Dienstag, 29. Juni 2021

Franken in Franken

Markus Mergenthaler/ Margaret Klein-Pfeuffer (Hrsg.)

Titelbild Cover

Als Franken fränkisch wurde.
Archäologische Funde der Merowingerzeit.

Knauf-Museum Iphofen

Oppenheim am Rhein: Nünnerich-Asmus Verlag 2021

ISBN 978-3-96176-120-3 

Hardcover, 223 Seiten

 

Auf dem neuen AMaNz-notiz-blog steht eine Rezension des neuen Bandes.


Montag, 28. Juni 2021

Archäologie im türkisch besetzten Nordsyrien: Planierungen von großem Ausmaß

Seit langem gibt es aus syrischen Quellen Nachrichten über Plünderungen archäologischer Fundstellen in den türkisch besetzen Gebieten um Afrin.  Frühere Meldungen verwiesen auf die Fundstellen Ain Dara bei Afrin (hethit. Tempel) und Brad (byz. Stadt, Teil der als Welterbe klassifizierten Totenstädte in Nordsyrien).

Im März 2018 war  aus dem Umfeld des Assad-Regimes wie auch von der syrischen Altertumsbehörde von türkischen Bombenangriffen auf die byzantinische Siedlung Brad, 15 km südlich von Afrin die Rede.

 

Ain Dara

Aus Afrin gab es 2019 Meldungen, wonach Milizen Schießübungen auf den hethitischen Tempel von Ain Dara, etwa 5 km südlich der Stadt machten. Außerdem sind in Luftbildern Spuren von Bombeneinwirkungen und Planierungsarbeiten zu erkennen. In GoogleEarth sind die Mauerzüge im südlichen Teil des Tells, wo sich auch die berühmte Löwenstatue befunden auf einem Luftbild vom 22.8.2018 noch deutlich zu erkennen, ein Bild vom 25.2.2019 zeigt dort dann aber umfangreiche Planierungsarbeiten. Man meint, auf dem Bild auch noch den Bulldozer zu erkennen, aber es bleibt unklar, ob es sich um zerstörerische Abplanierungen oder eher doch schützende Aufplanierungen handelt.

Planierungen in  Ain Dara
(Luftbilder: Google Earth/ Digital Globe)



Kyrrhus

Aktuell gibt es Meldungen aus dem Bereich der antiken Stadt Kyrrhus, die von Raubgrabungen, aber auch massiven Umgestaltungen eines antiken Gräberfeldes berichten. Ein römisches Grabmal des 2./3. Jahrhunderts wurde im 14. Jahrhundert als Mausoleum des islamischen Heiligen al-Nabi Houri genutzt. Dabei entstand benachbart eine Moschee für die Pilger. Ein Bericht der Afrinpost vom Dezember 2020 beruft sich auf Bilder in Social Media, die nun Restaurierungs- und Verschönerungsarbeiten zeigen. Zwischen dem 24.4. und dem 23.6.2018 wurde nach Luftbildern in Google Earth direkt westlich des an das Grabmal anschließenden, ebenfalls erst seit den 1990er Jahren errichteten Baukomplexes ein neues Gebäude errichtet.
 
Situation des römischen Grabmals 1993
ohne angrenzenden Gebäudetrakt
(Foto: M. Scholz)

 

 
Afrinpost berichtet auch von Planierungsarbeiten im Umfeld ("the theft and erasure of history by leveling an area of more than 2 km in diameter").  Tatsächlich zeigen auch hier die Luftbilder bei Google Earth massive Erdbewegungen zwischen dem 23.6.2018 und dem 28.9.2019. Im Luftbild vom 23.6.2018 sind zahlreiche helle Flecken zu erkennen, bei denen es sich um rezente Bodeneingriffe bzw. Raubgrabungen handeln dürfte. Ob die Planierungen vordergründig dem Schutz oder der Zerstörung der Fundstelle dienen, bleibt unklar. Sicher ist, dass die Fundtselle massiv verändert und ihrer Oberflächenstruktur beeinträchtigt wurde. Spuren der Anfuhr großer Mengen an Erdmaterial, das für eine Überdeckung sowohl in Ain Dara wie auch Kyrrhus sicher hunderte LKW-Ladungen erfordert hätte, sind nicht zu erkennen. Die Einschätzung der Afrinpost als "theft and erasure" ist daher nicht unwahrscheinlich.
 

