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- Syrien: 36 Tote nach israelischem Angriff in Palmyra. Rhein-Zeitung 19.11.2024. - https://www.rhein-zeitung.de/deutschland-welt/politik/syrien-36-tote-nach-israelischem-angriff-auf-palmyra_arid-4004095.html
Archaeologik ist ein Wissenschaftsblog zu Themen der Archäologie und des Kulturgutschutzes. Er zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert.
Archaeologik is a science blog contributing to various aspects of critical archaeology and cultural heritage including methodology, theory and daily archaeological practice.
Das Schatzhaus von Petra (Foto: Bernard Gagno, CC BY SA 3.0 via WikimediaCommons) |
Alles schön für die Kamera vom Discovery Channel, kurz vor Ausstrahlung der neuen Folge.
Ach ja, der Heilige Gral des Indiana Jones wird allen Ernstes auch noch gefunden.
- Schäbig, kolonialistisch, unverantwortlich und zum Schaden der Wissenschaft und des Anstands.
(ich empfehle die automatische Übersetzung...)
In Deutschland sind auf diesen Schmu reingefallen:
Österreich und die Schweiz halten mit:
Am 28.10.2023 forderte Israel die Bewohner von Baalbek im Nordosten des Libanon auf, die Stadt wegen bevorstehender Angriffe gegen die Hisbollah zu verlassen.
Baalbek ist bekannt wegen der gut erhaltenen römischen Tempel, die zum UNESCO-Weltkulturerbe rechnen: https://whc.unesco.org/en/list/294/
Bacchus-Tempel in Baalbek (Foto: Lodo, CC BY SA 2.0 via WikimediaCommons) |
Viel wurde in den deutschen Medien Ende Oktober über die bevorstehenden israelischen Angriffspläne berichtet. U.a.:
Bereits fast zwei Wochen zuvor veröffentlichte ICOMOS ein Statement:
Wenig ist in den deutschen Medien nun über Opfer und Schäden der tatsächlich erfolgten Luftangriffe zu lesen. Im September wurden bereits einige Ziele wenige Kilometer nördlich der Stadt angegriffen.
Bildmaterial verschiedener Agenturen (AFP, ZUMAPress) zeigt nun massive Zerstörungen nur wenig von den Ruinen der römischen Thermen am Südwestrand des Denkmälerkomplexes entfernt. Die Zerstörungen betreffen den Bereich des berühmten, 1874 errichteten Hotels Palmyra, eines der ältesten Hotels des Libanon, in dem neben dem deutschen Kaiser auch Nina Simone übernachtete (Spiegel 2016). Seine Geschichte gilt als ein Abbild der Geschichte des modernen Libanon mit direktem Bezug zu dessen älterem Erbe.
Baalbek, patrimonio de la humanidad según la UNESCO, amanece así.
— andrea lópez-tomàs ✍🏼 (@andrelopeztomas) November 8, 2024
Frente a los grandes templos de la histórica ciudad fenicia, griega y romana, sólo quedan escombros. La destrucción ha alcanzado el hotel Palmira que, desde hace 150 años, tiene maravillosas vistas a la Historia. pic.twitter.com/OCUFLjxqNX
In einem Artikel von 2012 hatten die Autoren die Risiken für das UNESCO- Kulturerbe in Baalbek diskutiert und neben dem Erdbebenrisiko und dem - teils durch Altrestaurierungen begünstigten - Zerfall der Ruinen auch bewaffnete Konflikte und den Toursimus als Risikofaktoren benannt (Smars u.a. 2012). Damals wurde als dringende Maßnahme eine genauer Dokumentation der Ruinen gefordert. Ob das inzwischen in Angriff genommen oder gar erledigt werden konnte, entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin kann hier auf ein schon seit 2001 laufendes Projekt des Deutschen Archäologischen Instituts verwiesen werden. Dabei ist auch eine 3D-Rekonstruktion des Tempelkomplexes entstanden. Zwischen 2016 und 2018 wurde ein vom Auswärtigen Amt finanziertes und vom DAI und dessen libanesischen Partner durchgeführtes Konservierungs- und Präsentationsprojekt durchgeführt, das größere Teile der archäologischen Stätten abdeckte (van Ess/ Abdul Massih 2021).
Wieder mal: New elected president (Foto: Michael Vadon [CC BY SA 4.0] via Wikimedia Commons) |
Die altnordischen Sagas beleuchten die Entwicklung von Machtdynastien und Staatsbildung im mittelalterlichen Norwegen (ca. 1060–1537 n. Chr.). Obwohl sie Jahrhunderte nach den geschilderten Ereignissen von isländischen Gelehrten verfasst wurden, basieren sie wahrscheinlich auf mündlichen Überlieferungen und verlorenen Manuskripten. Ein Beispiel ist die Sverris Saga, die den Aufstieg von König Sverre Sigurdsson (1151–1202 n. Chr.) beschreibt, der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts über Norwegen herrschte. Diese Saga bietet einen Einblick in eine Zeit politischer Instabilität, geprägt von Konflikten und Bürgerkriegen, die weitgehend durch Thronfolgestreitigkeiten verursacht wurden.
