- ouest-france.fr (29.1.2013): À Carnac, on construit sur un site archéologique classé (franz.)
- ouest-france.fr (29.1.2013): Carnac. Maison en construction sur un tumulus : le chantier a été arrêté
Archaeologik ist ein Wissenschaftsblog zu Themen der Archäologie und des Kulturgutschutzes. Er zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert.
Archaeologik is a science blog contributing to various aspects of critical archaeology and cultural heritage including methodology, theory and daily archaeological practice.
Mittwoch, 30. Januar 2013
Baufreigabe auf dem Menhirfeld von Carnac... UNESCO-Welterbe wurde einfach übersehen.
Planierungsarbeiten haben begonnen.
Ausgetrickst - Timbuktu Manuskripte wurden rechtzeitig versteckt.
http://news.sky.com/story/1044015/mali-french-troops-advance-in-timbuktu - erste Bilder aus Timbuktu zeigen verwüstete leere Archivschachteln und die Reste von Feuern mit angebrannten Manuskriptresten Die Mehrzahl der Manuskripte hat aber nach verschiedenen Aussagen in privaten Bibliotheken überlebt. Die Bibliothek des Ahmed-Baba-Zentrums war rechtzeitig weitgehend evakuiert und in Privathaushalten versteckt worden.
Archaeology (29.1.2013): Locals Rescue Timbuktu's Medieval Manuscripts
Zeit online (29.1.2013): Malische Bibliotheksschätze in Geheimaktion gerettet
eNewsChannel Africa (29.1.2013): Timbuktu Manuscripts May Not Be Destroyed
TF1 (30.1.2013): Mali: que reste-t-il du patrimoine de Tombouctou ?
AFP (30.1.2013): A Tombouctou, les "bandits" ont détruit mausolées et manuscrits inestimables
Bemerkenswert - Die Moral von der Geschichte, formuliert von Simon Tanner:
S. Tanner, African Manuscripts - a treasure in danger? When the Data hits the Fan! The blog of Simon Tanner (28.1.2013)
"War and conflict bring dangers to such collections and the human tragedy
that surrounds this cultural tragedy must not be forgotten. In some
ways this cultural tragedy may help those of us in the Northern
Hemisphere, who live nicely homeostatically balanced lives of safety and
relative security, to appreciate the fragility of culture and heritage
and of human life. They all only survive because humans care for and
value them. Without our attention, our care or our passion then they
will die or wither away. Timbuktu teaches this stark lesson in both
human and heritage terms."
interner Link
http://archaeologik.blogspot.de/2013/01/terroristen-milizen-und.html
Dienstag, 29. Januar 2013
Archäologen und mißrathene Genies - Tips für die archäologische Kartierung
Zu seinem 210. Geburtstag: Eduard Paulus d.Ä. (geb. 29.1.1803) über die Methoden der Römerstraßenforschung:
E. Paulus, d.Ä., Die Römerstrassen: mit besonderer Rücksicht auf das römische Zehentland, nebst einer Anleitung zur Erforschung der alten Römerwege (Stuttgart 1857). [lückenhaftes Digitalisat bei GoogleBooks]Montag, 28. Januar 2013
Terroristen, Milizen und Glaubensfanatiker - Instrumentalisierung des Kulturerbes in Mali
Vor der Einnahme Timbuktus durch französische und malische Truppen haben die Milizen vor ihrem Abzug noch einmal einen Schlag gegen das Kulturerbe der Region geführt und eine Bibliothek mit 30000 Bänden seit dem 13. Jahrhundert verbrannt.
Hof der Djingareiber-Moschee in Timbuktu (Foto: KaTeznik [CC BY-SA 2.0 FR] via WikiMedia Commons) |
Über das Ausmaß der Zerstörungen wird man in Kürze sicher mehr erfahren. Hier seien einige Links zusammengestellt, die die Vorgänge dokumentieren. Auffallenderweise fanden die Zerstörungen von Kulturgut in Mali weit weniger Resonanz im Netz als die Situation in Syrien, Ägypten oder während des Bürgerkriegs in Libyen, obwohl die ideologische und politische Komponente der Zerstörungen hier wesentlich ausgeprägter ist.
Echo im Web und Kommentare
- D. Scherzler, Not a single mausoleum will remain in Timbuktu': The Destruction of Mali's Cultural Heritage". Storify (31.12.2012).