 
 
 
 
 
Planierungen in  Kyrrhus
(Luftbilder: Google Earth/ Digital Globe)

 

Politische Rolle der Archäologie

Die Vorgänge in der Region sind schwer durchschaubar, da unabhängige Quellen fehlen. Es gibt immer wieder Schuldzuweisungen an die türkischen Besatzer, agressiv eine Islamisierung kurdisch-jesidischer Gemeinden voran zu treiben und gezielt Kulturgut in der Region zu plündern und zu zerstören. Belegen lässt sich all das offenbar nicht. Nach wie vor ist die Vergangenheit in Syrien für alle Parteien auch ein (potentielles) Machtinstrument.

Russland engagiert sich in Syrien gezielt im Wiederaufbau (vergl.  Archaeologik 4.6.2021).

Religiös motivierte (?) Zerstörungen  auch ohne Daesh

In Idlib sollen aktuell Statuen im dortigen Museum von uzbekischen Dschihadisten zerstört worden sein, weil diese falsche Götzen seien. Ein Video auf facebook, gedreht bei Nacht zeigt offenbar diese Zerstörungen.


Links

Die Posts zu Kulturgut in Syrien und Irak auf Archaeologik erscheinen nur noch unregelmäßig. Frühere Posts finden sich unter dem Label Bürgerkrieg in Syrien. Eine Zusammenstellung früherer Beiträge unter

Samstag, 26. Juni 2021

Eine marode Albsteige

Der 101. DGUF-Newsletter macht mich auf eine Diskussion in Blaubeuren aufmerksam, in der auch einige Fundstellen eine Rolle spielen, in denen wir in einem deutsch-amerikanischen Projekt vor einigen Jahren Grabungen durchgeführt haben (und an deren Publikation wir nach wie vor arbeiten).

Es geht um einen  wohl nicht untypischen Vorgang. Ein Straßenbauwerk ist marode - die Sonderbucher Steige, die als Kreisstraße von Blaubeuren auf die Albhochfläche mit den Ortsteilen Sonderbuch und Asch führt. Sie wurde wie viele andere Steigen, die die Albhochfläche erklimmen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet und hat nun erhebliche Probleme. Aktuell muss sie aus Sicherheitgründen für LKW und Busse gesperrt werden. Stadtrat und Landkreis denken daher über eine Aufgabe und Neutrassierung nach. Das ganze scheint in einem sehr frühen Planungsstadium und dementsprechend dürfte die Denkmalpflege noch gar nicht involviert sein. Auch der Blaubeurer Gemeinderat will sich noch nicht positionieren.

Nur vage wird eine Alternativtrasse genannt, bei der der bestehende Albaufstieg der Bundesstraße 28 genutzt und dann eine völlig neue Straßentrasse von den Hessenhöfen nach Osten nach Sonderbuch geführt werden soll.



Größere Karte anzeigen


Das stößt nun auf Widerstand aus der Bürgerschaft, so dass am 20.6. eine Petition auf open petition eingerichtet wurde, die binnen kurzer Zeit über 2000 Unterstützer gefunden hat. Die Argumente gehen um den entstehenden Umweg und die  daraus resultierende Abwanderung der Kaufkraft wie auch die längeren Anfahrtswege bei Rettungseinsätzen.

Robert Bollow, langjähriger ehrenamtlicher Mitarbeiter der Denkmalpflege und ganz besonders an steinzeitlichen Funden interessiert, weisst nun auf den archäologischen/ denkmalpflegerischen Aspekt hin. Blaubeuren zählt immerhin zum UNESCO-Welterbe Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb. Seiner Einschätzung, wonach eine Überplanung der Feldflur zwischen den Hessenhöfen und Sonderbuch eine bis heute weitgehend ungestörte, archäologische Fundlandschaft durchschneidet, kann ich nur zustimmen. Hier liegt neben potentiellenm Silexabbaustellen eine Siedlung der Stichbandkeramik, die durch Kolluvien überdeckt recht gut erhalten ist, durch eine Straßentrasse aber dennoch zerstört würde. Ausschlaggebend für die Testgrabungen 2006 war eine Fundstreuung an der Oberfläche, bei der sich aber herausgestellt hat, dass es sich hier um verlagerte Funde aus diesem Kolluvium handelt, was darauf hinweist, dass in der Umgebung weitere Siedlungsstellen liegen (Harris u.a. 2006).

