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Dienstag, 28. August 2012

Die Leugnung der Vernichtung

Der Kölner Stadt-Anzeiger (24.8.2012) greift ausgehend von der Situation in Syrien in einer kleinen Serie das Thema Antikenhehlerei auf:

Das Kulturgut ist in Gefahr

Raubgräberlöcher in El Hibeh,
Ägypten, April 2012
(Foto: Andy Dailey
[facebook: Save El Hibeh Egypt])
  • Die Täter sitzen meist vor Ort - Interview mit dem Interpol-Experten für illegalen Kunsthandel Karl-Heinz Kind
  • „Das ist vollständige Vernichtung“ - Interview mit Michael Müller-Karpe
  • „Nach bestem Wissen und Gewissen“ - Interview mit Ursula Kampmann von der International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA), die die Zerstörung vor Ort bagatellisiert und weitgehend ausblendet. Das sei alles stark übertrieben. Diese Leugnung der Vernichtung und die Behauptung, die Funde auf dem Markt stammten aus alten Sammlungen seit dem 16. Jahrhundert muss für jeden archäologisch Interessierten wie bitterer Hohn klingen. - mit treffendem Kommentar eines Lesers.
und weitere Materialien:

Montag, 27. August 2012

Sammler beklagen sich über Museen

Im aktuellen Newsletter der DGUF wird auf die aktuelle Kontroverse zwischen Archäologen und Sammlern eingegangen. Aufhänger ist ein Artikel der New York Times:
"The Curse of the Outcast Artifact" (New York Times, 12.7.)

Es hat im Übrigen ein gewisses 'Gschmäckle', wenn Sammler meinen, die mangelnde Ankaufbereitschaft der Museen würde dazu führen, dass alte Sammlungsbestände eventuell vernichtet werden. Sicher: Es ist ein Problem, dass mancher Finder sofort nur noch $, £ oder € sieht und eventuell nur deswegen einem Fund auch Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Archäologie muss hier ihre historischen Aussagen deutlicher vermitteln - jenseits von purer Typologie und platter Schatzsucher-Fantasien. Und es muss deutlich werden, welche Relevanz die Vergangenheit für das Heute hat.

Freitag, 24. August 2012

Erneut begraben: Die bronzezeitliche Siedlung von Nola, Croce di Papa

Es war eine Sensation: 2001 wurde zu Füßen des Vesuvs beim Bau eines Einkaufszentrums in Nola eine bronzezeitliche Siedlung entdeckt, die, wie rund zwei Jahrtausende später das nahegelegene Pompei am 24. August 79, von einem Vesuvausbruch überrascht und verschüttet wurde. Exzellente Erhaltungsbedingungen und eine bemerkenswerte Siedlungsstruktur machen die Siedlung zu einem einzigartigen Zeugnis europäischer Vorgeschichte.
Jetzt wird die Grabung zugeschüttet - ein steigender Grundwasserspiegel hatte schon vor einiger Zeit die Hüttenreste unter Wasser gesetzt.
Mehrere Lösungen wurden diskutiert: stärkere Pumpen oder die Ummantelung der Grabungsstelle mit einem wasserundurchlässigen Kasten. Jetzt wird zugeschüttet.


Größere Kartenansicht
Quelle:

Links
(mangels frei zugänglicher wissenschaftlicher Internetressourcen leider eher sehr populäre Referenzen)


Literatur
  • C. Albore Livadie: A First Pompeii: the Early Bronze Age village of Nola-Croce del Papa (Palma Campania phase). Antiquity 76, 2002, 941-942.
Nachtrag 22.9.: siehe jetzt: Archaeologik: Bronzezeitliche Siedlung wird doch saniert