- L. Haustein, Die Ikonoklasten von Timbuktu. TAZ 10.7.2012
- Le Monde (17.1.2013): Au Mali se joue aussi une guerre culturelle
- A. Perras, Wie Timbuktu seiner Geschichte beraubt wird . Süddeutsche Zeitung (4.7.2012)
- zeit.de (30.6.2012): Islamisten zerstören Weltkulturerbe in Timbuktu
- Spiegel online (1.7.2012): Verwüstetes Weltkulturerbe in Mali: Islamisten verhöhnen die Unesco
- PACHI (19.1.2013): Crimes Against Cultural Property in Mali
Zur Chronologie der Ereignisse
Konzepte der Quellenkritik in der Forschungsgeschichte (Archäologische Quellenkritik III)
Rainer Schreg
Die Blogposts der kleinen Serie 'Archäologische Quellenkritik' gehen auf ein Manuskript zurück, das 1998 für ein Oberseminar am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters in Tübingen entstanden ist, das ich gemeinsam mit Frau Prof. Scholkmann angeboten hatte. Eine immer wieder angedachte Publikation ist aufgrund anderer Projekte nie zustande gekommen. Ich stelle sie hier als Blogposts ein, wobei nur minimale Bearbeitungen und Aktualisierungen erfolgen.
Wenn die "Pompeji-Prämisse" auch bei vielen archäologischen Interpretationen durchschimmert, die Notwendigkeit einer archäologischen Quellenkritik hat grundsätzlich schon die ältere Forschung erkannt. Sie beschränkte sich aber auf wenige, eher vordergründige Aspekte (z.B. Pescheck 1950, 97ff.). Jacob-Friesen etwa teilte 1928 die archäologischen Funde ganz einfach in drei Klassen ein: sicher, unsicher und gefälscht. Als sicher wurde ein Fund bestimmt, “wenn sich sein Fundort bestimmen läßt und sich sein Finder mit allen seinen Angaben als einwandfrei nachweisen läßt” (Jacob-Friesen 1928, 98f.).
Im 19. und 20. Jahrhundert gab es einige archäologische Affären, die Fundfälschungen zum Gegenstand hatten. So waren 1867 Fälschungen eiszeitlicher Kunst aus dem Kesslerloch bei Thayngen (Abb. 3.1) aufgeflogen, die die Diskussion um die Existenz der Eiszeitkunst neu anheizten (Lindenschmit 1876; Justus 2009). Im Falle des 1912 gefundenen Piltdown-Menschen gelang die Identifizierung als Fälschung erst mit neuen Methoden 50 Jahre später. So lange einzelne Objekte und deren stilistische und typologische Einordnung im Mittelpunkt stand, wie insbesondere auch bei primär als Kunst erachteten klassisch archäologischen Funde, galt das Hauptinteresse der Frage "echt oder gefälscht?"
Im 19. und 20. Jahrhundert gab es einige archäologische Affären, die Fundfälschungen zum Gegenstand hatten. So waren 1867 Fälschungen eiszeitlicher Kunst aus dem Kesslerloch bei Thayngen (Abb. 3.1) aufgeflogen, die die Diskussion um die Existenz der Eiszeitkunst neu anheizten (Lindenschmit 1876; Justus 2009). Im Falle des 1912 gefundenen Piltdown-Menschen gelang die Identifizierung als Fälschung erst mit neuen Methoden 50 Jahre später. So lange einzelne Objekte und deren stilistische und typologische Einordnung im Mittelpunkt stand, wie insbesondere auch bei primär als Kunst erachteten klassisch archäologischen Funde, galt das Hauptinteresse der Frage "echt oder gefälscht?"
Abb. 3.1 Die Fälschungen eiszeitlicher Kunst aus dem Kesslerloch bei Thayngen und ihre Vorlagen aus Kinderbüchern (nach Lindenschmit 1876 [public domain]) |
Die Einteilung von Funden nach Materialklassen wie Metall, Stein, Keramik oder Holz und nach Fundumständen bildeten die Anfänge einer weiterführende. Quellenkritik. Diese Einteilungen entstanden allerdings keineswegs aus kritischen Überlegungen und waren zunächst nicht mehr als ein Mittel musealer Präsentation und Inventarisation (Eggers 1986, 264).
Donnerstag, 24. Januar 2013
Indianerspitzen von der Schwäbischen Alb
Das Problem verschleppter Artefakte und von Abfällen moderner "experimenteller" Archäologie ist im Prinzip erkannt (vergl. Archaeologik). Es ist kein neues Problem. Hier seien einige Beispiele extremer Fundverschleppungen aus dem Württembergischen gezeigt, die aber gleichwohl von kulturhistorischer Bedeutung sind - wenn auch nicht für die Steinzeit, sondern für die Geschichte des 19. Jahrhunderts.
1.) Im Heimatmuseums Geislingen liegen 8, teilweise fragmentierte Geschossköpfe. Sie sind in dem von Georg Burkhardt in den 1920er und 30er Jahren angelegten Inventarbuch unter der Nummer 624 verzeichnet.