 

Blick auf die Albhochfläche nördlich von Blaubeuren in Richtung Westen. Links im Bild Sonderbuch und der Hang mit der Sonderbucher Steige hinab nach Blaubeuren. Rechts oberhalb der Bildmitte die neolithische Fundstelle Sonderbuch, Grund und weiter im Hintergrund die Hessenhöfe. Die angedachten Straßentrassen würde hier durchziehen.
(Foto: R. Schreg, 26.8.2006)



 

An diesem alltäglichen Vorgang einer Diskussion um einen Straßenbau scheint mir bemerkenswert, wie schnell man tatsächlich noch immer dabei ist, weitere Landschaftseingriffe für den Straßenbau in Kauf zu nehmen. Es sind ja bei weitem nicht nur archäologische Gründe, die einen skeptisch auf den Flächenverbrauch und Autoverkehr schauen lassen sollten.  Im Lauf der Zeit sind die Bodeneingriffe für Straßenbauten auch immer massiver geworden - dazu brauchen wir nicht in die Zeit des Baus der Sonderbucher Steige zurückblicken, die einmal für Pferdefuhrwerke konzipiert worden war.  Geradlinige Straßenführungen nehmen immer weniger Rücksicht auf gewachsene Parzellenstrukturen und Geländeformationen. Auch für Kreisstraßen entstehen heute mal gerne massive Geländeeinschnitte und Brückenbauwerke (die irgendwann auch wieder marode sind). Ein nachhaltiger Umgang mit Landschaft sieht anders aus. Wahrscheinlich muss sich die Archäologie mehr Verbündete im Bereich des Umweltschutzes und der ökologischen Landwirtschaft suchen. 

Im lokalen Rahmen ist jedoch Geschichte noch immer eher Teil einer konservativen Gesinnung, wo sie der Abgrenzung von Identitäten, Legitimierungen und Glorifizierungen dient. Im Alltag geht es dabei gar nicht um große Geschichte, sondern um Ortsjubiläen, Straßenfeste und Heimatpatriotismus, wird aber nicht genauer reflektiert. Tatsächlich zeigt uns die Auseinandersetzung mit der Geschichte, welche Verantwortung wir für die Zukunft tragen und liefert aus sich heraus Argumente für einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und Landschaft. Leider spielt ein historisches Bewusstsein im Umweltschutz oft eine geringe Rolle, obgleich doch erst die Geschichte Kriterien der Nachhaltigkeit liefern kann. 

Es ist ein Potential von Geschichte und Archäologie, für die Dimension der zeit und für unsere verantwortung zu sesiblisieren. Dies gelingt aber nur mit einem wissenschaftlichen Geschichtsbild,  das Zusammenhänge erforscht und nicht primär unterhalten oder Identität stiften will.  Ganz richtig ist daher auch Bollows Aufforderung an die Stadt, "nicht zuzulassen, dass beim Schutz von Archäologischen Stätten Abstriche gemacht werden und nur die als schützenswert eingestuft werden, die sich für den Tourismus eignen und Verantwortung für alle Denkmale beweisen. Nicht nur das Unesco .Welterbe ist von Bedeutung."

 

Links

Zu den Forschungen bei Sonderbuch:

 

Literaturhinweis

  • S. Harris/C. Knipper/L. Fisher u. a., Sondagegrabungen zur neolithischen Hornsteinnutzung in Blaubeuren-Sonderbuch. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2006, 33–37.