Ein Abschnitt der Sverris Saga schildert einen Überfall der Bagler - kirchlich orientierte Gegner von König Sverre - auf die Festung Steinsborg im Jahr 1197, während der König selbst in Bergen weilte. Die Angreifer drangen durch einen geheimen Eingang ein, plünderten die Burg und warfen die Leiche eines Mannes in den Trinkbrunnen, um diesen unbrauchbar zu machen.
Sverresborg: Brunnen vor dem Haupttor (Foto: Wolfmann CC BY SA 4.0 via WikimediaCommons) |
Burg Sverresborg, die mit der Steinsborg aus der Saga identifiziert wird, wurde wohl um 1180 westlich von Nidaros/Trondheim erbaut und war mehrfach das Ziel archäologischer Ausgrabungen. 1938 wurde ein Brunnen bis auf etwa sechs Meter Tiefe ausgegraben, was jedoch ungenügend dokumentiert wurde. In 5 m Tiefe wurden dabei unter einem Paket großer Steine die Reste eines Skeletts angetroffen. 2014 und 2016 fanden Nachgrabungen mit dem Ziel statt, zu prüfen, inwiefern noch Teile des Skeletts zu finden und zu bergen seien. Das Skelett wurde tatsächlich lokalisiert, doch konnte aus Sicherheitsgründen zunächst wiederum nur ein Teil geborgen werden. Das Skelett gehört einem erwachsenen Mann, der im Alter von 30 bis 40 Jahren zu Tode kam. Eine Größenangabe liegt nicht vor. Er litt an chronischen Rückenproblemen und früh einsetzender Arthritis der Hüfte litt. Der gesondert aufgefundene Schädel wieß am Hinterhaupt schwere Hiebverletzungen wohl von einem Schwert auf.
Aktuell wurde nun ein Aufsatz publiziert, der in erster Linie das Genom behandelt, der aber die Saga zur Sensationalisierung nutzt und darauf abhebt, dass es erstmals gelungen sei, das Genom einer Person zu erfassen, die in einer altnordischen Saga auftritt.
Es ist eines der Merkmale der historischen Archäologie, dass aus der Kombination von schriftlichen und archäologischen Quellen ein Wissensmehrwert geschaffen wird, da einem die große Informationsdichte viele neue Einblicke in die Vergangenheit geben kann. Leider geht die Methodendiskussion in der Archäologie immer noch überwiegend um Methoden der Quellenerschließung und der Analytik, wo naturwissenschaftliche Methoden tatsächlich eine Revolution anbahnen. Die Methoden der Interpretation archäologischer Quellen sind hingegen in den letzten Jahren nur wenig vorangekommen. Sie hängen natürlich stark mit den Fragestellungen zusammen, die ihrerseits viel zu wenig reflektiert werden.
Zu diesen Interpretationsmethoden gehört das Feld einer Synthese schriftlicher und materieller Quellen. Der Sverreborger Brunnenmann liefert dazu eine kritische Studie, aus der wir einiges lernen können - auch wenn hier auf eine genaue Analyse von Sverris Saga und der norwegischen Geschichte verzichtet werden muss (nicht mein Fachgebiet). Es lohnt sich aber, den neuen Artikel und die Art und Weise, wie hier vorgeblich solch eine Synthese erreicht wird und was kommuniziert wird, zu reflektieren.
Daher beginne ich mit den Medienberichten zu dem Aufsatz, der verschiedentlich aufgegriffen wurde:
Laut Analyse passt das gefundene Skelett zweifelsfrei ins Alter der Saga. Weitere Untersuchungen bestätigten zudem, dass der Körper einem Mann gehörte, der zum Zeitpunkt seines Todes zwischen 30 und 40 Jahre alt war.
„Der Text der Saga ist weder falsch noch korrekt. Wir haben gesehen, dass die Realität viel komplexer ist als das geschriebene Wort“, teilte dazu die Archäologin Anna Petersén vom Norwegischen Institut für Kulturerbeforschung in der Hauptstadt Oslo mit.
Für die Umsetzung ihrer Ergebnisse in journalistische Inhalte sind die Autor*innen nur begrenzt verantwortlich, doch geben die Presseerklärungen bzw. Texte des NIKU die Narrative vor, die ja auch in den Publikation angelegt sind.
