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Sonntag, 9. März 2025

#StandUpForScience

Die Schockstarre scheint langsam überwunden. Endlich werden Stimmen laut, die sich gegen die wahnsinnige Zerschlagung der Wissenschaftsstrukturenbin den USA wenden.

Trumps Taktik, Chaos zu veranstalten und  - offensichtlich illegal - terrorartig Gelder zu kürzen und Angestellte zu entlassen, dient  der Einschüchterung und Überrumpelung. Bislang war sie erfolgreich. Ob Gerichte etwas wirkungsvoll unternehmen werden, wird zu sehen sein.


(Symbolbild, KI-generiert mit ideogram.ai)

Am 7. März kam es in vielen Städten der USA, allen voran in Washington DC zu Demonstrationen gegen die systematische Wissenschaftszerschlagung von Trump & Musk, die selbst auf lebensrettende Medizin losgehen, aber prinzipiell alle kritische Stimmen gegen ihr beschränktes Weltbild dominieren möchten.

Zwei Folgen im Podcast des Deutschlandfunk berichten über die aktuelle Situation der Wissenschaft unter POTUS Trump in den USA:

Die zentrale Demonstrationen von StandUpForScience fand in Washington vor dem ;incoln Monument statt, in zahlreichen weiteren Städten der USA gab es ebenfalls Demonstrationen, auch in Kanada, Frankreich und Österrreich (Wien und Salzburg). Die jetzigen Demos sollen erst der Anfang sein, denen es um die Wiederherstellung der staatlichen Wissenschaftsförderung und Wissenschaftsfreiheit geht, die Wiedereinstellung der willkürlich Gefeuerten und die Erneuerung der Bedeutung von Gleichheit, gleichberechtigter Teilhabe und der allgemeinen Verfügbarkeit in der Wíssenschaft. 

Ob die Proteste direkt etwas bewirken, scheint fraglich, denn Trump & his Admins sind schon Menschen egal - sie nehmen Kranken die Hoffnung, liefern in der Ukraine Zivilisten den russischen Angriffen aus, indem sie nun auch keine Fernerkundungsdaten mehr zur Verfügung stellen, die zur Raketenabwehr nötig sind oder im Gaza-Streifen Vertreibungen vorschlagen. Trump wird wegen Protesten also sicher nicht zurückrudern und eher als gekränkter Egomane aus Rache neue Schikanen ersinnen. Wichtig an den Protesten ist aber, dass seine Strategie nicht aufgeht, die Gesellschaft gleichzuschalten und die kritische Wissenschaft als Kontrollinstanz für frei erfundene schwachsinnige Behauptungen auszuschalten.

Moderne Wissenschaft lebt vom internationalen Austausch. Und Wissenschaft ist nicht nur in den USA von politisch motivierter Wissenschaftsfeindlichkeit betroffen. Unliebsame Themen möchte so manche rechts-konservative Partei regulieren. Ungarn war hier auf dem Blog schon Thema, aber man muss dazu nicht ins Ausland schauen. Unter dem Deckmantel der Wiederherstellung von Meinung-, Rede- und Wissenschaftsfreiheit sollen vermeintlich politische Themen wie die Frage non-binärer Geschlechtlichkeiten oder des Klimawandels nicht mehr beforscht werden. Vielmehr soll so getan werden, als gäbe es das alles nicht. Deshalb ist hier auch internationale Solidarität gefragt. Frankreich und Österreich sind schon dabei...


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Dienstag, 4. März 2025

What have the Romans ever done for us? Uns glücklich gemacht!?

  • M. Obschonka / F. Wahl / M. Fritsch / M. Wyrwich / P. J. Rentfrow / J. Potter / S. D. Gosling, Roma Eterna? Roman rule explains regional well-being divides in Germany. Current Research in Ecological and Social Psychology 8, 2025, 100214 /1-17. - https://doi.org/10.1016/j.cresp.2025.100214

Die Studie in einer psychologischen Fachzeitschrift - der das Monty-Python-Zitat voran gestellt ist - stellt fest, "dass Regionen, die von der römischen Zivilisation entwickelt wurden, heute adaptivere Persönlichkeitsmuster (Big Five) und ein besseres Gesundheits- und psychisches Wohlbefinden aufweisen. Die Ergebnisse einer räumlichen Regressionsdiskontinuitätsdesign zeigen einen signifikanten Effekt der römischen Grenze auf die heutigen regionalen Variation dieser Ergebnisse. Zusätzliche Analysen legen nahe, dass römische Investitionen in Wirtschaftsinstitutionen (z. B. Handelsinfrastruktur wie römische Straßen, Märkte und Minen) entscheidend für die Schaffung dieser langfristigen Wirkung waren." (Abstract)

Diese Korrelation wird auch kartographisch dargestellt, wobei die betreffenden Karten nur die "beiden stärksten Wirkungen des römischen Erbes (auf Neurotik und Lebenserwartung) " zeigt. Laut Abbildungslegende sollen die "Karten zeigen, dass die historische römische Grenzmauer die heutige Deutschland immer noch „trennt“, insbesondere in Bezug auf die psychologischen und gesundheitlichen Ergebnisse."  Für besonders eindrucksvoll und überzeugend halte ich diese Kartierung nicht. Allerdings argumentieren die Autoren mit statistischen Korrelationen, die sie als Gegenprobe auch für zahlreiche andere räumliche Daten vorgenommen haben.

 

fig. 3 der Studie: Neurotizismus und Lebenserwartung in Deutschlands mit dem römischen Limes.
(nach Obschonka 2025, CC BY NC ND 4.0)

 
Letztlich scheint dies eine Schrotflintenmethode, bei der irgendwann ein Treffer passen wird.  Das kann man so machen, aber weitergehende Rückschlüsse sind darauf kaum aufzubauen. Statistisch signifikant ist nicht gleichbedeutend mit historisch valide. Man müsste erklären können, wie diese Daten historisch zu korrelieren sind. Die Autoren haben dazu drei Hypothesen, die vereinfacht darauf herauslaufen, dass die Relikte römischer Infrastruktur bis heute besere Lebensverhältnisse bedingen. 
Letztlich hangeln sich die Autoren von Hypothese zu Hypothese. Als Hypothese 1 formulieren sie, dass die römische Herrschaft innerhalb des Limes mit den heutigen adaptiven Persönlichkeitsmerkmalen, mit besserer Gesundheit und Wohlbefinden verbunden. sei.  Hypothese 2 nimmt darauf hin an, die römische wirtschaftliche Infrastruktur seit mit den heutigen adaptiven Persönlichkeitsmerkmalen sowie den damit verbundenen Gesundheits- und Wohlbefindensergebnissen verbunden. Sie postulieren dabei, dass es die römischen Wirtschaftsinfrastrukturen gewesen seien, die zur Entstehung und Persistenz adaptiverer makropsychologischer Muster führte. Sie argumentieren mit dem römischen Straßensnetz und den Absatzgebieten römischer Keramik.  Hypothese 3 macht eine Annahme zu der Frage, warum genau die regionalen Unterschiede in adaptiven makropsychologischen Merkmalen den Limesfall überstanden und bis heute präsent seien. Hypothese 3 lautet indes nur" "Die regionale Variation des wirtschaftlichen Wohlstands im modernen Deutschland vermittelt die Auswirkung der römischen Herrschaft auf die heutigen adaptiven Persönlichkeitsmerkmale sowie die damit verbundenen Ergebnisse für Gesundheit und Wohlbefinden. " Der Text sieht Pfadabhängigkeiten, präzisiert diee aber nicht. Wir sehen heute, dass der Limes in der Tat auch das jüngere Siedlungsbild beeinflusst hat, etwa wenn die Verbreitung merowingerzeitlicher Gräberfelder immer noch das Limesgebiet nachzeichnet. Dennoch bleibt zu erklären, warum das Mittelalter und die Neuzeit dies nicht überprägt haben sollen, trotz zahlreicher Migrationen und einer Urbanisierungsphase, die keine Rücksicht mehr auf den alten Limes nimmt.
 
Übrigens, statistisch nicht abgesichert, aber optisch überzeugender ist ein Vergleich der Karte der Lebensserwartung mit dem Ausländeranteil in Deutschland (abrufbar bei https://regionalatlas.statistikportal.de/). Auch hier muss man die Zusammenhänge erklären, aber es müssen keine 1700 Jahre überbrückt werden.
 