Abb. 1. Heimatmuseum Geislingen Inv. 624: indianische Pfeilspitzen (Foto R. Schreg, 1993) |
Montag, 21. Januar 2013
Die Beute des Ben Ali
Tuniscope berichtet über die Eröffnung einer Ausstellung im Museum von Karthago. Sie zeigt Antiken, die die Familie des im arabischen Frühling gestürzten tunesischen Präsidenten Ben Ali zusammengerafft hatte:
Interner Link
- tuniscope.com (15.1.2013): En vidéo : Inauguration de l'exposition des antiquités volées par Ben Ali
Interner Link
Samstag, 19. Januar 2013
Bodenerosion 1342 - ein Rechtsstreit in Esslingen
Schriftliche Quellen, archäologische und geoarchäologische Befunde erweisen den Sommer 1342 als das Jahr des Jahrtausendhochwassers. Der Wasserabfluß war 10 bis 100 mal stärker als seitdem einmal. Neben Überschwemmungen lässt sich vor allem eine enorme Bodenerosion ausmachen, die mancherorts zu tiefem Schluchtenreissen geführt hat (Bork u.a. 2011).
Die Quellen beziehen sich vorrangig auf Main und Rhein sowie auf den Nordrand der Mittelgebirge entlang der Weser. Auch die Donau bei Regensburg und Wien war betroffen.
Über die Auswirkungen in Südwestdeutschland und insbesondere am mittleren und oberen Neckar ist bislang wenig bekannt.
Eine Urkunde aus Esslingen, ausgestellt am 9. September 1342 (EUB 368f. [Nr. 729]) hält die Entscheidung einer Klage des Esslinger Augustinerpriors Dymes von Gomaringen gegen Abt Ulrich von Kaisheim fest. Anlaß des Streits war, dass Erde von einem Kaisheimer Weinberg in das Areal des Augustinerklosters geschwemmt worden war. Abt Ulrich behauptete nun, die Augustiner hätten zu nahe an seinem Weinberg gegraben.
Die Richter ordneten eine Vermessung des Platzes an und bestimmten schließlich, das Kloster Kaisheim müsse früher vorhandene Mauern wieder aufführen und den Weinberg mit Zäunen und Hecken vermachen sowie Erde, die auf Augustinergrundstück falle, auf eigene Kosten wegführen. Das Wasser solle seinen früheren Abfluss behalten.
Die Stadt Esslingen in der Ansicht des Andreas Kieser. Das fragliche Grundstück ist der Hang unterhalb der Burg, im Bereich der dargestellten Schenkelmauer zwischen Stadt und Burg (HStA Stuttgart H 107/15 Bd 7 Bl. 22, via Wikimedia Commons) |
Auch wenn die Schenkelmauer das potentielle Einzugsgebiet der Erosion 1342 noch nicht beschnitten hat: Die Bodenerosion ist hier am Hang auf lokale Niederschläge zurückzuführen. In der Urkunde - genauer gesagt in deren Regest - heisst es, dass "stets" Erde vom Weinberg in das Kloster falle, es ist also nicht von einem einzelnen herausragenden Unwetter die Rede. Dennoch fällt es schwer zu glauben, dass eine der ganz wenigen schriftlichen Quellen zu Bodenerosion im Mittelalter nur rein zufällig wenige Wochen nach der Extremwetterlage im Sommer 1342 entstanden ist.
Als Arbeitshypothese wird man vermuten dürfen, dass auch das mittlere Neckarland im Sommer 1342 heftige Regen gesehen hat, die Wassermassen aber erst weiter unterhalb zu den verheerenden Hochwässern geführt haben.
Größere Kartenansicht - Die Situation im modernen Luftbild. Das Areal des 1668 zerstörten
Augustinerklosters liegt unmittelbar unterhalb der auch heute noch bebauten, das Esslinger
Stadtbild prominent bestimmenden Weinberge zwischen Stadtmauer (etwa markiert durch den
modernen Straßenverlauf) und ehemaliger Burg. Der sanfte Taleinschnitt erschließt heute eine
lockere Wohnbebauung.
Literaturverweise
Freitag, 18. Januar 2013
Köln: Archäologie und Kommunalpolitik
Archäologische Zone in Köln (Foto: 1971markus [CC-BY-SA-3.0-de], via Wikimedia Commons) |
Donnerstag, 17. Januar 2013
Die Pompeji-Prämisse (Archäologische Quellenkritik II)
Rainer Schreg
Die Blogposts der kleinen Serie 'Archäologische Quellenkritik' gehen auf ein Manuskript zurück, das 1998 für ein Oberseminar am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters in Tübingen entstanden ist, das ich gemeinsam mit Frau Prof. Scholkmann angeboten hatte. Eine immer wieder angedachte Publikation ist aufgrund anderer Projekte nie zustande gekommen. Ich stelle sie hier als Blogposts ein, wobei nur minimale Bearbeitungen und Aktualisierungen erfolgen.