In Sverris Saga, einer der auf Island überlieferten altnordischen Königs-Sagas findet sich ein Passus, in dem es zum Jahr 1197 heißt es in Sverris Saga §137:
„Nun ist zu erzählen von den Baglern, die geflohen waren und deren Anführer und Haupttruppen sich im oberen Teil der Uppländer versammelten und so nach Norden bis zu Trondheim und Niðaróss zogen. Als sie zur Stadt Steinbjörg kamen, lagerten sie ihr Heer um die Stadt und taten vor, dass sie dort campieren wollten. In der Stadt waren Thorsteinn, Kúgaðr und Bjálfi Skinnstakk sowie Asgautr. Sie hatten achtzig Männer, und es mangelte ihnen weder an Waffen noch an Vorräten, und sie hatten nicht wenig zu trinken; die Bagler konnten nichts ausrichten. Dann führten sie Gespräche mit den Stadtbewohnern und versammelten sich im Kristskirkjugarð und legten eine Abgabe auf die Stadt. Sie forderten die Bauern zur Teilnahme am Heer des Gebiets auf; entsprechend der Gepflogenheiten der Birkibeiner ließen sie ihre Männer einen Schwur ablegen, dass sie nicht auf der gegnerischen Seite oder der des Königs sein sollten. Danach gingen sie wieder zur Stadt und eröffneten einen langen Schusswechsel. Dann riefen sie sie heraus. Bischof Nikolás sprach zu Thorsteinn: „Es ist unklug, die Stadt zu halten und unter Belagerung zu stehen. Du wirst mehr in einem anderen Ort verlieren; wir werden eine Streitmacht zu deinem Hof Goðreksstaður senden und dort alles rauben, was vorhanden ist, und die Häuser anzünden und den Hafen verbrennen.“ Nachdem dies gesagt war, rief Thorsteinn Bjálfi Skinnstakk zu sich und sagte ihm, dass es unklug sei, die Stadt lange zu halten, wenn sie belagern wollten; so endete ihr Gespräch, und sie einigten sich darauf, die Stadt aufzugeben; die anderen Stadtbewohner wussten nichts von diesem Plan. Eine geheime Tür war an der Stadt; Thorsteinn ging dorthin und konnte dann mit den Baglern sprechen. Guðbrandr der Jüngere ging ihm entgegen, und sie besprachen ihre Pläne: Thorsteinn bat die Bagler, zuerst in die Stadt hinabzugehen und am Abend zurückzukommen, dann, wenn die Stadtbewohner am wenigsten wachsam waren: „Ich weiß, dass diese gleichen Türen dann offen sein werden.“ Hierauf antwortete Guðbrandr, im Auftrag der Bagler gewährte er allen Stadtbewohnern das Leben, Rüstungen und Kleider. Dann gingen die Bagler in die Stadt und am Abend hinauf zur Burg; Thorsteinn ließ die Tüe öffnen, und die Bagler traten ein. Es war zu der Zeit, als die Stadtbewohner beim Essen waren; sie bemerkten es nicht, bis die Burg voll von den Baglern war. Die Stadtbewohner behielten ihr Leben und ihre Gewänder, aber nur wenige Waffen und kein Geld. Asgaudr und Bjálfi zogen aus der Region, und Thorsteinn war erschöpft; er wurde den Baglern unterworfen und ging mit ihnen. Asgaud und Bialf verließen doe Region, und Thorstein Kugad nahm den Dienst bei den Baglern an und ging mit ihnen. Die Bagler nahmen alle Güter, die sich in der Burg befanden, und brannten dann alle Häuser nieder, die sich dort befanden. Sie nahmen einen toten Mann und warfen ihn in den Brunnen, trugen Steine dorthin und legten sie hin, bis der Brunnen voll war. Bevor sie die Burg verließen, forderten sie die Stadtbewohner auf, alle Steinmauern einzureißen. Und bevor sie aus der Stadt marschierten, verbrannten sie alle Langschiffe des Königs Dann kehrten sie ins Hochland zurück, sehr zufrieden mit der Beute, die sie auf ihrer Reise gesammelt hatten."
(altnord. Text im InternetArchive, S. 324 und abweichend http://www.heimskringla.no/wiki/Sverres_saga, hier Übersetzung mit KI [vgl. engl. Übersetzung], in fett der Teil, auf den Ellegaard et al. 2024 Bezug nehmen, indem sie ihn in ihrem graphical abstract abbilden)
Nú er at segia frá Boglum, er þeir höfðu flýit, at [höfðíngjar ok meginliðit vendu hit efra um Upplönd, ok svá norðr til þrándheims ok til Niðaróss. Ok er þeir komu til [borgar á Steinbjörg, settu þeir lið sitt umhverfis borgina, [ok létust þar skyldu tjalda. þar var fyrír i borginni þorstéinn, kúgaðr ok Bjálfi skínnstakkr ok Asgautr; þeir höfðu LXXX manna, [skorti þá hvártki váþn né vistir, ok eigi drykk; gátu Baglar ekki at gert. Síðan áttu þeir stefnur við bæjarmenn ok þíng uppi í Kristskirkjugarði, lögðu vistagjald á bæinn, ok kröfðu bændr leiðángrs i héraði; [höfðu nú venju Birkibeina, ok lètu (menn)sverja sèr trunaðareiða, [at þeir skyldu rigi vera í gagnstaðarflokki þeirra eða konúngs þeirra. Eptir þetta fóru þeir upp til borgar, ok gerðu þeim lánga skothríð; ok eptir pat kölluðust þeir á. Nikolás biskup mæhi til þorsteins: úráðligt er þér at halda borgina, ok vera í banni; láta muntu meira í öðrum stað; vér skulum gera lið til [Goðreksstaða, bús þíns, ok láta þar ræna öllu því sem til er, en leggja eld í húsin ok brenna hæinn."