Die Autoren weisen darauf hin, dass die psychologische Forschung sich in den vergangenen Jahren verstärkt historischen Analysen zugewandt hätte, um die Wurzeln regionaler Ungleichheiten bei adaptiven Ergebnissen wie Gesundheit, Wohlbefinden und verwandten Persönlichkeitsmerkmalen zu untersuchen. Eine Schlußfolgerung der aktuellen Studie: "Zusammen zeigen diese Ergebnisse, wie alte Kulturen ein makro-psychologisches Erbe beeindruckt können, das zu regionalen Ungleichheiten der heutigen täglichen beiträgt."  Das gibt die Studie aber nicht her, den hier fehlt es an einer passenden Methodik einer zeitübergreifenden Korrelation, die nicht ohne eine klare Vorstellung über die zwischenzeitliche Entwicklung auskommen kann. Die historische Perspektive der Psychologie braucht hier dringend eine bessere Methode.
 

Letztlich bleibt der Eindruck, dass hier schon wieder ein Versuch vorliegt, die eigenen Daten durch einen gekünstelten Römer-Bezug aufzuwerten (vgl. Die „blöden Römer“ - Köder für Medien und Publikum? Archaeologik 19.1.2025)

 

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Montag, 3. März 2025

Oscar verpasst

Für den Oscar als Beste Dokumentation  war auch  "Sugarcane" nominiert, ging nun aber leer aus. 

Der Film  handelt über die Nachforschungen in der kanadischen Residental School St. Joseph's Mission. Vor Jahren begannen hier die Untersuchungen mit Hilfe geophysikalischer Prospektion, mit denen mehrere Gräber lokalisiert wurden. In diesen Schulen sollten indigene Kinder "zivilisiert" werden, tatsächlich wurden sie vielfach vernachlässigt, mißbraucht und teilweise auch ermordet.

In Zeiten, in denen in den USA sich ein autokratisches Regime etabliert, das DEI-Themen unterdückt und der Wahnsinn Politik macht, ist es bemerkenswert, dass der Film mit einer indigenen Perspektive überhaupt noch nominiert wurde. Das war allerings noch vor dem Amtsantritt von POTUS Trump. Haben die Oscar-Feierlichkeiten in der Vergangenheit immer wieder als Plattform für politische Statementsgedient, so war es dieses Jahr offenbar vergleichsweise unpolitisch. Die Kulturschaffenden kuschen und werden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht.

Die Forschungen an den Residental Schools in Kanada sind ein gutes Beispiel, das die Bedeutung der Archäologie der Moderne für die Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit zeigt. Schade, dass es dafür nicht die Aufmerksamkeit eines Oscars gab.

Schüler*innen der Fort Albany Residential School unter Aufsicht einer Nonne, um 1945.
(Foto: Edmund Metatawabin collection at the University of Algoma [gemeinfrei] via WikimediaCommons)
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Freitag, 28. Februar 2025

Feldforschung des Great Viking Survey

Klischee-Wikinger in der Vorstellung von KI
(Bild: mit ideogram.ai)

Die Universität Oslo hat vor kurzem den Great Viking Survey gestarte, eine breit angelegte Studie, um zu untersuchen, wie Menschen auf der ganzen Welt die Wikinger wahrnehmen und mit ihrer Geschichte und Kultur umgehen. Es sollen die unterschiedlichen Arten dargestellt werden, wie moderne Medien und Wissenschaft diese Bilder schildet. Diese online-Umfrage lädt alle Erwachsenen ein, ihre Gedanken über die legendäre Figur des Wikinger-Kriegers und das bleibende Vermächtnis der und die Erinnerung an die Wikinger in der modernen Welt zu teilen. Damit können die Wissenschaftler genau beleuchten, welche Mittel und Mechanismen es ermöglichen, Bilder und Mythen der Wikinger zu formen und in der öffentlichkeit. zu verbreiten.



Die Umfrage ist Teil des " Making a Warrior-project" ein skandinavisches Netzwerk von Wissenschaftlern, das sich für das Konzept des wikingischen Kriegertums und dessen historischen und aktuellen Darstellungen interessiert. Durch eine Differenzierung der Wikingerbilder verschiedener Gruppen und Gemeinschaften erlaubt es das Projekt künftiger Öffentlichkeitsarbeit und Kulturerbe-Initiativen Iformationen zu den Interessen der Öffentlichkeit bereit zu stellen und so ein differenziertes Bild der Wikingerzeit zu fördern.


Auf vikingsurvey.org ist die Umfrage bis Mitte Mai 2025 zugänglich.


Donnerstag, 27. Februar 2025

Forschungsfreiheit in den USA #DefendResearch

In den USA formiert sich zögerlich der Widerstand gegen die Eingriffe der US-Regierung in die Wissenschaftsfreiheit.

Als Reaktion auf die "alarmierende Einschränkung der akademischen Meinungs- und Forschungsfreiheit" haben eine Handvoll Wissenschaftler*innen die Declaration To Defend Research Against U.S. Government Censorship verfasst, die zur Unterschrift offen steht. Sie wendet sich an die Mitglieder der weltweiten wissenschaftlichen Kommunikationsökosysteme – Forscher, politische Entscheidungsträger, wissenschaftliche Gesellschaften, Bibliotheken, Hochschul- und Forschungseinrichtungen, Verleger, Geldgeber und andere.

Auf einer konservativen Website ist eine "DEI Watch List" online, die namentlich Wissenschaftler aös "Ziele" ("targets") aufführt, die sich gegen die DEI-Richtlinien von Trump & his Admins ausgesprochen haben, Black Lives Matter unterstützen oder einfach gendersensibel online das Pronomen benennen, mit dem sie angesprochen werden wollen. Zahlreiche Wissenschaftler sehen das als persönliche Bedrohung und Einschüchterung. 

u.a.:

Das sind Methoden der Mafia und autokratischer Systeme. 

 

Ein Artikel in der britischen medizinischen Zeitschrift theBMJ weißt darauf hin, dass die Trump-Administration von staatlich bediensteten Wissenschaftlern verlangt hat, Artikel zurückzuziehen, die nicht zu dem Trumpisten-Weltbild passen. Sie fordert die Herausgeber von Wissenschaftszeitschriften in der Medizin auf, sich dieser Einflußnahme zu widersetzen.


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Donald Trump und die
geschlachteten Hunde und Katzen:
KI-generiertes Symbolbild
(Craiyon)


 

Freitag, 21. Februar 2025

Der Teil der Geschichte, der verschwiegen oder verborgen werden sollte

Mitschnitt eines Vortrags an der FU Berlin, der einen wichtigen Aspekt der Archäologie der Moderne aufzeigt.

Mittwoch, 19. Februar 2025

Ein soziologisch-zeithistorischer Blick auf Migration

entlarvt die aktuelle Debatte über harte Maßnahmen gegen Migration als Populismus und obendrein kontraproduktiv:

Dienstag, 18. Februar 2025

Trumps Kampf gegen die Wissenschaft

vertiefte Info bei der Tagesschau:

Hier ist auch der Silencing Science Tracker verlinkt, der seit November 2016, also seit der ersten Wahl von Donald Trump die Versuche staatlicher Stellen verzeichnet, die Unabhängigkeit der Wissenschaft auszuhebeln. 


Links
Donald Trump und die
geschlachteten Hunde und Katzen:
KI-generiertes Symbolbild
(Craiyon)


 

Montag, 17. Februar 2025

WUB online geht unter

Das Württembergische Urkundenbuch ist eine traditionsreiche Edition der wesentlichen Quellen aus dem Gebiet des ehemaligen Königreichs Württemberg. Von 1849 bis 1913 wurden in elf Bänden 6148 Urkunden publiziert. 2008 ging das WUB auf https://www.wubonline.de/ online. Das war kein perfektes Angebot (vgl. K. Graf https://archivalia.hypotheses.org/25340), aber immerhin waren die Einträge nach Nummern zu fnden und es war eine Souche nach Orten und Daten möglich. Zudem wurde eine persistente Adresse als Zitierempfehlung angegeben.

