Mittwoch, 27. November 2019

Dieses Mal nur 10.000 Raubgrabungsfunde - Europol-Operationen der vergangenen Jahre

Europol hat wieder einmal eine Razzia in verschiedenen Staaten durchgeführt - u.a. auch in München.
(Foto: R. Schreg, 2013)
Leider (oder Gott sei Dank) ist das eigentlich nichts Besonderes:

Operation Pandora III -  Juli 2019: 18.000 sichergestellte Funde
Operation Sardica - November 2018: 30.000 sichergestellte Funde

Operation Demetra - Juli 2018: 20.000 sichergestellte Funde
Operation Athena - Februar 2018: 40.000 sichergestellte Funde
Operation Pandora  - Januar 2017:  3500 sichergestellte Funde

Operation Aureus - Januar 2015: 2200 Funde sichergestelllt
Hier geht es nur um Funde, die von EUROPOL sicher gestellt worden sind. All das, was von den nationalen Polizeibehörden oder vom Zoll entdeckt wird, kommt noch dazu, plus jene Funde, die nicht entdeckt werden, weil sie erst noch abgelagert werden, bis sie mit falschen Provenienzen in den Markt gebracht werden.

Sonntag, 24. November 2019

Donnerstag, 21. November 2019

Archäologie und Schule in der Bamberger AMaNz

Schon vor Jahren hat am Bamberger Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit Grabungstechnikerin Britta Ziegler mit der Archäologischen Sommerakademie Bamberg begonnen, das Fach - speziell die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit - auch an Laien und Schüler zu vermitteln. 
Schon länger bietet der Lehrstuhl - neben Schülerpraktika und sonstigen Veranstaltungen für Schüler - auch einen Museumskoffer an, der neben didaktischem Material einen Querschnitt einschlägiger archäologischer Funde aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit aus Fundorten in Oberfranken bietet. Er richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen, insbesondere Grundschulen sowie die Sekundarstufen I und II, die den Koffer für ihren Unterricht ausleihen können.

Dieses Angebot für Schulen und Schüler*innen wird ständig weiter entwickelt und so gibt es nun den Prototyp des Museumskoffers digital. In Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl AMANZ, betreut von Cornelia Lohwasser und dem bib international college Hannover (Hochschule für informationsverarbeitende Berufe e.V.) kann der Koffer nun virtuell geöffnet, die Objekte entnommen, gedreht, gezoomt und wie durch Zauberhand zum ehemaligen, kompletten Gegenstand ergänzt werden. Die App wurde von vier Studierenden des bib international college erschaffen. Sie ist indes nur ein vorläufiger Prototyp, denn durch die dauerhafte Kooperation zwischen Lehrstuhl und bib international college Hannover soll der virtuelle Koffer Objekt für Objekt ergänzt werden, um so den vollständigen Inhalt digital im Schulunterricht verwenden zu können. Diese Art der Objekterschließung kann in digital ausgestatteten Klassenzimmern eine interessante Vorbereitung für den eigentlichen Höhepunkt sein, nämlich den Koffer wirklich zu öffnen und die originalen Gegenstände in Händen zu halten.

Montag, 18. November 2019

Archäologie als Ausrede und Sündenbock

Einweihung der Krim-Brücke im Mai 2018 durch Präsident Putin
(Quelle: Kremlin.ru [CC BY 4.0 gemäß http://en.kremlin.ru/about/copyrights] via http://en.kremlin.ru/events/president/news/57472)
Nach der russischen Besetzung der Krim wurde eine Brücke über den Bosporus bei Kertsch zur wirtschaftlich bedeutenden Verkehrsverbindung zwischen der Krim und Russland - und zugleich ein politisches Prestigeprojekt. Im Mai 2018 weihte der russische Präsident Putin nach der Besetzung der Krim 2014 die Brücke ein, indem er persönlich einen der ersten Lastwagen über die Brücke fuhr.

Die Brücke war in nur zwei Jahren Bauzeit errichtet worden., obwohl das Projekt wegen der Meeresströmung, einem instabilen Untergrund infolge von Verkarstung, seismischer Aktivität und Schlammvulkanen technisch äußerst anspruchsvoll ist.

