the early 1930s.”

    Es lässt sich beweisen, dass das Relief im Zeitraum von Mitte der 1930er bis 1950er Jahre abhanden und nach Kanada gekommen ist. Wie stellt sich Händler Wace eigentlich vor, dass der Krieger legal nach Kanada gelangt sein könnte, wenn er keine Papiere vorliegen hatte? Immerhin ist die Ausfuhr von Antiken aus Persien eben seit Beginn der 1930er Jahre verboten. Also, ich habe die genaue - illegale - Provenienz problemlos im Internet finden können, denn es gibt Bilder von dem Relief, als es sich noch in situ befand. Einem fachkundigen Händler hätte das doch ein Leichtes sein müssen, das scheint mir auch zum Minimum der Sorgfaltspflicht zu gehören.

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    Samstag, 13. Oktober 2018

    "Mein Prof. hetzt"

    Neben "mein Lehrer hetzt" gibt es jetzt auch das Portal "Mein Prof. hetzt".
    Das ist undemokratische Einschüchterung und ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft. Gar nicht nötig zu sagen, welche Partei dahinter steht.

    Kritik an solchen Umtrieben ist keine Hetze, sondern ein Gebot von Anstand und Moral, Humanismus, Wissenschaftlichkeit und Demokratie.

    Gerade in Zeiten von Fake-News ist Wissenschaft zwangsläufig politisch und muss sich gegen unseriöse Behauptungen und  autoritäre Bestrebungen wehren - egal von welcher Seite. Wer viel Unsinn erzählt, muss viel Kritik erfahren.

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    Links zum Thema:

    Freitag, 5. Oktober 2018

    Historiker nehmen Stellung

    "Geschichtswissenschaft hat die Aufgabe, durch die Analyse historischer Entwicklungen auch zur besseren Wahrnehmung von Gegenwartsproblemen beizutragen und die Komplexität ihrer Ursachen herauszuarbeiten. Angesichts einer zunehmend von demoskopischen Stimmungsbildern und einer immer schnelllebigeren Mediendynamik getriebenen Politik möchten wir betonen, dass nur ein Denken in längeren Zeiträumen die Zukunftsfähigkeit unseres politischen Systems auf Dauer gewährleisten kann."
    aus der Resolution des Deutschen Historikertags 2018

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