Jetzt liefert https://www.wubonline.de/ eine Anmeldeseite oder leitet weiter auf https://www.landesarchiv-bw.de/de/landesarchiv/projekte/projektarchiv/48583, wo man erfährt, dass das WUB mittlerweile auf LEO-BW zu finden sei. Man wird weiter verwiesen auf https://www.leo-bw.de/fr/web/guest/themen/urkunden . Dort angekommen findet man sich auf einer Seite, die einen informiert, dass LEO-BW nun  den Zugriff auf über 6.500 digital erfasste Urkunden des WUBs ermögliche. Folgt man auch diesem Link erhält man in der Tat alle 6554 Objekte des WUB angezeigt - nur ohne weitere Such- und Sortierfunktion. Selbstverständlich funktionieren auch die bisherigen  beständigen Links nicht mehr.

Es ist sinnvoll Datenbanken weiter zu entwickeln und neue Nutzungsmöglichkeiten zu erschließen. Baden-Württemberg macht hier aber in den letzten Jahren eher Rückschritte. Nach der Zerschlagung der Landesbibliographie Baden-Württemberg, die nun in den Katalogen der WLB und der BLB nur noch umständlich auszufiltern ist, wird hier jetzt derselbe Fehler wiederholt. Ein wichtiges Portal wird ohne Not zerschossen und durch eine Integration in unübersichtliche Datenbestände unsichtbar und unbrauchbar. Wie finde ich da nun schnell WUB V, Nr. 1350?  Oder die Urkunden aus dem Jahr 1007?

Die Erreichbarkeit des alten Portals WUB-online hätte zumndest erst einmal erhalten bleiben müssen, insbesondere auch die empfohlenen Zitierlinks. Der konsequente Schritt einer Weiterentwicklung der Daten wäre es gewesen, die Links zu anderen Repositorien und Archiven zu setzen so dass die WUB-Seiten mit Faksimiles zusammen geführt und die Urkunden des WUB fit für linked open data geworden wären. Aber selbst Urkunden des WUB, die im Landesarchiv selbst liegen und mit Signatur angegeben sind, sind nicht verlinkt
 
Eine Portalseite für das alte und neue WUB hätte die Anregungen von Klaus Graf aufgreifen sollen und den nötigen Kontext des alten Editionswerkes bereit stellen sollen.
 
WUB-online ist so zu einem abschreckenden Beispiel geworden, das all jene bestärkt, die immer Zweifel an der Beständigkeit digitaler Daten hatten. Das Problem ist aber nicht die Technik, sondern das sind die Entscheidungen der Menschen dahinter. 

Bitte schnellstmöglich korrigieren! So ist das weitgehend unbrauchbar und eine Sabotage sinnvoller Digitalisierung.

 

Links

*https://de.wikisource.org/wiki/Wirtembergisches_Urkundenbuch

Freitag, 14. Februar 2025

Archaeological Ethics Database

vom Register of Professional Archaeologists (the Register) (USA) und dem Chartered Institute for Archaeologists (CIfA) (UK und theoretisch auch D)

mit einer Liste archäologischer Ethikcodes: https://archaeologicalethics.org/code-of-ethics/, einer Literaturliste und Links zu Blogs und Blogposts, allerdings fast nur englischsprachiger Raum und ein wenig Südamerika

 

Mittwoch, 12. Februar 2025

POTUS Trump & his Admins im Kampf gegen Wissenschaft und Geschichte

     POTUS Trump bei der Unterschrift der ersten Executive Orders
(Foto: The White House auf TwiX, PD v
ia WikimediaCommons)

Die Executive Order 14151 von POTUS Trump will "illegale und unmoralische Diskriminierungsprogramme" außer Kraft setzen, die sein Vorgänger Biden "in praktisch alle Aspekte der Bundesregierung von der Flugsicherheit bis zum Militär" in einer "konzertierten Anstrengung, " vom ersten Amtstag von Präsident Biden umgesetzte hätte. Trump verweist hier auf die Executive Order 13985  von Joe Biden, mit der dieser gegen Diskriminierung vorgehen wollte.

Trumps Anordnung beinhaltet die Anweisung, sämtliche Forschungsprojekte zu stoppen, die die Begriffe  "diversity, equity, inclusion, and accessibility (DEIA)" enthalten. Ebenfalls auf der Tabuliste steht zudem “environmental justice”.

Was ist das für eine Gesellschaft, in der Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion und freier Zugang Feindbilder sind? Gleichförmigkeit, Autokratie, Ausgrenzung und Herrschaftswissen sind hier die Gegenpole,  Das sind Werte aus dunklen Zeiten.

In den verchiedenen executive Orders von POTUS Trump (Liste in der engl. wikipedia) ist generell viel von"restoring" die Rede, etwa von Restoring Freedom of Speech, Restoring the Death Penalty, Restoring Biological Truth , Restoring Accountability to Policy-Influencing oder Restoring Merit-Based Opportunity,Restoring Names That Honor American Greatness, wobei letzteres ebenfalls auf die DEIA.Aspekte zielt. Staatliche Institutionen dürfen nicht mehr mit Organisationen und Firmen kooperieren, die den der Fairness dienenden CEIA-Aspekte unterstützen. In Opfer-Täter-Umkehr werden CEIA-Kriterien als Diskriminierung gebrantdmarkt und Widerworte gegen Fake News und Verhetzung als Zensur gegen freie Rede verboten. 

 

Folgen

In den deutschen Medien finden sich viele Reportagen und Berichte über Wissenschaftler*innen, die in den USA arbeiten oder dort mit Partnern kooperieren. Die US-Wissenschaft erweist sich als hochgradig verunsichert und lebenswichtige Projekte, wie etwa in der HIV-Forschung stocken. Trump will gegen Genderforschung und Diversitätsinitiativen vorgehen, trifft damit aber auch Forschungen zu Krebserkrankungen, Alzheimer und Parkinson. Auch anderswo attackiert Trump medizinische Forschung und Gesundheitseinrichtungen, etwa durch den Austritt der USA aus der WHO, die radikale Kürzung von USAID oder den Mittelkürzungen des National Institutes for Health (NIH).
 
Mit den CEIA-Begriffen des POTUS Trump geht es ihm allerdings vorrangig wohl um die Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften.  Damit bietet er die beste Bestätigung für die These, dass Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften keineswegs, wie heute häufig (auch im aktuellen bundesdeutschen Wahlkampf) dargestellt wird, überflüssig sind. Sie sind ein wichtiges Element, um Demokratie zu sichern und Gleichförmigkeit, Autokratie, Ausgrenzung und Herrschaftswissen, unter denen alle Mitglieder der Gesellschaft - oder wenn man so will: aller Nationen - werden leiden müssen. 

Trumps Anti-Intellektualismus kennen wir schon aus seiner ersten Amtszeit, nur war er da völlig planlos, während er nun eine systematische Agenda hat.

Die Reaktionen?

2017: National Park Ranger Resist
(Graphik: MercenaryGraphics
[CC BY SA ND NC 3.0]
via MercenaryGraphics.deviantart.com)
In seiner ersten Amtszeit gab es 2017 rasch verschiedene Initiativen, mit denen Wissenschaftler*innen Widerstand leisteten. International kam es mit dem "March for Science" zu Demonstrationen für die Wissenschaft und gegen Fake News und die damaligen Einschnite in der Forschung. Widerstand gegen Trumps Anordnungen zeichnet sich diesmal (noch?) nicht ab. Mit einem Klima der Angst durch die Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und bewusst vage Informationen hat er die meisten  Betroffenen in eine Starre ängstlichen Abwartens versetzt.

In vorauseilendem Gehorsam untersucht die National Science Foundation (NSF) ihre Projekte nicht nur auf die CEIA-Begriffe von POTUS Trump,, sondern hat weitere verdächtige Begriffe identifiziert: "Frauen", "Trauma", "vielfältig", "Institutionell" und "historisch".

 

Warum ist Geschichte für Trump gefährlich?

Eigentlich ist Trump Geschichte egal. Er erfindet sie, wie es ihm passt  Sehr plakativ sticht dafür das Denkmal zum River of Blood heraus - ein Denkmal, das Trump zwischen dem 14. und 15. Loch seines Golfplatzes hat setzen lassen, wo angeblich im Amerikanischen Bürgerkrieg eine Schlacht getobt haben soll. Es befindet ich immerhin auf seinem Privatgrund und die Öffentlichkeit ist dem Blödsinn nicht ausgesetzt.