Mittwoch, 22. August 2012

Dienstag, 21. August 2012

American Diggers and Auction Hunters

Spike TV produziert inzwischen die vierte Staffel seiner Live-Plünderung archäologischer Fundstellen und hat das Programm um eine Serie "Auction hunters" ergänzt (American Digger Blog v.7.8.2012).
Die Serie hatte in der dritten Staffel im März-Juni 2012 rund 1,9 Millionen Zuschauer und hat inzwischen auch eine eigene Homepage mit Videos einzelner Sendungen (mit deutscher IP nicht erreichbar) und einem Blog.
Der archäologische Schutz von Fundstellen gilt noch als eine besondere Herausforderung: "American Savage hunts for artifacts from the oldest permanent European settlement in the US. But with much of the area historically protected, and suspicious homeowners guarding the rest, finding a place to dig won’t be easy." (zu Episode 112).
Immerhin: Inzwischen gibt es "3 Things to do before you dig" mit einem Link auf die Seite der SAA mit rechtlichen Hinweisen.

Im Frühjahr sorgten zwei Fernsehserien in den USA für Aufregung. Unwissenschaftliche Live-Schatzsuche mit Metalldetektor auf archäologischen Fundstellen propagierte die Zerstörung archäologischer Fundstellen.
Dazu hier auf Archaeologik: TV-Shows plündern archäologische Fundstellen

National Geographic Channel hat inzwischen eingelenkt und sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Siehe hier auf Archaeologik: Lektionen für NG - eine Tagung in Washington D.C. zu TV-Grabungen

Nicht ganz so drastisch stellt sich das Problem auch in anderen Ländern, auch in Deutschland.

Interne Links

Samstag, 18. August 2012

Berufsverbot für Wissenschaftler - Auswirkungen in der Archäologie?


Ein Journalist (Jan Rübel) sucht Betroffene des vor 10 Jahren in Kraft getretenen neuen Hochschulrahmengesetzes:

Das Hochschulrahmengesetz als Karrierekiller gibt es doch sicher auch in der Archäologie in einiger Zahl. Ziel des Gesetzes war es, Zeitarbeitsverträge an den Universitäten zugunsten fester Stellen zu reduzieren. Wissenschaftler dürfen nur sechs, in Ausnahmen maximal zwölf Jahre nach abgeschlossener Promotion an Universitäten und Forschungseinrichtungen auf befristeten Stellen beschäftigt werden. Danach sollen sie, wenn sie es bis dahin nicht zur Professur geschafft haben, Platz machen für den neuen wissenschaftlichen Nachwuchs.
In der Archäologie gab es aber ja viele Kollegen, die sich von Projekt zu Projekt durchgehangelt haben - und viele Forschungsprojekte, die nur so möglich waren (und bei denen es unsinnig wäre, immer auf neue, unerfahrene Absolventen zurück zu greifen). Die im Wissenschaftszeitvertragsgesetz eingeführte Ausnahmeregelung für Drittmittelprojekte schließt die für die Archäologie wichtigsten Projektförderung über DFG- und EU ja aber meines Wissens immer noch aus.

Vielleicht finden sich ja (Ex-)Kollegen, die sich bei dem Journalisten melden und dazu eigene Erfahrungen aus der Perspektive der Kulturwissenschaften und speziell der Archäologie in den Report einbringen können.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie der Potsdamer Arbeitsstelle Kleine Fächer, publiziert in der Januar-Ausgabe von "Forschung & Lehre" (direkt als pdf). Demnach sind in den archäologischen Fächern in den Jahren von 1997 bis 2011 zehn Prozent der Professorenstellen gestrichen worden. Gab es 1997 bundesweit noch 146,5 Stellen, sind es heute nur noch 132,5 Professuren, bezogen speziell auf die Ur- und Frühgeschichte 44 im Jahr 1997 und heute 39,5. Die Archäologie des Mittelalters gewann stolze 40% dazu, was in der Realität aber nur einen Zuwachs um eine Stelle bedeutet 3,5 Professuren heute statt 2,5 im Jahre 1997.
Dabei ist nicht berücksichtigt, dass viele der neu geschaffenen Stellen eher unattraktiv sind: Junior-Professuren oft ohne tenure track und damit ohne die Möglichkeit, wirklich Fuß zu fassen oder Stellen in Personalunion, die (ohnehin immer mehr administrative) Universitätsprofessuren mit Leitungsaufgaben an anderer Stelle verbinden.