Eptir þetta kallaði þorsteinn til sín Bjálfá Skinnstakk, ok sagði honum at úreðligt var at halda lengi borginni, ef þeir vildi umsitja; lauk svà þeirra tali, at þeir urðu á þat sáttir, at upp skyldi gefa borgina; ekki vissu aðrir borgarmenn [þessa ráðagerð.
Laundyr voru á borginni; gekk þorsteinn þar til, ok mátti hann þá tala við Bagla. Guðbrandr úngi gekk til móts við hann, ok gerðu þeír ráð sín á milli: bað þorsteinn [Bagla fara fyrst ofan í bæinn, en koma upp um kveldit, þá er borgarmenn varði minnst: man ék þá opnar láta þessar sömu dyrr. Hèr ímót hèt Guðbrandr. fyrir hönd Bagla öllum borgarmönnum lífsgriðum ok vápna ok klæða. [Síðan fóru Baglar ofan í bæinn, ok um kveldit til borgar upp; þorsteinn lèt þá opnar laundyrnar, gengu Baglar þar inn; þat var í þann tíma er borgarmenn sátu um mat, funnu peir eigi fyrr en [borgin var full af Böglum; fengu borgarmenn lífsgrið, ok höfðu ígángsklæði sín, en fáir yápn, en ekki fé; snerist [Asgaudr ok Bjálfi út til hèraðs, en þorsteinn kúgaðr; gerðist handgenginn Böglum, ok fór; med þeim. Baglar tóku ált fé, þat er í var borginni, ok síðan brendu þeir hvert hús, þat er þár var; þeir tóku einn mann dáuðan, [er þar var ok steyptu í brunninn, báru síðan [þar á ofan grjót, þar til er fullr var, peir stefndu til bæjármönnum at brjóta alla steinveggina [til járðar, áðr en þeir skilðist við; þéir brendu öll lángskip konángs, áðr þeir fóru íbrot. Eptir þetta snerust Jeiraptp til Upplanda, ok þottust hafa [vel ráðit til ,fiár [í þessi ferð.
Der archäologische Befund wurde oben bereits kurz beschrieben. Zu ergänzen ist, dass ein 14C-Datum vorliegt, das kalibriert mit zwei Sigma Abweichung ein Datum von 1020 bis 1165 AD ergibt. Dieses Datum ist älter als der aus Sverris Saga postlierte Zeitpunkt von 1197. Massenspektrometrie zur Bestimmung des stabilen Isotopenverhältnisses von 13C und 15N aus einer Knochenprobe des Skeletts ergab allerdings einen Hinweis auf einen marinen Nahrungsbestandteil von etwa 20 %, was bedeutet, dass die Datierung durch einen marinen Reservoireffekt zu alt ausfällt und entsprechend zu korrigieren ist. Der resultierende kalibrierte/korrigierte Datumsbereich, 1055–1076 (2,5 %), 1153–1277 (92,9 %) kal n. Chr., stimmt gut mit dem erwarteten Datum des Überfalls auf Sverresborg, 1197 n. Chr., überein.
"While we cannot prove that the remains recovered from the well inside the ruins of Sverresborg Castle are those of the individual mentioned in Sverris Saga, the circumstantial evidence is consistent with this conclusion" schreiben die Autor*innen.
Nun passt zwar die Datierung, aber der Artikel sagt wenig über den Befund des Brunnens. Inwiefern ist dieser in einen Baukontext um 1200 eingebettet? Ist das der einzige Brunnen? Lassen sich aber auch Brandspuren einer Zerstörung aus dieser Zeit nachweisen? Dazu gibt es keine Informationen,
Nein, ganz und gar nicht. Die Tatsache, dass der Mann blond war, blaue Augen hatte, 30 bis 40 Jahre alt und vielleicht aus Südnorwegen stammt, trägt zur Frage einer Identifikation des Mannes aus dem Brunnen mit dem 1197 in einen Brunnen gestürzten Leiche überhaupt nichts bei, da die Schriftquelle hierzu gar nichts sagt. Entgegen dem Titel des Artikels bestätigt die DNA hier also auch rein gar nichts. Auch die ergänzenden Informationen zu der Saga sind sehr begrenzt.
