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Montag, 1. Januar 2024

Archaeologik 2023

Allen Archaeologik-Lesern ein Frohes Neues Jahr 2024, das ein Beitrag zu einem ruhigen, nachhaltigen Zeitlauf sein möge, das möglichst vielen Menschen Friede, Gerechtigkeit, Gesundheit und ein  ausreichendes Auskommen bringen möge.

Mit 2023 ist wieder ein Jahr vorüber, das gerne  - politisch und ökologisch, wie privat - gerne hätte besser sein dürfen. 

Wieder möchte ich eine Blogbilanz fürs vergangene Jahr ziehen, wie ich das schon von Anfang an auf Archaeologik getan habe. Archäologik brachte es 2023 auf 92 Blogposts, also etwa die gleiche Größenordnung wie voriges Jahr (94) - allerdings ist da der Adventskalender 2023 mitgezählt.   

An den Beginn des Rückblicks möchte ich an den Tod von Richard Cooke (1946-2023), Pionier der Umweltarchäologie erinnern. Es sind aber auch einige weitere Kolleg*innen dieses Jahr verstorben, so Gisela Freund, Otto-Hermann Frey, Eva Garam, Olaf Höckmann, Ulrich Schoknecht, Frauke Stein und Ingo Stork, von denen ich nur wenige persönlich kannte, die aber alle auch ein nennenswertes Stück der Fachgeschichte darstellen. 


Themen 2023

Forschungsgeschichte habe ich 2023 relativ wenig aufgegriffen. Dazu gehört eine der wenigen Rezensionen des Jahres:

Archaeologik hat von Anbeginn nicht all die tollen Meldungen über archäologishe "Sensationen" weiterverbreitet - dafür sind es zu viele und eine solide Einordnung ist meist eh erst dann möglich, wenn wenigstens ein halbwegs wissenschaftlicher Vorbericht vorliegt. Dennoch habe ich einige Neufunde auch auf Archaeologik aufgegriffen, etwa wenn der methodische Ansatz bemerkenswert ist:

Neufunde waren eher nicht ihrer selbst Willen, sondern wegen der Art und Weise ihrer Darstellung Thema.

leider kein Bild der Himmelsscheibe
(Graphik R. Schreg)

Archäologische Wissenschaftskommunikation wurde 2023 verstärkt ein Thema, nicht zuletzt, weil es Mode geworden scheint, Funde demonstrativ ins All zu schießen. Die Himmelscheibe von Nebra war dort, ebenso homo naledi. Ötzi noch nicht...

Sensationalisierung ist eine Methode, Reichweite und Publikum zu erreichen, steht aber oft im Gegensatz zu den Vermittlungszielen, die  eben die Wissenschaftlichkeit der Archäologie erkennen lassen sollte.

Wieder gab es Beispiele teils so absurder Sensationalisierung, dass dem Publikum wieder eher das Bild der Archäolog*innen als Schatzjäger oder der arroganter Bürokraten vermittelt wird. Davon habe ich nur wenige auch gepostet, da ich eigentlich die Absicht hatte, solche Beispiele mal gesammelt vorzustellen (inzwischen sind die ersten Links aber schon nicht mehr gültig).

Es geht dabei immer wieder um die Narrative archäologischer Erkenntnisvermittlung. Siehe dazu auch "Strategien archäologischer Erzählung vergessen Publikum und Inhalte" (Archaeologik 17.8.2023) mit dem Verweis auf eine ausführlichere Rezension in  der Germania 100.
 
Eines der Narrative, das sich der Archäologie anbietet, ist  die Dekonstruktion von Mythen:

Dieses Narrativ ist besonders wichtig in Bezug auf die Positionierung der Archäologie gegenüber populistischen Agitationen in den verschiedensten Richtungen:

Ein ganz grundlegender Gedanke daraus, nämlich, dass die zentrale Aussage der Archäologie und der Kern ihres Bildungsauftrag darin liegen könnte, die Komplexität gesellschaftlicher Prozesse und vor allem deren zeitliche Dimension zu vermitteln, erhielt 2023 von unerwarteter Seite Unterstützung:

