Es ist großartig, dass in den letzten Jahren viele archäologische Museen Teile ihrer Sammlungen online gestellt haben, wenn auch meist kleine Teile und fast nie Archäologie des Mittelalters.
Diese digitale Präsentation von Museen und Sammlungen hat gute Chancen sich zu einem zentralen Element archäologischer Wissenschaftskommunikation zu entwickeln. Insofern sollte man sich die bisherigen Projekte in Bezug auf ihre Technik, aber auch im Hinblick auf ihre Bedeutung in der Wissenschaftskommunikation künftig genauer ansehen. Hier können nur einige Eindrücke wiedergegeben werden, da ich bei der aktuellen Entwicklung auch ein großes Risiko sehe, dass die Museen mit ihrer digitalen Vermittlung ein falsches Bild der Archäologie zementieren.
Viele deutsche Museen nutzen die Plattform museum-digital, ein Projekt von Museen zur gemeinsamen
digitalen Publikation und zunehmend auch zur Inventarisierung von Museumsdaten. Mittlerweile sind über 600.000 Objekte aus deutschen Museen so auf museum-digital erschlossen, das indes oft nur eines von mehreren Portal darstellt, in das lokale Daten einfliesen.
Museum-digital steht auch kleinen Museen offen, die damit in manchen Fällen sehr viel besser als manch großes Museum ihre Bestände darstellen können. Aus archäologischer Sicht seien nur einige Museen exemplarisch genannt:
- Terra Sigillata-Museum in Rheinzabern
- das Museum im Hirsch in Remshalden-Buoch mit wenigen, aber wichtigen Funden einer mittelalterlichen Töpferei
- Das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz
- Das Rheinische Landesmuseum in Trier
- Archäologische Hegau-Museum in Singen
- Städt. Hellweg-Museum Geseke
Das
Badische Landesmuseum ist auf museum-digital mit 6 Objekten eher
symbolisch vertreten, unterhält aber einen eigenen, umfangreichen digitalen Katalog, der auch die Archäologie gut abbildet (mal wieder ohne Archäologie des Mittelalters). Ebenso unterhält das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart eine eigene Online-Sammlung, ist aber auch auf museum-digital und anderen Plattformen präsent. Das
Niedersächsische Landesmuseum Hannover hat auf seiner Website eine
eigene digitale Sammlung, die unter anderem 3200 archäologische Objekte
umfasst: https://kulturerbe.niedersachsen.de/sammlung/slg0018/ Es ist nicht über museum-digital durchsuchbar und in der Nutzerfreundlichkeit etwas eingeschränkt.
Einige der großen Museen tun sich bisher eher schwer, ihre Bestände digital zu erschließen. Die Archäologische Staatssammlung München verwendet bavarikon, das sinnvolles Arbeten mit den Beständen erfolgreich erschwert, da Bilder trotz angeblichen Open Access (mit CC BY NC ND-Lizenz) nicht weiter genutzt werden können, denn Downloadmöglichkeiten werden offenbar bewusst unterdrückt. Das wirkt nicht sehr vertrauensbildend.
Au, Aquamanile (Archäologische Staatssammlung München (CC BY-NC-ND 4.0) via https://bavarikon.de/object/bav:ASM-OBJ-0000000000002966) |
Die Abbildungen haben prinzipiell eine brauchbare Auflösung (was nicht viel hilft, wenn die erlaubte Nachnutzung auf Screenshots angewiesen ist), aber es fehlt ein Maßstab. Bemerkenswert ist, dass die ASM auch historische Grabungsfotos eingestellt hat. Bislang habe ich aber keine Querbezüge zwischen Funden und Befunden erkennen können. Generell gilt, dass die Objekte in bavarikon schwer zu überblicken und zu sortieren sind. Bayern ist stolz auf Digitalisierung und High-Tech - überzeugt so aber leider kein bischen. Auf museum-digital ist Bayern denn auch deutlich unterrepräsentiert.
Frühere archäologische Grabungspublikationen haben beispielsweise bei Keramikfunden nur Zeichnungen oder bestenfalls s/w-Fotos geboten. Für Forschung und Lehre wäre es aber oft wünschenswert, die Objekte in Farbaufnahmen zu sehen. Die bisherigen Bildpräsentationen bewegen sich zwischen zwei Extremen:
einerseits wenig professionelle
Fotos, insbesondere bei kleineren Museen, die auf
ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen sind,
andererseits professionelle "schöne" Fotos, häufiger bei renommierten Museen.
Erstere sind oft schlecht in der Vitrine oder auf fleckigem Hintergrund geknipst und häufig nicht besonders gut ausgeleuchtet. Letztere sind zwar schöner, aber letztlich auch nicht besser, denn sie ordnen leider meist die Nutzbarkeit einer vermeintlich besseren Ästhetik unter, denn beiden gemeinsam ist zumeist der Verzicht auf einen Maßstabsbalken.
Vielfach ist das besser als nichts, denn in den wissenschaftlichen Publikationen gibt es oft nur Zeichnungen oder bestenfalls Schwarz-Weiß-Fotos.
Konkrete, aus der Literatur bekannte Objekte zu identifizieren, ist indes fast nicht möglich, da selten genaue Kontextangaben zur Fundstelle gegeben werden, Bestenfalls erfährt man den Fundort, aber selten die Fundstelle oder gar den Befund aus dem das Objekt stammt. Auch konkrete Literaturreferenzen sind nur selten zu finden.
