Nachtrag (1. April 2014)
- April, April
- Die Wahrheit über die Steinzeit-Frau vom Nesenbach - DGUF - http://dguf.de/index.php?id=328 - Der Hintergrund der 'Falschmeldung'.
- Abbaustellen und Siedlungen. Archaeologik (16.10.2013) - Der tatsäcliche Nachweis neolithischer Rohmaterialgewinnung auf der Schwäbischen Alb.
Inzwischen sind in der Baugrube von S21 tatsächlich archäologische Funde aufgetaucht, mit bemerkenswerten Parallelen zum swr2-Bericht:
Für unser Alb-Projekt zur neolithischen Silexgewinnung auf der Blaubeurer Alb ergibt sich eine einmalige Chance! Wir wurden gebeten, die sensationellen Funde aus Stuttgart im Hinblick auf das verwendete Rohmaterial zu untersuchen.
Für unser Alb-Projekt zur neolithischen Silexgewinnung auf der Blaubeurer Alb ergibt sich eine einmalige Chance! Wir wurden gebeten, die sensationellen Funde aus Stuttgart im Hinblick auf das verwendete Rohmaterial zu untersuchen.
Der Sensationsfund aus Stuttgart: Frühneolithisches Grab und älteste Siedlung Mitteleuropas
Gestern abend ging die Medienbombe zu dem bisher streng geheim gehaltenen Sensationsfund von der Stuttgart 21-Baustelle hoch - unter anderem heute ganz aktuell beim SWR2:
- SWR2 Wissen aktuell - Archäologische Sensation an Baustelle des Stuttgarter Bahnhofs - http://www.swr.de/swr2/wissen/fenster-in-die-steinzeit/-/id=661224/did=13076578/nid=661224/9b8itj/index.html (absolut empfehlenswert und mit weiteren Links)
- Stellungnahme der DGUF in ihrem aktuellen Newsletter
Gefunden wurde inmitten einer Siedlung die reich mit Beigaben versehene Bestattung einer Frau. Das beigebene Gefäß gehört zur La-Hoguette-Gruppe, die Siedlung scheint ebenfalls dieser Gruppe anzugehören. Bandkeramik, die sonst immer mit La Hoguette vergesellschaftet ist, fehlt hier, trotz der großen Grabungsfläche. Damit dürfte es sich um die älteste bäuerliche Siedlung in Mitteleuropa handeln. Die La Hoguette-Gruppe vertritt einen Neolithisierungs-Strang, der nicht wie die Bandkeramik über die Donau-Achse, sondern über das Westmittelmeer und das Rhônetal führt.
Bereits in den 1950er Jahre war nicht weit entfernt eine bedeutende Fundstelle der La Hoguette-Gruppe gefunden worden.
Bereits in den 1950er Jahre war nicht weit entfernt eine bedeutende Fundstelle der La Hoguette-Gruppe gefunden worden.
Letzte Woche hatte ich Gelegenheit die Grabung zu besuchen, da unser international aufgestelltes Alb-Projekt angefragt wurde, ob wir die Silex-Funde in unsere Probenserie aufnehmen könnten. Wir erhalten Vergleichsproben aus dem Grab der Nesenbach-Frau sowie aus den umliegenden Siedlungsbefunden. Bislang ist die Rede davon, dass das Rohmaterial aus der Uracher Gegend, also von der bekannten Wittlinger Rohmaterial-Stelle stammt. Das Rohmaterial, das ich in Händen hatte, sieht aber teilweise ganz wie unser Borgerhau-Material aus. Unsere Pläne für diesen Sommer sehen vor, dass wir mit der Auswertung weiter machen und mehrere Silexkomplexe vergleichend untersuchen. Die Stuttgarter Funde sind da eine hervorragende Ergänzung, die endlich auch unserem Borgerhau mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Neolithische Tunnel unter Stuttgart?