Links
  • mit dem Beitrag "Habilitation versus Tenure" von H. Kreckel, S. 12ff., der mit Graphik Abb. 1 die dominierende Rolle befristeter Stellen an den deutschen Universitäten aufzeigt
  • und der Studie zu den kleinen Fächern "Manövriermasse" von N. Franz


Mittwoch, 15. August 2012

Open Access Archaeology

Die neue Seite Open Access Archaeology ist dazu gedacht, frei zugängliche Zeitschriftenressourcen aus der Archäologie im Netz zu erschließen. 

Die Seite bietet eine eigene Suchfunktion (Open Access Journal Search) sowie alternativ eine Beta-Version einer Google-basierten Suche. Derzeit sind rund 260 archäologische Open Access Zeitschriften erfasst. 
Über die Discovery Page sind verschiedene News-Funktion (tumblr, facebook ...) zugänglich. Noch scheint es allerdings an einigen Stellen zu hapern, da ich rasch einige 404-Treffer erhalten habe.
 
Hinter der Initiative stehen Doug Rocks-Macqueen (University of Edinburgh, Doug's Archaeology), Lorna Richardson (PhD student, University College London, Digital Public Archaeology), Emma O'Riordan (Scottish Archaeological Research Framework) und Katrina Urban (Ontario, Canada).

Links

Nachtrag (18.8.2012):
Einen Überblick über verschiedene OpenAccess-Direktorien u.ä. bietet jetzt der Novaesium-Blog:

Montag, 13. August 2012

Sönke Lorenz (1944-2012)

Am 8. August ist der Tübinger Landeshistoriker Sönke Lorenz verstorben.
Ich erinnere mich an einige gemeinsame Projekte und Tagungen, in denen Landesgeschichte und Archäologie des Mittelalters zusammengeführt wurden -

Nachruf auf Archivalia

Gebrauchsspuren an Keramik

Es gibt auffallend wenige Studien zu Gebrauchsspuren an Keramikfunden. Inhaltsreste werden in der Literatur selten genannt, obwohl sie erfahrungsgemäß gar nicht so selten sind. Auch die meisten Leitfäden zur Beschreibung von Keramik übergehen diesen Punkt.

Kesselstein an hochmittelalterlicher Keramik aus Merdingen
(Foto R. Schreg)
Häufig sind
  • Schwarze anhaftende Krusten. Sie finden sich häufig auf der Innenseite, bisweilen aber auch außen am Rand.
  • Verrußung. Häufig auf der Außenwand.
  • Kesselstein. Kalkablagerungen im Innern, bisweilen ist ein geschichteter Aufbau zu erkennen.
  • Abschabungen und Ritzungen.

Problematisch bei diesen Gebrauchsspuren ist es, dass sie beim Waschen der Scherben verloren gehen können. Beanspruchungen der Oberfläche sind häufig durch "Bürstenstrich" vom Sauberschrubben überprägt.


Hochmittelalterliche Keramik aus
Merdingen FR (1-2) und Altdorf BB (3-5)
(Graphik R. Schreg, aus Schreg 2012)
Sehr häufig weisen die Gefäße der hochmittelalterlichen nachgedrehten Waren (Abb. Nr. 1-2)  in Südwestdeutschland Gebrauchsspuren auf. In der beistehenden Abbildung finden sich auf der Innenseite der Scherbe Nr. 1 anhaftende Kalkreste. Auf Nr. 2 sind im Randknick schwarze organische Reste erkennbar.
Nach meinen empirischen Beobachtungen sind Kesselstein wie auch anhaftende organische Reste bei der nachgedrehten Keramik weit häufiger als bei der Älteren gelben Drehscheibenware (Nr. 3-5). Derzeit kann allerdings wohl nicht ausgeschlossen werden, dass dies damit zusammenhängt, dass die nachgedrehte Keramik vorsichtiger gewaschen wird, während die härter gebrannte, helle gelbe Drehscheibenware zu stärkerem Schrubben animiert.
Ausgesprochen häufig treten bei der nachgedrehten Ware auch Reparaturlöcher auf (Nr. 2).

