BaLISminK ist das Bamberger Lehr- und Informationssystem zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik, das derzeit im Probe- und Experimentierbetrieb läuft. Ziel ist es zunächst für Süddeutschland - perspektivisch aber auch darüber hinaus - in kooperativer Arbeit zu den wesentlchen Fundorten, Waren und Formen kurze Charakterisierungen zu geben, die mit bildlichen Darstellungen (Zeichnungen, Fotos, perspektivisch auch 3D-Scans) ergänzt werden können. Vorgesehen sind dazu beispielsweise auch Fundortlisten, die fortschreibbar jeweils aktuelle Verbreitungskarten liefern können.
Archaeologik ist ein Wissenschaftsblog zu Themen der Archäologie und des Kulturgutschutzes. Er zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert.
Archaeologik is a science blog contributing to various aspects of critical archaeology and cultural heritage including methodology, theory and daily archaeological practice.
Donnerstag, 2. Mai 2024
Neues zu BaLISminK: mit 500 Einträgen zugänglich
Dienstag, 30. April 2024
Gut, dass das nach 70 Jahren mal auffällt: Deutschland erfüllt Haager Konvention nicht
Entgegen der Verpflichtungen aus der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten der UNESCO von 1954, den die Bundesrepublik Deutschland 1967 in nationales Recht überführt hat, indem im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz - ZSKG), § 25 Kulturgutschutz steht: "Die Maßnahmen zum Schutz von Kulturgut richten sich nach dem Gesetz zu der Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (BGBl. 1967 II S. 1233), geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. August 1971 (BGBl. II S. 1025)." Die Umsetzung fällt aber unter die Kulturhoheit der Länder.
Wie sieht das praktisch aus?
Bamberg unter dem Schutz der Haager Konvention (Foto R. Schreg) |
Das offizielle Symbol der Haager Konvention ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich verbreitet, die Bundeswehr, die nach der Haager Konvention verpflichtet ist, "bereits in Friedenszeiten Dienststellen oder Fachpersonal bei ihren Streitkräften vorzusehen oder bereitzustellen, deren Aufgabe darin besteht, über die Respektierung des Kulturguts zu wachen und mit den für seine Sicherung verantwortlichen zivilen Behörden zusammenzuarbeiten“ verfügt indes über keinen Plan, was im Notfall tatsächlich zu schützen und zu tun wäre.
Drei Bundeswehroffiziere haben darum eine "Initiative zur Stärkung des Militärischen Kulturgutschutzes in der Bundeswehr" auf den Weg gebracht. Die betreffende Publikation steht online:
- Alexander Gatzsche/ Maximilian Kallabis / Ralph Stephan, Militärischer
Kulturgutschutz in den deutschen Streitkräften. Ein Vorschlag zur Stärkung der Leistungsfähigkeit und Entwicklung von strukturellen Kapazitäten (2024) - dazu auch eine englische Version
"Es lässt sich aufgrund dieser Erfahrungen und im Austausch mit Kulturgutschutzeinheiten anderer Nationen feststellen, dass die Bundesrepublik Deutschland in diesem Gebiet aktuell weitgehend nicht kooperations- und damit handlungsunfähig ist." (S. 9)
Es fehlt demnach an Fachpersonal und "ausreichenden Strukturen in der Armee, die tatsächlich den Umgang mit Kulturgütern beherrschen und ihre unterschiedlichen konservatorischen Anforderungen einzuschätzen vermögen".
Vorgeschlagen wird daher, dass "sowohl auf strategischer, operativer, taktischer, logistischer, personeller wie auch auf der Ebene des Nachrichtenwesens gerechte Prozesse in die Wege zu leiten [sind], um die Kompetenz der deutschen Streitkräfte in diesem völkerrechtlich verankerten Tätigkeitsbereich zu stärken und sie mit anderen Streitkräften kooperations- und handlungsfähig zumachen. ... Dabei gilt es, ein gesamtheitliches Rahmenkonzept zu entwickeln, welches von der einfachen Handreichung undTaschenkarte bis hin zu umfangreicheren Ergänzungen von Einsatzstrukturenreichen kann. (S. 10)". Die Autoren erhoffen sich durch eine Kooperation mit zivilen Stellen auch eine verbesserte Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft, wie auch positive Effekte für die Vermittlung der Belange von Denkmalpflege und Kultzurgüterschutz.
Diese Konzeption wurde am 10.04.2024 als Vorschlag im Rahmen des Kontinuierlichen Verbesserungsprogramm (KVP) der Bundeswehr dem Bundesministerium der Verteidigung eingereicht.