Die Blogposts der kleinen Serie 'Archäologische Quellenkritik' gehen auf ein Manuskript zurück, das 1998 für ein Oberseminar am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters in Tübingen entstanden ist, das ich gemeinsam mit Frau Prof. Scholkmann angeboten hatte. Eine immer wieder angedachte Publikation ist aufgrund anderer Projekte nie zustande gekommen. Ich stelle sie hier als Blogposts ein, wobei nur minimale Bearbeitungen und Aktualisierungen erfolgen.
Abb. 2.1 Pompeji: Gipsabguß eines Körpers (Foto R. Schreg, 1987) |
Mittelitalien, 24. August 79 n.Chr., etwa 10 Uhr morgens: Für die Bewohner des antiken Pompeji beginnt eine Katastrophe, 3 Stunden später ist jedes Leben in der Stadt erloschen, die Gebäude und ihre Bewohner sind unter der Asche des Vesuv begraben. Was mehreren tausend Menschen das Leben kostete, ist für die Archäologie ein Glücksfall, da die Katastrophe einen letzten Augenblick der antiken Stadt konserviert hat. Man betritt heute das Atrium eines Hauses und sieht es fast so, wie es auch sein Hausherr vor 1920 Jahren gesehen hat. Die Stadt und ihre Bewohner wurden abrupt aus dem Leben gerissen. Die Erhaltungsbedingungen sind in Pompeji außerordentlich gut. Die Asche hat die Häuser zwar zusammengedrückt, aber vollständig bedeckt und versiegelt. Jüngere Störungen sind kaum vorhanden und alle Gegenstände liegen prinzipiell in originalem Kontext (auch wenn das die frühen Grabungen leider oft ungenügend dokumentiert haben). Organische Materialien haben sich zumindest als Hohlräume erhalten, die als Gipsausgüsse wiedergewonnen werden können. Dadurch sind nicht nur Holzgegenstände, sondern auch die Spuren der Vegetation - und auch die Leichen der Bewohner - archäologisch erfaßbar geblieben. Erstarrt im Moment der Katastrophe.
Mittwoch, 16. Januar 2013
Mix der Traditionen
jetzt online:
R. Schreg, Mix der Traditionen – Keramik und Kulturadaption in der Neuen Welt. Kolonialzeitliche Keramikfunde aus Panamá la Vieja, Mittelamerika. In: P. Stockhammer (Hrsg.), Keramik jenseits von Chronologie. Internationale Archäologie. ASTK 14 (Rahden/Westf. 2009) 117-134
siehe Warenarten, Traditionen und Identitäten. Archaeologik (24.11.2011)
R. Schreg, Mix der Traditionen – Keramik und Kulturadaption in der Neuen Welt. Kolonialzeitliche Keramikfunde aus Panamá la Vieja, Mittelamerika. In: P. Stockhammer (Hrsg.), Keramik jenseits von Chronologie. Internationale Archäologie. ASTK 14 (Rahden/Westf. 2009) 117-134
siehe Warenarten, Traditionen und Identitäten. Archaeologik (24.11.2011)
Montag, 14. Januar 2013
Pakistan: Schatzjäger mit Detektoren und Traktoren
Stupa des buddhistischen Klosters Mohra Muradu (Foto: Dawoodmajoka [gemeinfrei], via WikimediaCommons) |
"Eine Bande einflußreicher Schatzjäger" plünderte archäologische Befunde bei dem aus dem 2.-5 Jahrhundert n.Chr. stammenden, seit 1980 als Teil der UNESCO-Weltkulturerbe Taxila eingetragenen buddhistischen Klosters Mohra Muradu. Um ihre Zerstörungen zu verbergen, planierten sie anschließend das Gelände mit Traktoreneinsatz. Anwohner alarmierten Polizei und Denkmalbehörde.
Archäologen fordern nun eine Verschärfung des seit den 70er Jahren gültigen Denkmalschutzgesetzes.
Links
Samstag, 12. Januar 2013
Von der vergangenen Realität zur rekonstruierten Realität (Archäologische Quellenkritik I)
Rainer Schreg
Die Blogposts der kleinen Serie 'Archäologische Quellenkritik' gehen auf ein Manuskript zurück, das 1998 für ein Oberseminar am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters in Tübingen entstanden ist, das ich gemeinsam mit Frau Prof. Scholkmann angeboten hatte. Eine immer wieder angedachte Publikation ist aufgrund anderer Projekte nie zustande gekommen. Ich stelle sie hier als Blogposts ein, wobei nur minimale Bearbeitungen und Aktualisierungen erfolgen.
