Historische Stollen werden ausgegraben - die verzweifelte Hoffnung auf Überleben.
Archaeologik ist ein Wissenschaftsblog zu Themen der Archäologie und des Kulturgutschutzes. Er zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert.
Archaeologik is a science blog contributing to various aspects of critical archaeology and cultural heritage including methodology, theory and daily archaeological practice.
Historische Stollen werden ausgegraben - die verzweifelte Hoffnung auf Überleben.
Scherben werden zum Symbol der eigenen Geschichte, dafür wofür gekämpft wird.
übersetzt:
"Cernihiw ist eine Stadt mit einer erstaunlichen und alten Geschichte, deren Beweise überall zu finden sind. ...Vor zehn Tagen fanden Soldaten einer der Einheiten, die Cernihiw während der Abwehrkämpfe verteidigten, die Scherben von Töpfen aus dem 18. Jahrhundert. Sorgfältig gesammelt und durch .... ins Museum überführt.
Es ist unglaublich!
Wir kämpfen um unser Leben, um die Möglichkeit, in unserem Land so zu leben, wie wir leben wollen, um unsere Geschichte. Diese Geschichte wird weiterhin sorgfältig bewahrt.
DANKE VERTEIDIGER! RUHM DER UKRAINE! RUHE DEN HELDEN!"
Nebenbei, nach mitteleuropäischen Maßstäben scheint die Datierung ins 18. Jh. zu jung - aber sicher hatte da niemand Zeit, Muse und Nerven, sich damit genauer zu beschäftigen.
Raubgräber haben einen vorgeschichtlichen Grabhügel auf dem Jolimont, einem Höhenrücken zwischen dem Bieler und Neuenburger See in der Schweiz getrichtert. In der Mitte gruben sie ein 2 m tiefes und 1,5 m breites Loch, um das Zentralgrab zu erwischen. Ob das gelungen ist, wie alt es war, wie gut es vielleicht erhalten war, ist unklar. (Vielleicht wurde auch gar nichts zerstört, denn bereits 1847 haben an den Grabhügeln Ausgrabungen stattgefunden, die zwar nach heutigen Maßstäben ebenfalls nicht gut waren, zu denen aber eine wenigstens rudimentäre Beschreibung vorliegt (Jahn 1850, 14).) Dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern wurde die Raubgrabung bereits im Dezember 2021 gemeldet. Die Zerstörung wurde dokumentiert und das völig ungesicherte Loch zugeschüttet.
Die Bildungs- und
Kulturdirektion des Kantons Bern hat in einer Mitteilung vom Dienstag, den Fall zum Anlass genommen, auf die Raubgrabungsproblematik
hinzuweisen.
Ein Video greift am Folgetag die Story mit Erklärungen des Kantonsarchäologen Adriano Boschetti auf. Auch wenn das Video für Deutsche vielleicht etwas schwer vertändlich ist - hier wird einfach und schön erklärt, worin das Problem der Raubgräberei liegt.
Solche Raubgrabungen sind nun leider - auch darauf wird hingewiesen - kein Einzelfall. In Hessen beispielsweise werden dem LKA pro Jahr etwa 20 Fälle bekannt, wobei man davon ausgehen muss, dass dies nur ein Bruchteil der Fälle ist. Nicht alle Raubgrabungen fallen auf, nicht alle enden in so großen Löchern wie auf dem Jolimont. An manchen Fundstellen liegt die Kulturschicht direkt unter der Oberfläche und bereits mit einem Schaufelschurf wird ein Fund aus seinem Kontext gerissen, zumal wenn nicht einmal die Koordinaten dokumentiert werden.
Skizze der Hand von Prêles (Graphik: Rommy Ueckermann [CC BY SA 4.0] via Wikimedia Commons) |
Der Erlös geht an die Ukraine-Hilfe.
Wir versteigern die Kelten zugunsten der Ukraine! Mehr Infos auf unserer Homepage. https://t.co/lENT58Zzfg oder https://t.co/gYq0EFyC5i oder auf Facebook. #UkraineHelp #Kelten #Versteigerung pic.twitter.com/NqYQTrlRjY
— ArchLandesmuseumBW (@ALMkonstanz) March 18, 2022
Im Unterschied zu den üblichen archäologischen Sammlerstücken, die in der Regel eher Kulturzerstörung symbolisieren, kann der künftige Besitzer (oder vielleicht auch Besitzerin!) hier durchaus stolz sein und darf gern damit angeben.
