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Donnerstag, 22. April 2021

Auffallend laut! Der Protest der Denkmalpfleger in NRW gegen den Gesetzesentwurf der Landesregierung

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen hat dem Landtag in Düsseldorf im März 2021 einen Entwurf eines Nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes (Denkmalschutzgesetz – DSchG NRW) vorgelegt.

Angeblich dient die Neufassung der Anpassung an die denkmalschutzrechtliche Rechtsprechung, an Erfahrungen aus der Anwendung des Gesetzes und der Berücksichtigung gesellschaftlicher und umweltpolitischer Erfordernisse.  Mit dem Gesetzentwurf solle das Denkmalschutzrecht "praxisorientiert "weiterentwickelt werden. Eine Evaluierung des bisherigen Gesetzes hatte 2018 allerdings festgestellt, dass sich das Gesetz „insgesamt gut bewährt“ habe.

Zum Entwurf von CDU und FDP hatte es bereits 2020 eine Anhörung gegeben, die im wesentlichen ebenfalls ergeben hat, dass sich das Denkmalschutzgesetz NRW bewährt hat und dass eine Änderung derzeit nicht erforderlich sei. Hingewiesen wurde auch, dass die Weisungsunabhängigkeit der Denkmalpflegeämter erhalten bleiben müsse um die Objektivität in allen Entscheidungen nach dem Gesetz nicht zu gefährden.

Dennoch wurde der Gesetzesentwurf von der Landesregierung weiter verfolgt und im März dem Landtag vorgelegt, ohne die noch bis 9.4.2021 laufende Frist für die Einreichung von Stellungnahmen durch Verbände und Organisationen abzuwarten.

Am 16. April 2021 hat der Landschaftsverband Rheinland LVR nun eine Pressemeldung herausgegeben, die massive Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf vorbringt. Hier ist die Rede von einer radikalen Beschneidung der Ämter und deren denkmalpflegerischen Kompetenz. Die Neuregelung der Ausweisung von Denkmälern weist der Fachbehörde nur noch einen Beobachterstatus zu, die Verfahren sollen von den Unteren Denkmalschutzbehörden, die oft keine eigene ausreichende Fachexpertise vorhalten können, verantwortet werden. Im Rheinland wurden bislang 90% der Anträge auf Unterschutzstellung jedoch vom LVR-Amt für Denkmalpflege initiiert.

Befürchtet wird auch eine stärkere Gefährdung archäologischer Fundstellen, denn - so wird Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege zitiert - „es droht, dass die Frage des Erhalts eines Bodendenkmals nicht mehr gestellt, sondern direkt die Ausgrabung genehmigt wird. Diese hat, auch wenn sie noch so gut durchgeführt und dokumentiert wird, immer die Zerstörung des Bodendenkmals zur Folge“.
Bemängelt wird auch die weiter ausgebaute Eigenständigkeit der kirchlichen Denkmalpflege, wo sogar die Frage der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Regelungen aufgeworfen wird. 

„Der Gesetzentwurf lässt eine durchdachte Strategie vermissen, die auch dem Praxis-Test im Denkmalpflege-Alltag Stand hält.“, meint Milena Karabaic in der LVR-Pressemeldung vom 16.4.2021.  Zur Frage, warum ein bewährtes, eingespieltes und gut funktionierendes System ohne erkennbaren Grund aufgegeben würde, notiert die Pressemeldung: "Vor allem in Fachkreisen wird – mit Blick auf den Aufgabenzuschnitt der zuständigen Ministerin – eine mögliche Einflussnahme starker Lobbyisten, zum Beispiel aus der Bauwirtschaft oder den Kirchen, vermutet."

Die klare Stellungnahme von Fachbehörden gegen das zuständige Ministerium ist bemerkenswert, da so ansonsten in den hierarchischen Behördenstrukturen nicht möglich und üblich. Die Rolle der Landschaftsverbände als Teil der kommunalen Selbstverwaltung eröffnen den betreffenden Ämtern hier einen Handlungsspielraum und eine Meinungsfreiheit, die so sonst kaum gegeben ist.