Die Archäologie - gleich welcher Fachrichtung oder theoretischer Ausrichtung - bemüht sich um die Rekonstruktion einer vergangenen Realität. Quellen unserer Kenntnis und gleichzeitig unsere archäologische Datenbasis sind materielle Überreste - Funde und Befunde. Sie sind einerseits direkt von der vergangenen Realität abhängig und andererseits grundlegend für unsere Rekonstruktion der Vergangenheit (Abb. 1). Da der Archäologe durch seine Geländetätigkeit aktiv an der Erweiterung der Datenbasis arbeitet, ist seine Datenbasis nicht nur den Formationsprozessen der Überlieferung ausgesetzt, sondern kann auch durch moderne Faktoren beeinflußt werden. Aussagen anderer Quellen, moderne Forschungsergebnisse, aber auch unser eigenes gesellschaftliche Umfeld wirken auf die Datenbasis zurück.
Abb. 1.1 Vergangene Realität und rekonstruierte Realität (Graphik R. Schreg) |
Solche Probleme wurden bislang vor allem in der angelsächsischen Theoriediskussion aufgegriffen, haben in Deutschland aber nur geringe Resonanz gefunden. Diese allgemein zu konstatierende ablehnende Haltung gegenüber theoretischen Reflektionen innerhalb der deutschen Archäologie ist in der Archäologie des Mittelalters noch viel stärker ausgeprägt. Das ist bis zu einem gewissen Grad sicher forschungsgeschichtlich bedingt. Die deutsche Archäologie des Mittelalters ist aus der Praxis entstanden. Da das Fach zudem immer wieder als eine historische Disziplin aufgefaßt wurde, sah man keinen Anlaß, sich etwa mit der "ahistorischen" New Archaeology zu befassen (Fehring 2000, 194f.). Letzteres dürfte Grund sein, daß sogar in Großbritannien die Medieval Archaeology nur auffallend selten theoretische Themen aufgreift.
Tatsächlich hat die Archäologie des Mittelalters aber einen ganz erheblichen Bedarf an Theoriebildung. Der Diskussion kulturanthropologisch-soziologischer Konzepte kann die Archäologie des Mittelalters nicht dadurch aus dem Weg gehen, indem sie sich auf die Geschichtswissenschaften beruft, wurde und wird dort doch bis heute selbst eine Diskussion um "Geschichte als historische Sozialwissenschaft" geführt.
Tatsächlich hat die Archäologie des Mittelalters aber einen ganz erheblichen Bedarf an Theoriebildung. Der Diskussion kulturanthropologisch-soziologischer Konzepte kann die Archäologie des Mittelalters nicht dadurch aus dem Weg gehen, indem sie sich auf die Geschichtswissenschaften beruft, wurde und wird dort doch bis heute selbst eine Diskussion um "Geschichte als historische Sozialwissenschaft" geführt.
Archäologische Quellenkritik
Die Blogposts der in den nächsten Wochen geposteten kleinen Serie 'Archäologische Quellenkritik' gehen auf ein Manuskript zurück, das 1998 für ein Oberseminar am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters in Tübingen entstanden ist, das ich gemeinsam mit Frau Prof. Scholkmann angeboten hatte. Eine immer wieder angedachte Publikation ist aufgrund anderer Projekte nie zustande gekommen. Ich stelle sie hier als Blogposts ein, wobei nur minimale Bearbeitungen und Aktualisierungen erfolgen. Manche Beispiele und manche Aussagen zur Forschungslage sind nicht mehr ganz aktuell!
I Von der vergangenen Realität zur rekonstruierten Realität
II Die Pompeji-Prämisse
III Konzepte der Quellenkritik in der Forschungsgeschichte
IV Formationsprozesse und ihre Faktoren
V Die Identifikation von Formationsprozessen
VI Formationsprozesse in der historischen Archäologie
Weitere Beispiele aus früheren Blogposts:
Freitag, 11. Januar 2013
USA - Plünderung auf öffentlichem Land
Archäologische Funde gehören keinem Einzelnem! In den USA macht es indes einen wesentlichen Unterschied ob eine Fundstelle auf Privatland oder "public land" liegt. Der Denkmalschutz greift fast nur auf letzterem. Aber grade hier nehmen Plünderungen überhand.