Wie war das denn zu Zeiten des Kalten Kriegs organisiert? Gab es da Pläne? Oder ist militärischer Kulturgüterschutz erst ein jüngeres Phänomen (von Monuments Men in WWII mal abgesehen)? Tatsächlich hat die US-Army auch erst vor wenigen Jahren eine Initiative zum Kulturgutschutz unternommen - wohl unter dem Eindruck des eigenen Versagens bei den Vorgängen um die Plünderung des Nationalmuseums in Bagdad. Hatte die Bundeswehr in Afghanstan eigentlich eine Ahnung, wo da schützenswerte Denkmäler stehen?
Links
- Schutz von Kulturgütern im Krieg: Drei Offiziere der Bundeswehr machen sich Sorgen – und einen Vorschlag. Tagesspiegel (28.4.2024) - https://www.tagesspiegel.de/kultur/schutz-von-kulturgutern-im-krieg-drei-offiziere-der-bundeswehr-machen-sich-sorgen--und-einen-vorschlag-11581040.html
- Haager Konvention beim BBK: https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Schutz-Kulturgut/Was-ist-Kulturgut/Haager-Konvention/haager-konvention_node.html
- Publikation des BBK: Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. 7. Auflage (2012). - https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Mediathek/Publikationen/Kulturgutschutz/schutz-von-kulturgut-bei-bewaffneten-konflikten.pdf
The US Army Is Launching a 21st-Century Version of the Monuments Men to Protect Cultural Heritage in War-Torn Regions. ArtNet 22.10.2019. - https://news.artnet.com/art-world-archives/new-monuments-men-1685326
Montag, 29. April 2024
Grabraub: Immerhin erregte es Aufsehen
Eine eigentlich banale Meldung zum kommenden 85. Geburtstag von Helmut Thoma in den Salzburger Nachrichten (nach APA Austra Presse Agentur):
Nur ein Absatz ist bemerkenswert:
"In seiner Freizeit ging Thoma, der mit der buddhistischen Lebensphilosophie liebäugelte, u.a. gerne tauchen, sorgte aber speziell mit einem Aufenthalt in Syrien für Aufsehen. Noch weit vor der Jahrtausendwende erbeutete er mit einem Grabräuber zusammen einen Grababschluss, wie er viele Jahre später erzählte. "Er hat mich zu einem Höhlengrab in der antiken Wüstenstadt Palmyra geführt und meinte: 'Jetzt krabbeln wir da rein.' Da hatte ich schon ein bisschen Bedenken. Es war Nacht, und da waren Schlangen...", sagte er der "Welt"."
Helmut Thoma
(Foto Manfred Werner - Tsui
[CC-BY-SA-3.0
via Wikimedia Commons])
Immerhin erregte es Aufsehen...
Mal sehen, ob zu Thomas 85. Geburtstag am 3. Mai die ungeheuerliche Geschichte nochmals aufegriffen wird.
Archäologen forderten eine
Restitution an Syrien. Das war vor dem Bürgerkrieg und den Greueltaten
des Assad-Regimes. Thoma reagierte offenbar nicht auf die Anragen.
Wo ist das geklaute Relief heute? Längst wieder im Kunsthandel?
Interne Links
Räuber in Syrien. Archaeologik 16.7.2012
German media manager plundered UNESCO world heritage. Archaeologik 18.11.2010
"Es war nacht und da waren Schlangen...". Archaeologik 15.11.2010
Dienstag, 16. April 2024
Zusammenschmeißen und Sparen: diesmal Goethe-Uni in Frankfurt
Wie viele Unis muss auch die Goethe-Universität Frankfurt sparen. Und iwieder trifft es die Geistes- und Kulturwissenschaften. Geplant sind vom Fachbereich Streichungen, Kürzungen und Umstrukturierungsmaßnahmen im Fachbereich 09 Sprach- und Kulturwissenschaften, hauptsächlich die Institute Afrikanistik, Archäologische Wissenschaften, Empirische Sprachwissenschaft, Klassische Philologie, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik und Ostasiatische Philologien betreffen.
In der Archäologie sollen die Professuren für klassische Archäologie und für die Archäologie der Römischen Professuren künftig in einer Professur zusammengelegt werden. Ebenso sollen die Professuren für Latinistik und Gräzistik verbunden werden. Für die Außenstehenden ist die Archäologie Archäologie und die einzelnen Fächer sind nur Spielarten ein und derselben Wissenschaft. Dass man bereits in den letzten Jahrzehnten unter dem Zwang der Einführung neuer Bachelorstudiengänge dazu gezwingen war, verschiedene Fächer in gemeinsame Studiengänge zusammen zu fassen, begünstig diese Sicht. Für die Absolventinnen* dieser Studiengänge muss das nicht schlecht sein, aber für die disziplinspezifischen Inhalte bleibt weniger Zeit und hier ist bereits ein Verlust an Material-/ Quellenkenntnis und spezifischer Kompetenz zu verzeichnen.