Entsprechend sind bei der Bearbeitung handgemachter Keramik in Panama (vgl. Archaeologik) nur an Scherben dieser Warenart dicke schwarze Krusten aufgefallen. Sie lässt sich dadurch eindeutig funktional als das Kochgeschirr gegenüber anderen Waren wie der Majolica und der Hafnerware absetzen. Bei einigen Scherben der handgemachten Keramik wurden an der Innenseite Abnutzungsspuren beobachtet, teilweise offenbar auch durch die Nutzung von Messern.

Phytolith
(Foto: H.G. Naton [CC BY-SA 3.0]
via WikimediaCommons)
Im Rahmen unserer Untersuchungen zur frühneolithischen Besiedlung der Schwäbischen Alb (siehe Archaeologik) wurden testweise in den USA einige Proben von Inhaltsresten der Grabung Sonderbuch Schaghau 2008 auf Phytolithen untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich diese Silikatablagerungen aus Pflanzenzellen gut nachweisen lassen. Da die Phytolithen mehrheitlich kaum artspezifisch sind, sind Rückschlüsse auf den Inhalt schwierig und bedürfen einer relativ großen Probe. Trotzdem scheint es lohnend, diesen methodischen Weg weiter zu verfolgen.

Für eine nähere Bestimmung der Krusten kommen verschiedene Analyseverfahren in Frage. Am einfachsten ist der Einsatz eines digitalen Mikroskops, doch kenne ich bislang keine nutzbaren Referenzbilder, um etwa Reste von Sinterablagerungen (Kesselstein) sicher von Engoberesten zu unterscheiden oder Verrrußungen von eingekokelten 'Suppen'resten zu trennen. 
Chemische Analysen wurden häufig zur Analyse von Inhaltsresten, insbesondere von Fetten eingesetzt. Hier ist daran zu denken, dass die Ethnologie verschiedene Verfahren kennt, die normalerweise poröse Irdenware durch Fette oder das Auskochen mit Milch wasserdicht zu bekommen. Eine Möglichkeit sind Phytolithenanalysen, wie sie anderswo bereits eingesetzt wurden, im Einzelfall könnte evtl. auch C/N-Isotopie in Frage kommen.


Inhaltsreste an einem Scherben der LBK aus Sonderbuch, Schlaghau, Grabung 2008. In dieser dunklen Masse ließen sich mehrere Phytolithen nachweisen. Für die Interpretation der Mikroskopaufnahmen fehlt uns z. Zt. die nötige Expertise. Auffallend sind wiederholt die bläschenartigen Strukturen in den Randbereichen der anhaftenden schwarzen Masse.
(Foto: R. Schreg)

 Voraussetzung für eine Bearbeitung solcher Gebrauchs- und Inhaltsreste scheint mir eine systematische Serie experimenteller Archäologie. Benötigt werden Referenzproben, die mittels einer ersten optisch-mikroskopischen Vergleichs eine Eingrenzung der weiteren geeigneten Analytik ermöglicht. Dazu wird man nicht nur verschiedene Nutzungen, sondern vor allem auch verschiedene Keramik-Qualitäten zu berücksichtigen haben.
Experimentelle Archäologie ist aber vor allem für das Verständnis mechanischer Gebrauchsspuren von Bedeutung. Hier ist eine große Bandbreite zu bedenken - bis hin zum Hundefressnapf.
Vielleicht lässt sich im Idealfall anhand einer Mikrostratigraphie unterschiedlicher Einwirkungen ja die individuelle Nutzungsgeschichte eines Gefäßes rekonstruieren.

