Auf der Homepage des Kreml stehen Putins Reden vom Montag 21.2.2022 sowie die zum Angriff am 24.2.2022 online. Die Medien zitieren sie nur ausschnittswiese - aber man sollte Sie dringend zur Kenntnis nehmen, auch wenn Putin da viel historischer Unsinn behauptet.
Obgleich heute die Nachrichten voll sind mit Putin-Analysen und Ukraine-Berichten, wird doch immer die gleich Passage seiner Rede vom Morgen des 24.2. zitiert. Es lohnt sich aber, sie im Original (oder wenigstens der englischen Version) nachzulesen, denn da steht viel mehr - und höchst beunruhigedes. Es geht nämlich überwiegend nicht um die Ukraine, sondern um die letzten 30 Jahre und den Machtverlust Russlands. Offen droht er der ganzen NATO mit Atomwaffen. Putin zeichnet eine Geschichte der letzten 30 Jahre, in der Russland als gedemütigte Verlierer des Kalten Krieges dargestellt wird, der
andauernd den Hochmut des Westens gespürt habe.
Die beiden Dokumente werden in ihrer Propaganda-Sprache nicht nur in der Zukunft wichtige historische Dokumente sein, sondern sind ganz aktuell wichtige Aussagen des Herrn V. Putin, die klar zeigen, dass die Sowjetunion für ihn zwar ein wichtiger Bezugspunkt sind, seine Ziele aber weit darüber hinausgehen - und nicht unbedingt an den ukrainischen Grenzen enden!
Putin versucht seinen Standpunkt historisch zu legitimieren. Er verweist auf die US-Interventionen im Irak, in Libyen und Syrien (übrigens nicht auf die in Afghanistan) und verweist - angesichts seiner an den Haaren herbeigezohenen Behauptungen eines Genozids im Donbas - sehr zynisch auf die falschen Rechtfertigungen der USA mit angeblichen Chemiewaffen im Irak. Putins Geschichtserzählung ist mehr als selektiv und weit von einer seriösen historischen Analyse entfernt.
Die russische Frühgeschichte spielt in der aktuellen Rede nur eine Nebenrolle. Die Rede vom Montag erwähnt sie ebenfalls nur sehr kurz - setzt sie aber als allgemein bekannt voraus und nimmt sie als Grundlage dafür der Ukraine eigene nationale Rechte abzusprechen. "Since time
immemorial, the people living in the south-west of what has historically been Russian
land have called themselves Russians and Orthodox Christians. This was the case
before the 17th century, when a portion of this territory rejoined
the Russian state, and after.It seems to us that, generally speaking, we all know these facts, that this is common
knowledge."
Die Ukraine sei eine Erfindung der UdSSR - die ältere durchaus
konfliktreiche ukrainisch-russische Geschichte mit separaten nationalen
Entwicklungen übergeht V. Putin. Sie passen nämlich nicht in seine
Propaganda.
Mit diesem Hintergrund hätte es eigentlich keine Überraschung sein dürfen, dass sich der russische Angriff nicht nur auf die aufständischen Gebiete im Osten, sondern auf die ganze Ukraine richtet.
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Raketentrümmer in einer zivilen Geschäftsstraße im Süden Kiews, 24.2.2022 (Foto: Arrikel [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons) Die dort angegebene Lokalität lässt sich anhand GoogleMaps verifizieren)
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