Die Autor*innen haben das Genom des Brunnenmanns mit den modernen Genomen von 6140 Norwegern verglichen, um mehr über seine Abstammung und die Region zu erfahren, aus der er stammte. Sie zeigen sich überrascht, dass sein Genom eher zu einer Gruppe passt, die heute für das südwestliche Norwegen charakteristisch ist. Das würde num eher für einen Krieger aus dem Süden, aus dem Umfeld der Bagler sprechen. Dahinter steht wohl die Erwartungshaltung, dass die Angreifer nicht einen der Ihren in den Brunnen geworfen hätten. Kann sein, muß aber nicht sein. Daher ist auch die Schlußfolgerung nicht nachzuvollziehen, warum das Genom des Brunnenmanns anzeigen soll, dass es bereits vor 800 Jahren die in modernen Daten zu sehende genetische Drift gegeben haben soll. Die vorliegenden mittelalterlichen Genome stammen mit Ausnahme des Brunnenmanns aus der Wikingerzeit. Den Raum, aus dem der Brunnenmann nun stammen soll, decken sie nur bedingt ab. In der verwendeten Datenserie sind jedenfalls keine alten Genome der postulierten Herkunftsregion vorhanden, so dass implizit eine Kontinuitätsannahme vorliegt.
links: Karte von Norwegen mit farbcodierten Regionen; rechts: Hauptkomponentenanalyse von 6140 heutigen Norweger*innen mit Farbzuweisung zu den Regionen wie in der Karte dargestellt, sowie 24 alte norwegische Individuen, deren Fundregionen in der Karte beschriftet sind Der Bunnenmann in grün. (Graphik verändert nach Ellegard et al. 2024 CC BY 4.0 via Elsevier) |
Die Diskussion der verschiedenen Interpretationen hat letztlich nichts mehr mit dem Brunnenmann zu tun haben, da er hier nur noch als ein Punkt in einer größeren (aber bei weitem nicht großen) Serie von 24 mittelalterlichen Genomen aus Norwegen auftritt. Die Autor*innen merken selbst an, dass für eine genauere Kenntnis der Entwicklung des norwegischen Genpools weitere Untersuchungen, etwa durch die Sequenzierung älterer Norweger aus den südlichen Provinzen notwendig sind. Als wichtigstes Ergebnis der Studie sehen sie den Nachweis, dass ein wesentlicher Bestandteil der heutigen Genomcharakteristik der Menschen aus den südwestlichen Norwegen bereits vor 800 Jahren vorhanden war. Die deutet darauf hin, dass diese Region lange Zeit isoliert war. Das Genom des "Brunnenmannes" ist damit zwar ein wertvoller Beitrag zu einer statistischen Charakterisierung der mittelalterlichen Population in Skandinavien, aber das Ergebnis, dass der Mann aus dem Brunnen blond und blauäugig war ist vollkommen irrelevant. Es bestätigt populäre Vorstellungen - so what?
Einige Medienberichte vermelden das so. Aber, obwohl wir sein Genom kennen, seine (wahrscheinliche) Augen- und Haarfarbe kennen, wissen wir eben nicht, wer er war. Eigentlich ist es bedenklich, wenn hier das Bild verbreitet wird, ein Mensch wäre durch sein Äußeres ausreichend identifiziert.
Nun mag man aus Gründen einer musealen Präsentation die Geschichte aus Sverris Saga gerne etwas ausschmücken wollen. Immerhin wurde die Ruine vor einigen Jahren Teil des Freilichtmuseums Sverresborg Trøndelag Folkemuseum und wohl aus diesem Anlaß neu restauriert. Details machen eine Geschichte erzählerisch lebhafter und interessanter. - Bestätigen aber auch Klischees und Vorurteile
Zeichnerische Rekonstruktion des Mannes aus dem Sverresborger Brunnen (Graphik Ellegard et al. 2024 CC BY 4.0 via Elsevier) |
Die Autoren schreiben, sie wollten näheres über den Brunnenman und die Ereignisse wissen, die in Sverris Saga, beschrieben sind. Deshalb wären die Genome sequenziert und Untersuchungen zu Geschlecht, Abstammung und sein Aussehen gemacht worden. Die Studie sei eine einzigartige Gelegenheit, ein tieferes Verständnis des historischen Ereignisses zu gewinnen, indem Ergebnisse aus Isotopie, Osteologie, Archäologie und Genetik im Kontext der Informationen eines 800 Jahre alten Texts zusammengeführt würden ("Our study provides an unusual opportunity to gain a deeper understanding of this historical event through the integration of results from isotopic, osteological, archaeological and genetic analyses in the context of information from an 800-year-old text").
Fragestellung und angewandte Methode passen hier in keiner Weise zusammen. Die entscheidenden Fakten für den Abgleich von Befund und Saga - da liegt tatsächlich ein Mann im Brunnen der Burg und die Datierung passt in etwa - wurden 1938 und 2016 mit der Radiocarbondatierung erbracht und kamen völlig ohne Genetik aus. Wenn wir mehr über das Ereignis in den Schriftquellen erfahren wollen, wären eine sorgfältige geophysikalische Prospektion der Burganlage, archäologische Forschungsgrabungen und selbstverständlich eine genauere und vor allem vollständige Textanalyse notwendig. Wurde die Burg tatsächlich komplett geplündert und zerstört? Gehört die Brunnenverfüllung tatsächlich dazu? Wie wurde die Burg nach einem Wiederaufbau mit Wasser versorgt? Betrachten wir überhaupt die richtige Burg?