Es geht hier aber um mehr als eine Plakette an einem Monument und auch nicht um die bescheuerte Trump'sche Geschichte der migrantischen Hunde- und Katzenfresser. Es geht um "America's Greatness", die mit dem Umgang mit den Indigenen, Sklaverei und Cuclux-Clan eben auch ihre unrühmlichen Seiten hat, mit denen sich der POTUS nicht auseinandersetzen will. Er braucht eine große nationale Geschichte, ohne die sein MEGA-Slogan keinen Sinn ergibt. Bei einer historischen Betrachtung zeigt sich, das Trumps "restoring" nicht etwa historische Verhältnisse einer guten alten Zeit restauriert, 

Die Art und Weise, wie POTUS Trump mit den staatlichen Bediensteten umgeht, sie verunsichert und die Qrt und Weise, wie Geschichte verklärt wird, sind beängstigende Kennzeichen totalitärer Regime.
 

Links
Donald Trump und die
geschlachteten Hunde und Katzen:
KI-generiertes Symbolbild
(Craiyon)


 

Freitag, 7. Februar 2025

Ein Identifikationsproblem: Die justinianische Pest in England

Eine neue Studie untersucht Radiocarbon-Daten zur Justinianischen Pest in England, eine andere die schriftlichen Quellen. Ihr Problem: Radiocarbondaten fallen zu alt aus.

Ich kommentiere das in einem Blogpost, auf deutsch auf dem AMANZnotizblog erschienen und auf englisch im BlackDeathNetwork:

 

Gelände bei Edix Hill, Path to Orwell
(Dave Thompson, CC BY SA 4.0 via WikimediaCommons)

Sonntag, 2. Februar 2025

Öffnungen und Eröffnungen in Damaskus

Wenige Wochen nach der Wende in Syrien zeigen sich einige optimistische Entwicklungen für die archäologischen Stätten im Land:

In einer Erklärung der Generaldirektion für Antiquitäten und Museen  (DGAM) vom 31.1.2025 (via facebook) lädt sie zur Rückkehr ausländischer archäologischer Expeditionen nach Syrien ein.  Sie betont, dass es wichtig ist, „alle Anstrengungen zum Schutz und zur Bewahrung des syrischen Kulturerbes zu bündeln, das die gemeinsame Identität aller Syrer, unabhängig von ihrem Umfeld, darstellt.“

Weiter heisst es „Dies ist eine entscheidende und sensible Zeit für die Wiederherstellung des syrischen Kulturerbes und erfordert, dass alle Syrer gemeinsam mit der lokalen und internationalen Gemeinschaft auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: dieses Erbe zu schützen und eine Zukunftsvision zu entwickeln, die alle einbezieht, um die Brillianz und Vitalität des syrischen Kulturerbes wiederherzustellen.


Frankreich und Italien sind offenbar bereits in Verhandlungen, um die langjährigen Grabungen in Marie wieder aufzunehmen, wie aus einem anderen Statement der DGAM hervorgeht

Auf den Seiten des DAI finden sich noch keine Angaben zu einer möglichen Rückkehr nach Damaskus. Auch im Kontext des Besuchs der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock findet das DAI keine Beachtung. Schon kurz nach dem Sturz des Assad-Regines wurde bon Seiten des DAI auf die Bedeutende einer Bestandsaufnahme hingewiesen.

Die neue Regierung ist offenbar auch in der Verfolgung von Raubgrabungen und Antikenhehlerei aktiv geworden. 

ATHAR Project berichtet auf TwiX , dass die Behörden der neuen syrischen Regierung Personen verhaftet, hätte die sowohl in Drogen- als auch in Antikenhehlerei verwickelt sind. Dazu heisst es: „Die Einwohner haben die neue Regierung aufgefordert, alle Personen strafrechtlich zu verfolgen, die an solchen Aktionen beteiligt sind, die die kulturelle und historische Identität Syriens bedrohen.“

ATHAR Project ist unter @atharproject.bsky.social  nun auch auf bluesky, aber dort noch nicht aktiv


Wiedereröffnung des Nationalmuseums in Damaskus

Das Nationalmuseum in Damaskus wurde  am 8. Januar 2025 1.8.2025 wiedereröffnet. Der Direktor der DGAM , Dr. Anas Haj Zidanes führte dabei  den türkischen Botschafter Burhan Kaur Oglu im Nationalmuseum.

Auch andere Stätten in Damaskus werden wiedereröffnet und mit Bürgerbeteiligung gereinigt.



Sonntag, 19. Januar 2025

Die „blöden Römer“ - Köder für Medien und Publikum?

Ein neuer Artikel zur atmosphärischen Bleibelastung im frühen 1. Jahrtausend (McConnell et al. 2025), erschienen in PNAS (leider nicht OpenAccess), ist Anlaß für einen Beitrag in der ARD zu den Umweltsünden der Römer.

Meine Aussagen zum Thema hatten sich eigentlich nicht so sehr ausschließlich auf die Römerzeit bezogen. Trotzdem hörenswert.

Hohe Bleibelastungen aus der Römerzeit sind schon lange bekannt und sind schon lange Gegenstand einer wissenschaftlichen Debatte, die sich sogar zu der These verstiegen hat, das Blei sei Schuld am Untergang des Römerreichs. Prinzipiell gab es in römischer Zeit verschiedene Wege der Blei -Exposition etwa durch die Verwendung von Farben, Kosmetika und  Bleirohren fürdas Trinkwasser. Bleiglasierte Keramik spielte dabei sicher nur eine untergeordnete Rolle. Aufgrund von Eisbohrkernen wurde nun aber eine atmosphärische Bleibelastung festgestellt, aufgrund der die Konzentrationen in der Luft modelliert wurde. der erhebliche gesundheitliche Folgen gehabt haben dürfte. Plakativ wird der IQ berechnet - was auch der Köder ist, den die Medien begierig geschluckt haben.

Nun zeigt die Studie diese hohen Bleibelastungen nur im 1. Jahrhundert n.Chr., nicht aber zur Zeit des "Untergangs des Römischen Reichs".  Leider bricht die Messkurve nun um 600 ab. Eine frühere Studie an Grönlandeis hat entsprechend hohe Werte wieder in der Karolingerzeit gefunden, aber leider die spätere Entwicklung ebenfalls ausgeklammert (McConnell et al. 2018). Spekuliert man über Auswirkungen solcher Umweltfaktoren auf historische Entwicklungen, sollte man stets die Gesamtkurve über die Zeiten hinweg betrachten und das Mittelalter nicht unter den Tisch fallen lassen. Tatsächlich zeigten Messungen der Bleibelastungen in Hochmoor-Ablagerungen an vielen Orten im westlichen Mitteleuropa während des Mittelalters in der Regel deutlich höhere Bleibelastungen als in der Römerzeit (Frenzel / Kempter 2004).  

 

Römische Halde bei Imsbach -
vegetationsfrei aufgrund der Schwermetallbelastung, heute unter Naturschutz
(Foto: R. Schreg)


In der Bergbauiedlung von Sulzburg im Südschwarzwald sind anhand anthropologischer Untersuchungen auch die Auswirkungen auf die Menschen zu beobachten (Altet al. 2008).  Auf dem kleinen Friedhof um eine um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtete Kirche ist die Kindersterblichkeit zwar im normalen Rahmen, aber  an den Skeletten auch von Kindern wurden degenerative Krankheiten des Knochenbaus beobachtet, die auf eine starke Belastung bzw. eine schleichende Bleivergiftung zurückzuführen sind. Zwar darf man im Silberbergbau auch Kinderarbeit erwarten, doch dürfte in diesem Fall die Aufnahme des Bleis nicht als Folge der Arbeit im Bergbau, sondern auf die belastete Umwelt zurück zu führen sein. Noch heute ist der Gemüsebau wegen der Schwermetallbelastungen des mittelalterlichen Bergbaus in mehreren Tälern des Südschwarzwaldes eingeschränkt (Hoppe et al 1993): Bleibelastungen mittelalterlichen Bergbaus finden sich vielerorts (z.B. Hildebrandt ca 1995).

Derartige Umweltverschmutzungen haben immer wieder das Interesse der Forschung gefunden (z.B. Leguay 2005; Borsos et al. 2003).  In der Archäologie steht das Thema jedoch nicht im Mittelpunkt, da es nur interdisziplinär zu bewältigen ist und die entsprechende Analytik voraussetzt.
Die Frage, inwiefern die Menschen der Vergangenheit die Zusammenhänge mit ihrer Gesundheit jeweils erkannt haben, bleibt meist ungewiss, obgleich Erfahrungswissen durchaus vorhanden war. Geifbar wird dies ab dem Spätmittelalter (Rößner 1995, 72).