Eine erste deutsche Pionierbrücke aus dem Zweiten Weltkrieg wurde unter Stalin zur Eisenbahnbrücke ausgebaut, doch ist sie wegen starken Eisgangs nach nur drei Monaten eingestürzt. Ein Neubauprojekt in den 1950er Jahren musste eingestellt werden, nachdem sich der Untergrund als zu instabil erwiesen hat.
Auch über die aktuelle Brücke gibt es warnende Stimmen und auch Berichte über einige praktische Probleme. Vermehrt gibt es Berichte um Schwierigkeiten beim Bau der Brücke und Zufahrtswege. So soll im September 2018 ein Bahntunnel auf der neuen Zufahrtsstrecke eingestürzt sein. Außerdem gibt es Zweifel an der Stabilität der Brücken.
Die Eröffnung der parallelen Bahnbrücke, die für dieses Jahr, 2019 angekündigt war, wurde verschieben. Ein erstes Gleis wurde im Sommer zwar tatsächlich gelegt, aber die Fertigstellung der Bahnbrücke verzögert sich.

Schuld an der Verzögerung bei der Bahnbrücke sind offiziell aber nicht die technischen Schwierigkeiten oder der Tunneleinsturz, sondern: die Archäologie. Jedenfalls mutmasst der Stern, dass die aktuellen Ausgrabungen willkommen sind, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.

Während der Bauarbeiten wurde überraschend eine Villa aus der Zeit des Bosporanischen Königreichs, genauer aus dem 4./3. Jahrhundert v.Chr. entdeckt.


Archäologie ist auf der Krim in hohem Maß in die politische Auseinandersetzung eingebunden. Viele Vorgänge und Einschätzungen sind deutlich von politischen Schachzügen geprägt und mahnen auch zur Vorsicht gegenüber den einzelnen Informationen.

Zum Zankapfel wurde die problematische Rückgabe von Ausstellungsleihgaben, die zum Zeitpunkt der russischen Besetzung der krim 2014 auf Ausstellungstour in den Niederlanden waren:
Die Ukraine erhebt Vorwürfe illegaler Grabungen, da sie Grabungslizenzen russischer Behörden nicht anerkennt. Darstellungen einer gezielten Zerstörung von Kulturgut sind daher mit Vorsicht zu betrachten:
Teilweise wurden wichtige Personalentscheidungen Chefsache. Hier geht es wohl um politische Einflussnahme auf Museen und Fundstellen, insbesondere im Falle der für die Christianisierung Russlands so bedeutenden Vladimir-Kirche in Cherson bei Sevastopol.
Übrigens bietet die Krim auch forschungsgeschichtlich ein interessantes Beispiel der propagandistischen Vereinnahmung der Vergangenheit, als die Krimgoten ins Blickfeld der stalinistischen UdSSR und NS-Deutschland gerieten.

Samstag, 16. November 2019

Wikinger und Walrösser - eine Geschichte der Ausrottung

Basierend auf der Open-Access-Publikation:
  • Xénia Keighley, Snæbjörn Pálsson, Bjarni F Einarsson, Aevar Petersen, Meritxell Fernández-Coll, Peter Jordan, Morten Tange Olsen, Hilmar J Malmquist: Disappearance of Icelandic Walruses Coincided with Norse Settlemen. Molecular Biology and Evolution 2019, msz196  - < https://doi.org/10.1093/molbev/msz196
Die Studie verweist auf die zunehmenden Einsichten, die sich in den vergangenen Jahren zu die menschlichen Auswirkungen (human impact) auf die Umwelt ergeben haben. Dazu gehören massive Landschaftsveränderungen und auch das Ausrotten von Tierarten. Unklar blieben dabei bisher die Folgen der Nutzung mariner Ressourcen vor  dem industrialisierten Walfang.
Die Studie nutzte daher die Funde von Walrossknochen aus Island. Sie stammen nicht aus archäologischen Fundstellen sondern aus Ablagerungen an der Küste. das Forschungsteam untersuchte die Datierung, Verbreitung und Genetik der Funde, berücksichtigte dabei aber auch die Belege, die sich etwa aus Ortsnamen ergeben.

