Montag, 31. Oktober 2016

Wirtschaftliche Ressourcen und soziales Kapital. Gründung und Unterhalt der Kaiserstadt Iustiniana Prima

Soeben erschienen:


R. Schreg, J. Birk, S. Fiedler, H. Kroll, N. Marković, A.E. Reuter, C. Röhl, M. Steinborn: Wirtschaftliche Ressourcen und soziales Kapital. Gründung und Unterhalt der Kaiserstadt Iustiniana Prima.
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 29,2016, 9-20


open Access unter: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/mitt-dgamn/article/view/33655/27356 (sowie academia.edu)


Die neue Publikation geht auf einen Vortrag zurück, der bei der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit zurück, die vom 15. bis 17. Juni 2015 in Erfurt stattfand. Er war dabei konzipiert als eine einführende Fallstudie, die konkret an einem Beispiel darstellen sollte, wie der Ressourcenbegriff gefasst werden kann und wie interdisziplinäre Forschungen zum Verständnis von Ressourcen als ein Faktor gesellschaftlicher Wandlungsprozesse beitragen können.
Caričin Grad / Iustiniana Prima von Osten. Im Tal im Vordergrund bestand ein großer Stausee.
(Foto: R. Schreg, 2013)
Die laufenden Forschungen in Caričin Grad bieten dazu ein gutes Beispiel, spielt bei ihnen doch die Frage nach der Rolle der Ressource eine entscheidende Rolle. Sie versuchen, die relativ kurze Existenz der im 6. Jahrhundert gegründeten und nur wenige Generationen bestehenden Stadt in Südserbien aus umwelt- und sozial-historischer Perspektive zu betrachten. Dabei spielen Fragen nach den wirtschaftlichen Ressourcen wie auch nach dem sozialen Kapital der beteiligten Personengruppen eine wesentliche Rolle. Das Beispiel Caricin Grad wird genutzt, um auch einige Aspekte des Themas Ressourcen zu skizzieren, die weit über dessen wirtschaftliche Aspekte hinaus reichen.
Das Beispiel führt in das Arbeitsfeld der Stadtarchäologie, das in der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit große Bedeutung hat. Die Forschungsfragen gelten dabei insbesondere der Stadtgründung oder -genese, so dass das zentrale Interesse meist der Planung und der Entwicklung der Stadt gilt. Eine explizit umwelt-und sozialhistorische Perspektive, welche die materiellen Grundlagen der Stadt und die Bedürfnisse ihrer Bewohner in den Mittelpunkt stellt, wird hingegen weit seltener verfolgt.  Das Fallbeispiel zeigt dazu eine methodische Perspektive auf.

Sonntag, 30. Oktober 2016

Berechtigte Bedenken an der Stichtagsregelung des neuen Kulturgutschutzgesetzes? Gefälschte Provenienzen bei einer Münchner Auktion?

Ein Münchner Auktionshaus bietet in seinem Auktionskatalog zwei römische Statuen an, angeblich aus einer Privatsammlung, in der sie sich seit 1985 befinden sollen. Die eine der beiden Statuen scheint aber identisch mit einer, die 2007 noch unrestauriert in einem bulgarischen Zeitungsbericht im Kontext von Raubgrabungen abgebildet war, die andere wurde einem Informanten erst 2015 in grabungsfrischem Zustand angeboten. 
Darüber berichtete die Sendung plusminus:
Leider gibt der Beitrag von PlusMinus nicht genauer an, wann genau der bulgarische Zeitungsartikel erschienen ist. Es wäre durchaus wichtig zu wissen, ob hier nicht schon ein erster beweisbarer Fall vorliegt, in dem klar gefälschte Provenienzen die Stichtagsregelung  (26. April 2007) des neuen Kulturgutschutzgesetzes ausnutzen und ad absudum führen.
Übrigens: Monika Grütters, befragt zu der Wirkung des neuen Gesetzes klingt mit ihrer Aussage ("Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und auch, wenn man mal den UNESCO-Weltmaßstab sieht, haben wir immer noch ein großzügiges Gesetz.") eher entschuldigend und selbst nicht besonders überzeugt von dessen Wirksamkeit.