Umwelthistorisch sind andere menschliche Aktivitäten wahrscheinlich wirksamer als der Umgang mit Blei. In vorindustriellen Gesellschaften ist es vor allem der Umgang mit dem Boden, der in vielfältiger Weise auf die menschliche Nutzung reagiert (Montgomery 2011). In der  Römerzeit scheinen die regionalen Unterschiede bei Erosion und Bodendegradation recht groß, deutlicher wird das Bild dann im Hoch- und Spätmittelalter, als die Landnutzung auf eine zunehmende Bevölkerung . abgestimmt werden musste , was sicher ein wesentlicher Faktor für die Krise des 14. Jahrhunderts war (Schreg 2019).

Schade, dass Spekulationen über den IQ der Römer eine langfristige umwelthistorische Bewertung des Bleigehaltes in der Atmosphäre in den Hintergrund drängen.

Literatur

  • Alt et al. 2008
    K. W. Alt / R. Brenn / B. Lohrke / W. Müller / M. Rauschkolb / H. Steuer (Hrsg.), Die mittelalterliche Bergbaubevölkerung des 12. Jhs. von Sulzburg, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald. Anthropologische und archäometrische Studien. Freiburger Beitr. Arch. u. Gesch. 13 (Rahden/Westf. 2008). 
  • Borsos et al. 2003
    E. Borsos / I. Makra / R. Béczi / B. Vitànyi / M. Szentpéteri, Anthropogenic Air Pollution in the Ancient Times. Acta Climatologica et Chorologica 36-37, 2003, 5–15.
  • Frenzel / Kempter 2004
    B. Frenzel / H. Kempter, Frühe Umweltverschmutzungen: Die Schwermetallablagerungen in Schwarzwälder Hochmooren. In: G. Markl / S. Lorenz (Hrsg.), Silber, Kupfer, Kobalt. Bergbau im Schwarzwald. Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br 72 (Filderstadt 2004) 99–130. 
  • Gottschalk 1999
    R. Gottschalk (Hrsg.), Früher Bergbau im südlichen Schwarzwald. Begleitheft zur Ausstellung des Museums für Ur- und Frühgeschichte der Stadt Freiburg i. Br. Arch. Inf. Bad.-Württ. 41 (Stuttgart 1999).
  • Hildebrandt [ca. 1995
    L. H. Hildebrandt, Schwermetallbelstungen durch den historischen Bergbau im Raum Wiesloch. Handbuch Boden (Mannheim [ca. 1995). - https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/84504-Schwermetallbelastungen_durch_den_historischen_Bergbau_im_Raum_Wiesloch.pdf
  • Hoppe et al. 1993
    A. Hoppe / A. Foellmer / T. Nöltner, Historischer Erzbergbau im Schwarzwald und Schwermetalle in Böden der Staufener Bucht (südliche Oberrheinebene). In: H. Steuer / U. Zimmermann (Hrsg.), Montanarchäologie in Europa. Berichte zum Internationalen Kolloquium "Frühe Erzgewinnung und Verhüttung in Europa" in Freiburg im Breisgau vom 4. bis -  7. Oktober 1990. Archäologie und Geschichte 4 (Sigmaringen 1993) 249–254.  - https://doi.org/10.11588/propylaeum.1030.c14276
  • Leguay 2005
    J.-P. Leguay, La pollution au moyen âge dans le royaume de France et dans les grands fiefs. Collection Gisserot Histoire (Paris 2005).
  • McConnell et al. 2018
    J. R. McConnell / A. I. Wilson / A. Stohl / M. M. Arienzo / N. J. Chellman / S. Eckhardt / E. M. Thompson / A. M. Pollard / J. P. Steffensen, Lead pollution recorded in Greenland ice indicates European emissions tracked plagues, wars, and imperial expansion during antiquity. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 115,22, 2018, 5726–5731.
  • McConnell et al. 2025
    J. R. McConnell / N. J. Chellman / A. Plach / S. M. Wensman / G. Plunkett / A. Stohl / N.-K. Smith / B. Møllesøe Vinther / D. Dahl-Jensen / J. P. Steffensen / D. Fritzsche / S. O. Camara-Brugger / B. T. McDonald / A. I. Wilson, Pan-European atmospheric lead pollution, enhanced blood lead levels, and cognitive decline from Roman-era mining and smelting. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 122,3, 2025, e2419630121. - https://doi.org./10.1073/pnas.2419630121
  • Montgomery 2011
    D. R. Montgomery, Dreck. Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 1142 (Bonn 2011).
  • Rößner 1995
    M. B. Rößner, Gesundheitsgefährdung durch Umweltverschmutzung. Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 66,1, 1995, 69–80.
  • Schreg 2019
    R. Schreg, Plague and Desertion – A Consequence of Anthropogenic Landscape Change? Archaeological Studies in Southern Germany. In: M. Bauch / G. J. Schenk (Hrsg.), The Crisis of the 14th Century. Das Mittelalter. Beih. 13 (Berlin, Boston 2019) 221–246. - http://doi.org/10.1515/9783110660784-011


Mittwoch, 15. Januar 2025

Digital Archaeology auf Schweizerisch

CHRONIQUES-online ist in der Schweiz online gegangen.
Die von der Gesellschaft Archäologie Schweiz entwickelte Plattform ermöglicht den Zugriff auf Tausende von Fundmeldungen, die seit 1907 im Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte/ Archäologie Schweiz publiziert worden sind. Neue Fundmeldungen werden künftig über dieses Portal publiziert. Schon bisher standen viele Bände der Zeitschrift im Open Access online, aber eben als pdf und nicht als Datenportal. Die Einträge über Fundstellen aus allen Epochen und Kantonen wurden und werden von den Kantonsarchäologen zur Verfügung gestellt. “Die Einträge werden durch Archäologie Schweiz redaktionell betreut und im Juni jeden Jahres zu den Aktivitäten des Vorjahres freigeschaltet. Bis 2026 werden die früheren Daten der Jahre 1908-1987 zu einer Übersicht über einhundert Jahre archäologischer Untersuchungen ergänzt.”

“In den CHRONIQUES online finden sich die hauptsächlichen archäologischen Aktivitäten des jeweiligen Jahres; sie bilden die bodendenkmalpflegerische Tätigkeit der Kantone jedoch nicht vollständig ab. Sowohl die gedruckten Berichte bis 2024 als auch die digital erfassten ab 2025 stellen immer eine Selektion durch die Fachstellen selbst dar. Das Hauptkriterium ist die (potentielle) wissenschaftliche Relevanz der Untersuchung.”


CHRONIKEN online ist FAIR, d,h, die Daten sind

  • Findable - Auffindbar, denn jeder Eintrag in CHRONIQUES online hat einen Persistent Identifier
  • Accessible - Zugänglich, denn CHRONIQUES sind vollumfänglich und kostenfrei öffentlich zugänglich.
  • Interoperable - interoperabel, denn CHRONIQUES online bieten APIs und SPARQL Endpoints zum leichteren Datenaustausch und folgen denselben Thesauri wie das Portal der ARIADNE Research Infrastructure
  • Reusable - Wiederverwendbar, denn die Daten der CHRONIQUES online sind CC-BY-SA lizenziert

CHRONIQUES online weisen den einzelnen Fundmeldungen aus den Jahrbüchern der Archäologie Schweiz eine ID sowie Kategorien und Koordinaten zu, so dass der Datenbestand vielfältig durchsuchbar ist. 

Als Beispiel verlinke ich hier einen Fundbericht von 2024, der einen Spitalfriedhof des 19. Jahrhunderts in Zürich betrifft. Ruft man den Bericht über die Suchmaske und nicht über den Direktlink auf, so erscheint ein überblendetes Fenster, in dem mit meinem aktuell bevorzugten Browser (Firefox) das Navigieren  ohne Scrollbalken etwas umständlich ist und man, einmal ganz nach unten gescrollt, zwar die verwandten Fundberichte, angezeigt bekommt, aber es nun kein Zurück mehr gibt.