Ein Kommentar zu den Plünderungen indianischer Fundstellen in den USA:
Sinkende Wasserspiegel durch die Trockenheit der vergangenen Jahre hat archäologische Fundstellen freigegeben, die nun geplündert werden. Eine Bestandsaufnahme hat 2012 in Texas gezeigt, dass dort 98% der Fundstellen Plünderungsspuren aufweisen.
Hanson wendet sich gegen das Verständnis archäologischer Funde als Schätze (vergl.
Mittwoch, 9. Januar 2013
apud Giselingen
Ansichtskarte Geislingen, gelaufen 1906 (PD) |
Es sei an dieser Stelle auf das Blog apud giselingen hingewiesen, das sich als Informations- und Diskussionsforum zur
Stadtgeschichte von Geislingen an der Steige versteht. Hier finden sich Beiträge zu
archäologischen Funden und Befunden, zu stadtgeschichtlichen Ereignissen
und Begebenheiten, zur örtlichen
Familien- und Personengeschichte, sowie zu aktuellen Themen der
Stadterhaltung und des örtlichen Denkmalschutzes.
Betrieben wird das Blog durch Stadtarchivar Hartmut Gruber. Ich versuche Erfahrungen aus meinen eigenen eher tastenden Blog-Gehversuchen einzubringen und steuere gelegentlich Beiträge bei, die aus dem alten Fundus meiner Geislinger Forschungen zu Beginn der 1990er Jahre oder aus den andauernden Arbeiten mit der Sammlung Kley bzw. dem Projekt zur mittelalterlichen Siedlungslandschaft auf der Stubersheimer Alb schöpfen.
Betrieben wird das Blog durch Stadtarchivar Hartmut Gruber. Ich versuche Erfahrungen aus meinen eigenen eher tastenden Blog-Gehversuchen einzubringen und steuere gelegentlich Beiträge bei, die aus dem alten Fundus meiner Geislinger Forschungen zu Beginn der 1990er Jahre oder aus den andauernden Arbeiten mit der Sammlung Kley bzw. dem Projekt zur mittelalterlichen Siedlungslandschaft auf der Stubersheimer Alb schöpfen.
Archäologische Beiträge, die von mehr als lokalem Interesse sein könnten, werde ich auf Archaeologik verlinken (wenn nicht gleich andersherum Beiträge aus Archaeologik bei apud giselingen unterschlupfen).
Bislang:
Dienstag, 8. Januar 2013
Baubarbaren in Passau
Die Frage, "welch archäologisch bedeutende Schätze eventuell
unter dem Beton der Studentenwohnanlage auf ewig begraben liegen", stellt
sich wahrscheinlich gar nicht mehr. Sie sind abgebaggert und endgültig
zerstört:
wochenblatt.de (8.1.2013): Dran, drauf, drüber übers Römererbe
via Tribur.de
Update (13.1.2013):
wochenblatt.de (8.1.2013): Dran, drauf, drüber übers Römererbe
via Tribur.de
Update (13.1.2013):
Das Urheberrecht der Eiszeitmenschen
Lascaux (Foto: Peter80 unter einer CC BY SA 3.0 bei WikiMediaCommons eingestellt!) |
Welche Rechte auch immer das Département Dordogne an der Eiszeitkunst der Lascaux-Höhlen in Anspruch nimmt - das Urheberrecht kann es wohl kaum sein. Das erlischt nämlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Darum geht der "Preis des schlimmsten Copyfrauds 2012" an das Département Dordogne: Numerama (31.12.2012): Le pire du droit d'auteur en 2012 (Worst of CopyrightMadness)
Freilich: hier geht es nicht um einfache Fotos der Höhlenbilder, sondern um 3D-Faksimiles, die über fotogrammetrische Fotos von Hand auf, mittels Laserscans hergestellte Modelle der Höhlenwände übertragen wurden. Nachdem die vom Département beauftragte Produktionsfirma Konkurs angemeldet hat, wurden in dem nun laufenden Rechtsstreit Urheberrechte geltend gemacht.
sudouest (11.10.2012): Lascaux, Sanson et la vache espagnole mit franz. Video zur Entstehung der Nachbildung Lascaux III
via Archivalia (5.1.2013): Urheber, die 17.000 Jahre tot sind;
Mareike König auf Google+
Freitag, 4. Januar 2013
Notgrabungen in einer chinesischen Münzstätte - und die Ignoranz des Münzsammlers
Eine Münzstätte des 1. Jahrhunderts v.Chr. wurde in Huoluochaideng, in der innermonglischen Region Xinhua entdeckt und in einer Notgrabung geborgen. Geborgen wurden 3500 kg gegossene Kupfermünzen, aber auch über 100 Gußformen. Die Funde stammen aus drei Gruben auf dem Areal der Werkstatt. Die Lokalisierung einer Münzstätte wie auch die Grubenbefunde und die unscheinbaren Produktionsreste bieten wichtige Informationen zur Wirtschaftsgeschichte und Numismatik. - Grabungen in einer Münzstätte sind ein Glücksgriff, bieten sie doch durch die Verknüpfung mit einer konkreten
Lokalität und ihrem handwerklichen Kontext einen wichtigen Schlüssel
für ein historisches Verständnis des Münzumlauf als auch der einzelnen
Münzen.