 

Mittwoch, 23. Juni 2021

Gegen das neue Denkmal-NICHT-Schutzgesetz in NRW

Eine Petition an den Landtagspräsidenten in NRW, von der deutschen Stiftung Denkmalschutz auf dem Portal open petition möchte erreichen, dass der Entwurf des neuen „Denkmal-NICHT-Schutzgesetzes“ überarbeitet und die Expertise der Fachleute hierbei eingebunden und gehört wird. Politische und wirtschaftliche Einfallstore müssen zurückgenommen werden, damit die wenigen, noch erhaltenen Denkmale nachhaltig bewahrt werden können. 


An dem Gesetzesentwurf war im Vorfeld vielfältige Kritik geäußert worden. Selbst die Denkmalpfleger*innen des LVR und LWL lehnten sich gegen die Novellierung öffentlich auf. Dessen ungeachtet soll der Landtag NRW das Gesetz noch vor dem 5. Juli verabschieden.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat dazu auch einen Brief an die zuständige Ministerin Ina Scharrenbach, Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung veröffentlicht:

Das Denkmalschutzbündnis Nordrheim-Westfalen stellt die Situation folgendermaßen dar:

"Ministerin Ina Scharrenbach des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung (MHKBG) beabsichtigt der Landesregierung NRW noch vor dem 05. Juli ein neues Denkmalschutzgesetz vorzulegen, welches Schwerpunkte zu Lasten der bestmöglichen Denkmalbewahrung verändert, und die Wirksamkeit und Befugnisse von übergeordneten Denkmalfachbehörden weitgehend aushebelt. Wir wollen verhindern, dass das Gesetz in dieser Form dem Landtag vorgelegt wird, denn es weist erhebliche Mängel auf:

Der Schutz einzigartiger historischer Bauwerke unserer Heimat wird durch die Gesetzesnovelle zum politischen Spielball – denn zukünftig soll eine mögliche Nutzung über Denkmalwert und -erhalt bestimmen, sachfremde Aspekte sollen den Schutz der Denkmale aufweichen. Denkmaleigentümer sollen dabei potentiell zu einer Nutzung des Denkmals verpflichtet werden können. Es steht zu befürchten, dass dieser Nutzungsdruck zu einer „Vergewaltigung“ des Denkmals und zu einer Beschädigung der Interessen der Denkmaleigentümer und der Allgemeinheit führen kann. Die übergeordneten Fachbehörden werden ausgeschaltet und stattdessen mittelbar die lokale Politik zum Entscheidungsträger über die Zukunft oder den Abriss wertvoller Denkmale gemacht. Eine Einflussnahme von wirtschaftlichen oder Sonderinteressen wird hierdurch verstärkt. Viele Formulierungen des Gesetzes sind unklar und lassen Spielräume für eine willkürliche Auslegung in der praktischen Umsetzung zu. Der gesamte Entwicklungsprozess des neuen Gesetzes ist völlig intransparent, auf den vielstimmigen fachlichen Widerspruch wurde bislang trotz zahlreicher Bemühungen nicht reagiert."

Einige Stellungnahmen gesammelt bei Denkmalschutzbündnis Nordrhein-Westfalen: 

Podiumsdiskussion im WDR Forum, 13.4.2021:

Nochmals der Hinweis: Als die jetzige Landesregierung unter dem jetztigen Kanzlerkandidaten Armin Laschet angetreten ist, wollte sie in ihrem Koalitionsvertrag demonstrativ die Denkmalpflege stärken (vgl. Archaeologik 19.6.2017), um sich gegenüber den Ereignissen von 2013 abzusetzen. Jetzt macht Sie das Gegenteil.

 

Montag, 14. Juni 2021

Archäologie als Kunst (10)

Elena Reus

Die in den Archaeologik-Beiträgen zum Thema „Archäologie als Kunst“ vorgestellten Beispiele für eher naiv daherkommende Kunstwerke im öffentlichen Raum befriedigen die Bedürfnisse von Lokalpatriotinnen und -patrioten oder weisen auf ein (vermarktungsfähiges) Lokalkolorit hin. Wieder andere Objekte müssen Passanten auf den ersten Blick vollkommen undechiffrierbar erscheinen.