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Montag, 24. Oktober 2016

Donald Trump macht deutlich: Kulturwissenschaften nötiger denn je

Populistische 'Lösungen', wie von
Donald Trump propagiert, zeigen den Mangel an
kulturwissenschaftlicher Bildung auf, sagt die ASA
(Foto: Michael Vadon [CC BY SA 4.0]
via Wikimedia Commons)
Die American Anthropological Society hält angesichts von Donald Trumps Benehmen und populistischen 'Lösungen' kulturwissenschaftliche Bildung für nötiger denn je:
The divisive solutions to multi-facetted problems like immigration and terrorism (which should not be exclusively linked) put forth by Mr. Trump display a disturbing lack of humanistic knowledge and reasoning that is very obtainable within the field of anthropology.


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Samstag, 22. Oktober 2016

Wo bleiben die Mahner aus der Kultur?

Martin Roth, von 2011 bis 2016 Direktor des Victoria and Albert Museums in London fordert mehr Engagement der deutschen Kulturinstitutionen, der Museen, Theatern und anderen Kulturinstitutionen gegen den zunehmenden Nationalismus und den xenophobischen Hass. "Nationalmuseen, Nationaltheater, Opernhäuser sind nicht unpolitisch. Wer dies glaubt, überlässt die Häuser ungeschützt dem politischen Einfluss."
"In Dresden, das vor 70 Jahren aussah wie Aleppo heute, werden Sprengsätze gezündet, und Menschen klatschen Beifall vor brennenden Flüchtlingsheimen. Wir sind heute in unserer behaglichen Kulturnation offenbar wieder umgeben von Brandstiftern. Und was tut die Kultur? Sie schaut zu."

Dienstag, 18. Oktober 2016

Eine globale Allianz von Mafia und Terror

Die italienische Zeitung La Stampa berichtet über Waffenlieferungen der Mafia an Daesh in Libyen. Demnach kommen die Waffen aus Russland, der Ukraine und Moldawien, wo in Folge der Ukraine-Krise leicht Waffen aufgekauft werden können. Die süditalienische Mafia, die Ndrangetha liefert sie im Tausch gegen Antiken an Daesh in Libyen. Der Transport erfolgt mit chinesischen Frachtern. Archäologische Funde aus Libyen werden an Sammler in Russland, China, Japan und am Persischen Golf verkauft.  Ein wichtiger Umschlagplatz scheint die süditalienische Hafenstadt Gioia Tauro zu sein.

Einem Reporter, der sich als Kunstinteressent ausgegeben hat, sind römische und griechische Statuen für 60.000 bzw. 800.000€ angeboten worden.






Die Route über Libyen ist der Mafia längst vom Drogenhandel bekannt.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/05/27/drogenhandel-italienische-mafia-arbeitet-mit-is-zusammen/
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Montag, 17. Oktober 2016

Weiterhin aktuell: Kulturgüterschutz in Ägypten

Jutta Zerres

Bis etwa vor einem Jahr gab es noch viele Pressemeldungen über Raubgrabungen, Zerstörungen an Fundstätten und Rückgaben gestohlener Artefakte. „Archaeologik“ veröffentlichte fast monatlich Auflistungen. Das hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert. Berichte rund um die Thematik des Kulturgüterschutzes im Land am Nil sind kaum noch zu finden und dieses ist sicher nicht darauf zurückzuführen, dass es weniger Raubgrabungen gäbe oder die Zerstörungen durch illegale Bautätigkeiten und Landwirtschaft gestoppt worden wären. Vielmehr scheint es so, als ob das öffentliche Interesse im Schatten der Vorgänge in Syrien geschwunden sei. 
Das Weiße Kloster von Sohag
(Foto: Roland Unger [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)
Auch dürfte Ägypten kaum Interesse an schlechten Nachrichten über Raubgrabungen haben, sondern eher an solchen, die das Kulturerbe, die staatliche Fürsorge und die Präsentation herausstreichen und den  darniederliegenden Tourismus wieder ankurbeln. In diesen Zusammenhang gehören sicher auch die Berichte über die Untersuchungen im Grab des Tutanchamun nach geheimen Kammern, die wieder einen anderen Blick auf das Kulturerbe bringen sollten.