Weiterhin soll die Professur in der Ur- und Frühgeschichte herabgestuft werden, was bedeutet, dass Sie keine Personalverantwortung mehr hat und damit auch die angegliederten Arbeitsstellen mittelfristig nicht fortgeführt werden sollen.
Wie bei solchen Streichbeschlüssen üblich, beklagen sich auch hier die betroffenen Fächer über eine Intransparenz des Verfahrens. Die betreffenden Gremien der Fachbereiche bzw. Fakultäten sind zwar i.R. aus der Professorenschaft gewählt, vertreten aber nicht die Breite der Fächer. Die aktuell nicht in den Gremien vertretenen Fächer mögen sich hier vielfach schon von vorn herein in einer schwächeren Position befinden. Vor allem aber überblicken die Gremien in der Regel nicht die Fachkulturen der betroffenen Fächer. In den archäologischen Wissenschaften werden hier regelmäßig die höchst unterschiedlichen Forschungstraditionen - die sich auch in den Fragestellungen und Methoden niederschlagen - übersehen. Die Ausbildung eierlegender Wollmilchsäue lässt vielerorts Klagen aufkommen, dass Abolventinnen wichtige Kenntnisse fehlen und führt dazu, dass spezielles Wissen in den kleinen Fächern verloren geht. Es ergibt sich das Risiko, das manche Fächer gar nicht mehr angeboten werden.
Die Art und Weise, wie an den Universitäten über Einsparungen und Ausbau von Fächern entschieden wird, folgt mehr den Sparzwängen und Förderprogrammen der Politik als einer langfristigen Strategie der Fächerentwicklung. Dabei kommt es unter anderem zu der skurrilen Situation, dass in Sachsen grundlegende archäologische Disziplinen in Leipzig gestrichen werden, dafür aber in Dresden (wo es sonst keine Archäologie gibt) nun ein Master "Computer and Geoscience in Archaeology" angeboten wird, dessen Studienplan nur Methoden kennt, aber keine Fragestellungen und Quellenkenntnis. Derartige moderne Studiengänge können die grundlegende disziplinäre Ausbildung in Quellen und Fragestellungen nicht ersetzen. Pikanterweise ist daher die Zulassungsvoraussetzung zum neuen Dresdner Masterstudiengang u.a. ein BA-Abschluß in einer
archäologischen Fachdisziplin - aufgeführt werden: Ägyptologie,
Altamerikanistik, Archäologie des Mittelalters oder Archäologie des
Mittelalters und der Neuzeit, Christliche Archäologie, Klassische
Archäologie, Provinzialrömische Archäologie, Prähistorische Archäologie
oder Vor- und Frühgeschichte, Vorderasiatische Archäologie - während ein disziplinenübergreifender BA Archäologische Wissenschaften nach der Studienordnung eine spezielle Anerkennung durch den Prüfungsausschuß bedarf. Man wird mittel- bis langfristig über eine Neustrukturierung der Disziplinengrenzen nachdenken müssen - und da darf beispielsweise auch eine Verschmelzung der Archäologie der römischen Provinzen und der klassischen Archäologie kein generelles Tabu sein, aber das muss langfristig konzipiert sein und aus den Fächern heraus geschehen und kann nicht nach den zufällig im Fachbereich zu verteilenden (oder eben nicht zu verteilenden) Mitteln passieren.
Dass an den Universitäten gespart wird, ist keine ganz neue Entwicklung, viele öffentlichkeitswirksame Großinitiativen überdecken die Probleme eher, als dass sie einen Lösungsansatz bieten. Dabei werden an die Universitäten immer mehr quantitative Leistungsindikatoren angelegt, die Studierendenzahlen und Transfer (in der Praxis = wirtschaftlich nutzbare Entwicklung) in den Mittelpunkt stellen und damit die Geisteswissenschaften unter Druck setzen, die mit einer Vielzahl eher kleiner Fächer und einem geringeren Nutzungspotential hier nur wenig Punkte liefern. Dabei sind gerade dann, wenn Friede und Demokratie unter Druck geraten, und Populisten mit angeblich "gesunden Menschenverstandes" einfache Lösungen versprechen, wichtiger denn je. Geistes-, Kultur und Sozialwissenschaften können Einordnung bieten und manche populistische Parole als das entlarven was sie ist: Lüge, Geschichtsfälschung und Direktverbindung in den Abgrund.