Sosehr diese von archäologischen Funden und Befunden inspirierten Kunstwerke die Fachwelt auch erheitern mögen, so sehr muss es im Interesse des Fachs liegen, wenn Verkehrskreisel und Grünflächen mit volkspoetischen und (prä-)historischen Inhalten stärker bespielt werden denn je.

Angesichts gegenwärtiger existenzieller Bedrohungen des Fachs (international wie national), muss verstärkt daran gearbeitet werden die Aufmerksamkeit und Gunst der Öffentlichkeit zu gewinnen. Aus diesem Grund sollten hier auch die raffinierteren Schöpfungen die meist eher informierende Installationen als Kunst darstellen ebenfalls Beachtung finden. Sie halten das Wissen um örtliche Bodendenkmale in der Öffentlichkeit.

Im hessischen Erlensee (Ortsteil Rückingen) befindet sich auf einem Kreisel eine Installation, die eine räumliche Illusion erzeugt, so dass der Betrachter in das dargestellte, historische Landschaftsbild einbezogen wird und die Grenzen zwischen Installation und real umgebender Landschaft verschwimmen.

Archäologisch inspirierte Kreiselkunst hat einen nicht zu unterschätzenden Nutzen auch wenn es zugegebenermaßen zusätzlich noch eine kleine gedankliche Transferleistung erfordert, um vom angezeigten Bodendenkmal auf die Notwendigkeit von Personen zu schließen, die dieses erforschen. Aber dafür sollte es ja konkrete Öffentlichkeitsarbeit geben!

 

Limeskreisel Rückingen-Erlensee
Eine zweispurig ausgebaute Bundesstraße führt auf einen Kreisel in Erlensee zu. Der Kreisel bildet an dieser Stelle „das Tor“ in den Ortsteil für Autofahrer. Um die auf dem Kreisel befindliche Installation eingehend studieren zu können, ist allerdings eine Exkursion auf dem umlaufenden Fußweg zu empfehlen. Durch Erlensee verläuft der Obergermanisch-Raetische Limes. Außerdem befinden sich im Bereich des Ortsteiles Rückingen die Reste eines Kastells
(Foto: E. Reus)


 



Elena Reus ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der AMANZ in Bamberg. Sie absolvierte ihren Master in Tübingen und bringt Erfahrungen aus der praktischen Grabungs-Archäologie mit.

 

Freitag, 4. Juni 2021

Russische Rekonstruktion in Palmyra - gegen den Willen der UNESCO

Auf einem Kongress in Paris hat die UNESCO im Dezember 2019 beschlossen, von Rekonstruktionen  in Palmyra vorerst Abstand zu nehmen. Russland hat im April dennoch angekündigt, im November mit der Restaurierung zu beginnen. Dennoch betonte Hammam Sa’ad, Direktor am Generaldirektorium für Antiken und Museen, dass eine Kooperation mit der UNESCO vorgesehen sei, um eine wissenschaftliche Kommission einzubinden, die dabei helfen soll, dass die Arbeit der vor Ort arbeitenden Teams den internationalen Standards entspricht.

Palmyra wird einmal mehr zum Politikum, denn die Ankündigung klingt wie eine Drohung, wenn die UNESCO die Aktivitäten Russlands und der syrischen Regierung nicht absegnet und durch ihre Kooperation legitimiert.

Die Empfehlungen der UNESCO sehen höchste Priorität in Notsicherungen, einer Schadensdokumentation und der Entwicklung eines Managementplans, bevor mit Restaurierungen oder Rekonstrukltionen begonnen wird.

Die syrisch-russische Kooperation war schon vor der Pariser Konferenz 2019 angekündigt worden:

Für Russland hat Palmyra große symbolische Bedeutung. St. Petersburg nannte sich seit dem 18. Jahrhundert das Palmyra des Nordens. Als 2018 ein Name für ein neues russisches Raketensystem gesucht wurde, gab es eine öffentliche Abstimmung, in der lange der Name Palmyra führend war. Argumentiert wurde mit dem russischen Sieg in Palmyra, aber auch mit St. Petersburg als der Geburtsstadt von Präsident Putin.