Dass es derzeit viele Nachrichten über Rückgabe ägyptischer Altertümer gibt, kommt da wohl gelegen.

Ägypten erhielt fünf archäologische Objekte aus den USA zurück, die in den Unruhen von 2011 gestohlen worden waren:

Ein französischer Staatsbürger ägyptischer Herkunft übergab seinem Heimatland eine Mumienmaske, die seiner Familie geschenkt worden war.


In Sohag verhaftete die Polizei drei Männer, die im Besitz von fünfzehn Artefakten waren:

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Freitag, 7. Oktober 2016

Raubgräber auf der Hiltenburg

Hiltenburg bei Bad Ditzenbach, Luftbild Juli 2009
(Foto: R. Schreg [CC BY SA 4.0] auf WikimediaCommons)


 
Ausgehend von umfangreichen Sicherungsarbeiten war die Hiltenburg in den vergangenen Jahren  Schauplatz archäologischer Ausgrabungen durch die Kreisarchäologie Göppingen. Trotz der großen Zahl mittelalterlicher Burgen und trotz ihrer Bedeutung für das klischeebeladene Mittelalterbild gibt es nur erstaunlich wenige professionelle Ausgrabungen. Von den zahlreichen Burgen am Trauf und im Vorland der Schwäbischen Alb, darunter prominente Anlagen wie der Hohenstaufen oder der Hohenzollern liegen so gut wie keine Ausgrabungen vor. Die Grabungsfunde geben somit wichtieg Einblicke auf die Ausstattung einer Burg, das Leben dort, wie auch ihrer Entwicklung. Die archäologischen Untersuchungen haben daher eine Bedeutung, die über die Ortsgeschichte hinaus geht.
Um so ärgerlicher ist es, dass nun Sondengänger die Burganlage heimgesucht haben und an mindestens zwei bisher wohl noch unberührten Stellen ihre Löcher hinterlassen.  Was sie entwendet haben ist natürlich nicht bekannt, aber das Risiko, dass sie - gerade bei der Grabungsaktion im Keller Funde entwendet oder Fundschichten gestört haben, die Aufschluss über dessen Funktion und Baugeschichte hätten geben können, ist recht groß. Ein weiteres Raubgrabungsloch liegt im Hang der Burg. In solchen Bereichen liegen oft die Abfallhalden der Burg, oft aber auch Funde der früheren Bauphasen, die man bei Baumaßnahmen mit Dreck und Schutt einfach am Hang entsorgt hat, gegebenenfalls aber auch die Spuren von Kämpfen um die Burg. Selbst wenn größere Fundmengen vorliegen sollten (es ist nicht wahr, dass Funde, die es in großer Stückzahl gibt, für die Archäologie keinen relevanten Erkenntniswert haben - sie sind in ihrem Kontext und in statistischen Auswertungen vielmehr grundlegend): erst das Gesamtspektrum lässt weitergehende Aussagen über Datierungen oder Kampfhandlungen zu. Raubgräber reißen hier Löcher in unser Wissen.

Ich arbeite derzeit selbst an einem kleinen Aufsatz, in dem auch die Hiltenburg, insbesondere die vorgeschichtliche Besiedlung dort eine Rolle spielt. Mit den wenigen vorliegenden Funden ist jeder Hinweis auf die Datierungsspanne und die Tätigkeiten auf dieser Höhensiedlung von Bedeutung. Gut möglich, dass die Raubgräber einen Teil der Antwort haben mitgehen lassen oder gleich ganz zerstört haben.
Abgesehen davon: In Bad Ditzenbach wurden die Ausgrabungen und Sanierungsarbeiten mit öffentlichen Mitteln und durch das Engagement  eines Förderverein unterstützt. Die Raubgrabungen, insbesondere die im Keller, sind so auch eine Sachbeschädigung.
Gerade derzeit läuft (noch bis zum 16.10.2016) eine Ausstellung, die die Geschichte und Grabungsergebnisse im Hinblick auf die Zerstörung der Burg vor 500 Jahren präsentiert. Bei einer Anlage, die regional so im Bewusstsein steht, sind die Raubgrabungen eine vorsätzliche Tat, für die es keine Ausreden durch angebliches Geschichtsinteresse gibt. Für die Kollegen ist es gewiß keine Motivation, ihre Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn anschließend Raubgräber über die Denkmäler herfallen. Es wurde Anzeige erstattet.

