Montag, 10. Oktober 2011

Neues Gesetz gefährdet archäologische Notgrabungen in Ungarn

Notgrabung in Südungarn 2010
(Foto R. Schreg)
Ein neuer Gesetzesentwurf, der die Denkmalpflege vollständig wirtschaftlichen Interessen unterordnet, gefährdet archäologische Notgrabungen in Ungarn. In den letzten Jahren war es gelungen, den massiv voranschreitenden Autobahnbau mit modernen archäologischen Ausgrabungen zu begleiten und grundlegende neue Einsichten in die Vor- und Frühgeschichte Ungarns zu erhalten. 
Orsolya Láng hat die wichtigsten Informationen, die in der ungarischen Facebook Gruppe ’600-ana Régészetért’ – ’600 for Archaeology’, zusammengetragen wurden, ins Englische übersetzt.


Der kritischste Punkt des Entwurfs ist nach Einschätzung der Kollegen die zeitliche Begrenzung archäologischer Voruntersuchungen bei Großinvestitionen (wie Autobahnen oder staatlichen Großprojekten) auf 30 Tage. Weitere Grabungen, die sich daraus ergeben, werden auf weitere 30 Tage beschränkt. Diese Zeitvorgaben gelten dabei für das gesamte Bauprojekt, nicht für einzelne archäologische Fundstellen. Bei Autobahnprojekten, bei denen schnell ein Dutzend Fundstellen auf riesigen Flächen von mehreren Hunderten Quadratmetern betroffen sind, müssten diese innerhalb eines Monats ausgegraben werden.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Einschränkungen der Finanzierung. Nach bislang geltenden Regelungen sind mindestens 0,9 % der Investitionssumme für Ausgrabungen einzustellen. Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit die Grabungskosten bei sparsamer Haushaltung etwa 4-8 % der Investitionssumme ausmachen. Nach dem Gesetzesentwurf hingegen dürfen Grabungen künftig maximal 1 % der Investitionskosten ausmachen.

Diese einschneidenden Reduzierung der Finanzierung auf 13 bis 25 % des derzeitigen Etats droht zu Lasten der Fundbearbeitung und Dokumentation zu gehen.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die neuen Regelungen nach einer Übergangsfrist von 30 Tagen auch für laufende Projekte gelten.

Neunzehn Direktoren der Regionalmuseen und des Historischen Museums in Budapest, die in Ungarn für Notgrabungen zuständig sind haben sich gemeinsam mit dem Verband unarischer Archäologen in offenen Briefen an das Wirtschaftsministerium und den Premierminister gegen den Gesetzesentwurf gewandt. Eine Reaktion gibt es bislang nicht.
Ein Vertreter des Kulturkomitees der Regierung hält den Gesetzesentwurf für einen vernünftigen Kompromiss, von dem er hofft, dass ihn die Wirtschaft unterstützt. Archäologen waren an der Ausarbeitung des Gesetzes nicht beteiligt.


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Nachtrag


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