  • O. Griese, „Palmyra Des Nordens“: St. Petersburg - Eine Nordosteuropäische Metropole?" Jahrbücher Für Geschichte Osteuropas NF 5/3, 2005, 349-63. - http://www.jstor.org/stable/41051447.

Die Aneignung Palmyras durch europäische Mächte hat eine lange Tradition, die auch die frühere Forschungsgeschichte und auch die lokale Geschichte vor Ort maßgeblich beeinflusst hat.


Straße im arabischen Dorf im Tempelbezirk des Baal, zwischen 1900 und 1920
(Foto: Photo dept., American Colony [Jerusalem] via Wikimedia Commons)


Die Empfehlungen der UNESCO legen daher auch großen Wert auf die Rolle der lokalen Bevölkerung. So soll die Wiedereröffnung des Museums die Wiederbesiedlung der Stadt ermutigen, die seit den Zerstörungen verlassen ist. Angesprochen werden auch die Sicherheitsbedingungen vor Ort, wo im März und April Landminen, die DAESH/ IS hinterlassen haben, mehrere zivile Todesopfer gefordert haben. 

Es kommt in der Region auch weiterhin zu Kämpfen, wo sich immer noch Gruppen des Daesh/IS aufhalten.

Andererseits werden Touristen in Palmyra als Rückkehr der Normalität propagiert.

Anfang Februar waren bei Palmyra mehrere Leichen entdeckt worden, unter denen der Archäologe Khaled Asaad identifiziert werden konnte.

 

Link

aktuelle Doku auf ARTE:

Donnerstag, 3. Juni 2021

Eine Masterarbeit erforscht sexuelle Belästigung und Gewalt in der Feldarbeit

Jutta Zerres

Die gesellschaftliche Debatte um sexuelle Belästigung und Übergriffe wird in Deutschland seit 2013 unter dem #aufschrei öffentlich geführt. Seit dem Skandal um den amerikanischen Filmproduzenten Weinstein im Oktober 2017etablierte sich dann der #metoo. Millionen von Tweets machten seitdem das Ausmaß öffentlich sichtbar. Auch in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Archäologie erleben Menschen Dinge wie unangenehme Blicke, sexistischen oder herabsetzenden Kommentare über Outfits, Catcalling, „zufällige“ Berührungen, offene Belästigung etc.

Die Masterarbeit der Bonner Master-Kandidatin Laura im Fach Altamerikanistik und Ethnologie (Bachelor in Klassischer Archäologie) beschäftigt sich mit dem Phänomen bei feldarchäologischen Aktivitäten, die durch Forschungseinrichtungen, also vor allem Universitäten durchgeführt wurden.. Zu diesem Zweck hat sie einen Online-Fragebogen unter dem Titel "Sexualisierte Belästigung, Gewalt und Diskriminierung in der Feldforschung" erstellt und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Es werden Teilnehmer und Teilnehmerinnen gesucht. Das Ausfüllen dauert etwa 7-10 Minuten. Der Aufruf ergeht dabei nicht nur an Betroffene, sondern auch an Menschen, die keine Erfahrungen damit gemacht haben. 


Die ursprünglich vorgesehene Frist ist bereits abgelaufen, aber in den nächsten Tagen ist Laura ein Rücklauf noch willkommen.

 

(via Pixabay [Pixabay-Lizenz])

Laura schreibt zu ihrem Vorhaben auf Facebook: „Das Ziel der Umfrage ist es, zu untersuchen, wie Forscher*innen und Studierende der Archäologie an deutschen Institutionen davon betroffen sind. Die Erkenntnisse sollen mit den Ergebnissen internationaler Studien (…) und der Arbeit von Initiativen in Beziehung gesetzt werden, um präventive Maßnahmen und Strategien zum Umgang mit Vorfällen zu erarbeiten. Meine Masterarbeit wird sich mit Geschlechterverhältnissen innerhalb der archäologischen Wissensproduktion und der #MeToo-Debatte im Kontext der Feldforschung beschäftigen. Die Umfrage ist auf Deutsch und Englisch verfügbar und steht allen, die bereits archäologische Feldforschung (Grabungen, Prospektionen, etc.) betrieben haben, offen - unabhängig von Geschlecht, Alter oder Position.“