Zu dem Bericht gehört eine Karte, ein Bild sowie eine Tabelle mit "Details des Fundberichts", in denen sich systematische Angaben zur Lage (mit Koordinaten im schweizerischen Koordinatensystem CH1903+ und nicht in dem von Ariadne präferierten WGS84),  zu der Grabung (inkl. der Fläche der Grabung), diversen Inventarnummern (hier nicht ausgefüllt - es belibt unklar, ob das bei Vergabe später nachgetragen wird) und schließlich noch einige Stichworte zur Grabung selbst. Letztere sind jedoch nicht über die Suchmaske direkt abfragbar, sondern hier stehen insbesondere die Kategorien als Filtermöglichkeit zur Verfügung, das sind bei diesem Beispiel nur drei Angaben: "(Frühe) Neuzeit Zeitgenössisch Bestattung". 

Dem Bericht ist ein Foto beigegeben, das in einem eigenen Frame zu öffnen ist, der auch die Bildlegende anzeigt, die jedoch nicht zu kopieren ist und auch nicht die Lizenz angibt, die sich in den Metadaten zum Fundbericht findet.

Zürich ZH, Fluntern, USZ Campus Mitte 1|2: 
Bestattungen des Spitalfriedhofs. Die Schädel wurden bei der Autopsie aufgeschnitten.
Foto KA ZH(CC BY SA)
Mit Unterstützung des Bundes, der Kantone und mehrerer privater Sponsoren beauftragte AS ein Unternehmen aus dem Bereich Datenwissenschaft und Computertechnik, um die alten Berichte in eine moderne Plattform zu transformieren. Ziel dabei ist es, die Sichtbarkeit von Jahreschroniken durch die Erneuerung und Modernisierung ihrer Verbreitung zu verbessern.

Die Umsetzung erfolgt in zwei Phasen, deren erste nun abgeschlossen ist, umfasste die Chroniken aus dem Zeitraum 1987 bis 2024 (6933 Aufzeichnungen), die zweite wird die Berichte aus dem Zeitraum 1909 bis 1987 (>14.000 Berichte) digitalisieren und in die Plattform integrieren. Ab 2025 werden neue Entdeckungen über die ArcheoBase-Plattform (ArcheoPublication-Modul) direkt in die Datenbank eingegeben.

Der Schweizer Föderalismus hat in der Archäologie zu einer heterogenen Aufgabenverteilung zwischen kantonalen Diensten, Universitäten und Museen geführt. Diese Dezentralisierung hat die Entstehung einer nationalen Plattform für einen einfachen Zugang zu den in den Kantonen produzierten archäologischen Informationen verhindert. In den 1970er-Jahren scheiterte der Versuch, die AS als Dokumentationszentrum für die nationale Archäologie zu entwickeln, da dieses auf politischer Ebene einen Bundesbeschluss erfordert hätte ( Brem 2007, 24). Der Verein AS führte die bereits 1909 begonnene Zusammenstellung jährlicher Fundchroniken jedoch fort, so dass damit in Zusammenarbeit zwischen einem Verein und zahlreichen Institutionen eine in ihrer Regelmäßigkeit, Qualität und Vielfalt einzigartige Dokumentationssammlung entstanden ist. Hier sind natürlich einige Einschränkungen zu bedenken. Pro Kanton wurden in der Vergangenheit pro Jahr maximal 25 Berichte aufgenommen, so dass hier eine Auswahl getroffen werden musste. Die Kriterien sind in fundreichen Kantonen sicherlich andere als in kleinen Kantonen, die vielfach über keine speziellen archäologischen Fachämter verfügten. Sensible Fundstellen wurden vielfach auch nicht aufgenommen, um Raubgrabungen vorzubeugen.

Die Plattform spiegelt bereits einige denkmalpflegerische Trends der letzten Jahre, wie Autobahn- und Eisenbahnprojekte. In den letzten Jahre erkennt man eine Abschwächung der Intensität der archäologischen Aktivitäten im Schweizer Mittelland und der Nordschweiz, aber eine Zunahme in den alpinen Landschaften, wo vermehrt Baumaßnahmen, vor allem aber auch Schutzmaßnahmen stattfinden.

Die Schweizer Kollegen bewerten die neue Plattform als “eine kleine Revolution in der Welt der Schweizer Archäologie” (Blumer/Clivaz 2024), von der man sich auch erhofft, dass sie zur “Offenheit und Verbindung der Schweiz mit der sie umgebenden Welt” beitragen. Interessant sind die Perspektiven, die hier formuliert werden, nämlich, “die zahlreichen vorhandenen archäologischen Publikationen durch intelligente Verknüpfungen miteinander zu verbinden.”. Verwiesen wird hier speziell auf die internationale Diskussionen zur Datenbankinteroperabilität im Rahmen des ARIADNEplus-Projekts, der europäischen archäologischen Datenplattform” (Blumer/Clivaz 2024, 15). Das ist ein etwas modernerer Ansatz der Digitalisierung in der Archäologie, als es derzeit in verschiedenen deutschen Bundesländern verfolgt wird (vgl. Archaeologik 28.10.2024; Archaeologik 13,1,2025). Aber auch hier ist noch ein Reifeprozess erforderlich.

Heft 4/2024 der Zeitschrift der AS, arCHaeo Suisse bringt einige Artikel zur Perspektive der Digital Archaeology, die etwa die Bedeutung der Virtaul Reality, aber auch die aus digitalen Dokumentationen resultierende Oberflächlichkeit des Befundverständnisses behandeln. Der Beitrag von ChatGPT, illustriert mit KI-Bildern strotzt vor den üblichen KI-Plattitüden und hat eher Unterhaltungswert als dass er tatsächliche Poteentiale aufweist. Dabei ist aber sicher richtig, dass uns KI künftig dabei helfen kann, Muster zu erkennen und Daten automatisiert zu strukturieren. Archäologen hätten dann mehr Zeit, sich interpretativ mit den Daten auseinanderzu setzen - wenn vorher niemand auf die falsche Idee kommt, dass man es hier vor allem auch mit Sparpotentialen zu tun hat.  

 

Literaturhinweise



Montag, 13. Januar 2025

PIA: Pilotprojekt oder eher Pionierprojekt?

D. Krausse/N. Ebinger/T. Link (Hrsg.)

PIA 1. Bericht des Pilotprojekts Inwertsetzung Ausgrabungen.

Materialien zur Archäologie in Baden-Württemberg 1

(Heidelberg 2024)

 
 
 

Als eine Art Rezension konnten im Oktober Grabungsberichte aus Bayern und BaWü kritisch gewürdigt werden. Tabellarisch habe ich versucht, die nun existierenden verschiedenen Reihen einander gegenüber zu stellen, wobei die Materialien zur Archäologie in Baden-Württemberg noch offen geblieben sind. Nun ist auch in dieser Reihe der erste Band erschienen.

Er enthält mehrere Grabungsberichte, die wenig inneren Zusammenhang erkennen lassen, außer, dass sich einige auf dasselbe Areal bei Cleebronn beziehen, andere aber aus Sindelfingen stammen. Hinzu kommen zwei eher programmatische Beiträge.

Inhaltsverzeichnis

 

In einem einleitenden Kapitel "Das Pilotprojekt Inwertsetzung in der Archäologie (PIA)" wird von den Herausgebern das genannte Projekt des Landesamts für Denkmalpflege in Baden-Württemberg vorgestellt. Hier wird dargelegt, dass selbstverständlich die Archäologie sich nicht mit der Ausgrabung begnügen kann, sondern dass auch eine Auswertung folgen muss. Mit der unglücklichen Wortwahl der Konvention von La Valetta, auf die sich die Autoren als Verpflichtung berufen, wird dies als "Inwertsetzung" bezeichnet.

Ein grundlegendes Dilemma besteht darin, dass der Prozess der Inwertsetzung – er macht, wie gesagt, oft mehr Arbeit als die eigentliche Feldforschung – in der Konzeption von Forschungs- und vor allem von Rettungsgrabungen systematisch zu kurz kommt. Während für Ausgrabungen oft Mittel und Personal zur Verfügung stehen, sei es im Rahmen investorenfinanzierter Rettungsmaßnahmen oder durch Drittmittel, sind für die Auswertung und Veröffentlichung meist keine ausreichenden Ressourcen mehr vorhanden. So werden zwar immer mehr Archivbestände an Dokumenten und Funden generiert – da ihre Auswertung aber zusehends hinterherhinkt und sie somit nicht in Wert gesetzt werden, ist der Nutzen für Fachwelt und Öffentlichkeit stark eingeschränkt.

