Donnerstag, 9. Januar 2014

Das ausgegrabene Experiment - Die Untersuchung eines Grubenbrands durch den Historischen Verein Ingolstadt

Ein Gastbeitrag von Inge Alraum und Bernd Lohmüller

Im Sommer 2001 führte eine fünfte Klasse der Ingolstädter Freiherr-von-Ickstatt-Realschule auf der Wiese des Bauerngerätemuseums im Stadtteil Hundszell einen Versuch zur Herstellung von Keramikgefäßen im offenen Grubenbrand durch.


Vorheizen der Grube mit Holz und Zeitungspapier
(Foto G. Riedel,
m. freundl. Genehmigung)
Positionierung der lederharten Tongefäße
(Foto G. Riedel, m. freundl. Genehmigung)

Im August 2013 organisierte der Historische Verein Ingolstadt eine kleine Lehrgrabung, die eine der beiden Brenngruben dokumentierte. Dabei sollten die Vereinsmitglieder, die bereits bei mehreren Lehrgrabungen in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Gesellschaft für Archäologie in Bayern Erfahrung gesammelt hatten, an einem einfachen Objekt an die selbstständige Durchführung einer kompletten Ausgrabung von der Vermessung bis zur Veröffentlichung versuchen.

Lehrgrabungen unter dem Verursacherprinzip

Durch die Anwendung des Verursacherprinzips in der bayerischen Bodendenkmalpflege sind die Möglichkeiten für solche Unternehmungen an „echten“ archäologischen Befunden stark eingeschränkt worden. Vorrausetzung für die Genehmigung von Ausgrabungen durch Ehrenamtliche wäre, dass das betreffende Bodendenkmal akut gefährdet ist, ohne dass ein Veranlasser zur Finanzierung einer Rettungsgrabung herangezogen werden kann. Zudem müssen vor Grabungsbeginn Versuche unternommen worden sein, die Gefährdung abzuwenden, beispielsweise durch Umnutzung des Geländes. Ebenfalls vorab wären zerstörungsfreie Methoden wie Geophysik zur Erforschung des Bodendenkmals anzuwenden, deren Erkenntnisse aber hinter denen einer Ausgrabung deutlich zurückbleiben sollten. Der Eingriff in das Bodendenkmal müsste also einen klaren Erkenntnisgewinn herbeiführen, der auf anderem Weg nicht zu erhalten wäre. Schließlich ist für die Grabungsmaßnahme eine Fragestellung entsprechend Forschungsgrabungen zu formulieren.

Sind diese Vorrausetzungen erfüllt, kann unter Leitung eines geeigneten Facharchäologen entsprechend den Richtlinien des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege eine möglichst kleinflächige Untersuchung begonnen werden. Fundeigentum,  -verbleib und –restaurierung müssen dabei geregelt sein. Schließlich ist ein Konzept zur Auswertung und möglichst auch zur Veröffentlichung der Grabungsergebnisse vorzulegen.


Von der Ausweichlösung zur Auseinandersetzung mit Befundgenese

Trotz längerer gemeinsamer Überlegungen konnten der Historische Verein Ingolstadt und die zuständige Dienststelle des Landesamts bislang kein Bodendenkmal in und um Ingolstadt ausfindig machen, das sich unter den genannten Voraussetzungen für eine künftige Lehrgrabung eignet. So entschloss sich der Verein, auf die beiden Brenngruben in Hundszell auszuweichen.

Da die Mitarbeiter des Bauerngerätemuseums der Lehrgrabung sehr wohlwollend gegenüberstanden, wurde sie auch von den Vereinsmitgliedern als gute Ausweichlösung empfunden. Es bleibt jedoch bei der Hoffnung, dass die erworbenen Kenntnisse künftig doch der Denkmalpflege zugute kommen können.

Von Interesse war aber auch die Frage, welche Spuren von solch einem nicht-stationären Brennplatz, dessen Errichtung keines besonderen Aufwands bedurfte, nach einem Jahrzehnt im Boden erkennbar sind.


Die Herstellung von Tongefäßen im offenen Feuer oder in einfachen Brenngruben ist die einfachste Art der Keramikproduktion. Werden nur wenige und nicht allzu große Gefäße benötigt, so kann auf Öfen durchaus verzichtet werden. Daher kommen Keramikbrennöfen erst später auf. In Stein- und Bronzezeit sind sie noch weitgehend unbekannt.

Der geringe Aufwand bei der Herstellung von Keramikgefäßen im offenen Feld- oder Grubenbrand macht sie für Projekte an Schulen und Museen, ja selbst an Universitäten attraktiv. Bereits 1990 wurde die archäologische Dokumentation von experimentellen Brandstellen unmittelbar nach der Keramikherstellung in dem Heft „Experimentelle Archäologie in Deutschland“ (Lüdtke/Dammers 1990) veröffentlicht. Eine Untersuchung erst nach einem Jahrzehnt war zumindest den Mitgliedern des Historischen Vereins Ingolstadt nicht bekannt, so dass wir besonders gespannt waren, wie sich Witterung und Vegetation ausgewirkt hatten und ob sie die Möglichkeit zur Identifizierung solcher Brenngruben einschränken.