Dazu muss Archäologie (und Geschichte) die Menschen aber auch erreichen. Wissenschaftskommunikation ist daher zentral - egal ob mit Vermittlung von Kommunikationsprofis oder direkt. Beides kann aber nur klappen, wenn wissenschaftliche Publikationen und Quellen auch zugänglich sind. Eine einfache Möglichkeit, ist es Daten, Bilder und Forschungen im OpenAccess zu publizieren, was oft genug mit etablierten Routinen und Ansprüchen aneinander gerät:

Das ist eng verbunden mit der Frage was Digitalisierung leisten kann und soll:

Konrad Adenauer mit seiner Katze:
(generiert mit/von Craiyon)
2023 trat als neues Thema die künstliche Intelligenz hinzu, wobei auf Archaeologik bislang nur die aktuell viel zitierten ChatBots mit ihren Sprachmodellen und z.T. bildgenerierende Anwendungen aufgegriffen wurden.  Dokumentiert sind hier Versuche einmal BingChatAI und einmal ChatGPT einen Text über den Archäologen Hermann Stoll schreiben zu lassen.

Die alten Themen blieben daneben aber auch: Kulturgutvernichtung im Krieg war aber weiterhin Thema mit Schwerpunkt Ukraine, obgleich inzwischen potentiell Palästina hinzugetreten ist. Zwar hatte ich durchaus ein gewisses Bedürfnis das erneute Grauen ob so viel Gewalt und Hass, ausgehend von der palästinensischen Hamas irgendwie mit Formulierungen greifbar zu machen. aber es ist mir nicht gelungen und da mir bisher auch keine Nachrichten begegnet sind, die genaueres über die Bedeutung der materiellen Relikte der Vergangenheit in dem Konflikt erkennen lassen, taucht dieser Konflikt auf Archaeologik bisher nicht auf. Das wird wohl nicht so bleiben.  Nur im Juni war Israel mit der straffreien Rückgabe von Raubgrabungsfunde einmal Thema auf Archaeologik, (26.6.2023).

In der Ukraine ist die Front unter hohem Blutzoll mehr oder weniger konstant geblieben. Die russischen Luftangriffe gehen weiter, aber vieles ist inzwischen bereits zerstört oder gesichert, so dass auch Bericht über Kulturgutzerstörungen in der Ukriane weniger geworden sind. Bemerkenswert sind aber immer wieder die Informationen, die zeigen, dass eben auch die Vergangenheit ein Teil des Schlachtfelds ist.

Zudem wurden China und Sudan Thema unter dem Laber Archäologie & Politik.

Auch Raubgrabungen und Restitutionen blieben ein Thema.

Syrien ist längst vergessen, aber ein Punkt muss doch dringend in Erinnerung behalten werden, nämlich, dass das Raubgut des IS / Daesh noch irgendwo wartet, in den Markt eingeführt zu werden:

 Aber auch der Umgang so mancher Museen und Sammlungen mit seinen Funden wirft Fragen nach der Provenienz auf:

Die oben bereits angeführten Posts zu Archäologischen Museen digital - Chance und Risiko. und  NUMiDonline. verweisen beide darauf, wie auch bei Archäolog*innen doch oft den Befundkontexten nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird, sondern ein gewisse Objektzentrierung einsetzt, die es schwierig macht, Archäologie gegen Sammlerei abzusetzen.

Um die Vernichtung historischer/archäologischer Quellen durch Raubgräber zu verhindern, sind die gesetztlichen Regelungen von entscheidender Bedeutung, wobei diese wohl begründet und erklärt werden müssen. In England kam es zur Diskussion einer neuen Definition von "treasure".

In Bayern kam es 2023 im Rahmen der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes - endlich - zur Einführung eines Schatzregals. Auf Archaeologik erschien bisher kein Blogpost dazu, da ich das mit dem Hinweis auf die Publikation eines einschlägigen Artikels verbinden wollte, der aber leider noch auf sich warten lässt, so dass er seinerseits bereits zu überarbeiten ist. 