Links


Literatur

  • R. Rademacher, Eine neu entdeckte Höhensiedlung der Urnenfelderzeit auf dem Schloßberg bei Bad Ditzenbach, Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 15, 2005, 207–2011
  • R. Rademacher, Archäologische Beobachtungen während der Sanierung der Ruine Hiltenburg bei Bad Ditzenbach, Kreis Göppingen, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2006, 258–261
  • R. Rademacher, "Ein schön, herrlich, gut Sloß" - Neues von der Ruine Hiltenburg bei Bad Ditzenbach, Kreis Göppingen, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2007, 230–233
  • R. Rademacher, Zum Fortgang der archäologischen Untersuchungen "in castro Hiltiburk" bei Bad Ditzenbach, Kreis Göppingen, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2008, 287–290
  • R. Rademacher, Ein "Freudenschuss" und seine Folgen : weitere Untersuchungen "Uff Hilttenpurk", Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2009, 291–295
  • R. Rademacher, Zum vorläufigen Abschluss der Untersuchungen an der Hiltenburg: Bad Ditzenbach, Kreis Göppingen, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2010, 291–293
  • R. Rademacher – M. Weidenbacher, "Mit Seil und Haken …" - neue archäologische Beobachtungen zur Befestigung der Hiltenburg : Bad Ditzenbach, Kreis Göppingen, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2012, 323–326
  • R. Rademacher – M. Weidenbacher, "Alte Zistern uff Hilttenpurg" : spannende Entdeckungen auf dem Schlossberg bei Bad Ditzenbach, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2014, 351–354
  • R. Rademacher, Die Ausgrabungen 2009 bis 2012 auf dem Schlossberg bei Bad Ditzenbach, Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 18, 2014, 301–309
  • M. Weidenbacher, Weit mehr als 1000 Jahre Hiltenburg: zur Besiedlungsgeschichte des Schlossbergs bei Bad Ditzenbach, Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 18, 2014, 293–300

     

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Staatsaffäre Kunsthandel

sehr lehrreich:
  • Staatsaffäre Kunsthandel. Dokumentarfilm - 87 Min. ARTE 2014
    derzeit noch bis 5.11.2016 in der Mediathek -
    http://shr.gs/SvbhGcj
via DGUF-Newsletter v. 5.10.2016

Mittwoch, 5. Oktober 2016

"Unpolitischer Denkmalschutz reicht für den Westwall nicht"

"Ein Täter-Ort – zum Ehrenmal umgewidmet
Die zu verehrenden Helden posieren auf Fotos, in Wehrmachts-Uniform. Eine zeitgenössische Karte zeigt ihre Feldzüge. Die Jugend-Feuerwehr gab sich Mühe mit dem Raum. Kommentarlos wird der Täter-Ort bis heute zum Ehrenmal umgewidmet – wie die Wehrmachts-Veteranen es der Feuerwehr auftrugen. Dabei ist sie kein Hort rechter Fanatiker und Waffennarren. Die fleißigen Ehrenamtlichen haben neben ihren Einsätzen ein Kriegszeugnis freigelegt und konserviert, ohne staatliche Hilfe."
Irritierenderweise war es der Naturschutz, der am Westwall bisher die entscheidende Arbeit geleistet hat. Gut gemeinte Privatinitiativen gleiten mangels Betreuung und Beratung in Geschichtsklitter ab, der gerade derzeit mehr als problematisch ist.
Der Artikel kritisiert vor allem die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, aber wäre das nicht eigentlich auch ein Thema der Denkmalpflege - in Rheinland-Pfalz der GDKE?