Sverresborg (Foto: Cato Edvardsen CC BY SA 3.0 via WikimediaCommons) |
Ich sehe in dem Fall eine andere Interaktion von Text und archäologischem Befund. Die Saga behauptet in dem Abschnitt, der der Brunnengeschichte voraus geht, die Stadtbewohner hätten bei der Übergabe ihr Leben behalten. Wenn die Identifikation des Toten Mannes aus dem Brunnen mit der Leiche aus der Saga richtig ist, würde das bedeuten, dass die Stadtbewohner sich sehr wohl zur Wehr gesetzt hätten, denn der Schädel aus dem Brunnen wies Schwerthiebe am Hinterkopf auf, die wohl todesursächlich waren. Insgesamt konnten am Skelett mehrere Traumata beobachtet werden, wobei aber unklar blieb, ob sie vor oder nach dem Tod entstanden sind. Die Verletzungen am Schädel hingegen sind aber sicherlich nicht post-mortem.
Die in den modernen Berichten gerne aufgegriffene Idee, der Leichnam sei gewissermaßen als Biowaffe zur Verseuchung des Brunnens genutzt worden, ergibt sich nicht aus der Schriftquelle. Die genetischen Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf Krankheitserreger, was jedoch methodisch bedingt ist und keine Rückschlüsse zulässt, ob die Leiche vielleicht nicht doch ansteckend gewesen sein könnte.
Es entseht eher ein Widerspruch zwischen Befund und Saga, als eine Bestätigung. Verschiedene Szenarien sind denkbar, wie sich dieser auflösen lässt.
Zunächst könnte das Problem in der Schriftquelle liegen. Die Überlieferung der Saga könnte vor deren Niederschrift die Information der Kämpfe verloren haben, weil sie irgendwann nicht ins Bild passt. Die erhaltene Version der Saga steht eher auf Seiten des Königs und hätte vielleicht die Bagler eher schlecht gemacht - oder wollte man die Niederlage des Königs minimieren? Hier kommt nun doch noch der - allerdings erst zu verifizierende - Befund der Genetik ins Spiel, wonach der Tote aus dem Brunnen aus dem Südwesten Norwegens, dem Gebiet der Bagler stammte, er also wohl einer der Angreifer war. Dann hätten sich die Stadtbewohner doch gewehrt, aber sie wären durchaus mit dem Leben davon gekommen.
Das Problem könnte aber auch im Befund und dessen Identifikation liegen. Dabei ist eventuell schon eine Ebene höher anzusetzen. Die Saga spricht von der Steinsbörg als Ort des Geschehens, nicht von der Sverrisborg. Wie sicher ist denn diese Gleichsetzung? Liegt der Tote im richtigen Brunnen?
Letztlich lässt sich hier viel spekulieren, eine sichere Identifikation ist nicht möglich.
Deutlich wird aber, dass der Artikel die Geschichte vom Brunnenmann nur nutzt, um die Forschungsergebnisse zu hypen. Eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Wahrheitsgehalt der Sagageschichte hätte sich nicht nur mit dem kleinen Ausschnitt des Textes begnügen dürfen, den Befund genauer dargestellt und auf andere geeignetere Methoden als der Genetik gesetzt.
Das Autorenteam, als dessen Senior-Autor der Genetiker Michael D. Martin aus Trondheim fungiert umfasst 18 Naturwissenschaftler und gerade mal zwei Archäolog*innen. Der Artikel zeigt wieder mal, wie naturwissenschaftliche Ansätze mit vorgeblich sensationellen Erkenntnissen solide historisch/archäologische Forschungen überwuchern können und letztlich eher die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit hintertreiben (vgl. Samida/Eggert 2013).
Endlich gibt es in Bayern und Baden-Württemberg die digitalen Grabungsberichte online!
Die neuen Reihen erscheinen auf Propylaeum, dem von der UB Heidelberg und der BSB München betriebenen Fachinformationsdienst für die Altertumswissenschaften. Hier gibt es neben den Online-Zeitschriften, den e-books auch Propylaeum-Dok, wo die hier besprochenen Reihen bisher allerdings die einzigen sind.