2015 wurde als Reaktion auf die zahlreichen Krisen vor allem im Nahen Osten und in der Sahelzone ALIPH (Alliance internationale pour la protection du patrimoine dans les zones en conflict) gegründet.
"ALIPH finanziert konkrete Projekte vor Ort, Hand in Hand mit lokalen Partnern, Behörden und Gemeinden. Oberstes Ziel ist, dass der Schutz des kulturellen Erbes zu Frieden und nachhaltiger Entwicklung beiträgt ."
"Während sich die Situation rasant entwickelt und die Kämpfe sich verschärfen, unterstützt ALIPH bereits ein Dutzend Museen und deren Sammlungen, unter anderem durch die Finanzierung von Inventaren, den Kauf von Schutzausrüstung oder die Verstärkung der Lagersicherheit, und wird dies auch weiterhin tun."
Nach einer Meldung auf Telegram, verifiziert in der Russia-Ukraine Monitor Map, wurde das Altertumsmuseum in Chernihiv zerstört:
Russische Orks zerstörten das Museum der Altertümer in Tschernihiw - ein historisches Denkmal des 19. Jahrhunderts. Das Tschernihiw-Museum wurde 1902 mit Artefakten aus der Sammlung des Mäzens Vasyl Tarnovsky aufgefüllt. Dies sind Haushaltsgegenstände, Funde aus der primitiven Gesellschaft und der Kiewer Rus.
Die Situation in Google StrretView an einem sonnigen, friedlichem Tag:
Google Maps und die dortigen Rezensionen beschreiben das Gebäude jedoch als "Biblioteka Dlya Molodi" - das besagte angeblich zerstörte Museum befindet sich laut GoogleMaps jedoch näher am Stadtzentrum, etwa 1,8 km südwestlich.
Ob das tatsächliche Museumsgebäude inzwischen zerstört ist, lässt sich nicht sagen. Die Russia-Ukraine Monitor Map, deren Verifikation sich nur auf die Geolokalisation, aber offensichtlich nicht auf die Nutzung der Gebäude bezieht, zeigt dort jedenalls noch keine Einträge. Aus Chernihiv wurde bereits die Zerstörung eines Archivs gemeldet (https://archaeologik.blogspot.com/2022/03/propagandakrieg-im-kleinen-die.html), was aber unter dieser Adresse online nicht zu belegen ist
Egal übrigens, ob Museum oder Bibliothek, diese Zerstörungen und Morde sind ein Verbrechen.
Die Bilder auf Google zeigen eine bunte heimatgeschichtliche Ausstellung, darunter aber auch archäologische Funde.
Sicherung des digitalen Kulturerbes der Ukraine
Im Archiv sind auch archäologische Publikationen und Datenbanken, z.T. zur Krim enthalten. Bisher scheint es aber kein Repositorium für 3D-Daten oder einfach Fotos aus Museen zu geben, die künftig helfen könnten, sollte es zu Museumszerstörungen und -plünderungen kommen.
In Chernihiv, ca 120 km nordnordöstlich von Kyiv ging am 25.2.2022 nach einem russischen Angriff das ehemalige Gerichtsgebäude und zwischenzeitlicher Regierungssitz der Sowjetrepublik der Ukraine in Flammen auf.
Das ehemalige Bezirksgericht und SBU-Archiv in Chernihiv 2018 (Foto: Stern61 [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons) |
Auf Russia-Ukraine Monitor Map ist der Angriff verzeichnet und auf ein Video auf Twitter verlinkt, das den Brand des Gebäudes zeigt.
Chernihiv security department is on fire: two shells from the Russian army hit it. it's a two-hour drive from Kyiv.