Links
Gegen die Kürzungen der Sprach- & Kulturwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt. Change.org - https://chng.it/4b8NCbk78jUnterschreiben!
Parallel noch eine Petition speziell bezogen auf die Latinistik:
Interne Links
- Blindes Sparen nach dem Zufallsprinzip: Streichung der Klassischen Archäologie in Leipzig. Archaeologik 11.12.2014. -https://archaeologik.blogspot.com/2014/02/blindes-sparen-nach-dem-zufallsprinzip.html
- Streichungsgefahr für die Archäologie! nicht nur in Sachsen. Archaeologik 8.12.2023. -https://archaeologik.blogspot.com/2023/12/streichungsgefahr-fur-die-archaologie.html
- Corona, Brexit oder Kommerzdenken? #SaveSheffieldArchaeology . Archaeologik 13.5.2021. - https://archaeologik.blogspot.com/2021/05/corona-brexit-oder-kommerzdenken.html
Sonntag, 14. April 2024
Donnerstag, 4. April 2024
Neolithischer Bergbau auf der Schwäbischen Alb - neue Publikationen
Langsam aber stetig gehen die Forschungen zum neolithischen Silexabbau und der neolithischen Siedlungslandschaft bei Blaubeuren voran. Nun sind kurz nacheinander zwei neue Publikationen erschienen::
- L. Fisher/C. Knipper/S. K. Harris u. a., Neolithic Chert Extraction and Processing on the Southeastern Swabian Alb (Asch-Borgerhau, Germany). In: F. Bostyn/J. Lech/A. Saville u. a. (Hrsg.), Prehistoric Flint Mines in Europe (Oxford 2023) 269–284. -
- L. Fisher/E./S. K. Harris/R. Schreg/C. Knipper, Neolithic Cultural Landscapes in Southwestern Germany: Exploring Contributions of Regional Surveys. In: E. Robinson/S. K. Harris/B. F. Codding (Hrsg.), Cultural Landscapes and Long-Term Human Ecology. Interdisciplinary contributions to archaeology1 (Cham 2023) 243–276. - https://doi.org/10.1007/978-3-031-49699-8_11
Während der erste Aufsatz die Silexabbaustelle im Wald Borgerhau bei Asch vorstellt, blickt der zweite - erschienen in der Festschrift für Michael Jochim, dessen Forschungen zum Mesolithikum im Federseegebiet wichtige Impulse gegeben hatten - in die neolithische Siedlungslandschaft der Bkaubeurener Alb.
Asch, Borgerhau: neolithische Abbautelle:
Halden unter Wald Borgerhau
(Foto: R. Schreg)Asch Borgerhau,
neolithische Abbaustelle: Verfüllung einer Pinge
(Foto: R. Schreg)
Die Schwäbische Alb ist seit langem als eine wichtige regionale Rohstoffquelle für die Herstellung von Steinschlagwerkzeugen bekannt. Die prähistorische Gewinnung und Nutzung der knollenförmigen Jurahornsteine aus den Kalksteinen und Verwitterungsablagerungen ist jedoch kaum untersucht worden. Unser Beitrag stellt die bisherigen Ergebnisse eines langjährigen regionalen Forschungsprojekts erstmals genauer vor. Dabei wurden sstematische Feldbegehungen und die Auswertung gut dokumentierter Privatsammlungen mit geomagnetischen Prospektionen und kleinen, gezielten Probegrabungen kombiniert, um Fundorte und Untergrundmerkmale zu identifizieren und datierbares Material für den Vergleich zwischen den Fundorten zu gewinnen. Insbesondere werden die Ergebnisse der Ausgrabungen in Asch-Borgerhau präsentiert, einem neolithischen Silexabbau mit sichtbaren Oberflächenstrukturen in Form von Pingen und Halden. Borgerhau ist der erste dokumentierte Hornsteinabbau auf der Schwäbischen Alb. Außerdem werden Methoden und Ergebnisse der Untersuchung neolithischer Siedlungen in der unmittelbaren Umgebung des Steinbruchs kurz vorgestellt.