Die Voraussetzungen für den Befunderhalt waren auf der Wiese des Bauerngerätemuseums gut. Der Untergrund besteht aus braungelbem, leicht lehmigem Substrat einer im Subboreal entstandenen Donauterrasse. Die Anleitung zu der Ausgrabung gab Gerd Riedel vom Stadtmuseum Ingolstadt, die Durchführung lag bei den Autoren.

Das Experiment 2001

Die Lehrerin Elisabeth Pfaller der Freiherr-von Ickstatt-Realschule hatte den Versuch durchgeführt, um ihren Schülern die einfache aber wirkungsvolle Brenntechnik aus vorgeschichtlicher Zeit verständlich zu vermitteln.
Die beiden Brenngruben beim Experiment 2001
(Foto G. Riedel, m. freundl. Genehmigung)

Zunächst wurden zwei Erdgruben ausgehoben und ihr Boden mit Flachziegelfragmenten ausgekleidet. Danach füllten die Schüler die Gruben mit zerknülltem Zeitungspapier, Stroh, Holzscheiten von ca. 25-30 cm Länge, Sägespänen und darin eingebettet jeweils etwa 15  lederharten Tongefäße auf. Nach dem Ausbrennen des Feuers und dem Erlöschen der Glut am nächsten Tag konnten die fertigen Gefäße entnommen werden. Von allen Arbeitsschritten wurden Fotos gemacht, die 2013 zur Verfügung standen.

Grabungsbericht

Bei Beginn der Ausgrabung waren die beiden Brenngruben anhand dellenförmiger Vertiefungen im Grasboden noch erkennbar. Zuerst wurden bei einer von ihnen in einem Quadrat mit 1,75 m Seitenlänge die Rasensoden ca. 5 cm tief abgestochen. Man konnte schon deutlich die Umrisse der Brenngrube erkennen. Außerdem wurde bereits Holzkohle sowie unverbranntes Holz gefunden. Beim Anlegen von Planum 1 wiederum ca. 5 cm tiefer war festzustellen, dass das Erdreich im Randbereich des Planums stark verdichtet, im Zentrumsbereich hingegen lockerer und stark durchwurzelt war. Die kreisförmige Abgrenzung der Brenngrube war deutlich zu erkennen.

Nach dem Abstechen der Rasensoden
Planum 1 unter der Grasnarbe
Während des Abtiefens auf Planum 2 kam im Randbereich der Grubengrenze sehr viel Holzkohle zum Vorschein. Dabei stellten wir fest, dass sich der äußere Rand der Brandgrube wie bei einem Teller nach innen verlagerte und stark mit Holzkohle versetzt war. Im Nachbarbereich zu Befund 1 kam verbranntes Wurzelwerk zutage, und die Erde wurde Richtung Befund 3 lockerer. Bei Befund 2 wurde die Erde wieder sehr lehmhaltig und stark verdichtet, wobei die Grenze zwischen Befund 2 und 3 nur sehr schlecht zu erkennen war.


Anschließend begannen wir mit dem Abtiefen um wenige Zentimeter auf Planum 3.

Planum 2 mit Holzkohle und ersten Ziegeln der Brenngrube

Im Außenbereich war die Erde wiederum stark verdichtet und bei Erreichen von Befund 3 alles wieder stark mit Holzkohle durchsetzt. Dort war auch der Erdanteil nur noch sehr gering. Man hatte den Eindruck, als läge hier eine richtige Brandschicht. In Richtung Zentrum wurde die Erde wieder fester und sehr stark verdichtet.

Mit dem weiteren Abtiefen auf Planum 4 begannen wir im Bereich der deutlich sichtbaren Holzkohlenschicht. Da sie sich so klar abzeichnete, entschlossen wir uns, die Grabungstechnik zu ändern und in natürlichen Schichten weiter zu graben. Beim Abtiefen stießen wir im Randbereich sofort auf jene Ziegelplatten, mit denen vermutlich der Brenngrubenboden ausgelegt worden war. Nach etwa 3 cm legten wir eine nahezu durchgängige Holzkohlenschicht frei, teilweise vermischt mit unvergangenem Holz bis zur Größe richtiger Holzscheite. Auf dieser Schicht wurde Planum 4 angelegt. Sobald wir aber weiter in Richtung Zentrum (Befund 2) kamen, wurde die Erde wieder lehmhaltiger und der Holzkohlenanteil geringer. Dieser Bereich war jedoch relativ kleinflächig. Die Brenngrube war ringsum mit Dachziegelfragmenten in unterschiedlicher Größe ausgekleidet.