Dank

Maria Raviele für die Phytolithenanalysen aus unserem Alb-Projekt.

Literaturhinweise
Interne Links


Nachtrag (13.8.2012)
Als Reaktion auf diesen Post hat Maxi Platz Beispiele aus Marburg auf ihrem Blog vorgestellt, bei denen sich das Problem stellt, ob Engobe oder Verrußung vorliegt:

    Samstag, 11. August 2012

    Bilder der Zerstörung - Aleppo

    Zitadelle von Aleppo
    (Foto: Hovic (CC-BY-NC-SA 2.0)
    via Flickr)
    Zahlreiche Bilder der Zerstörung aus Syrien wurden in den vergangenen Tagen auf dem Blog ArcheoLife eingestellt:
    Speziell sei hingewiesen auf: Aleppo Citadel in Danger (mit Video). Weitere Bilder zu Zerstörungen in der Zitadelle von Aleppo bei facebook: Le patrimoine archéologique syrien en danger الآثار السورية في خطر
    Zu Aleppo auch:
    Heute bringt Archaeolife eine zusammenfassende Darstellung der Situation in Syrien:

    weitere Posts zu Syrien auf Archaeologik

    Freitag, 10. August 2012

    Sponsoring für Captain Morgan

    Blick auf die Bucht von Portobelo, in der Schiffe der Flotte Henry Morgans liegen
    links Teile des Befestigung
    (Foto R. Schreg, 2004)
    In der Bucht von Portobelo an der Karibikküste von Panama liegen Schiffe der Flotte von Henry Morgan. Unterwasserarchäologen bemühen sich nun um die Erforschung und Bergung, gesponsert:
    Das Projekt läuft in Kooperation mit Panamaischen Behörden und Institutionen - und wird von einer US-Firma 'hochprozentig' finanziert.
    Siehe dazu auch die fb-Seite des Unternehmens, das Werbung damit macht - Slogan: "Be careful with that, boys".
    Im Unterschied zu manch anderen Bergungsunternehmungen sind hier tatsächlich Fachleute involviert und die Finanzierung ist nicht auf den Erlös der Funde angewiesen. Die Funde verbleiben im Land und werden durch das Patronato Panama Viejo restauriert.

    Links
    Interne Links

    Dienstag, 7. August 2012

    Eine Meile Abstand! Aktivitäten der Odyssey Explorer am Wrack der HMS Victory

    ein Gastbeitrag von Mathias Blobel

    Wie sich kürzlich herausgestellt hat, liegt die Odyssey Explorer, das Schiff der Bergungsfirma Odyssey Marine Exploration mindestens seit Juni über dem Wrack der HMS Victory. Wie hier auf Archaeologik schon mehrfach berichtet, wurde das Wrack vom britischen Staat der Marine Heritage Foundation geschenkt, die mit guten Gründen als Fassade der amerikanischen Firma angesehen werden kann, die von der kommerziellen Bergung von Schiffswracks lebt und dabei archäologische Belange außer Acht lässt.

    Odyssey Explorer
    Die Odyssey Explorer im Hafen von Falmouth, 2008
    (Foto: R~P~M [CC BY-NC-ND 2.0] via flickr)

    Nach Informationen des britischen Verteidigungsministeriums wurde von Seiten der Marine Heritage Foundation bestätigt, dass Vorbereitungen zum Heben von Gegenständen unternommen wurden, dies allerdings noch nicht geschehen sei. Die Schenkung des Wracks verbietet solche Aktivitäten ohne eine vorherige Erlaubnis des Ministeriums ausdrücklich. Nach dem Anhang der “UNESCO Convention on the protection of the underwater cultural heritage” von 2001, an den sich auch die britische Regierung hält, ist die Ausgrabung von Wracks nur bei akuter Gefährdung zu verantworten. Laut der Stiftung wurden auch die vorbereitenden Aktivitäten abgebrochen.

