Freitag, 28. Dezember 2012

Die Parabel vom „Fluch des Teufelsbergs“


ein Gastbeitrag von Miriam Surek


Am Rand der Düringsheide in der Niederlausitz, zwischen Briesnig und Horno erhob sich einst ein 'mystischer' Hügel mit Namen Teufelsberg. Ebenso wie das Dorf Horno und die Düringsheide wurde er in Vorbereitung von Braunkohletagebau abgeräumt und enthüllte seine Vergangenheit. Archäologische Untersuchungen der Binnendüne stießen zunächst auf einen spätmittelalterlichen Hof des 14. Jahrhunderts und einige Meter tiefer auf ein mehrphasiges germanisches Gehöft der 2. Hälfte des 3. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts. Sandüberwehungen konservierten sowohl die Höfe als auch umliegendes Ackerland und überlieferten so Hinweise auf die Landnutzung beider Besiedlungszeiträume. Eine Auswertung der Grabungen zeigte die Geschichte der lokalen Bodenveränderungen unter dem Pflug des Menschen. Der Teufelsberg präsentiert eine Geschichte der Bodenerosion, aber mehr noch: eine Parabel zur Geschichte menschlichen Umweltverhaltens.



Die Geschichte des Teufelsbergs im Längsschnitt
(Graphik: M. Surek, mit freundlicher Genehmigung)


ein germanisches Gehöft
Die Befunde des germanischen Gehöfts waren sehr gut erhalten. Man stellte drei aufeinander folgende Wohnhäuser mit Lehmfußboden und Nebengebäuden fest. Die Siedlungsfläche wurde phasenweise teils von Ackerland überlagert. Es ist anzunehmen, dass eine Siedlungsverlagerung nach Westen hin stattfand um mit Nährstoffen angereicherte ehemalige Siedlungsfläche landwirtschaftlich zu nutzen, da Phosphat als Dünger das Pflanzenwachstum unterstützt. Die erhaltenen Pflugspuren und der Oberschenkelknochen eines älteren Rindes weisen auf die Nutzung eines von Ochsen gezogenen Hakenpflugs hin.
Nach etwa 100 Jahren Besiedlung ist die vierte Phase des Gehöfts die für die Umweltforschung ergiebigste. Auf der grauen fundreichen Kulturschicht der ersten drei Phasen befand sich eine feine fundführende Sandüberwehung als letzte germanische Schicht.

Donnerstag, 27. Dezember 2012

Gefängnisstrafen für Sondengänger

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht in deutschen Sondlerkreisen genießen Sondengänger auch in Großbritannien keine Narrenfreiheit: Zwei Sondengänger sind nun zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf Bewährung sowie zu Sozialarbeit verurteilt worden. Sie waren im Sommer verhaftet worden, als sie illegal in der römischen Stadtanlage bei Irchester gegraben hatten.

In Griechenland wurden zwei Raubgräber zu 20 bzw. 16 Jahren Haft verurteilt. Sie hatten ein reich ausgestattetes Gräberfeld des 6. Jahrhunderts v.Chr. bei Thessaloniki geplündert und die Funde verkauft.
Nachtrag (27.12.2012)
Ein weiteres Urteil aus Großbritannien
und die Forderung von English Heritage nach härteren Strafen
Nachtrag (2.1.2013)
Paul Barford auf PACHI (21.12.2012): Metal Detectorist Sentenced for Stealing Archaeological Evidence

Freitag, 21. Dezember 2012

Ich hoffe, Sie können dies noch lesen...

aber die Chancen stehen prinzipiell sehr gut:
Eine Analyse des Hype um den Untergang der Welt am 21.12.2012, die Rolle indigener Völker und die Instrumentalisierung der Vergangenheit bietet
Alex Gertschen, Der tägliche Untergang der Maya. APuZ (11.12.2012)

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Keine Publikation nachweisloser Artefakte

Eine neue Publikations-Richtlinie des Deutschen Archäologischen Instituts zum Umgang mit Artefakten unbekannter Herkunft legt nun fest, dass keine Funde mehr "publiziert werden, deren legale Herkunft nicht eindeutig nachgewiesen ist." Dies schließt Funde unbekannter Herkunft mit ein, die bereits in Ausstellungsmaterialien, Katalogen oder anderweitig publiziert sind. Ausnahmen sind nur möglich, wenn der Umstand der unbekannten Herkunft deutlich hervorgehoben und problematisiert wird.