In die Stellungnahme  haben sich neben Milena Karabaic, der Dezernentin Kultur und Landschaftliche Kulturpflege des LVR auch die Leiter der Ämter für Denkmalpflege und für Archäologie Dr. Andrea Pufke und Dr. Erich Claßen eingebracht. Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe positioniert sich - deutlich vorsichtiger - gegen das Gesetz. Die LWL-Kulturdezernentin  Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger und Dr. Holger Mertens, Leiter der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, öffentlich Stellung gegen das Gesetzesentwurf bezogen. Die Website des LWL greift diese Kritik in einem leider nicht ganz so klar strukturierten und pointierten Beitrag auf.

Der Gang an die Öffentlichkeit fällt den Beteiligten vermutlich nicht leicht. 2013, als es in NRW um massive Kürzungen in der Denkmalpflege durch die damalige rot-grüne Landesregierung ging, rief der Gang an die Öffentlichkeit durch die DGUF größte Bedenken hervor. Letztlich war dies aber überraschend erfolgreich - vielleicht ein Teil des Umdenkens?  Um eine Lobby für die Denkmalpflege und Archäologie zu gewinnen, ist Transparenz und Öffentlichkeit (auch bei kritischen Themen) dringend notwendig - insofern ist dies ein richtiger Schritt (vergl. Schreg 2013).

Noch etwas ist bemerkenswert. Als die jetzige Landesregierung unter dem jetztigen Kanzlerkandidaten Armin Laschet angetreten ist, wollte sie in ihrem Koalitionsvertrag demonstrativ die Denkmalpflege stärken (vgl. Archaeologik 19.6.2017), um sich gegenüber den Ereignissen von 2013 abzusetzen. Jetzt macht Sie das Gegenteil.

Nicht alles ist übrigens schlecht in dem Entwurf. Das Schatzregal sieht Finderlohn vor - Raubgrabungen werden dabei explizit ausgenommen. Anderes fehlt aber einfach: Der Gesetzesentwurf berücksichtigt nicht die immer wieder vorgetragene Notwendigkeit eines Verbandsklagerechtes, das letztlich bei den üblichen Kompromissaushandlungen zu einer Stärkung der Position der Fachämter beitragen würde. Nicht geändert wird das Verursacherprinzip, von dem auch im neuen Entwurf die Gewinnung von Bodenschätzen, trotz der hier vorgesehenen Sonderreglungen weiterhin nicht ausgenommen ist. In der Praxis freilich funktioniert dies nicht, da mit einem fragwürdigen Vertrag zwischen Landesregierung und Braunkohle diese vom Verursacherprinzip de facto gegen Einrichtung der Stiftung zur Förderung der Archäologie im Rheinischen Braunkohlerevier freigesprochen wurde. Wichtige Felder, in denen tatsächlich Handlungsbedarf bestünde, bleiben im Gesetzesentwurf also unberücksichtigt.


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1 Kommentar:

  1. Eine wichtige Zusammenfassung der vergangenen und aktuellen Entwicklungen bezüglich des neuen DSchG NRW im Jahr 2021, vielen Dank dafür Herr Schreg. Wollte man mit den Änderungen das Vorgehen der Unteren Denkmalbehörden stärken/unabhängiger machen und begründet dies, indem man den LVR beispielsweise "entlastet" bzw. ausklammert? Bisher hat unsere Untere Denkmalbehörde die Fachexpertise vom LVR im Benehmen regelmäßig in Anspruch genommen und diese enge Zusammenarbeit würden wir auch gerne in Zukunft weiterhin verfolgen.
    Wer regelt/legitimisiert denn die Umsetzung des deklatorischen Prinzips auf Kommunalebene?
    Wenn die neuen Gesetzesänderungen mehr Klarheit, Transparenz schaffen sollten warum werfen sie mehr Fragen auf?

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