Planum 4 mit Ziegelauskleidung und Holzkohleschicht

Planum 5 wurde in natürlichen Schichten bis zum sichtbar werden der Ziegelplattenverkleidung angelegt. Anschließend haben wir auf Planum 6 abgetieft, d.h. die Ziegelplattenverkleidung entfernt. Die Platten waren zum überwiegenden Teil stark mit der darunter liegenden Erde verbacken. Auf der Brandseite waren sie überwiegend schwarz, auf der gegenüberliegenden, also der Bodenseite, dagegen ziegelrot.




Planum 5 mit freigelegter Ziegelauskleidung
Die Erde unter der Ziegelplattenverkleidung war dunkelbraun und leicht bröselig. Danach wurde auf Planum 7 weiter abgetieft, wobei sich herausstellte, dass bereits nach 2 cm die Erde wieder die für die Umgebung bekannte hellbraune Färbung hatte, also lehmig-sandig und wenig verfestigt war. Wir schlossen daraus, dass die Ziegelverkleidung einen hohen Wärmedämmeffekt hatte und die Erde unter der Verkleidung von der Feuerhitze, die allerdings auch nicht besonders hoch gewesen sein dürfte, kaum in Mitleidenschaft gezogen worden war.

Planum 6, Grubenboden und –wände von der Hitze nur wenig verändert


Anschließend wurde die Grube verfüllt, die Rasensoden zurückverlegt und so der Ausgangszustand wieder hergestellt.

Das Ergebnis des Ausgrabungs-Experiments

Mit einem Tag für die nochmalige theoretische Einführung in Grabungsmethoden und –dokumentation, acht Grabungstagen für zwei bis drei Personen und drei Tagen zur Überarbeitung von Grabungsbericht und Plänen im Hinblick auf eine Veröffentlichung war der vorgesehene Zeitraum von zwei bis drei Wochen für das gesamte Projekt gut ausgefüllt. Obwohl der Grabungsbefund vergleichsweise klein und einfach aufgebaut war, wurde viel Zeit für Überlegungen und Diskussionen bei der selbständigen Durchführung aller Arbeiten benötigt.
Durch diese intensive Auseinandersetzung mit einer Grabungsdokumentation wurde nicht nur der Blick für Details geschärft, sondern auch die ständig geforderte Fähigkeit, den Befund zu begreifen, zu durchdenken, zu „lesen“, erlernt. Die Lehrgrabung erfüllte dadurch ihren Zweck in besonderer Weise.

Fazit: Was bleibt?

Die knapp 40 cm tiefe Brenngrube hätte in einem längere Zeit überackerten Areal wohl kaum identifizierbare Spuren hinterlassen. Selbst umgelagerte Brocken von verziegeltem Boden wären wegen der geringen Auswirkungen des Brandes nicht zur Verfügung gestanden. Einzig die auch nach einem Jahrzehnt sehr gut erhaltene Holzkohleschicht und das Ziegelpflaster waren als Hinweise auf einen Keramikbrand und als Grundlage für naturwissenschaftliche Datierungen erhalten. Denn selbst Fragmente beim Brand zerbrochener Gefäße waren bei dem Versuch kaum entstanden. Nur ein Gefäß war zu Bruch gegangen.

Das Schulexperiment und die nachfolgende Ausgrabung führen somit vor Augen, dass bei der Suche nach Spuren prähistorischer Keramikproduktion auch unscheinbare Stein- oder Scherbenkonzentrationen in Verbindung mit Holzkohle berücksichtigt werden müssen.

Literaturreferenz

M. Lüdtke/K. Dammers, Die Keramikherstellung im offenen Feldbrand. In: M. Fansa (Hrsg.), Experimentelle Archäologie in Deutschland. [Begleitschrift zu einer Ausstellung des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg]. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland. Beiheft 4 (Oldenburg 1990) 321–326.



Inge Alraum ist Hausfrau und Rentnerin, Bernd Lohmüller ist studierter Maschinenbauer und war vor seinem Ruhestand Oberstleutnant der Bundeswehr. Beide sind aktive Mitglieder des Historischen Vereins Ingolstadt und  seit Jahren ehrenamtliche Helfer des Stadtmuseums Ingolstadt. Unter anderem unterstützen sie die Aufbereitung des archäologischen Fundgutes in den Museumsbeständen.

Fotos 2013:  G. Riedel und Autoren, m. freundl. Genehmigung

Dank an Gerd Riedel für die Vermittlung und Betreuung des Beitrages.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein vergleichbares Experiment wurde 1996 durchgeführt, wobei man man zu den gleichen Ergebnissen kam. Siehe: Michael Schmaedecke, Experimentelle Metallgewinnung und -verarbeitung und deren archäologischer Befund. Archäologische Informationen 20/2, 1997, 317 - 320.
M. Schmaedecke 10. 1. 2014