Datierung isländischer Walrossknochen
(nach X. Keighley u.a.: Disappearance of Icelandic Walruses Coincided with Norse Settlemen. Molecular Biology and Evolution 2019, msz196 [ Creative Commons CC-BY-NC])



Heute gibt es auf Island keine Walross-Population mehr und die Analysen zeigten, dass sie bald nach Ankunft der Wikinger 873 verschwunden sein müssen. Die genetischen Analysen offenbaren, dass die DNA der untersuchten isländischen Walrösser heute nirgendwo mehr in lebenden Populationen vorhanden ist, die Tiere also ausgerottet worden sein müssen.
Die Nachfrage und der Handel der Wikingerzeit waren offenbar ausreichend, um die Walrösser auszurotten. der Studie zufolge ist dies eines der frühesten Beispiele, bei denen die lokale Ausrottung einer Tierart nachgewiesen werden kann.

Freitag, 1. November 2019

Eine neue Phase im syrischen Bürgerkrieg (Kulturgut in Syrien und Irak, September/ Oktober 2019)


Seit dem letzten Blogpost zu Syrien und Irak hat sich die politische Situation in Syrien radikal verändert.

Der Abzug der US-Truppen aus dem Norden Syriens hat der Türkei ein weiteres Vordringen im Norden des Landes ermöglicht, das gegen die pauschal als Terroristen eingestuften Kurden gerichtet ist. Die Türkei will hier eine 30 km breite Sicherheitszone schaffen. Davon profitiert vor allem das Assad-Regime wie auch Russland, das seine Rolle als internationale Ordnungsmacht damit entscheidend ausbaut. Die Kurden wenden sich dem verhassten Assad-Regime zu.
Inwiefern die nun begonnenen Friedensverhandlungen Aussicht auf Erfolg haben, scheint ungewiss. Sofern ein Ende des Krieges in Sicht sein solte, am ehesten mit dem Assad-Regime und Russland als Sieger.

Bürgerkrieg in Syrien - ungefähre Situation Ende Oktober 2019
(Ermanarich [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)


Menschen, Wahrheit und Kultur sind wie immer einige der Opfer der neuen Entwicklung

Dass gerade archäologische Stätten in der Kriegspropaganda eine wichtige Rolle spielen hat sich gerade im Syrien-Krieg schon mehrfach gezeigt. Während Daesh die Zerstörung von Kulturgut gezielt für ihren Terror und als Symbol seiner 'Mission' eingesetzt hat, soll die besonders herausgestellte Sorge um das Kulturerbe zeigen, dass man auf Seiten der Zivilisation steht, während der Gegner als Kulturzerstörer gebrantdmarkt wird. In diesem Kontext sind vielfach auch einzelne Meldungen zu Zerstörungen zu sehen. 

Schon vor dem jetzigem Eingreifen der türkischen Truppen in Nordsyrien wurde ihnen Kulturgutzerstörung vorgeworfen. Unabhängig nachvollziehbar ist das m.W. bisher nicht (vergl. Archaeologik v. 8.9.2019).  Erinnert sei auch daran, dass im Frühjahr 2014 Berichte aufkamen, wonach die Türkei im Norden Syriens nach einem Vorwand für ein Eingreifen suchte (vergl. Archaeologik 2.4.2019). Ansatzpunkt war dasdas Grab von Suleyman Shah (ca. 1178 – 1236), dem eher legendären Großvater von Osman I., dem Begründer des Osmanischen Reiches. Das Grab liegt rund 25 km südlich der türkisch-syrischen Grenze und hatte bis 2015 eine türkische Wachmannschaft. Sie wurde im Februar 2015 durch türkische Truppen evakuiert, als das Grab von IS/ Daesh umzingelt war (Archaeologik 1.3.2015). Das Grab wurde dabei gesprengt und sollte direkt an der syrischen Grenze bei Ashme wieder errichtet werden. Im April 2018 erklärte jedoch der stellvertretende türkische Ministerpräsident Fikri Işık, dass das Grab nach der Befreiung von der kurdischen YPG (die hier ihrerseits Daesh besiegt hatte) an seinem vorherigen Standort nahe Manbisch wieder aufgebaut werden solle. Bislang liegt die Stelle jedoch außerhalb der türkisch kontrollierten Gebietes