Das mag kurzfristig gesehen einzelne Forschungen behindern, die nun keine Objekte aus dem Kunsthandel mehr einbeziehen können; mittel- bis langfristig wird dies aber hoffentlich mehr als ausgeglichen dadurch, dass weniger Fundstellen durch Raubgrabungen zerstört werden. Wissenschaftliche Studien mit illegalen Objekten dürften erheblich zu deren Wertsteigerung und zu einer weiteren Ausdehnung von Raubgrabungen beitragen.

Link
via DGUF-Newsletter (5.12.2012)

Dienstag, 18. Dezember 2012

Falsches Signal: Kolumbien gibt Wracks zur Plünderung frei


Mit großer Mehrheit hat das Parlament von Kolumbien ein neues Kulturgesetz verabschiedet, das es Unternehmen erlaubt, 50% der aus historischen Wracks geborgenen Goldfunde zu verkaufen. Unter dem Einfluß der Schatzgräberlobby wurde die - falsche - These der wissenschaftlich wertlosen Dublette aufgegriffen. Unbeachtet dieser Überlegungen bedeutet aber das Versprechen von legalen Gewinnen einen Aufruf zur Plünderung historischer Wracks.
Archäologen, die schon vorher gegen den Gesetzesentwurf demonstriert hatten, kündigten an, Klage einzureichen, da das Gesetz gegen nationales wie internationales Recht - unter anderem gegen die UNESCO-Konvention zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser - verstoßen würde.


Zum Archäologenprotest:

Montag, 17. Dezember 2012

Vernichtende Kritik der UNESCO

Blick über die Bucht auf Casco
(Foto R. Schreg, 2004)
Der Zustandsbericht 2012 der UNESCO über das Weltkulturerbestätte Cacco Viejo und Panamá la Vieja fällt vernichtend aus: Bemängelt wird insbesondere das Projekt der Cinta Costera, einer meeresseitigen Umgehungsstraße um die auf einer Halbinsel gelegenen Altstadt von Panama (Casco Viejo). Hier seien niemals ausreichende Pläne vorgelegt worden, Alternativen nicht geprüft worden und Maßnahmen zur Erhaltung unterlassen worden. Deutlich wird angesprochen, dass die Regierung eine Hinhaltetaktik gefahren hätte.
Kritisiert aber wird auch der Neubau der Avenida Cincuentenario in Panama Viejo. Hier geht es eigentlich um die Aufwertung des Ruinengeländes durch die Verlegung einer Hauptverkehrsachse, die derzeit noch das Ruinengelände durchschneidet. Die Regierung folgte jedoch nicht den Empfehlungen des Patronato Panama Viejo, sondern wählte eine Route am Rande des geschützten Gebietes, die nun die archäologische Substanz dort zerstört hat. Die UNESCO kritisiert die fehlenden Notgrabungen - tatsächlich hat man den Aushub den Archäologen lediglich zur Durchsuchung zwischengelagert! Die Untersuchungen unseres Tübinger Projektes hatten deutlich gezeigt, dass gerade die Randzonen der Stadt von großer Bedeutung sind, da hier die Wohnquartiere der Unterschichten lagen.



Links

Interne Links

 

 

 

Freitag, 14. Dezember 2012

Habitus - ein soziologisches Konzept in der Archäologie


Rainer Schreg - Jutta Zerres - Heidi Pantermehl - Steffi Wefers - Lutz Grunwald


Dieser Blogpost präsentiert ein Arbeitspapier, das im Sommer 2012 in einer kleinen Arbeitsrunde am RGZM entstanden ist. Sein Ziel ist eine grobe Orientierung im Thema. 