Das eigentlich brisante an unserem Auftrag ist dabei aber weder das möglicherweise aus dem Borgerhau stammende Rohmaterial noch die Frage nach den für die Nesenbach-Frau diskutierten Beziehungen auf die Westalb und an den Bodensee, als vielmehr der Verdacht, dass die Masse des Silex-Rohmaterial aus lokalen Vorkommen stammen könnte.
Das Grab der Nesenbach-Frau enthielt interessanterweise verschiedene unbearbeitete Rohmaterialknollen, die schon darauf hindeuten, dass der Stahl der Steinzeit für das frühe Stuttgart eine wesentliche Rolle gespielt haben könnte. Die zahlreichen Gruben in der Siedlung, wie auch das Rohmaterialvorkommen, das bei den Tunnelbauten gefunden wurde, legen nahe, dass der Silexbergbau im Stuttgarter Kessel eine große Rolle gespielt haben könnte.
Silexrohmaterialien: links Borgerhau, rechts Grab der Nesenbach-Frau (Foto R. Schreg) |
Neolithische Tunnel unter Stuttgart?
Das eigentlich brisante an unserem Auftrag ist dabei aber weder das möglicherweise aus dem Borgerhau stammende Rohmaterial noch die Frage nach den für die Nesenbach-Frau diskutierten Beziehungen auf die Westalb und an den Bodensee, als vielmehr der Verdacht, dass die Masse des Silex-Rohmaterial aus lokalen Vorkommen stammen könnte.
Das Grab der Nesenbach-Frau enthielt interessanterweise verschiedene unbearbeitete Rohmaterialknollen, die schon darauf hindeuten, dass der Stahl der Steinzeit für das frühe Stuttgart eine wesentliche Rolle gespielt haben könnte. Die zahlreichen Gruben in der Siedlung, wie auch das Rohmaterialvorkommen, das bei den Tunnelbauten gefunden wurde, legen nahe, dass der Silexbergbau im Stuttgarter Kessel eine große Rolle gespielt haben könnte.
Tatsächlich gibt es einige Hinweise auf neolithischen Bergbau: Viele der "Siedlungsgruben" ähneln sehr dem, was man von neolithischem Bergbau kennt und man kann gespannt sein, ob die weiteren Grabungen nicht zeigen, dass die Bahn nicht die erste Untertunnelung Stuttgarts vornimmt, sondern dass bereits die ersten Steinzeitsiedler hier Stollen angelegt haben.
Bei den Tunnelbauarbeiten wurde auch tatsächlich schon unbearbeitetes Rohmaterial gefunden - ganz entsprechend den Knollen aus dem Grab. Deshalb muss man an einen frühneolithischen Stollenbergbau denken, wie man ihn einige Jahrhunderte jünger aus verschiedenen Regionen Europas kennt.
Aus "Sicherheitsgründen" durften wir die Fundstelle der Rohmaterialknollen an der Tunnelbaustelle nicht in Augenschein nehmen. Der Grund ist, dass man offenbar auf unterirdische Hohlräume gestoßen ist, bei denen es sich tatsächlich um neolithischen Bergbau handeln könnte. Das legen zumindest geleakte Handy-Fotos nahe.
Die Bahn steht damit vor einem neuen Problem. Ist der Berg tatsächlich mit neolithischen Bergbaustollen durchzogen, gibt es hier erhebliche statische Probleme. Dieser Aspekt der Grabungen kommt bemerkenswerterweise in den aktuellen Berichten gar nicht zur Sprache. Wie schon bei der Problematik mit der Fundamentierung des Bahnhofsturmes - Beton oder Eichen (Stuttgarter Zeitung 19.8.2013 ) - hat die Bahn kein Interesse, baurelevante Fakten zu klären und setzt auf Risiko.
Bei den Tunnelbauarbeiten wurde auch tatsächlich schon unbearbeitetes Rohmaterial gefunden - ganz entsprechend den Knollen aus dem Grab. Deshalb muss man an einen frühneolithischen Stollenbergbau denken, wie man ihn einige Jahrhunderte jünger aus verschiedenen Regionen Europas kennt.