Grab des Suleyman Shah auf einer größeren Karte anzeigen
blau: aktuelle Lage - rot vor der Verlegung 1973


Ein Schlag gegen Daesh? - der Tod des Abu Bakr al-Baghdadi

Ein weiterer Profiteur ist prinzipiell Daesh, da offenbar viele Gefangene fliehen konnten.
Am 27.10.2019 hat das US-Militär nun allerdings den Daesh-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi getötet. Inwiefern dies Daesh tatsächlich entscheidend schwächt ist fraglich, da er nie alleiniger Führer von Daesh war. Der Ort, in dem er sich versteckt hatte und nun gestellt wurde, ist Barischa, wenige Kilometer von Idlib, in jener Region, die in jüngerer Zeit noch Kriegsschauplatz zwischen Regierungstruppen und diversen 'Aufständischen' war - eigentliches IS-Gebiet war die Region aber nie (vergl. die Machtgebiete in der 'file history' der Karten der Wikipedia).

Barischa selbst ist eine der byzantinischen Toten Städte, die im bisherigen Bürgerkrieg verschiedentlich beschädigt wurden, in denen Raubgrabungen zugenommen haben, die aber teilweise auch als Flüchtlingslager dienten. Die Ruinen von Barischa waren Gegenstand eines deutschen Forschungsprojektes.




Barischa: Gelber Punkt: Byzantinische Siedlung, - Rot: Versteck des Daesh-Führers Abu Bakr al-Baghdadi



Byzantinisches Dorf Barischa, eine der Toten Städte im Kalksteinmassiv in Nordsyrien
(Foto: Bertramz, 2009 [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons)


Statement der syrischen Altertumsbehörde

  • http://www.dgam.gov.sy/index.php?d=177&id=2529 (arab.)
    Hier heisst es  unter anderem (Übersetzung via Google):
    "Archäologische Stätten im Nordosten Syriens, insbesondere in der Region Qamischli und Tell Abyad, sind aufgrund der türkischen Aggression in den Gebieten, in denen sich die wichtigsten archäologischen Zeugnisse Syriens befanden, die Tausende von Jahren zurückreichen und von denen die wichtigsten archäologischen Zeugnisse stammten, massiven Zerstörungen ausgesetzt.
    ...
    Um dieses Erbe zu bewahren, das ewige Seiten der Menschheitsgeschichte bildet, und um seinen Verlust zu verhindern, ruft die Generaldirektion für Antiquitäten und Museen die internationale Gemeinschaft und internationale Organisationen auf, die sich mit kulturellen Angelegenheiten befassen, insbesondere die UNESCO, Wissenschaftler und Archäologen auf der ganzen Welt Schätzen Sie den Wert dieser Stätten, um die türkische Aggression zu verurteilen und die Verbrechen der türkischen Besatzungsarmee aufzudecken, und fordern Sie ihre Regierungen auf, den Druck auszuüben, der erforderlich ist, um diese Aggression gegen das syrische Kulturerbe zu stoppen."

aktuelle Berichte


Aleppo, Syrien

Wiedereröffnung des Museums

Restaurierungen in der Stadt

Mossul, Irak

Aufstellung zweier Repliken assyrischer Lamassu-Plastik, die durch Daesh zerstört worden waren
 Restaurierungsarbeiten in Mossul

Homs, Syrien



Andere Berichte

Neue Monuments Men

Europa Nostra-Preis für DAI und Engagement in Syrien:




Links

frühere Posts zum Bürgerkrieg in Syrien auf Archaeologik (insbesondere Medienbeobachtung seit Mai 2012), inzwischen auch jeweils zur Situation im Irak:
Wie immer geht mein Dank an diverse Kollegen für ihre Hinweise. Die Übersetzungen arabischer Texte gehen meist auf Google Translator zurück und sind daher bisweilen Fehler-anfällig.