(Nachtrag 7.12.2013): Der Artikel ist inzwischen in einer überarbeiteten Version in den Archäologischen Informationen 2013 publiziert:
http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Schreg-etal.pdf (early view) unter http://www.dguf.de/index.php?id=9

(Nachtrag 5.8.2014): Die Printversion ist erschienen, damit steht der Artikel unter DOI: 10.11588/ai.2013.0.15324 auf http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/15324
Vergl. Habitus - vom Blog zur 'echten' Publikation. Archaeologik (5.12.2013)


Das Hauptinteresse sozialgeschichtlicher Analysen in der Archäologie gilt der Identifikation sozialer Gruppen und Schichten, wobei eindeutig die Eliten im Mittelpunkt stehen. In diesen Kontext gehört auch das weite Feld ethnischer Interpretationen, das zunehmend mit - berechtigter - Skepsis betrachtet wird.
In jüngerer Zeit wurde der Erkenntnis Rechnung getragen, dass diese Gruppen keine konstanten Entitäten sind. Vermehrt wurde nach Identität und Distinktion gefragt. Wesentlich dafür ist das Habitus-Konzept von Bourdieu, das aber nur selten reflektiert wurde.
Bourdieus Habitus-Konzept ist aber noch aus einem zweiten Grund interessant für archäologische Interpretationen:
Ein wesentliches Problem in der Diskussion umwelthistorischer Themen ist die Rolle des Menschen, die von einer historischen und einer naturwissenschaftlichen Perspektive höchst unterschiedlich gesehen wird.
Der Historiker beklagt die deterministischen naturwissenschaftlichen Interpretationen, wie andererseits der Naturwissenschaftler 'den' Historiker für unfähig hält, vom speziellen Einzelfall auf relevante Zusammenhänge zu schließen. Entscheidend ist dabei die Sicht der individuellen Entscheidungsfreiheit des Menschen. Das traditionelle Geschichtsbild setzt diese sehr hoch an, ist es doch etwa im Hegelschen Geschichtsverständnis das Genie, das Geschichte gestaltet. Naturwissenschaftliche Analysen müssen hingegen vom Individuum abstrahieren und unterstellen damit leicht ein regelhaftes Verhalten. Der Habitus vermag hier eine Brücke zu schlagen. Für die Modellierung von Dorfökosystemen ist der Habitus daher eine wichtige Grundlage, um menschliches Verhalten, jenseits funktionaler Rationalität einzubinden. Zwar wurde auch hier kritisiert, dass das Habitus-Konzept zu deterministisch sei, doch ist es eben ein Kennzeichen des Habitus, Normen wie auch Handlungsspielräume zugleich zu schaffen. Der Habitus verbindet die Mikroebene des Individuums mit der Makroebene der Gesellschaft.

Habitus

Der Habitus ist ein vielschichtiges System von Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmustern, das die Ausführungen und Gestaltung individueller Handlungen und Verhalten mitbestimmt. Er ist begründet in den Lebensbedingungen, der sozialen Lage, dem kulturellen Milieu und der Biographie eines Individuums (in Anlehnung an Liebsch 2008, 74). Der Begriff des Habitus vermittelt damit zwischen der Ebene des Individuums und der Ebene der Sozialstruktur.

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Türkei zieht vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Mitgliedsstaaten der Europäischen
Menschenrechtskonvention
(Karte: Cj73 [CC-BY-SA 3.0]
via WikimediaCommons)
Die Türkei kämpft seit Jahren darum, Antiken aus verschiedenen europäischen Museen zu "repatriieren", wohin sie vor allem im 19. Jahrhundert gelangten. Im Falle der Statuen aus dem Mausoleum von Halikarnassos wird die Türkei nun im Januar 2013 den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.