Aus "Sicherheitsgründen" durften wir die Fundstelle der Rohmaterialknollen an der Tunnelbaustelle nicht in Augenschein nehmen. Der Grund ist, dass man offenbar auf unterirdische Hohlräume gestoßen ist, bei denen es sich tatsächlich um neolithischen Bergbau handeln könnte. Das legen zumindest geleakte Handy-Fotos nahe.
Neolithische Tunnelsysteme unter Stuttgart ähnlich wie in Grimes Graves? notdürftig abgestützt (Foto R. Strutt [CC BYSA 2.0] via Wikimedia Commons) |
Die Bahn steht damit vor einem neuen Problem. Ist der Berg tatsächlich mit neolithischen Bergbaustollen durchzogen, gibt es hier erhebliche statische Probleme. Dieser Aspekt der Grabungen kommt bemerkenswerterweise in den aktuellen Berichten gar nicht zur Sprache. Wie schon bei der Problematik mit der Fundamentierung des Bahnhofsturmes - Beton oder Eichen (Stuttgarter Zeitung 19.8.2013 ) - hat die Bahn kein Interesse, baurelevante Fakten zu klären und setzt auf Risiko.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Denkmalpflege dieses Mal gegen die Bahn durchsetzen kann, die ja nicht nur den Hauptbahnhof auf dem Gewissen hat/ haben sollte, sondern auch schon beim Bau der Schnellbahnstrecke München-Nürnberg bei Großhöbing mit seinen herausragenden vor- und frühgeschichtlichen Holzbefunden in der Talaue der Archäologie nicht die nötige Zeit gegeben hat. Hätte man die Denkmalpflege nicht ausgebremst, sondern wie das eigentlich Usus ist, im Vorfeld die nötigen Sondagen und Prospektionen angestellt, hätte es diese Überraschung nicht gegeben. Die Bahn ist selber Schuld an diesem Baustop. Aber wahrscheinlich werden die Archäologen dafür verantwortlich gemacht, dass vor 7000 Jahren die Ur-Stuttgarter Tunnel gegraben haben...
Links
- SWR2 Wissen aktuell - Archäologische Sensation an Baustelle des Stuttgarter Bahnhofs - http://www.swr.de/swr2/wissen/fenster-in-die-steinzeit/-/id=661224/did=13076578/nid=661224/9b8itj/index.html (absolut empfehlenswert und mit weiteren Links)
- Stellungnahme der DGUF in ihrem aktuellen Newsletter
- Bild.de (31.3.2014): Diese alte Frau stürzt Stuttgart 21: Die Schamanin vom Nesenbach. - http://www.bild.de/regional/stuttgart/stuttgart21/diese-alte-frau-stuerzt-stuttgart-34979746.bild.html
- Grabungsfotos auf der Infoseite der Bahn:
- http://www.ard.de/home/wissen/ARD_Wissen/23160/index.html
- http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/spektrum/news/2014/04/01/7500-jahre-alte-frau-hatte-lactoseintoleranz/12470.html
4 Kommentare:
Das ist jetzt ein Aprilscherz, oder?
Sehr spannend! Ich warte auch noch auf vergleichende Rohmaterialanalysen der Welterbestätte Ehrenstein, den Höhlenfundstätten in Blaubeuren und Schelklingen mit der Lagerstätte Borgerhau, vielleicht, eines Tages...
Dazu erinnere ich mich, dass Borgerhau-Material schon einmal im Rahmen eines Seminars von einem namhaften Archäologen als "Wittlinger" angesprochen wurde. Bloße Bordmittel wie Augenschein reichen da offensichtlich nicht. R.B.
@Anonym: Spielverderber...
Selbsterfüllende Prophezeihungen?
http://www.swr3.de/aktuell/nachrichten/Urschwaebin-bei-S21-Baurarbeiten-entdeckt/-/id=47428/did=3402172/1w6tkw8/
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