    Von der aktuellen Position und dem Status des Schiffes kann sich jeder mit Hilfe einer AIS Tracking Website (vesselfinder) selbst überzeugen. Demnach liegt die Odyssey Explorer noch immer über dem Wrack der HMS Victory. Andere Schiffe werden darüber informiert, einen Mindestabstand von einer nautischen Meile zu halten, offenbar um Tauchoperationen nicht zu gefährden.

    Was genau die Odyssey Explorer gerade im Ärmelkanal macht, ist nicht sicher. Allerdings ist bekannt, dass Odyssey Marine Exploration dringend gute Nachrichten für seine Investoren braucht. Die finanzielle Situation der Firma ist prekär, erst kürzlich musste sie einen Notfallkredit in Höhe von 10 Millionen Dollar aufnehmen. Eine baldige unerlaubte Hebung von Gegenständen aus dem Wrack und damit eine Zerstörung der archäologischen Befunde scheinen also nicht ausgeschlossen. 

    Links:

    Interne Links

    Sonntag, 5. August 2012

    Erste Nachweise von 'raised fields' auf dem Isthmus von Panama


    von Juan Guillermo Martín

    Juan Guillermo Martín, Archäologe an der Universidad del Norte, Barranquilla, Colombia  gibt einen Überblick über das Forschungsprojekt zu präkolumbischen Altfluren, deren Entdeckung auf eine systematische Durchsicht von Google-Luftbildern, bequem von Deutschland aus, zurückgeht. Anlaß dazu boten die inzwischen abgeschlossenen Tübinger Forschungen in Panama la Vieja, die die Frage nach den ökologischen Veränderungen im Kontext der spanischen Conquista aufwarfen.
    Siehe die Beiträge zum Chinina-Projekt
    hier auf Archaeologik.  Ein gemeinsames ausführliches Manuskript mit Vorlage der bisherigen Ergebnisse steht vor der Einreichung zum Druck. Eine spanische Fassung findet sich bei Wiki loves Monuments Panama  (R. S.).



    Feldstrukturen mit Sondageschnitt (Foto J. Martín-Rincón).

    Erste Nachweise von 'raised fields' auf dem Isthmus von Panama
    In Überschwemmungsgebieten, wie dem Momposina-Becken in Kolumbien, haben schon die präkolumbischen Gesellschaften die Landschaft massiv verändert. Durch ein komplexes System von Gräben und Hochbeeten wurde die Tallandschaft der Flüsse San Jorge und Sinz auf ca. 5000km² massiv umgestaltet, um es das ganze Jahr hindurch produktiv zu machen. Dies gilt als eine der bedeutendsten Wasserbaumaßnahmen der Welt, die an den Beginn unserer Zeitrechnung zurück reichen.

    Im heutigen Panama und generell in Mittelamerika war diese landwirtschaftliche Technik bisher nicht bekannt. Eine Auswertung von Luftbildern im Mündungsgebiet des Rio Bayano (auch: Rio Chepo) hat es erstmals erlaubt, solche Feldsysteme auch hier zu identifizieren. Im Gemeindegebiet von Santa Cruz de Chinina, Distrikt Chepo, wurden auf mindestens 25 ha Gräben und Hochbeete prähispanischer Zeitstellung ausgemacht. Interessant daran ist, dass es moderne Technik möglich gemacht hat, dass der Archäologe Rainer Schreg vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz diese Entdeckung von seinem Schreibtisch aus machen konnte. Er beobachtete die anthropogenen Strukturen im Osten Panamas und gab die Informationen an seine Kollegen in Panama weiter.
    Eine Forschergruppe der Abteilung Archäologie, Geschichte und Stadtforschung der kolumbianischen Karibik (Grupo de Arqueología, Historia y Estudios Urbanos del Caribe Colombiano – GRAHUS) der Universidad del Norte en Colombia hat die Felder im Gelände verifiziert. Seit letztem Jahr haben Tomás Mendizábal und Juan Guillermo Martín, Forscher bei GRAHUS, Sondagen begonnen, die es erlaubten, ihr Alter mittels Radiocarbondatierungen genauer zu bestimmen und durch palaeobotanische Untersuchungen Aussagen über die Vegetation und Landwirtschaftsstrategien der Region zu treffen.