Eingebettet waren diese Untersuchungen auf der Blaubeurer Alb in eine flächengreifendere Betrachtung neolithischer Fundstellen. Der zweite Beitrag zeigt das Potential regionaler archäologischer Surveys für das Verständnis neolithischer Landnutzung außerhalb und zwischen intensiv untersuchten Siedlungsgebieten. Der Artikel vergleicht dazu Survey-Daten aus zwei langjährigen regionalen Projekten im Oberschwäbischen Tiefland und auf der südöstlichen Schwäbischen Alb. Berücksichtigt werden die natürlichen Gegebenheiten, die Forschungsgeschichte und die Verteilung der Fundstellen. In beiden Gebieten gibt es intensiv untersuchte Fundstellencluster, die mit charakteristischen Landformen verbunden sind, und Gebiete, in denen Siedlungsnachweise nur spärlich oder gar nicht vorhanden sind. Auf der Schwäbischen Alb dominieren neolithische Aktivitäten wie Besiedlung und Hornsteingewinnung in geringer bis hoher Dichte. Im Tiefland sind neolithische Oberflächenfunde spärlich und verstreut, aber ihre Verteilung deutet auf Kontakte und Reisen zwischen dem Tiefland und dem Untersuchungsgebiet auf der Schwäbischen Alb hin. Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass die Differenzierung von besiedelten und "leeren" Gebieten doch recht komplex war. Obwohl sie durch chronologische Unsicherheiten eingeschränkt sind, bieten Oberflächenfunde vielversprechende Möglichkeiten für weitere Forschungen zur neolithischen Besiedlung in der Region.
Sonderbuch, Grund: Grabungen |
Link
- Eine neolithische Haldenlandschaft auf der Schwäbischen Alb. Archaeologik 19.7.2012
weitere Literatur
- L.E. Fisher / S.K. Harris / J. Affolter / C. Knipper / R. Schreg:
Linking Quarry and Settlement on the Swabian Alb, Southern Germany. The
Quarry Site 10, 2013.
- C. Knipper / S. Harris / L. Fisher / R. Schreg / J. Giesler / E. Nocerino: The Neolithic Settlement Landscape of the Southeastern Swabian Alb (Germany). www.Jungsteinsite.de (25.5.2005)
https://doi.org/10.12766/jna.2005.12
Samstag, 30. März 2024
Erneutes Rumgepfrickel im WissZeitVG
Ein Wissenschaftler arbeitet in befristetem Vertrag. (KI-generiert mit Craiyon) |
Die rot-grün-gelbe Regierungskoalition will das Wissenschaftszeitvertragsgesetz reformieren und sieht vor, die Post-Doc-Phase von 6 auf 4 Jahre zu verkürzen. Argumentiert wird, die Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sollen besser vor kurz laufenden Arbeitsverträgen und immer neuen Befristungen geschützt werden.
Das Ziel ist gut, der Ansatz daneben: Seit Jahren wird hier mittels des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes immer wieder die Befristungsregelungen verändert.
Solange jedoch die grundsätzliche Finanzierung der Wissenschaft nicht neu strukturiert wird, ist das jedoch kontraproduktiv und eben nicht zum Vorteil der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Seit Jahren wird, um längerfristige Haushaltsverpflichtungen zu vermeiden Geld über Projektförderungen verteilt, die per se befristet sind.
Viele Studierende, die aktuell im System sind,
haben ihre Karriereplanung an den längeren Fristen orientiert. Sie werden nun
unvermittelt aus der Wissenschaft aussortiert. Für Studienanfänger wird die
Wissenschaft noch unattraktiver und der vielbeschrieene Wissenschaftsstandort Deutschland
blutet aus.
Eine noch kürzere Befristung in den Geisteswissenschaften auf vier Jahre ermöglicht es den Nachwuchswissenschaftlern gerade noch ein Forschungsprojekt mitzumachen, ehe sie dann aus der Wissenschaft ausscheiden müssen, denn die unbefristeten Stellen werden ja nirgendwo geschaffen.
Damit wird auch die Möglichkeit unrealistisch,
ein eigenes Projekt zu entwickeln und einzuwerben. Aktuell ist die
Regellaufzeit eines Projektes drei Jahre. Normalerweise benötigt es mehr als
ein Jahr Vorarbeit ein Projekt zu konzipieren und zu beantragen und bis zu
einem Jahr, ehe das Projekt bewilligt ist (oder bei den aktuellen Förderquoten meist eben auch
nicht). Die nötigen Erfahrungen, Vorrbeiten und Wartezeiten werden meist durch die befristete Projektmitarbeit gewährleistet. Mit der Verkürzung der Postdoc-Phase ist dieser Weg
unrealistisch und noch riskanter als bisher. Ohne diese Chance entfällt aber auch das
Argument, befristete Verträge würden die Innovation in der Wissenschaft sichern.