Dokumente zur Archäologie in Baden-Württemberg 2 (Umschlag: LfD Bad.-Württ, CC BY-ND 4.0) |
Titel | Baden-Württemberg | Bayern |
---|---|---|
Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Stuttgart-Feuerbach | Die Ausgrabungen in Arnstein im Bereich des Kreisverkehrs an der B 26 | |
Erscheinungsjahr | 2024 | 2024 |
Grabungsjahr | 2022 | 2018 |
Layout | Layout der Grabungsfirma, einspaltig |
einfaches zweispaltiges, wahrscheinlich einheitliches Layout |
Rechte | CC BY SA | Alle Rechte vorbehalten, frei zugänglich |
Inhalt |
1. Auf einen Blick 2. Inhalt 3. Zusatzinformationen • Anlass der Grabung • Veranlassung durch • Durchführende Firma • Fachaufsichtführende Behörde • Vorangegangene Maßnahmen • Absprachen mit Dritten 4. Vorbereitende Maßnahmen • Prospektionen • Vorbereitung der Grabungsfläche • Einrichtung der Grabung • Kontaktdaten der beteiligten Firmen 5. Quellenauswertung • Archiv- und/oder Prospektionsunterlagen • Karten (Urkataster), DGK • andere relevante Karten • Mündliche Überlieferungen • Plan mit Darstellung historischer und aktueller Grundstücksgrenzen 6. Vermessung • Übersichtspläne • Angaben zum Umfang der Fläche • Vermessungssystem und dessen Einbindung • Angaben zu weiteren Vermessungen 7. Erläuterung des Maßnahmenablaufs • Zeitraum • Grabungstechnik • Personal der Maßnahme • Methoden, Bedingungen • Ablauf der Maßnahme • Rekultivierungsmaßnahmen der Fläche 8. Dokumentation • Ablauf der Dokumentationsmaßnahme • Angewendete Dokumentationstechnik 9. Naturwissenschaftliche Maßnahmen • Beschreibung des Probenprogramms • Nennung des Analyselabors sowie Beschreibung der Analysemethoden • Beschreibung der Behandlung der Proben 10. Maßnahmen am Fundmaterial • Blockbergungen • Verwendung chemischer Mittel • Bearbeitung 11. Ergebnisse • Geografische Beschreibung • Geologische/geomorphologische Beschreibung • Zusammenfassende Beschreibung der wichtigsten Befunde und Funde • Grab 01 • Grab 02 • Grab 03 • Grab 04 • Grab 05 • Grab 06 • Grab 07 • Große Grube • Pfostengrube • Moderne Befunde? • Phasenpläne mit Befundnummern • Erste zeitliche und räumliche Interpretation der Befunde und Funde • Übersichtsplan mit den wichtigsten Befunden • Rekonstruktionen • Einarbeitung weiterer Berichte 12. Zusammenfassung der Ergebnisse • Grabräubern auf der Spur |
Information zur Einordnung der Grabungsergebnisse Inhalt Grabungsanlass Wissenschaftlicher Vorbericht • Topographie, Bodenverhältnisse • Befunde und Funde • Neolithikum • Urnenfelderzeitliche Siedlung • Eisenzeitliche Befunde • Das merowingerzeitliche Gräberfeld Fazit Literatur Zusammenfassung |
Angaben zu einzelnen Gräbern | Befundbeschreibung, Funde kursorisch ohne Beschreibung und Fotos im Fließtext erwähnt |
den Grabungsablauf beschreibend, Funde im Fließtext erwähnt,selten abgebildet |
Anhang |
• Übersichtsplan des Gesamtprojekts • Gesamtplan der Grabung • Übersichtsplan der wichtigsten Befunde • Phasenplan • Fundliste |
keiner Pan einspaltig im Text |
Graphikausführung |
Plan als eingebundene Vektorgraphik |
Plan als unscharfe, einspaltige Bildgraphik irgendwo im Text |
Reihe | Publikationsweise | Inhalt | Bemerkung |
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Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg |
Buchpublikation mit Festeinband Moving Wall von 2 Jahren digital im "Open Access" (unterschiedlich lizenziert: Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten oder auch mal CC BY SA 4.0) |
umfassende wissenschaftliche Auswertungen |
die versprochene Bereitstellung nach zwei Jahren ist nicht gegeben |
Materialien zur Archäologie in Baden-Württemberg |
“frei und ohne Karenzzeit zugängliches Online-Format” (Lizenzierung bisher unklar) |
möglichst zeitnahe Bereitstellung von Katalogwerken und Materialeditionen | noch kein Band erschienen |
Dokumente zur Archäologie in Baden-Württemberg |
digital, "Open Access" bislang alle CC BY SA 4.0 |
Grabungsberichte | |
Fundberichte aus Baden-Württemberg |
Buchpublikation mit Moving Wall von 1 Jahr digital im "Open Access" (ist jedoch nur Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten) |
wissenschaftliche Aufsätze | in unregelmäßiger Folge mit sehr zufälliger Fundchronik |
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg |
kartonierte Buchpublikation Jahrbuch |
populärwiss. Vorberichte | |
Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg |
kleinformatige kartonierte Buchpublikation irgendwann digital im "Open Access" (unterschiedlich lizenziert: Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten oder auch mal CC BY SA 4.0) |
regionale Themen der archäologischen Denkmalpflege vorwiegend populärwiss. ausgerichtet. Begleitbände zu Ausstellungen, stärker fachlich orientierte Veröffentlichungen wie Berichte zu wissenschaftlichen Tagungen |
Wie sich das Verhältnis der neuen Dokumente-Reihe zu den Berichten in dem Jahrbuch der “Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg” und in den Fundberichten aus Baden-Württemberg gestalten wird, wird wohl abzuwarten sein. Auffallend ist, dass keine der nun in den Dokumenten vorgelegten Ausgrabungen in den “Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg” aufscheint, obwohl dort doch angeblich “zu fast allen Grabungen kurze Aufsätze veröffentlicht” würden (Krausse 2024, 6). Nach dem erschreckenden Ende der WBG werden die Archäologischen Ausgrabungen nun im Selbstverlag direkt von der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie in Baden vertrieben. Von einer 2023 mit einer Mitgliederbefragung in der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern ins Spiel gebrachten digitalen Publikation ist allerdings nicht mehr die Rede.