Die genaue juristische Argumentation ist noch nicht publik, doch hat der Blog Illicit Cultural Property den Fall bereits kommentiert: Illicit cultural property (10.12.2012): Is Cultural Heritage a Human Right?
Derek Fincham bezweifelt, ob es ein Menschenrecht auf Kulturerbe gibt. Er argumentiert allerdings vor allem mit der sicher schwierigen Praxis. Worin begründet sich ein Anspruch auf Kulturerbe? Er wirft die Frage auf, inwiefern nicht inzwischen auch die Londoner einen Anspruch auf die Statuen des Mausoleums hätten, da sie dort sei gut 150 Jahren im British Museum zu sehen sind. Ergänzend müsste man fragen, ob ein Lokalitäts- oder ein Abstammungs- bzw. Traditionsprinzip gilt. Letzteres ist kaum je beweisbar. Und eigentlich lässt sich die Frage auch nicht von jener der Legalität der damaligen Exporte völlig trennen.
Ein Recht auf Kulturerbe gibt es m.E. aber durchaus. Letztlich beruht darauf ja die Rechtfertigung des Denkmalschutz: Im Anrecht künftiger Generationen auf ihre eigene Geschichte.


Zur Situation der Archäologie in der Türkei und den türkischen Rückgabeforderungen:

Nachtrag (16.12.2012)

    American Diggers in Spanien

    Die umstrittene Raubgräberserie American Digger wird nun in der spanischen Fassung auch in Spanien ausgestrahlt. Auch hier sammeln Kollegen jetzt Unterschriften:
    Die englische Originalversion wurde unter anderem auch schon in Australien gesendet.


    Interne Links

    Mittwoch, 12. Dezember 2012

    Popularisierung und Instrumentalisierung

    Hingewiesen sei auf zwei Beiträge im jüngsten DGUF-Newsletter (5.12.2012), die ein Licht werfen auf die komplexe Interaktion von Wissenschaft und Medien. Einerseits wird ein Artikel der kanadischen Archäologin April Nowell aus dem "New Scientist" aufgegriffen, der das Phänomen der "Steinzeit-Pornografie" beschreibt (siehe auch Archaeologik: Rotlicht statt Wissenschaft). Der zweite Beitrag beleuchtet den Versuch einer spanischen Forschergruppe, die Medien für ihr Projekt zu instrumentalisieren.


    Links

    Montag, 10. Dezember 2012

    Internationale Truppe gegen Antikenhehlerei

    Angesichts eines steigenden Finanzvolumens des illegalen Antikenhandels und der Verwicklung terroristischer Vereinigungen wie Al Quaida und die Taliban soll künftig eine Aufklärungs-Einheit namens "International Observatory on Illicit Traffic in Cultural Goods" die Zusammenarbeit zwischen Interpol, den Vollzugsbehörden, der UNESCO sowie Forschungseinrichtungen verbessern.
    via DGUF-Newsletter (5.12.2012)

    Samstag, 1. Dezember 2012

    Syrien: "Krieg ist gut fürs Geschäft" (November)

    Wie immer finden sich in der fb-Gruppe Le patrimoine archéologique syrien en danger الآثار السورية في خطر zahlreiche Bilder der Zerstörung aus verschiedenen Museen (Musée de Mou’art el-Nou’man) und von archäologischen Fundstellen und historischer Bausubstanz (Mosche und Burg in Idleb-M'arrat el-Nu'man, Burg des 12. Jh. in Deir ez-Zor – al-Mayadin). Vielfach wird von der Stationierung von Militär auf archäologischen Fundstellen berichtet (Chmemis, Hasakeh -Tell Halaf).

    Le patrimoine archéologique syrien en danger meldet auch Vandalismus in der Höhle von Dederiyeh in Nordwest-Syrien, Region Jebel Sam’an in Aleppoha, einer mittelpaläolithischen Station, die unter anderem wegen der Bestattung eines Neandertaler-Kindes von größter Bedeutung ist (vergl. J. Haidal et al., Neanderthal infant burial from the Dederiyeh cave in Syria. Paléorient 21, 1995, 77-86).

    Außerdem:
    Insgesamt scheinen die Meldungen aus Syrien weniger zu werden - wohl eher ein Abstumpfen des Interesses als ein Nachlassen des Mordens und Zerstörens.

    interner Link