Die Grabung wurde als Notgrabung durchgeführt, nachdem polizeiliche Ermittlung in drei Fällen des Diebstahls ("theft cases") zu Verhaftungen und zu Hinweisen auf die Fundstelle geführt haben. Hätte die Polizei die Plünderer nicht rechtzeitig gestoppt, wäre eine große Zahl provenienzloser Münzen auf den Markt gekommen.
Paul Barford hat in seinem Blog Portable Antiquity Collecting and Heritage Issues die Meldung aufgegriffen. Erschreckend ist der Ko mmentar von Peter Tompa (Vorsitzender der amerikanischen Ancient Coin Collector Guild und Betreiber des Sammler- und Händler-Interessen verfolgenden Blogs Cultural Property Observer): "Kann diese große Zahl an Münzen überhaupt ausgewertet werden? Was passiert danach mit ihnen?" Viel besser hätte er die Ignoranz für die wissenschaftlichen Aspekte der Numismatik nicht audrücken können. Barfords Antwort ist nichts hinzuzufügen.
- Times of India (30.12.2012): 'Huge quantity of ancient coins found in China'
- English.News.cn (30.12.2012): '3,500 kg of ancient coins excavated in N China'
Die Grabung wurde als Notgrabung durchgeführt, nachdem polizeiliche Ermittlung in drei Fällen des Diebstahls ("theft cases") zu Verhaftungen und zu Hinweisen auf die Fundstelle geführt haben. Hätte die Polizei die Plünderer nicht rechtzeitig gestoppt, wäre eine große Zahl provenienzloser Münzen auf den Markt gekommen.
Paul Barford hat in seinem Blog Portable Antiquity Collecting and Heritage Issues die Meldung aufgegriffen. Erschreckend ist der Ko mmentar von Peter Tompa (Vorsitzender der amerikanischen Ancient Coin Collector Guild und Betreiber des Sammler- und Händler-Interessen verfolgenden Blogs Cultural Property Observer): "Kann diese große Zahl an Münzen überhaupt ausgewertet werden? Was passiert danach mit ihnen?" Viel besser hätte er die Ignoranz für die wissenschaftlichen Aspekte der Numismatik nicht audrücken können. Barfords Antwort ist nichts hinzuzufügen.
Dienstag, 1. Januar 2013
Meldungen aus Syrien (Dezember 2012)
Auch im Dezember gibt es wieder Meldungen in verschiedenen Nachrichtenquellen, die über Zerstörungen und Plünderungen in Syrien berichten.
Die Financial Times (27.12.2012): War looters threaten Syria's heritage (Registrierung nötig) weist darauf hin, dass die Rebellen den Antikenschmuggel kontrollieren und damit ihre Waffenlieferungen finanzieren. Der Artikel zitiert Prof. Maamoun Abdul Karim, Leiter der syrischen Behörde für Altertümer und Museen, wonach die Behörde verstärkt auf Kooperation mit den Anwohnern setzt. Le patrimoine archéologique syrien en danger الآثار السورية في خطر berichtet inzwischen von "zivilgesellschaftlichen" Initiativen unter anderem in Dura Europos. Vor Ort ist allerdings wahrscheinlich wenig zu erreichen, aber es sollte mehr getan werden, um wenigstens die Plünderungen und Raubgrabungen zu stoppen, die auf Absatz im internationalen Antikenmarkt hoffen. Ein wichtiger Schritt dazu ist sicherlich eine Rote Liste, wie sie ICOM vorbereitet (ICOM (18.10.2012): ICOM to launch a Red List for Syria). Abdul Karim forderte nach dem Bericht der FT aber auch die Nachbarländer zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber Raubgut auf.