Link



Montag, 3. Oktober 2016

Die Ausradierung Aleppos (Kulturgut in Syrien und Irak, September 2016)

Die Hoffnungen auf einen Waffenstillstand in Syrien haben sich zerschlagen, die Bombardierungen in Aleppo sind intensiver denn je. Es ist anzunehmen, dass die syrische Regierung sich einen Dreck um die bisher überlebenden Bewohner schert - im Gegenteil, sie werden allesamt als Terroristen diffamiert. Alle Krankenhäuser im Rebellengebiet Aleppos sind zerstört.
Angesichts dieser Schrecken scheint es auf den ersten Blick zynisch, sich um die Altertümer und Kulturgüter Syriens zu sorgen. Doch ist das auch ein Teil der Hoffnung, die man nicht verlieren darf. Ohne einen Orientierungspunkt in der Vergangenheit, wird es nicht möglich sein, zu einem Frieden und einer Neuformierung der syrischen Gesellschaft zu gelangen.
Darum auch diesen Monat der übliche Rückblick auf die Entwicklung der Situation archäologischer Kulturgüter in Syrien und Irak, wie sie sich in Medienberichten spiegelt.

Vorweg stelle ich aber ein Video der Syria Campaign ein, um den Alltag und die Menschen in Aleppo ins Bild und ins Bewusstein zu bringen.



Eine detaillierte Zusammenstellung der Kriegsereignisse in Syrien mit Quellenangaben bietet die Seite http://syria.liveuamap.com/en

Schadensmeldungen

Verständlicherweise gilt bei den neuen Bombenangriffen das Interesse der Meldungen, die aus der belagerten Stadt nach außen dringen, erst einmal den Menschen und nicht den Denkmälern. Vieles war auch zuvor bereits zerstört. 
 
BBC zeigt Bilder aus dem zerstörten Bazar in Aleppo
Die Zerstörung von Aleppo als "Urbizid"
Bilder der Zitadelle von Aleppo, die  derzeit im Stadtgebiet einen Vorposten des syrischen Regime im umliegenden, noch von Rebellen gehaltenen Gebiet darstellt:


Heritage for Peace Damage Newsletter für Syien:
Berichte der DGAM
      Bericht über eine Inspektionsreise im Irak

       Antikenhandel

      Verkäufe des Daesh und eine Verschärfung der Gesetze in Israel
      Der Irak benötigt nach Aussagen seines Außenministers weiterhin internationale Unterstützung im Kampf gegen Raubgrabungen und Antikenhehlerei, da ein effektiver Schutz der zahlreichen archäologischen Fundstellen vor Ort nicht zu bewerkstelligen ist.
      Ein Bericht in Live Science bringt neue Zahlen zum Umfang des Antikenhandels, erhoben anhand des Imports von Goldmünzen in den Unterlagen des US-Census Bureaus seit 2003. Leider sind die Zahlen nicht besonders übersichtlich präsentiert.
      Es zeigen sich deutlich steigende Importe von Antiken aus der Türkei und Ägypten in die USA nicht zuletzt seit dem arabischen Frühling 2011. Seit 2003 betrug der Zollwert der aus der Türkei in den USA importierten Antiken 283 Mio $. Das sind wohlgemerkt Importe allein aus der Türkei, die für Antiken aus dem Land eigentlich strenge Ausfuhrbestimmungen hat, hinzu kommen Importe aus anderen Staaten. Auch geht es bei den angegebenen Werten um die Zoll-, nicht um die tatsächlich erzielten Marktwerte.

      US-Importe kg Goldmünzen
      aus der Türkei
      pro Jahr
      1989-2002 1,1 0,08
      2003-2010 26 3,25
      2011-Juli 2016 51 9,27