Die Innovationstreiber kommen mit der noch kürzeren Befristung ja gar nicht
mehr zum Zuge. Auch nicht zu vergessen ist, dass in manchen Disziplinen
Projekte, die von Nachwuchswissenschaftlern eingeworben sind, einen gar nicht
geringen Anteil an der Einwerbung von Drittmitteln haben. Gerade in den eh schon kleinen Fächern wird die Forschungsleistung weiter zurück gehen, was am Ende deren Existenz bedrohen kann.
Ohne mehr Geld im Wissenschaftssystem und einer
Strukturreform, die Forschung in mehr Langfristprojekten fördert (die in den vergangenen
Jahren tendenziell wohl eher zurückgefahren als gefördert wurden) sind alle
Veränderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz politischer Aktionismus oder
Augenwischerei und praktisch ein Weiterschieben der Verantwortung auf Universitäten
und Professoren, die aber keine nennenswerten Handlungsspielräume haben. Eine
Problemlösung jedenfalls ist das WissZeitVG nicht, egal ob reformiert oder
unreformiert. Das Konzept der Regierungskoalition ist eine Verschlimmbesserung.
Links
- WissZeitVG im Kabinett beschlossen . Forchung & Lehre (28.3.2024). - https://www.forschung-und-lehre.de/politik/wisszeitvg-im-kabinett-beschlossen-6330
- Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes - BMBF (ziemlich beschönigende Darstellung)
- https://www.deutschlandfunk.de/bundesregierung-einigt-sich-ueber-zeitvertraege-an-hochschulen-102.html
- https://www.deutschlandfunk.de/interview-geraldine-rauch-praesidentin-tu-berlin-zu-wissenschaftsystem-dlf-6c5e6ff3-100.html (Audio)
Donnerstag, 28. März 2024
Einladung Keramikworkshop Bamberg 2024
Keramik ist in vielfältiger Hinsicht von großer Bedeutung für die Archäologie. Einmal zerbrochen, ist sie zu fast nichts nichts mehr zu gebrauchen und wird weggeworfen. Weil sie relativ witterungsresistent ist, liegt sie da dann oft heute noch - und bietet nicht nur Daten zur Chronologie, sondern auch zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Keramik hat daher schon lange das Interesse von Archäologen und Archäologinnen gefunden. Allerdings haben sich viele regionale Forschungstraditionen und -terminologien ausgebildet, in denen sich Landesgrenzen ebenso widerspiegeln wie regionale Schulbildungen. Das erschwert den Überblick und die wissenschafliche Diskussion. Dem wollen wir mit dem Bamberger Lehr- und Informationssystem zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik (BaLISminK) abhelfen Deutlich ist aber auch, dass die klassischen Publikationen mit Zeichnungen und Beschreibungen, bisweilen Fotos oder nun gar 3DScans nur einen ungenügenden Eindruck vom Material bieten. Man muss es gesehen und angefasst haben...
Karniesrand im Gebrauch (Foto R. Schreg) |
Deshalb wurden schon lange immer wieder Keramikworkshops abgehalten, bei denen Fundmaterial ausgelegt und dann gemeinschaftlich diskutiert wurde. Solche Treffen gab es beispielsweise 1963 in Freiburg als Uwe Lobbedey und Wolfgang Hübener zu einer solchen Tagung auch Ehrenamtliche mit ausgewählten Fundkomplexen eingeladen haben und daraus eine auch heute noch bemerkesnwerten Aufsatz zur Struktur der Keramik der späteren Merowingerzeit vorgelegt haben (Hübener/Lobbedey 1964). 1993 trafen sich Kolleginnen und Kollegen in Konstanz und trugen daraufhin Fundstellen und Forschungsstand in einer frühen online-Publikation zusammen, die leider alsbald wieder aus dem Netz verschwunden ist (Ade-Rademacher u.a. 1997).
Zuletzt trafen sich süddeutsche Keramikforscher 2021 in Tübingen und nun kann die AMANZ Bamberg zu einem weiteren Treffen am 2./3. Mai in Bamberg einladen (Organisationsteam Prof. Dr. Rainer Schreg und Aika Katharina Diesch M.A. unterstützt durch Elena Reus M.A.). Verschiedene Kolleginnen und Kollegen haben sich dankenswerterweise bereit erklärt, in kurzen Vorträgen (max. 15 min.) über Forschungsstand und -strategien ausgewählter Regionen und Themenbereiche zu berichten und ausgelegte Keramikkomplexe (persönlich/auf Postern) vorzustellen.