— katerina sergatskova (@KSergatskova) February 25, 2022
Video: @zaborona_media pic.twitter.com/sDcelQsp65
Das Gebäude wurde nach Angaben in den Social Madia zuletzt auch für das SBU-Archiv (Галузевий державний архів Служби безпеки України) genutzt. Hier sollen Unterlagen des KGB aufbewahrt worden sein, die unter anderem auch eine wichtige Quelle für die NS-Verbrechen in der Region, aber auch die sowjetischen Repressalien darstellen. Archivalien sollen demnach allenfalls für einzelne Forschungsprojekte digitalisiert worden, größtenteils aber nicht gescannt gewesen sein.
Ein Foto bei Instagram zeigt das völlig ausgebrannte Gebäude. Ein Video bei facebook zeigt den Brand in einem frühen Stadium.
Eine Website zum Archiv in Chernihiv konnte ich nicht ausfindig machen, sondern nur Angaben zum Archiv in Kyiv. Unter der Adresse verzeichnet Google Maps nur allgemein die Abteilung des Sicherheitsdienstes der Ukraine im Oblast Chernihiv.
In den Social Media findet sich viele Spekulationen darüber, ob das Archiv nicht gezielt angegriffen worden sei. Es wird über einen Angriff aus einem Auto heraus spekuliert und teilweise auch geleugnet, dass - was durchaus naheliegend und plausibel ist - der Brand Folge eines russischen Angriffs gewesen sei. Es zeigt sich hier im Kleinen ein Propagandakrieg, der deutlich macht, wie sehr gerade eine Putin-treue Rechte versucht, nicht nur Präsident Selenskyj, sondern auch den westlichen Demokratien Nazi-Traditionen und Verbindungen unterzuschieben. Dreist wird etwa behauptet, nur "das nazistische Kiewer Regime" könne Interesse daran haben, Naziverbrechen zu vertuschen.
Die Informationen, die sich auch den Social-Media gewinnen lassen, bestätigen ein Feuer in dem Gebäude, lassen aber mit dem Anspruch beweiskräftiger Aussagen aktuell keine eindeutige Bewertung zu, da sich insbesondere die Zerstörung von Archivgut bzw. überhaupt die Existenz eines Archivs für mich nicht anhand anderer Quellen verifizieren lässt.
Nach der Invasion der Ukraine und in Reaktion auf den immer wüster werdenden und unentschuldbaren Krieg Putins vor allem auch gegen Zivilisten hat der Westen mit Sanktionen und Boykotten reagiert. Das betrifft auch die gemeinsame deutsch-russische Forschung, insbesondere was technische Entwicklungen wie z.B. die Raumfahrt angeht.
Aber auch für die Geisteswissenschaften und für die Archäologie stellt sich die Frage, wie die Beziehungen zu Russland künftig aussehen sollen.
Das betrifft grosse Forschungseinrichtungen, Universitäten, aber auch eher kleine Vereinigungen wie die RURALIA – European Association of Medieval and Post-Medieval Rural Archaeology:
Persönliche Kontakte sollen nicht abgebrochen werden, wohl aber demonstrativ die Kooperation mit staatlichen russischen Organisationen. Es ist der Wiedergewinnung eines,Friedens sicher nicht zuträglich, wenn alle Kontakte abgebrochen und alle russischen Bürger für die Verbrechen ihres sog. Präsidenten abgestraft werden. Für Putins,Krieg stellt die durch Propaganda geschaffene alternative Wahrheit eine wichtige Grundlage dar, der nur durch persönliche Kontakte entgegen zu wirken ist. Die freiwillige Beschränkung der Kontakte hilft Putin nur die Meinungsfreiheit weiter zu kontrollieren und seine Kriegslügen aufrecht zu erhalten. So verständlich also die Forderung des ukrainischen Archäologenverbands ist, alle Kontakte abzubrechen, so wenig hilft sie der Ukraine.
"Die Allianz sieht in der russischen Invasion einen Angriff auf elementare Werte der Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung, auf denen Wissenschaftsfreiheit und wissenschaftliche Kooperationsmöglichkeiten basieren."
Es geht ihr aber nicht nur um eine Solidarität mit den ukrainischen Partner, sondern auch um Konsequenzen für die Kooperation mit Russland:
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt wird jedoch empfohlen, dass wissenschaftliche Kooperationen mit staatlichen Institutionen und Wirtschaftsunternehmen in Russland mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres eingefroren werden, dass deutsche Forschungsgelder Russland nicht mehr zu Gute kommen und dass keine gemeinsamen wissenschaftlichen und forschungspolitischen Veranstaltungen stattfinden. Neue Kooperationsprojekte sollten aktuell nicht initiiert werden.