      Die Zahlen - auf den ersten Blick zu niedrig, um den Krieg des Daesh zu finanzieren - sagen nichts über die These "Antikenhandel finanziert Terror" aus. Erstens handelt es sich um Zollwerte, nicht um Markterlöse, zweitens kann nicht abgeschätzt werden, was am Zoll vorbei geht und geschmuggelt oder anders deklariert wird, drittens ist anzunehmen, dass die Mehrzahl der Objekte erst mal in Zolllager geht. Die sollen in den letzten Jahren in den arabischen Staaten boomen. In dem Fall hätte Daesh sein Geld bereits bekommen, von der Hoffnung der Händler kreditiert, das Zeug Jahre später mit geeigneten Provenienzen (für Deutschland nach dem neuen Kulturgutschutzgesetz z.B. vor 2007 aus Syrien exportiert, seitdem in alter Sammlung) dann auch bei Sammlern im Westen und anderswo absetzen zu können. Schaut man sich die Zeiträume an, die es braucht, bis einmal sichergestellte Objekte nach einer Rückgabe wieder auf dem Markt auftauchen (vergl. Dubioses bei Christies), muss man da durchaus mit 10 Jahren Verzögerung rechnen, in denen die Funde in irgendwelchen Zollagern warten. Insofern widerlegen die Zahlen, die auf Daesh-Dokumenten basierte These "Antikenhandel finanziert Terror" eben auch nicht. Die Zahlen zeigen mit ihrer Steigerung vor allem, dass bisherige Maßnahmen wirkungslos sind.
      Desweiteren gibt es Hinweise auf direkte Schiffsladungen, wie beispielsweise 2013 aus dem Irak nach Puerto Rico mit einer Fracht von Antiken im Wert von 3,5 Mio$.  

      Ein Beitrag auf TruthDig wiederholt ältere Schätzungen nach "US National Security officials" über die Gewinne von Daesh, angeblich etwa 150-200 Mio $ pro Jahr. 

      steigende Zahl von Fälschungen auf dem Markt:
       

      Maßnahmen


      Schulungsprogramm
      Evakuierung - hier keine Archäologie, aber auch eine Problematik der Kulturguterhaltung: die Sicherung einer Samenbank aus Aleppo

      Kulturarbeit in Berlin

      Führungen für Flüchtlinge aus Syrien und Irak in Berlin:
      Eine Kulturveranstaltung musste indes nach Drohungen abgesagt werden:

               Restaurierungsarbeiten

              In dem Regime-kontrollierten Homs haben mit Unterstützung der UN - parallel zu den nach dem gescheiterten Waffenstillstand noch verstärkten Bombardierungen in Aleppo -  Aufräum- und Wiederaufbaumaßnahmen begonnen.
              Russisches Engagement bei der Schadenserhebung und Restaurierung:
              Eine russische Expedition - entstandt vom russischen Verteidigungsministerium -  wird im Spätjahr 2016 vor allem die Toten Städte im Nordwesten Syriens inspizieren; konkret genannt werden Jebel Seman 1-3. Laut Bericht sind von den 8 als archäologische Parks konziperten Stätten vier unter dern Kontrolle der al-Nusra-Front und deren Verbündeten, drei stehen unter kurdischer Kontrolle und Sankt Simeon Stylites ist zwischen "Rojava Kurds" und Islamisten umkämpft.

              Öffentlichkeitsarbeit im Irak: TV-Spot unter Beteiligung der UNESCO

              Tagungen 

              Berichte
              Ankündigungen:

              Verfolgung von Kulturgutzerstörung als Kriegsverbrechen:

              Reaktionen auf das Den-Haager-Urteil zu den Kulturgutzerstörungen in Mali als Kriegsverbrechen (siehe Der Präzendenzfall: Kulturgutzerstörung ist Kriegsverbrechen. Archaeologik [1.10.2016]):

              ILLICID

              3D-Modelle und Digitalisate

              Digitale Kopien gehen natürlich nicht an den Kern des Problems der Kulturgutzerstörung und Raubgräberei und können Originalbefunde auch in keiner Weise ersetzen. Sie eignen sich für Symbolpolitik und Proteste gegen Daesh - und für eine Wissenschaftsdidaktik, aber nur für eine reduzierte Zahl wissenschaftlicher Fragestellungen. 
              Mit der Errichtung des Triumphbogens aus Palmyra in New York werden ethische Fragen der 3D-Modelle diskutiert.
              Der Artikel von Sara Bond thematisiert daher auch die ethischen Aspekte der 3D-Rekonstruktionen. Sie diskutiert vor allem den Aspekt des “digital colonialism”und verweist hier auch auf die nicht selten restriktiv gehandhabten Urheberrechtsansprüche, die mit solchen 3D-Modellen verknüpft sind. Um eine Aussage zu bieten, benötigen auch 3D-Modelle ergänzende Informationen, was bei der Neuerrichtung des Triumphbogens aus Palmyra in New York offenbar fehlt.
              Baaltempel in Palmyra
              (Foto: M. Scholz 1993)
              Wenn schon eine Diskussion um die ethische Dimension von 3D-Rekonstruktionen geführt wird, so sollte man im Kontext der Situation rund um Daesh viel eher fragen, ob solche Aktionen und Digitalisierungen nicht eher von einer grundegenden Lösung der Zerstörungsproblematik ablenkt: Effektives Handeln gegenüber Raubgräbern und Antikenhändlern einerseits und Gerechtigkeit und gesichete Existenz für die Menschen in den betroffenen Regionen andererseits.
                Urlaubsbilder gefährdeter Kulturdenkmale aus Syrien und Lybien gesucht:

                Digitalisierung der Museumsbestände von Deir-ez-Zor:

                Allgemeine Berichte

                H. Eakin: Ancient Syrian Sites: A Different Story of Destruction. The New York Review of Books (Issue 29.9.2016). - http://www.nybooks.com/articles/2016/09/29/ancient-syrian-sites-palmyra-destruction/  bespricht mehrere Publikationen und kritisiert das Narrativ, wonach die Zerstörung Palmyras mit Daesh begonnen habe. Tatsächlich haben viele Medien schon zuvor auf Zerstörungen durch Rebellen und Regierungstruppen hingewiesen - vergl. auf Archaeologik schon in einem der ersten Blogposts zu Syrien: Feuer auf Apameia. Archaeologik (3.6.2012). - http://archaeologik.blogspot.de/2012/06/feuer-auf-apameia.html. Prinzipiell hat  Hugh Eakin aber recht: Die Zerstörungen wurden sehr einseitig wahrgenommen, wenn sie mit Daesh in Verbindung zu bringen waren, während die übrigen Zerstörungen der anderen Kriegsparteien, die weniger von propagandistischem Getöse begleitet wurden, kaum Beachtung gefunden haben - wie z.B. die Raubgrabungen in Apameia, die unterm Strich vielleicht mehr Schaden angereichtet haben als Daesh in Palmyra.
                Die Beobachtung, dass bislang kaum Antiken im westlichen Handel aufgetaucht sind (die durch den LiveScience-Artikel nun etwas relativiert wird), kann jedoch nicht als Beleg gewertet werden, dass die Plünderungen nur halb so schlimm seien und der Westen daran nicht beteiligt gewesen sei. Nach den Strukturen des Marktes werden die Objekte erst in den kommenden Jahren aus ihren Lagern heraus auf den Markt sickern, wenn unschuldige Provenienzen konstruiert sind.
                  • CultureUnderThreat: Recommendations for the US Governmen. #CUT Task Force Report, April 2016
                  • R. Bevan, The Destruction of Memory. Architecture at War 2(2016)
                  • P. Veyne, Palmyre. L'irremplaçable trésor (Paris 2015)
                Ein Bericht des russischen Sputnik vergleicht die Zerstörungen des Daesh mit den Zerstörungen im Kosovo.
                Ungeachtet, der im jugoslawischen Bürgerkrieg tatsächlich angerichteten Zerstörungen, ist hier auf die aktuelle Instrumentalisierung zu verweisen, um eine Integration des Kosovo in internationale Institutionen zu verhindern. - vergl. Serbischer Staatspräsident Nikolić wirft dem Kosovo Vernachlässigung serbisch-byzantinischen Kulturerbes vor. Archaeologik (23.8.2016)

                Links

                frühere Meldungen zum Bürgerkrieg in Syrien auf Archaeologik (u.a. monatliche Reports, insbesondere Medienbeobachtung seit Mai 2012), inzwischen auch jeweils zur Situation im Irak

                Dank an diverse Kollegen für Hinweise und Übersetzungen.

                Samstag, 1. Oktober 2016

                Der Präzendenzfall: Kulturgutzerstörung ist Kriegsverbrechen

                Das Urteil um die Kulturgutzerstörung in Mali ist am 27.9. gefallen: 9 Jahre Haft für  Ahmad al-Faqi al-Mahdi
                Das Urteil ist wichtig als Präzedenzfall.
                ICC - Internationaler Strafgerichtshof

                Nachtrag (4.10.2016):

                Interne Links