Die Lizenzierung der Einzelbände in den Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg ist nicht einheitlich, da sie teilweise mit CC-Lizenz auftreten, teils aber alle Rechte vorbehalten sind - was kein Open Access ist.
Die neuen Reihen sind zu begrüßen!
Eine rasche Einsicht in aktuelle Grabungen ist für die Forschung aber auch für das Bild der Archäologie in der Öffentlichkeit essentiell. Gerade in Zeiten der kommerziellen Archäologie und des Verursacherprinzips ist es wichtig, den zahlenden Verursachern auch ein öffentlich sichtbares Ergebnis zu präsentieren.
Deutlich ist auch, dass nicht mehr jede Grabung standardmäßig in der klassischen Auswertung vorgelegt werden kann - und dies auch nicht mehr muß. Viele Forschungsfragen sind geklärt und nicht jedes merowingerzeitliche Gräberfeld muss nach dem aus den 1940er Jahren stammenden Muster erneut Typologie und Chronologie der Beigaben untersuchen. Ihre Bedeutung liegt nun vorwiegend in der Landes- und Lokalgeschichte sowie in neuen primär sozialarchäologischen Fragestellungen, wo neue naturwissenschaftliche Methoden ebenso von Bedeutung sind, wie serielle, vergleichende Massenauswertungen, die nicht mehr unbedingt an einzelnen Fundstellen ansetzen.
Auch das bisherige Konzept der Landesarchäologien, die Bearbeitungen über universitäre Abschlußarbeiten vornehmen zu lassen und den Druck und ein Stipendium oder bestenfalls eine befristete Teilzeitstelle zu finanzieren, geht nicht mehr auf. Tausenden von denkmalpflegerischen Maßnahmen in Deutschland pro Jahr stehen gerade mal etwa 200 Abschlußarbeiten gegenüber, die Material und Ausgrabungen bearbeiten. Zudem erscheint gerade die Auswertung und historische Einordnung einer Ausgrabung, die wissenschaftlichen und nicht rein deskriptiven Anspruch hat, als eine der schwierigsten wissenschaftlichen Aufgaben in der Archäologie zu sein, die wir bisher systematisch an die unerfahrensten Kolleg*innen delegiert haben.
Hier wird man an einem System nicht vorbei kommen, das festangestellte Grabungsbearbeiter*innen vorsieht, was am ehesten über eine Einbeziehung in das Verursacherprinzip zu leisten ist - was inhaltlich völlig korrekt wäre, nur juristisch vielleicht schwierig und politisch wohl kaum gewollt sein dürfte.
Hier wird das gestaffelte System in Baden-Württemberg interessant - reine Grabungsberichte, Materialeditionen und schließlich “Forschungen und Berichte”. Vielleicht ist im Titel der letztgenannten Reihe das “Berichte” nun redundant.
Die neuen digitalen Grabungsberichte machen aber auch klar, dass die Digitalisierung für die Ämter eine Aufgabe ist, in die wenig konzeptionelles und strategisches Denken investiert wurde. Diese These begründe ich damit, dass ganz offensichtlich weiterhin in klassischen Papierformaten gedacht wird, die nun eben als pdf statt auf Papier erscheinen.
In einer rein digitalen Publikation ist es völlig unnötig wie in dem bayerischen Dokument zwischen linken und rechten Seiten zu unterscheiden oder gar Leerseiten einzufügen. Auch Pläne einspaltig als Pixelgraphik einzufügen, denkt hier die digitalen Möglichkeiten in keiner Weise mit. War früher das Papierformat eine Entschuldigung, Pläne lieber klein als gar nicht abzudrucken (wobei man bei guter Druckqualität wenigstens eine Lupe benutzen konnte), führt das im digitalen Format zur Unbrauchbarkeit der Abbildung. Mit einer vektorbasierten Graphik wäre das Problem behoben. Die Pläne im baden-württembergischen Dokument sind diesbezüglich vorbildlich. Hier lässt sich gut heranzoomen.
Indes stellt sich auch die Frage, wie man mit Tabellen umzugehen hat. Die Fundliste im baden-württembergischen Bericht lässt sich relativ leicht mit copy&paste exportieren, das ist aber nicht spaltenhaltig und erschwert eine Weiterbearbeitung der Daten. Wäre es nicht sinnvoller hier anstelle eines pdf gleich die Tabelle zu publizieren? Die Zukunft liegt vielleicht nicht allein in pdfs, sondern in einer Forschungsdateninfrastruktur, die auch Pläne, Listen und Fotos in passenden, offenen digitalen Formaten bereit hält.
Zuletzt wäre zu begrüßen, wenn durchgängig CC BY SA-Lizenzen benutzt würden. Nur das verdient den Begriff OpenAccess.