    Der Sondageschnitt bei Grabungsende.
    Die dunklen Ablagerungen zeigen die Gräben des hydraulischen Systems mit einem hohen Anteil organischen Materials (Foto J. Martín-Rincón).

    Diese Strategien der Landschaftsveränderungen und Ressourcennutzung sind eng mit der Landwirtschaft verbunden. Die Domestikation von Kulturpflanzen und verbesserte landwirtschaftliche Techniken waren für die Entwicklung komplexer Gesellschaften von zentraler Bedeutung, insbesondere bei der Konzentration und Umverteilung von Ressourcen. Bevölkerungswachstum und die Konsolidierung von Produktionszentren waren entscheidend bei der Ausbildung der intensiven Handelsverbindungen, die den Isthmus von Panama prägten.

    Die präkolumbischen Gesellschaften  hatten genaue Kenntnisse der Klima- und Umweltbedingungen, die durch die saisonale Überschwemmungen und zyklische Ereignisse bestimmt werden. Sie bauten ein System von Kanälen, mit denen die Wasserfluten der Flüsse und Bäche des pazifischen Tieflands von Panama während der Regenzeit reguliert wurden. Zugleich garantierte es ausreichende Feuchtigkeit während der trockenen Perioden des Jahres. Die Hochbeete schufen die nötigen, vor Überschwemmungen geschützten  Anbauflächen; die Kanäle wurden wahrscheinlich als eine wichtige Quelle aquatischer Ressourcen genutzt.

    Das Projekt wird von der Foundation for Research on Ancient Panama finanziert. Beteiligt ist weiter das Römisch-Germanische Zentralmuseum, an dem Dr. Rainer Schreg beschäftigt ist. Er ist an der Auswertung der Luftbilder beteiligt und bringt eine umweltarchäologische Perspektve ein.
    Die renommierte paläoökologische Forschergruppe des Smithsonian Tropical Research Institute (STRI), die von Dr. Dolores Piperno geleitet wird, führt Pollen- und Phytolithenanalysen durch. Ebenso beteiligt ist Dr. Richard Cooke (STRI) der mit seinen profunden Kenntnissen der präkolumbischen Archäologie Panamas das Projekt begleitet und unterstützt.
    Das Labor für Archäologie der Universidad del Norte und seine Spezialisten haben die erste Feldkampagne durchgeführt, bei der Probenmaterial für verschiedene Analysen gesammelt wurde. Dadurch konnte inzwischen eine Altersbestimmung (rund zweitausend Jahre vor heute) gewonnen werden. Surveys identifizierten ein Siedlungsareal, das mit dem Feldsystem verbunden scheint, wie weitere präkolumbische Fundstellen in der Umgebung. Sie geben Einblicke in den komplexen Prozess der vorspanischen Besiedlung dieser Region von Panama, die archäologisch zum Großraum Darien zählt und enge Verbindungen zum nordwestlichen Kolumbien zeigt.
    Bei den Feldsystemen handelt es sich offenbar um eine effiziente Strategie der Anpassung an die lokalen Bedingungen. Angesichts der heutigen, niedrigen landwirtschaftlichen Produktion in dieser Region ist dies von besonderem Interesse. Es ist heute eine unwirtliche Landschaft mit schweren jährlichen Überschwemmungen, aber fruchtbaren Böden. Die Menschen der Vergangenheit transformierten die Landschaft, intensivierten die landwirtschaftliche Produktion und sicheten ihre Präsenz in dieser weiten und abwechslungsreichen Region.