PIA soll daher Methoden und Standards für die effiziente Aufbereitung und zeitnahe Publikation von Rettungsgrabungen entwickeln. Der einführende Artikel gibt einige wichtige Erläuterungen, die übrigen Beiträge in dem Band müssen dann wohl als Muster oder gar Standard zu sehen sein.

Die Herausgeber schildern völlig richtig, dass das bisherige Modell der Auswertung nicht mehr greift. Sie machen die steigende Zahl der Ausgrabungen durch das Verursacherprinzip und die Einbindung kommerzieller Grabungsfirmen, aber auch den Strukturwandel in der universitären Ausbildung verantwortlich. Das alte System sah vor, dass

"wissenschaftliche Auswertungen von Materialkomplexen aus der Denkmalpflege zu einem großen Teil im Rahmen universitärer Abschlussarbeiten erfolgten. Es waren meist ausgesprochen umfangreiche Doktor- und ab den 1980er Jahren vermehrt Magisterarbeiten, deren Erstellung sich oft über Jahre hinzog. Zwischen 1971 und 2015 entstanden auf diese Weise mehr als 600 Examensarbeiten über archäologische Fundkomplexe aus Baden-Württemberg. Um die Finanzierung hatten die Studierenden sich in der Regel selbst zu kümmern, sie erfolgte durch Stipendien, eigene Erwerbstätigkeit oder familiäre Unterstützung. Die Denkmalpflegebehörden traten ihre wissenschaftlichen Publikationsrechte an die Studierenden ab und unterstützten in vielen Fällen das Zeichnen der Funde und den Druck der Examensarbeiten." (S. 12)

Mit anderen Worten beruhte das alte System darauf, dass man Verantwortung und Kosten an Studierende privatisiert hat. Übernommen wurden vielfach die damals noch wesentlich höheren Publikationskosten. Man darf sich also nicht wundern, dass das aus heutiger Sicht als Ausbeutung wahrgenommen wird und für Studierende auch ein gewichtiges Argument sein kann, ein anderes Studienfach zu wählen, wo Abschlußarbeiten finanziert sind. Indes gibt es inzwischen auch in der Archäologie genügend bezahlte Qualifikationsstellen, aber sie beruhen auf Drittmittelprojekten der Universitäten, die heute kaum noch  bewilligt werden, wenn anstelle zielgerichteter wissenschafticher Fragestellungen nur eine Ausgrabung nach dem Motto "schau'n wir mal" ausgewertet werden soll. Inzwischen sind es auch nur noch wenige herausragende Ausgrabungen, die per se einen Erkenntnisfortschritt ergeben. Das gilt etwa für landesgeschichtlich bedeutende Stätten oder für solche Fundstätten, die von ihren Erhaltungsbedingungen sonst nicht zu erfassende Details aufzeigen können. Für die Mehrzahl der Fundstellen und Themen ist die Grundlagenarbeit jedoch bereits andernorts geleistet und die Auswertung kann sich an etablierten Vorbildern orientieren. Die Leistung der Auswertung ist nun weniger die wissenschaftlich-intellektuelle Durchdringung des Themas, sondern der Fleiß und die Materialkenntnis. Das spricht den Auswertungen keineswegs den wissenschaftlichen Wert und die wissenschaftliche Qualität ab, sondern verweist auf das Problem, dass für eine Projektförderung die Innovation meist ein zentrales Kriterium darstellt. Eine klassische Auswertung hat heute aber – wenn wir sie nicht immer den Unerfahrensten im Fach, den Studierenden anvertrauen würden – eine Routinemäßigkeit.

Fragestellungen haben heute zumeist eine größere Detailtiefe, was etwa bei Chronologiefragen mit neuen Methoden, aber auch neuen theoretischen Perspektiven wie etwa aus der Sozial- und Umweltarchäologie zusammen hängt. Dennoch können wir auf die Auswertung einzelner Grabungen nicht verzichten, denn aus lokal- und landesgeschichtlicher Persoektive sind sie immer neu und einzigartig und in all den Befunden und Funden stecken mit Sicherheit auch immer wieder neue Einsichten, die es zu identifizieren gilt. Heute spielen auch statistische Verfahren und big data eine immer größere Rolle, was eine vernünftige Quellenerschließung und –zugänglichkeit voraus setzt.

Insofern ist der Gedanke richtig, Auswertungen im speziellen Team mit einem optimierten Ablauf durchzuführen und eben jene Routinen so zu entwickeln, dass sie auch effektiv sind. Letztendlich muss sich das Ergebnis jedoch daran messen lassen, dass die erarbeiteten Informationen aus den Ausgrabungen für die weitere Forschung – und auch für die Gesellschaft – Relevanz besitzen und wissenschaftlich nachvollziehbar sind. Vor allem muss es möglich sein, aus den einzelnen Grabungen serielle Daten zu gewinnen, die einen regionalen und überregionalen Vergleich ermöglichen, mit dem chronologische und räumliche Muster zu erkennen sind, oder mit denen historische Prozesse definiert und beschrieben werden können. Vergleichbarkeit ist also ein Kriterium, das nur gegeben ist, wenn im Sinne der Quellenkritik auch deutlich wird, wie die Daten einzuschätzen sind. Dazu benötigen wir Informationen etwa zur Grabungstechnik aber auch zu den die Ausgrabung leitenden Hypothesen.

Im Hinblick auf meine eigenen fachlichen Interessen habe ich mir nur die beiden Beiträge zu dem frühmittelalterlichen Gräberfeld von Cleebronn (Daniel Anton/ Hauke Kenzler, S. 147-202) und der nahe gelegenen Wüstung Niederramsbach (Robin Dürr, S. 203-227) genauer angeschaut, wobei es mir hier nicht um den Inhalt geht. Die Autoren haben hier jeweils hervorragende Arbeit geleistet. Funde und Befunde sind klar beschrieben. Ein eigener Abschnitt gilt der chronologischen Einordnung des Gräberfelds von Cleebronn, die im wesentlichen nach den Bearbeitungen von Schretzheim und Pleidelsheim (Koch 2001) erfolgt. Dem Sinn der Publikation folgend, findet keine ausführliche Diskussion der Funde statt, die Einordnungen sind aber gut und nachvollziehbar begründet. Eine detaillierte Beschreibung der Funde erfolgt im Kontext der Grabbeschreibungen.

Es geht mir vielmehr um das Konzeptionelle der neuen Reihe, die eine möglichst zeitnahe Bereitstellung von Katalogwerken und Materialeditionen bieten soll. Der Beitrag zu dem Gräberfeld versteht sich ausdrücklich als Katalog. "Die Befund- und Fundvorlage erfolgt in Form eines Katalogs, eines Tafelteils mit ausgewählten Inventaren sowie digitaler Daten (Planumsfotos und Röntgenaufnahmen der Funde)." Letztere finden sich unter https://doi.org/10.11588/data/QOUMAB. Der Link ist sehr unscheinbar im Text angegeben, dafür findet sich in der Randspalte groß gedruckt, aber unbeschriftet ein QR-Code. Das sieht modern aus, ist aber unsinnig, da der normale Nutzer das Dokument wohl am PC liest und für gewöhnlich kaum einen Handscanner angeschlossen hat, um dem Link zu folgen. Unter dem gegebenen Link finden sich zip-Dateien zu mehreren der Beiträge aus PIA 1. Jedes Grab ist als Verzeichnis angelegt, in dem Grabungsfotos als *.tif, noch einmal der Grabungsplan als pdf sowie in einem Unterverzeichnis die Röntgenbilder der Funde als *.tiff enthalten sind. Die Fotos der Befunde sind mit Grabungsnummer und Fotonummer benannt (z.B. 2019_0225_B_2120_0003.tif), die Röntgenbilder sind hingegen mit einer RPS-Nummer bezeichnet, also z.B. 366_2_RPS.tiff. Auf dem Foto sind Fund- und Befundnummern, aber nicht die Grabnummer zu finden. exif-Daten zu den Fotos sind nicht verwendet. Von der Fotobezeichnung allein ist nicht in den Katalog zu finden. Weder im pdf des PIA 1 noch in den Begleitdaten findet sich ein Lageplan. Der Überwichtsplan des Gräberfeldes auf Taf. 12 gibt ebenfalls keine Koordinaten an. Überhaupt fehlen alle relevanten Angaben zu den Ausgrabungen, wie sie in den Berichten der Parallelreihe der eigentlich mit geringerer Priorität ausgewiesenen "Dokumente zur Archäologie in Baden-Württemberg" recht ausführlich gegeben werden. Für die Ausgrabungen im Gräberfeld Niederramsbach gibt es einige Angaben in den Vorbemerkungen, ansonsten wird lediglich über das Literaturverzeichnis auf die Publikation Kenzler/ Neth 2019 in den Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg verwiesen. Das ist aber nach seinem Selbstverständnis nur ein populärwissenscftlicher Vorbericht, der selbstverständlich keine technischen Daten zu den Grabungen gibt – und der auch nicht einfach online verfügbar ist. 