Der offen und informell gestaltete Workshop wird zahlreiche
Möglichkeiten für gegenseitiges Kennenlernen, Vernetzung, Diskussionen
sowie die gemeinsame Sichtung ausgelegter Keramikkomplexe bieten. Am Freitag soll es zum Abschluß eine Exkursion mit Privat-PKW zur Töpferei auf dem Lußberg oberhalb Priegendorf geben.
Da noch einige wenige Plätze verfügbar sind, laden wir nun weitere Interessent*innen auch hier noch ein (und verlängern dazu die offizielle Anmeldefrist bis zum 31. März 2024 voraussichtlich um eine Woche), bitten jedoch um baldige Anmeldung und um Überweisung eines Unkostenbeitrags von 10 € (ausgenommen sind Studierende und Personen ohne Anstellung).
Weitere Informationen zu Programm, Anfahrt, Bankverbindung etc. im obigen Link.
Literatur
- Ade-Rademacher u.a. 1997: D. Ade-Rademacher/ M. Dumitrache/ U. Gross/ B. Jenisch/ St. Kaltwasser/ Ch. Keller/ R. Marti/ Ch. Matt/ J. Pfrommer/ R. Röber,Mittelalterliche Keramik in Baden-Württemberg und den Schweizer Kantonen Basel-Stadt, Baselland und Schaffhausen. Fundstellen und Forschungsstand (Hertingen 1997)
- Hübener/ Lobbedey 1964: W. Hübener/U. Lobbedey, Zur Struktur der Keramik in der späten Merowingerzeit. Beobachtungen an süddeutschen Grab- und Siedlungsfunden. Bonner Jahrb. 164, 1964, 88-129.
Samstag, 23. März 2024
Stakeholders in der Archäologie: Wer bestimmt, was publiziert werden darf?
Im konkreten Fall wurden 2019 Ausgrabungen an einem paläo-indianischen archäologischen Stätte bei Avon notwendig, als die dortige Flußbrücke durch einen Neubau ersetzt wurde. Der kurz zuvor verstorbene Staatsarchäologe Brian D. Jones hatte hier eine paläoindianische Fundstelle lokalisiert, die dann nach ihm benannt wurde.
Die Grabungen wurden nach dem Verursacherprinzip durch Connecticut Department of Transportation (CT DOT) finanziert, die Untersuchungen durch eine private Grabungsfirma durchgeführt. David E. Leslie, einschlägig promoviert an der University of Connecticut übernahm als Director of Research at Heritage Consultants, LLC die Grabungen und Auswertungen - die hier anders als in den Praxis in Deutschland im Verursacherprinzip eingeschlossen sind.
Bald nach den Ausgrabungen erschienen zahlreiche Medienberichte und es wurde in Vorträgen über die Entdeckungen informiert. 2020 erschien in der Fachzeitschrift PaleoAmerica auch ein erster Vorbericht zu den Ausgrabungen (Leslie et al. 2020). Bereits während der Auswertungen war zu erkennen, dass an der Fundstelle mehrere Phasen zu unterscheiden sind, darunter mindestens zwei paläoindianische Komponenten, von denen eine in die frühe paläoindianische Periode datiert wird. Als wichtige Frage wurde formuliert, wie sich diese Mehrfachnutzungen des Brian D. Jones Site in die gesamte paläoindianische Periode im Nordosten einzufügen ist.
In einem Vortrag im Oktober 2021 gab D. Leslie einen Überblick über den Stand der Auswertungen, die viele Erkenntnisse zur Paläotopographie und zur Datierung präsentierte. Anhand der Radiocarbondaten wurden sechs Phasen der palaeoindianischen Nutzung zwischen 12650 und 8000 BP differenziert.
Als im Frühjahr 2023 ein weiterer Artikel in PaleoAmerica publiziert wurde (Leslie / Miller 2023), konnte also bereits auf eine recht solide Arbeit zurückgegriffen werden. Im November 2023 wurde der Artikel auf Druck der Connecticut Department of Transportation zurückgezogen. In einem Statemant dazu heißt es, "The article was not authorized by the relevant authorities responsible for the site and artifacts recovered" (PaleoAmerica). Der Blog Retraction Watch (23.11.2023) hat den Fall aufgegriffen und dazu von Co-Autor Logan Miller zwar die Aussage erhalten, dass beide Autoren weiterhin zu ihren Forschungergebnissen stehen, den Fall aber ansonsten nicht weiter kommentieren wollten.