 
Milchkanne aus dem Warschauer Ghetto,
in der Archivalien versteckt waren.
(Foto: PublicDomain
via WikimediaCommons)
Ein wichtiger Trend der vergangenen Jahre ist die zunehmende Bedeutung der Archäologie der Moderne, die an meinem Lehrstuhl prinzipiell schon lange eine wichtige Rolle spielt. Aktuell gibt es dazu zwar keine eigenen Forschungsprjekte, aber die Themen sind in den Lehrveranstaltungen präsent.

Zahlen

92 Posts sind 2023 auf Archaeologik erschienen, fast so viele wie im Vorjahr, allerdings inklusive 25 Posts aus dem Adventskalender 2023. 

Die Zahl der Gastbeiträge lag wiederum bei lediglichr zwei (Vorjahr 2, 2021: 5; 2020: 15, 2019: 5), nämlich von Jutta Zerres und Stefan Bauer (übrigens: nochmals Danke!). Das waren:
Wer einen interessanten (und natürlich wissenschaftlich-seriösen) Beitrag auf Archaeologik platzieren möchte, ist herzlich eingeladen, mich zu kontaktieren. Er sollte nur passen, denn Archaeologik zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert. "Wissenschaftskritische" Posts, wie sie mir per facebook angetragen wurden, die aber nur die Opferrolle von Parawissenschaftlern propagieren oder Werbung für unseriöse Webseiten oder Fernsehserien machen, übernehme ich nicht - wenn da auch manch spannendes kritische Thema drin steckt, meist aber eher anders als von den Vorschlagenden gedacht.
 
Die zehn meist gelesenen Beiträge 2023 (mit Zahlen v. 31.12.2022):
  1. Australopithecus sediba & Homo naledi im All - BILD liest Archaeologik. Archaeologik (12.10.2023) - 1494 Seitenaufrufe
  2. Sicher unbequem - sicher nötig: Der neue Blog von Raimund Karl. Archaeologik (5.3.2018) - 1.253 Seitenaufrufe - Der Post zeigt die Problematik dieser Zählungen, denn alle Zugriffe stammen von 17.3.2023 und dürften auf einen Crawler zurückgehen.
  3. Streit um Bilder der Himmelsscheibe von Nebra bei WikimediaCommons. Archaeologik (25.11.2023). - 828 Seitenaufrufe
  4. Mittelalterliche Keramik aus Geislingen. Archaeologik (14.12.2011). - 823 Seitenaufrufe
  5. Zeichnerische Dokumentation von Keramikfunden. Archaeologik (26.2.2017). -
    727 Seitenaufrufe mit leicht geringeren Zugriffszahlen während der Sommersemesterferien 
  6. Eigentlich toll - und doch megafrustrierend und schändlich: NUMiDonline. Archaeologik (13.3.2023) . - 526 Seitenaufrufe
  7. Denkmalabriss auf Sylt. Archaeologik (5.1.2023). - 409 Seitenaufrufe
  8. Sensationelle Laienarchäologie (ohne Detektor!). Archaeologik (16.1.2023). - 337 Seitenaufrufe
  9. Neues Online-Diskussionsforum: „Beruf Archäologie“. Archaeologik (3.4.2018). - 335 Seitenaufrufe- viele Zugriffe während des ganzen Januar, weniger über den Februar, im Rest des Jahres nur vereinzelt
  10. "Natürlich habe ich dann weiter gegraben". Archaeologik (21.7.2023). - 333 Seitenaufrufe
     

Die Zählungen sind in Google-Analytics nicht ganz kohärent, denn in der Statistik der einzelnen Posts sind höhere Zugriffszahlen zu sehen, Bei den beiden Keramik-Blogposts liegen die Zugriffszahlen sogar bei rund 980 bzw. 905. Die Reihenfolge der Posts scheint aber unverändert. In den Top 20 stehen noch einige Posts, bei denen ich eigentlich größere Aufmerksamkeit erwartet hätte, so z.B. Jutta Zerres: Afrika unerwünscht - War das Alte Ägypten schwarz oder weiß?Archaeologik 14.6.2023
Wie 2022 gab es wieder keinen total herausragenden Bloposts, was die Zugriffszahlen angeht. Platz 1 hatte aber fast 1600 Zugriffe, deutlich mehr als der zugriffstärkste Post, der 2022 nur etwas über 800 Zugriffe verzeichnet hatte.
Insgesamt blieben die Zugriffszahlen mit nun 125.211 nur wenig über dem Vorjahresniveau.
    2023: 125.211 Seitenaufrufe
    2022: 121.723 Seitenaufrufe
    2021: 139.726 Seitenaufrufe
    2020: 134.220 Seitenaufrufe
    2019: 102.204 Seitenaufrufe
    2018: 129.260 Seitenaufrufe
    2017: 193.417 Seitenaufrufe
    2016: 221.789 Seitenaufrufe
In der Graphik von Google sieht das so aus:

Entwicklung der Zugriffe seit Beginn von Archaeologik auf der Plattform Blogger,
(Quelle: Blogger Statistik via GoogleAnalytics)

Deutlich ist zum Jahresende der Effekt des Adventskalenders zu erkennen, der im Dezember über 21.500 Aufrufe beschert hat - eine Zugriffszahl, die Archaeologik zuletzt im Februar 2017 erreicht hatte.
Nach wie vor kommen die meisten Zugriffe über Google, gefolgt von facebook.
Die begleitende facebook-Gruppe Archaeologik ist 2022 wieder nur ein ganz klein wenig gewachsen (2181 Mitglieder gegenüber 2114 im Jahr 2022). 2600 Zugriffen über facebook stehen allerdings 15.300 Views in der facebook-Gruppe gegenüber, d.h. nur ein Bruchteil der facebook-Follower klickt sich auch auf den Blog weiter. 
 
TwiX ist weitgehend eingeschlafen, da die automatsche Weiterleitung nicht mehr funktioniert. Immerhin kamen von hier nach der Zählung von GoogleAnalytics noch 308 Zugriffe auf den Blog. Auf Twix werde ich trotz regelmäßigem Abbestellens andauernd mit bezahlter, zum Teil hemmungslos volksverdummender AfD-Werbung vollgekackt, was vollends die Lust vegehen lässt, sich mit TwiX auseinanderzusetzen. Der Mastodon-Account, auf dem Blogposts nun vorübergehend direkt automatisch ausgespielt werden konnten, ist nicht besonders erfolgreich, Zugriffe von dort auf den Blog kann ich nicht erkennen.
Für die Weiterleitungen nutzte ich immer kostenfreie Tools, die nun aber teilweise in Bezahlmodelle überführt worden sind und ich noch keinen Ersatz finden konnte. 
 

Ausblick

Rückblickend auf die Blogposts 2023 habe ich etwas die Befürchtung, dass der Eindruck entstehen mag, dass Archaeologik mit seinem Themenspektrum nur rumnörgelt und alles schlecht macht. Das ist nicht die Absicht, jedoch ist es deutlich einfacher die Probleme zu sehen, als die Lösungswege zu präsentieren. Letzteres will ich mir gar nicht anmaßen, da darin viele Parteien involviert sein müssen. Vielfach werden aber im Fach Probleme einfach schön geredet, negiert - oder vielleicht auch gar nicht erkannt. Letzteres ergibt sich aus den Bedingungen der "normalen" Wissenschaft, die in sich selbst referenziert und Forschungstraditionen schafft, die dann unhinterfragt bleiben.  Viele der Themenkreise - Archäologie und Politik, künstliche Intelligenz, aber auch die Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation scheinen mit aber gerade auch an einem Problembewußtsein und einer mangelnder Reflektion zu kranken, so dass es mir und Archaeologik eben auch ein Anliegen ist, Aufmerksamkeit und die Nachdenken anzustoßen - bisweilen eben auch nur durch das Verlinken und kanppe Kommentieren aktueller Medienberichte oder Neuerscheinungen. Insofern hoffe ich auch, dass es 2024 wieder mehr Rezensionen geben wird und vielleicht auch mehr Zeit bleibt, um Forschungsthemen aufzugreifen. Auch hier sind einige Blogposts liegen geblieben, mit denen ich einige eigene Publikationen nochmals aufgreifen und zugänglich machen wollte.

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