Als Beispiel für eine Siedlungsgrabung dient hier der Beitrag von Robin Dürr zu den westlichen Grabungsflächen der Wüstung Niederramsbach. Ging man ursprünglich davon aus, dass die 2013-15 ergrabene Siedlung ihren Westabschluß durch den Fürtlesbach fand, ergaben die Ausgrabungen 2019 im Industriegebiet Langwiesen IV neben vorgeschichtlichen Siedlungspuren (Beitrag D. Knoll) und dem eben bereits angeführten spätmerowingerzeitlichen Gräberfeld weitere Siedlungsspuren der Wüstung.  Abb. 2 gibt einen Gesamtplan der Grabungsbefunde 2013–2015, Abb. 3 die mittelalterlichen Befunde im Bereich der Untersuchungen 2019_0024 (oben) und 2019_0025 (unten) wieder. Dabei erkennt man auch die Gräber aus dem gesonderten Artikel, so dass der Lagebezug des Gräberfeldes zum Westteil der Siedlung deutlich wird, wo allerdings nur ein Fragment merowingerzeitlicher Keramik vorliegt. Die Besiedlung befand sich wohl eher östlich des Fürtlesbachs. Leider gibt es keine Abbildung, die die alten Grabungsflächen 2013-15 zu denen von 2019 in Relation setzt.

 

Fazit

Der erste Band der Reihe kann leider nicht überzeugen, da er zwar detaillierte und gut aufgearbeitete Grabungsvorlagen und -kataloge bietet, aber ein Gesamtkonzept und eine Koordination zu fehlen scheint. Im Gegensatz zu den Dokumenten zur Archäologie in Baden-Württemberg, die die unbearbeiteten Grabungsberichte der Ausgräber präsentiert, wird hier die Grabung in mehrere Einzelbeiträge zerstückelt, ohne dass ein einführender Beitrag vorhanden wäre. Die Vorberichte aus den Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg können das nicht ersetzen. Es fehlen zudem brauchbare topographische Karten. So steht nirgendwo, ob nun tatsächlich alle Funde und Befunde von Cleebronn, Langwiesen IV auch vorgelegt sind. Letztlich zeigt sich auch bei diesem Band, dass man noch immer nicht digital denkt, sondern immer noch in Papier  und einzelnen Dateien, die zum Download bereit gestellt werden, die aber keine digtalen Schnittstellen oder Metadaten bieten. Hier wäre es heute sinnvoller anstelle eines pdf primär an ein Datenportal zu denken, das Funde und Befunde mit linekd data strukturiert und Bilder und Pläne integriert. Das klassische pdf/Papier ist hier sekundär und lediglich ein Service für all jene, die schon lange genug am Bildschirm sitzen.

Man fragt sich auch, warum die ohnehin nur digital publizierten Aufsätze  verschiedener Ausgrabungen in einem virtuellen Band kombiniert sind. Wäre es nicht viel schlauer, die Aufsätze einzeln zu publizieren, was das Zitieren letztlich einfacher machen würde?

Es bestehen nun verschiedene mehr oder weniger digitale Reihen nebeneinander. Die Tabelle aus Archaeologik v. 26.10.2024 kann nun vervollständigt werden:

Reihe Publikationsweise Inhalt Bemerkung
Forschungen und
Berichte zur Archäologie
in Baden-Württemberg
Buchpublikation mit Festeinband
Moving Wall von 2 Jahren digital im "Open Access" (unterschiedlich lizenziert:
Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten oder auch mal CC BY SA 4.0)
umfassende wissenschaftliche Auswertungen die versprochene
Bereitstellung nach zwei Jahren ist nicht gegeben
Materialien zur
Archäologie in
Baden-Württemberg
“frei und ohne Karenzzeit
zugängliches Online-Format”
bislang alle CC BY SA 4.0
möglichst zeitnahe Bereitstellung von Katalogwerken und Materialeditionen
Dokumente zur
Archäologie in
Baden-Württemberg
digital,
"Open Access"
bislang alle
CC BY SA 4.0
Grabungsberichte
Fundberichte aus
Baden-Württemberg
Buchpublikation mit Moving Wall von 1 Jahr
digital im "Open Access" (ist jedoch nur Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten)
wissenschaftliche Aufsätze in unregelmäßiger
Folge mit sehr zufälliger
Fundchronik
Archäologische
Ausgrabungen in
Baden-Württemberg
kartonierte Buchpublikation

Jahrbuch
populärwiss. Vorberichte
Archäologische
Informationen aus
Baden-Württemberg
kleinformatige kartonierte Buchpublikation

irgendwann
digital im "Open Access"
(unterschiedlich lizenziert: Freier Zugang – alle Rechte vorbehalten oder auch mal
CC BY SA 4.0)
regionale Themen der archäologischen Denkmalpflege
vorwiegend populärwiss. ausgerichtet.
Begleitbände zu Ausstellungen,
stärker fachlich orientierte Veröffentlichungen wie Berichte zu wissenschaftlichen Tagungen


Das Landesamt für Denkmalpflege in Baden-Württemberg hat damit ein Konzept entwickelt, das dem Problem der Vorlage und "Inwertsetzung" der zahlreichen, aktuell der Öffentlichkeit und der Wissenschaft kaum zugänglichen Ausgrabungen entgegenwirken soll. Das Pilotprojekt Inwertsetzung Ausgrabungen ist indes ein Pionierprojekt, dessen langfristige Finanzierung nicht sichergestellt scheint, obgleich dies eine Daueraufgabe ist.

"Die von Deutschland unterzeichnete Konvention von Malta besage, dass eine (einfache) Abschlusspublikation Pflichtteil jeder Ausgrabung sei - weshalb die Grabungsgenehmigungen auch entsprechende Auflagen machen könnten und sollten. Solchermaßen finanziert, hätten Firmen wie Landesdenkmalämter ganz andere Möglichkeiten, das aktuelle Publikationsdesiderat anzugehen" (DGUF 2024). Doch dies sei derzeit "politisch nicht durchsetzbar", meinten bedauernd die Vertreter der Amtsarchäologie bei einer Tagung bzw. einem World Café von Propylaeum & NFDI4Objects "Zeitgemäßes Publizieren" (Informationen/CfP der Veranstaltung), das Ende November 2024 in Heidelberg stattfand.  Es muss hier um die digitalen Formate ebenso gehen, wie um die fachlichen Strukturen. Schon 1989 kritisierte der britische Archäologe Christopher Tilley (1989) die heute übliche Rettungsarchäologie, die immer neue Grabungsdokumentationen liefere, ohne dass die Strukturen geschaffen würden, diese auch auszuwerten und zu nutzen, um die Vergangenheit zu verstehen.


Literaturhinweise

  • DGUF 2024: Zeitgemäßes Publizieren archäologischer Ausgrabungen: Bericht von "Aus der Erde ins Netz?" (Online, 20.11.) DGUF-Newsletter 23.12.2024). 
  • Kenzler/ Neth 2019: H. Kenzler/A. Neth, Das frühmittelalterliche
    Gräberfeld zum abgegangenen Dorf Niederramsbach bei Cleebronn. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2019, 223–228.
  • Tilley 1989: Ch. Tilley, Excavation as theatre. Antiquity. 63 (239) 1989, 275–280. -  doi:10.1017/S0003598X00075992

Ändeurngshinweis 21.1.2025: redaktionelle Nacharbeit:  Absatz Fragestellungen war korrumpiert