Das Connecticut Department of Transportation stellte gegenüber Retraction Watch fest: "The results and interpretation of the site were published prematurely. The materials uncovered are still in labs being tested. Since all stakeholders did not have a chance to review and provide comment, and interpretations were not yet completed, CTDOT asked for the retraction. A final report [is] expected to be completed by the end of next year."
Das sind nicht etwa Argumente, dass in einem Vertrag zwischen dem Verursacher und der Grabungsfirma ein Mitspracherecht über die Publikationen vereinbart worden sei, es wird hier mit dem Forschungsprozess argumentiert und auf ominöse "stakeholders" verwiesen. Von einem "scientific board", das da vielleicht eingerichtet wurde, ist hier nicht die Rede.
Der Fall wirft also die Frage auf, wer sich bei Verursacher-finanzierten Projekten in die Forschung einmischen darf. Wer sind diese Stakeholder? Es mischt sich hier ja auch nicht eine Denkmalbehörde ein, sondern eine Bauabteilung. Es geht hier auch nicht mehr um grundlegende vielleicht sicherheits- oder datenschutzrelvante Informationen zur Fundstelle, sondern um paläoindianischen Schmuck, zu dem CTDOT sicher keine weiteren Kompetenzen hat - und um die Rechte Indigener scheint es hier ja auch nicht zu gehen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es nur um Machtspielchen und vielleicht gekränkte Eitelkeiten geht.
In Deutschland gab es hier zuletzt eine Diskussion um die Rolle der Landesämter, die hier vielfach ein Mitspracherecht bei der Publikation oder gar eine Co-Autorenschaft einfordern (Biermann 2021; Zerres 2021). Zu problematisieren sind hier nicht nur die juristischen Rechtsansprüche, sondern auch die Einngriffe in die Wissenschaft. Fachintern sollten hier ja Interessensübereinstimmungen vorliegen; problematisch wird es, wenn außerwissenschaftliche Stakeholder eine Rolle spielen. Dass CTDOT primär an der wissenschaftlichen Qualität des Artikels gelegen hat, ist unglaubhaft, zumal dieser bei PaleoAmerica ein Peer Review durchlaufen hat.
Links
- ‘A bit of a surprise’: Transportation officials pushed to retract archaeology article on work they funded. Retraction watch (23.11.2023). - https://retractionwatch.com/2023/12/11/a-bit-of-a-surprise-transportation-officials-pushed-to-retract-archaeology-article-on-work-they-funded/
- 12,500-Year-Old Paleoindian Site Discovered. Connecticut Explorer Spring 2020. - https://www.ctexplored.org/12500-year-old-paleoindian-site-discovered/
- D. Leslie, Paleoindian Occupations along the Farmington River at the Brian D. Jones-Site :Southern New Englands oldest Archaeological Site. - https://www.youtube.com/watch?v=pXculCpI5lM ab min 38
- Construction workers accidentally uncover ancient site in Connecticut. New York Post (13.12.2019). - https://nypost.com/2019/12/13/construction-workers-accidentally-uncover-ancient-site-in-connecticut/
- https://avonhistoricalsociety.org/paleo-indian-site/
Literatur
- Biermann 2021
E. Biermann, Publikationsverbot und Zwangslöschung von Veröffentlichungen auf Betreiben des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen (LfDH). Arch. Inf. 44, 2021, 25–45. - https://doi.org/10.11588/AI.2021.1.89121 - Leslie et al. 2020
D. E. Leslie / S. P. Sportman / B. D. Jones, The Brian D. Jones Site (4-10B): A Multi-Component Paleoindian Site in Southern New England. PaleoAmerica 6,2, 2020, 199–203. - https://doi.org/10.1080/20555563.2019.1709147 - Leslie / Miller 2023
D. E. Leslie / G. L. Miller, RETRACTED ARTICLE: Early Paleoindian Personal Adornment: An Example from the Brian D. Jones Site in Avon, Connecticut. PaleoAmerica 9,1, 2023, 48–59. - https://doi.org/10.1080/20555563.2022.2157930 - PaleoAmerica 2023
Statement of Retraction: Early Paleoindian Personal Adornment: An example from the Brian D. Jones Site in Avon, Connecticut. PaleoAmerica 9,3, 2023, 242. - https://doi.org/10.1080/20555563.2023.2279406 - Zerres 2021
J. Zerres, Nutzungs- und Publikationsrechte an Grabungsdokumentationen – eine Übersicht zu den Regelungen der Denkmalpflegeämter in Deutschland. Arch. Inf. 44, 2021, 65–70. - https://doi.org/10.11588/ai.2021.1.89124