Raimund Karl
Eine Antwort zu Rainer Schregs Kommentar zu meinem Beitrag „Facharchäologische Argumente gegen die Metallsuche durch Laien“
2014 habe ich in einer Facebook-Diskussion einen (durchaus bewusst provokant formulierten) Beitrag über die aus meiner Sicht fehlerhafte facharchäologische Argumentation gegen die Metallsuche durch Laien verfasst, den Rainer Schreg dankenswerter Weise auf seinem Archaeologik-Blog übernommen und somit für seine weitere als erwartete Verbreitung gesorgt (
Karl 2014) und zwei Jahre später auch selbst in einem eigenen Blogbeitrag kommentiert hat (
Schreg 2016). Dennoch ist die von uns beiden gewünschte fachliche Diskussion bisher ausgeblieben.
Vorausschickend sei festgehalten, dass mein Beitrag (Karl 2014) weder dazu gedacht war, als Argument für ein Recht auf unreglementierte Metallsuche noch gegen die archäologische Fachwelt und ihre Praktiken herzuhalten. Vielmehr ging es mir darum, auf das Missverhältnis zwischen unserer Argumentation und unserer eigenen Praxis (insbesondere in der „angewandten“ archäologischen Denkmalpflege im Feld) hinzuweisen; mit dem Ziel, eine bessere Konkordanz zwischen den durch unsere Argumentation kommunizierten denkmalpflegerischen Ansprüchen und unserer Praxis zu erreichen. Um diese erhöhte Konkordanz – die für die allgemeine Nachvollziehbarkeit unserer Argumentation durch mündige BürgerInnen essentiell ist – zu erreichen, war und ist meiner Meinung nach ein innerfachliches Umdenken erforderlich.
Wie die archäologische Denkmalpflege anders (und meiner Meinung nach auch besser als bisher) gedacht und umgesetzt werden könnte, habe ich nunmehr in einen Änderungsvorschlag für die archäologischen Schutzbestimmungen des österreichischen Denkmalschutzgesetzes (DMSG) gefasst. Dieser Vorschlag beruht teilweise auf meinen 2014 gezogenen Schlussfolgerungen und Schregs Kommentar dazu. Für die, die genauer nachlesen wollen, wurde der volle Wortlaut samt kurzer Begründung dieses Vorschlags (Karl 2018a) ebenso wie das Manuskript meines ebenfalls diesbezüglichen, in Vorbereitung befindlichen neuen Buches zum Thema (Karl 2018b) online zur Diskussion gestellt:
Der Kommentar von Rainer Schreg (2016)
Ehe ich auf meinen neuen Vorschlag selbst eingehe, möchte ich jedoch auf Rainer Schregs (2016) Kommentar zu meiner Argumentationskritik (Karl 2014) eingehen. Schreg meint in diesem, nicht mit meiner Position übereinzustimmen, weil meine Überlegungen zwar nicht grundsätzlich falsch seien, aber an der Sache vorbeigehen würden. Als wesentliche Gründe dafür nennt er:
- Die Bedingungen bei Ausgrabungen entsprächen zwar keinesfalls immer den fachlichen Idealvorstellungen, das rechtfertige jedoch nicht, uns der verfügbaren Optionen dadurch zu berauben, dass wir MetallsucherInnen erlauben, unsere Quellen ohne Not zu vernichten.
- Die Konservierungsbedingungen von Funden in Sammlungen der öffentlichen Hand seien zwar nicht immer optimal, dies sei jedoch kein Argument für Privateigentum an Funden. Vielmehr sei beim Verursacherprinzip verstärkt auch an Grabungsfolgekosten zu denken und Mängel in der derzeitigen Praxis ein Argument für die in situ-Erhaltung von Funden.
- Das Ziel sei letztendlich die Qualitätssicherung, nicht verstärktes laissez-faire betreffend der Zerstörung von Bodendenkmalen. Man müsse daher vielmehr dafür sorgen, dass möglichst wenige Funde unter fragwürdigen Bedingungen gemacht werden.
- Umfassende Konzepte für die effektivere öffentliche Vermittlung der wissenschaftlichen Anliegen und Standards des Faches seien erforderlich, wobei ein pauschales Verbot des Sondengehens und auch ein Schatzregal das Problem nicht löse.
- Zwar sei Wissenschaft kein Grundrecht, aber noch immer eine Grundlage unserer Gesellschaft, weshalb vor anderen Nutzungen der Vergangenheit eine Interessensabwägung stattfinden müsse, die vor allem ihre bestmögliche Erhaltung zum Ziel haben müsse.
- Zwar würden ArchäologInnen heute von der Zerstörung der Denkmale profitieren, aber sie seien nicht deren VerursacherInnen, sondern würden von diesen oder der Allgemeinheit dafür bezahlt, möglichst viel davon zu dokumentieren. Meine Warnung vor gegen den Profit aus der Denkmalzerstörung gerichteten Argumenten sei in Anbetracht der oft prekären Arbeitsbedingungen in der Archäologie (über die ich mich ja ebenfalls schon seit langem sehr kritisch äußere) deplatziert.
Als Fazit fasst Schreg zusammen, dass ich zwar an einigen Punkten recht hätte und auf einige Probleme im Fach in Theorie und Praxis hinweisen würde. Diese seien aber kein Argument dafür, dass MetallsucherInnen das Recht hätten, unser Kulturerbe zu vernichten. Probleme würden nicht dadurch gelöst, dass man neue anhäufe; vielmehr müsse man ein Miteinander finden, denn das Gegeneinander lähme nur Kräfte und mache die Situation nur schlimmer.
Es mag jetzt vielleicht für manche LeserInnen überraschend sein, aber ich stimme Schreg in nahezu allen Punkten grundsätzlich zu, wenngleich ich dennoch nicht unbedingt völlig einig mit ihm bin. Auch ich möchte die Ziele, die er in seinem Kommentar definiert, erreichen. Die Frage ist meiner Meinung nach nur, wie man diese Ziele am besten erreichen kann; und hier weiche ich deutlich vom derzeitigen Fachkonsens ab.
Der Fehler im Kommentar von Schreg: die Wissenschaftsfreiheit
Ich stimme mit Schreg nur in einem, aber dafür enorm wesentlichen, Punkt überhaupt nicht überein, weil er in diesem objektiv falsch liegt. Denn die Wissenschaft ist sowohl in Deutschland (Art. 5 Abs. 3 GG) als auch in Österreich (Art. 17 Abs. 1 StGG) ein verfassungsgesetzlich und in der gesamten EU (Art. 13 Charta der Grundrechte der Europäischen Union) europarechtlich vorbehaltlos geschütztes Grund- und sogar ein völkerrechtlich geschütztes allgemeines Menschenrecht (Art. 15 Abs. 1-3 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; für Deutschland siehe BGBl. 1973 II S. 1569; für Österreich BGBl. Nr. 590/1978). Sie ist also ein so hochrangig wie nur möglich geschütztes Jedermannsrecht.
Genau hier liegt meiner Meinung nach das größte Problem mit allen bisherigen deutschsprachigen Lösungsversuchen der archäologischen Denkmalpflege: sie beschränken dieses Grundrecht;