Die Financial Times (27.12.2012): War looters threaten Syria's heritage (Registrierung nötig) weist darauf hin, dass die Rebellen den Antikenschmuggel kontrollieren und damit ihre Waffenlieferungen finanzieren. Der Artikel zitiert Prof. Maamoun Abdul Karim, Leiter der syrischen Behörde für Altertümer und Museen, wonach die Behörde verstärkt auf Kooperation mit den Anwohnern setzt. Le patrimoine archéologique syrien en danger الآثار السورية في خطر berichtet inzwischen von "zivilgesellschaftlichen" Initiativen unter anderem in Dura Europos. Vor Ort ist allerdings wahrscheinlich wenig zu erreichen, aber es sollte mehr getan werden, um wenigstens die Plünderungen und Raubgrabungen zu stoppen, die auf Absatz im internationalen Antikenmarkt hoffen. Ein wichtiger Schritt dazu ist sicherlich eine Rote Liste, wie sie ICOM vorbereitet (ICOM (18.10.2012): ICOM to launch a Red List for Syria). Abdul Karim forderte nach dem Bericht der FT aber auch die Nachbarländer zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber Raubgut auf.
Bereits im Mai 2012 hat Emma Cunliffe (Durham) eine erste Liste beschädigter Denkmäler und Fundstellen erarbeitet (vergl. Global HeritageNetwork: New Report on Damage to Syria’s Cultural Heritage). Der Artikel von D. Estrin, Why One Researcher is Documenting the Damage to Syria’s Archaeological Sites. The World (11.12.2012) berichtet über ihre fortgesetzte Bemühungen, die Schäden aus der Ferne zu dokumentieren. Auf die Frage nach dem Nutzen der Liste, verweist sie auf die nötigen Restaurierungsarbeiten in einer Nachkriegszeit. Möglicherweise liegt ein weit größerer Nutzen aber auch darin, dass damit eventuell illegal gehandelte Objekte identifiziert werden können. Insofern ist es wünschenswert, dass bald ein Update der Liste veröffentlicht wird.
Problematisch sind je eben nicht nur die Zerstörungen, sondern auch die Plünderungen von Museen, Grabungsdepots und Fundstellen.
Die Grabungshäuser der Grabungen Tell Touqan und Tell el-Kerkh im Bezirk Idlib wurden geplündert. - Le patrimoine archéologique syrien en danger الآثار السورية في خطر
Ein youtube-Video vom August, auf das der Artikel über Emma Cunliffe aufmerksam macht, zeigt Zerstörungen an den Monumenten, aber auch Raubgrabungen in einer der Toten Städte Nordsyriens.
Link zu einem Video von عامر الشبيب الكامرا الحرة bei youtube (4.9.2012): إدلب قرية المغارة تقرير عن الأضرار التي تعرضت لها الأثار في القرية
Von Kollegen hört man, dass Funde aus vielen syrischen Museen in arabischen Staaten "in Sicherheit" gebracht werden. Das sind offenbar vielfach private Aktionen, bei denen die Funde kaum registriert werden. In syrischen Museumsdiensten sind nur relativ wenige Archäologen beschäftigt. Die Grenzen zwischen Sicherung und Plünderung sind für Außenstehende nur schwer zu ziehen.
weitere Links
- Global Heritage Fund (5.12.2012): UNESCO Director General: World Heritage Sites Need Better Protection
- statesman.com (1.12.2012): Syria’s rich cultural treasures become casualty of ongoing fighting
- NBCNews (28.11.2012): Syrians risk lives in battle to protect nation's ancient sites
- The living Syrian cultural heritage in danger. part 4, The palm grove of Palmyra
- CNN (7.12.2012): Inside Syrian city scarred by war - Bericht aus Aleppo
- Travel News (5.12.2012): Fighting ruins tourism in Syria mit Blick auf den Tourismus
- bereits vom Oktober: Museums Journal 112/10 (1.10.2012): Syrian museums looted and antiquities traded for arms
interne Links
- Syrien: "Krieg ist gut fürs Geschäft" (November)
- Aleppo und die Zerstörungen in Syrien (Oktober)
- Neue Meldungen zu Syrien (September)
- Zerstörungen in Syrien - Echo im Web (August)
- Neue Meldungen aus Syrien (Juli)
- Feuer auf Apameia (Juni)
- Syrische Truppen zerstören Kreuzfahrerburg (Mai)
- generell: Beiträge auf Archaeologik zu Syrien
Archaeologik 2012
Nach dem Ablauf von 2012 wiederum eine kurze Zwischenbilanz mit den Top Ten der meist aufgerufenen Posts:
Insgesamt sind es jetzt etwas mehr als 65500 Zugriffe.
- Syrische Truppen zerstören Kreuzfahrerburg
04.05.2012, 1376 Seitenaufrufe - Mittelalterliche Keramik aus Geislingen
14.12.2011, 1327 Seitenaufrufe - Rotlicht statt Wissenschaft - übereilter Medienrummel
23.07.2011, 1084 Seitenaufrufe - Faltblatt Raubgräber
24.07.2011, 993 Seitenaufrufe - ZDF animiert Raubgräber
22.01.2012, 884 Seitenaufrufe - TV-Shows plündern archäologische Fundstellen
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