"We note that the self-justification that President Putin presented for the invasion specifically includes claims about the Ukrainian past which we as archaeologists who study the past identify as false and historically untrue. We abhor the use of such claims about the past to justify any action that violates basic human rights, international law, and the sovereign independence of nations. WAC, therefore, stands in solidarity with all those who protest this aggression."
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) setzt mit sofortiger Wirkung alle von ihr geförderten Forschungsprojekte zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und Russland aus. Zugleich werden Förderanträge für neue deutsch-russische Kooperationen und Fortsetzungsanträge für laufende Projekte bis auf Weiteres nicht angenommen. Mit diesen Maßnahmen flankiert die DFG das konsequente Vorgehen der Bundesregierung im Hinblick auf die russische Aggression. Dabei ist sie sich zugleich der einschneidenden Auswirkungen dieser Maßnahmen bewusst und bedauert diese für die Wissenschaft zutiefst.
Current protection and evacuation of cultural property and collection at Ukraine national museum. pic.twitter.com/uRC5ksUigt
— Tim (@TimLeBerre) March 5, 2022
Auf Geheimdienstinformationen beruft sich OE24 bei einem Bericht, wonach die Russische Armee plane, die Sophienkathedrale in Kyiv anzugreifen - eines der Monumente auf der Welterbeliste.
Sophienkirche in Kyiv, 2017 (Foto: Joergsen [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons) |
Am 1.3. wurde der Fernsehturm in Kyiv beschossen, wobei auch das benachbarte Holocaust-Memorial verwüstet wurde. In der Schlucht Babyn Jar wurden Ende Selptember 1941 von deutschem Militär rund 33.000 Juden ermordet. Angesichts Putins Ziel einer "Entnazifizierung" der Ukraine ist dieser Kollateralschaden (?) sehr entlarvend.
To the world: what is the point of saying «never again» for 80 years, if the world stays silent when a bomb drops on the same site of Babyn Yar? At least 5 killed. History repeating…
— Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) March 1, 2022
Das auf das frühe 19. Jahrhundert zurück gehende Museum hat wesentliche Teile seiner Altbestände bei Plünderungen während der Revolution 1917-20 und während der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg verloren.
Das Museumsgebäude im Norden der Stadt, 2014 (Foto: Denis vitchenko [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons) |
Das Museum liegt in der Nähe des Stadtzentrums. Noch sehr viel eher sind bislang das Umfeld des Kunstmuseums und des Historischen Museums im Zielgebiet russischer Geschosse. Bei beiden sind Gebäude in den benachbarten Blöcken zerstört worden.
Russia-Ukraine Monitor Map dokumentiert einige lokalisierbare Bilder und Videos aus den sozialen Medien und zeigt den den intensiven Beschuß von Kharkiv.
#Харьков Деревянко обстрел РСЗО pic.twitter.com/lVmmIVVALR
— Иван Щелепов (@poppoppopkt) February 28, 2022
Das Museum scheint nicht allein durch die russischen Angriffe gefährdet, sondern auch durch Putins Idee einer "nazistischen" Durchdringung der Ukraine, die er am westlichen Einfluß festmacht und dabei Demokratie und Faschismus vertauscht. Aktuell wäre im Historischen Museum eine Ausstellung "Mit der Ukraine im Herzen. Ritter des Maidan", das sich den Ereignissen von 2013/2014 widmet. Damals hatte sich die russland-freundliche Regierung geweigert, eine lange geplante EU-Assoziierung zu unterschreiben, was zu Massenprotestengeführt hatte. Die gewaltsame Niederschlagung der Proteste scheiterte und führte zum Sturz der Regierung. Russland reagierte mit der Krim-Okkupation und den Aufständen in der Ost-Ukraine. Es geht in der erst Mitte Februar eröffneten Ausstellung also unmittelbar um die Vorgeschichte der russischen Agression.
Kyiv, 19.2.2014: Versuch der Räumung des Maidan-Platzen durch Polizeieinheiten (Foto: Amakuha [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons) |