Oft lässt die Qualität der Daten-Einträge zu wünschen übrig, so dass auch die Suche unvollständige und falsche Treffer liefert. Typisches spätmittelalterliches Steinzeug kann da auch mal als frühmittelalterlich ausgewiesen sein.
Die Spärlichkeit der Angaben sei an wenigen Beispielen illustriert.
Herausgegriffen sei ein bauchiger Krug mit Ausguss und Henkel aus dem Landesmuseum Württemberg: https://www.landesmuseum-stuttgart.de/sammlung/sammlung-online/dk-details?dk_object_id=39947 .
Hier gibt es keinerlei brauchbaren Angaben zum Fundort oder auch nur einer Provenienz. sondern im Feld "gefunden" nur die Angabe "Vorderasien" (vergl. Objektblatt). Insofern ist wohl auch der Punkt in der digitalen Karte rein willkürlich in Kuwait gesetzt. Das Schlagwort "Landesgewerbemuseum" ist das einzige Provenienz-Indiz. Man weiß es nicht. Wichtig erscheint dem Museum hingegen die Information, dass die Erfassung dieses Objekts durch die Deutsche Digitale Bibliothek im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Programms NEUSTART KULTUR ermöglicht wurde. Wo aktuell die Provenienzforschung eine so wichtige Rolle spielt, ist es doch verwunderlich, dass das Thema einfach übergangen wird. Schon eine grobe Schätzung, wann das Objekt inventarisiert wurde, würde signalisieren, dass man die Thematik nicht einfach zu ignorieren versucht - oder eben eine Angabe zur Provenienz wie "bei der Inventarisierung nicht augewiesen" oder einfach "Klärungsbedarf".
Reduzierung aufs Objekt
Fazit
Die Wissenschaft - die diese Daten tatsächlich dringend braucht - scheint hier jedenfalls oft
nicht im Blickfeld zu stehen, sonst würde man sich mehr Mühe mit den
bereit gestellten Informationen und einer guten Dokumentation geben. Das
wäre oft Routine und nicht unbedingt ein großer Mehraufwand. Man müsste
einen Maßstab aufs Foto bringen und konsequent dafür sorgen, dass die
Fundortangaben auch aus den originalen Inventarbüchern übernommen werden, damit 1.) eine Identifikation der Objekte mit
Grabungspublikationen und -dokumentationen möglich ist, 2.) auch der
"Laienforscher" oder Interessierte eine Vorstellung bekommt, wo genau
die Funde gemacht worden sind, denn oft ist es ja ein wichtiger,
Interesse weckender Anknüpfungspunkt, die Funde aus der eigenen
Nachbarschaft im Museum wiederzufinden. und 3.) die Provenienzforschung kein Lippenbekenntnis bleibt.
Auch bei tollen Museums-Objekten ist es erst der Kontext der ihnen eine historische Bedeutung verleiht. Die Archäologie ist unglaubwürdig, wenn sie Sondengängern - zu Recht - vorhält, sie würden Kontexte vernichten, diese aber letztlich in einem so großen Schaufenster wie den digitalen Sammlungen dann selbst einfach weglässt.
Es spricht nichts dagegen, erst mal klein zu beginnen und die Datensätze später zu ergänzen, so dass manche Informationen künftig vielleicht noch folgen. Gut wäre es aber, wenn hier transparent wäre, wo Lücken pragmatisch begründet sind.
- CC-Lizenzen für eine einfach Nachnutzung, notfalls non-commercial
- Bilddokumentation mit Maßstab (und Farbwertkarte)
- Fundortangaben
mit einer gewissen Prominenz angeben - je genauer, desto besser.
- Stellungnahme zur Provenienz
- OpenAccess bedeutet auch, dass die Daten tatsächlich zugänglich sind und nicht Download-Sperren das ganze ad absurdum führen
- PERmalinks/Langzeitarchivierung
- SOcial Media/Sharing
- Nachnutzung
- Annotion/Feedback
- VIewer (Auflösung, Metadaten)
- NOrmdaten
Sie sind hier - PERSONAVINO – Grundregeln für digitale Projekte. Archivalia (12.4.2019). - https://archivalia.hypotheses.org/98939 - erläutert.
Die Qualitätskriterien von museum-digital finden sich unter PuQi – Verführung zu Qualität. museum-digital: blog (22.1.2021), die Ähnliches widerspiegeln. Die Kriterien sind letztlich für die einzelnen Museen nicht verbindlich, fließen aber in eine interne Bewertung ein, die zu Qualität verführen soll. Hier nur eine Beobachtung: Angaben zur Provenienz sind leider kein Kriterium. Diese sind angesichts von NS-Raubkunst und Kolonialismus nicht Archäologie-spezifisch, sondern betreffen viele museale Sammlungen.
Fundkontexte hingegen sind mit konkreten Grabungsbefunden und Auffindungssituationen (was bei Altfunden auch nicht gegeben ist) in museum-digital durchaus hinterlegbar. Da Grabungsdaten aktuell kaum strukturiert digital und open access vorliegen und da die Berichte der zahlreichen Notgrabungen selten überhaupt publiziert werden (und damit der Wissenschaft auch nicht zur Verfügung stehen), besteht hier noch ein zentrales Handlungsfeld, das entscheidend sein wird, ob die Digitalisierung für die Archäologie tatsächlich klappt und Forschungspotentiale erschließt - oder uns konzeptionell nicht anderthalb Jahrhunderte in die Zeit bloßen Fundsammelns zurück wirft.
Hoffentlich stellt sich NFDI4Objects dieser Herausfordrrung.