    Freitag, 3. August 2012

    "Mit Empfehlung des Reichsbundesführers"

    Aus einem ererbten Buch kam mir jüngst ein einliegendes Werbeblatt für eine "soeben erschienene" historische Wandkarte entgegen. Die Werbung stammt von 1936 und ist ein nicht untypisches, alltägliches  Zeugnis der ideologischen Korruption der Archäologie während der NS-Zeit.



    Auf der Rückseite abgedruckt: ein Brief des "Reichsbundesführers des Reichsbundes für deutsche Vorgeschichte, Universitätsprofessor Dr. Hans Reinerth - Berlin" mit Briefkopf der Reichsleitung der NSDAP an den Verlag, datiert auf den 4. Mai 1936.
    "Wir bestätigen Ihnen gern, dass die Karte weltanschaulich als auch wissenschaftlich einwandfrei ist. Die Karte kann besonders für den eingehenderen wissenschaftlichen Unterricht empfohlen werden, das aus ihr in erster Linie die Verteilung germanischer Funde des ersten Jahrhunderts entnommen werden kann."

    Scheint so, als hätte der Verlag um eine entsprechende Bestätigung nachgesucht.

    Entworfen wurde die Karte "Die germanischen Stämme im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt" von Werner Radig (1903-1985), der später Karriere in der DDR machte. 1936 war er im NS-Lehrerbund engagiert, wurde aber erst später Parteimitglied und Dozent an einer NS-Hochschule.


    Literaturhinweis

    • P. Schweizer-Strobel/M. Strobel, Werner Radig (1903–1985). Ein Prähistoriker mit zweierlei Diktaturerfahrung. In: H.-P. Wotzka (Hrsg.), Grundlegungen: Beiträge zur europäischen und afrikanischen Archäologie für Manfred K. H. Eggert (Tübingen 2006) 65–80.
    Link

    Mittwoch, 1. August 2012

    Untersuchungen zur Hornsteinnutzung auf der Blaubeurer Alb


    Regal mit den Silexfunden aus Asch, Borgerhau
    (Foto R. Schreg)
    In den vergangenen vier Wochen wurden die Arbeiten an unserem Forschungsprojekt zur neolithischen Besiedlung und Hornsteinnutzung auf der Blaubeurer Alb fortgeführt. Nachdem in den Jahren 2006 bis 2009 mit Finanzierung durch die US-National Science Foundation Grabungen an zwei Siedlungsplätzen sowie einer Silexabbaustelle durchgeführt wurden, ist die Auswertung des umfangreichen Fundmaterials noch nicht abgeschlossen.
    Die Funde lagern inzwischen bei der Denkmalpflege des RP Tübingen.


    Das diesjährige Arbeitsprogramm umfasste:
    •  Restarbeiten zur Analyse der im Fundbestand häufigen ausgesplitterten Stücke. Dazu wurde eine kleine Serie von Experimenten durchgeführt, die bei der Frage helfen sollte, wofür diese Stücke verwendet worden sind.
    • Mikroskopische Untersuchungen zur Unterscheidung der verschiedenen Silexlagerstätten und zur Provenienzbestimmung der Silices in den ergrabenen Siedlungen. Verschiedene Silexlager auf der Alb wurden aufgesucht und beprobt. Dabei wurde im unmittelbaren Untersuchungsgebiet bei Sonderbuch eine neue Lagerstätte entdeckt.
    • Arbeit an verschiedenen Manuskripten
    • mikroskopische Aufnahmen von Inhaltsresten an Keramikfunden

    Zerlegen einer Silexknolle einer neu entdeckten
    Lagerstätte bei Sonderbuch
    (Foto R. Schreg)

    Mikroskopaufnahme einer Silexknolle aus Asch, Borgerhau
    (Foto R. Schreg)
    Inhaltsreste an Keramikscherben der LBK Siedlung
    Sonderbuch, Schlaghau (Foto R. Schreg)
    Interne Links