Wieder Mal ist ein prominentes Zentrum archäologischer Vermittlungsarbeit in kommunaler Trägerschaft von der Schließung betroffen. Der Archaeopark Vogelherd, der Teile des UNESCO-Welterbes der Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb präsentiert, soll nach einem Gemeinderatsbeschluß geschlossen werden. Dabei sind die Besucherzahlen im Archaeopark gar nicht schlecht.
Kleine Gemeinden können solche Projekte auf Dauer nicht stemmen, die Länder zögern hier häufig, finanzielle Verpflichtungen einzugehen und fördern daher bestenfalls befristete Projekte, nicht aber die problematischen dauerhaften Kosten.
Das Paläon, betrieben als GmbH in Schöningen - gewidmet den berühmten Schöninger Speeren - hat vor Jahren eine solche Krise durchlaufen, ehe es (offiziell nur als Ziwschenlösung) als Forschungsmuseum dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege angegliedert wurde.
Soeben hat das Land Baden-Württemberg nach mehreren Jahren diese Problematik beim Heuneburgmuseum durchgestanden und mit der Staatlichen Schlösser- und Gärtenverwaltung nun einen Träger gefunden, der allerdings mit den archäologischen Inhalten nicht so richtig unzugehen weiß - und sich mit einem weiteren solchen Projekt überfordert sieht.
Häufig sind sowohl auf lokaler Ebene die Erwartungen eines Freizeittourismus viel zu groß. Seriöse Wissenschaft kann auf diesem Sektor kaum mit Phantasy-Parks mithalten, die keine Einschränkungen in der Darstellung durch wissenschaftliche Erkenntnisse oder Erkenntnisunsicherheiten haben. Die Präsentation von
Archäologie hat Bildung und nicht Unterhaltung oder finanziellen Gewinn zum Ziel. Bisweilen lässt sich das gut verbinden, bisweilen entstehen durch eine Kommerzialisierung aber auch unsinnige
Vermittlungskonzepte.
Weißes (am Kreisel) und braunes Mammut als Wegweiser (Foto: M. Decoster, 31.10.2020) |
Das Problem ist schon daher nicht neu und auch im Falle von Niederstotzingen und dem Vogelherd-Park schon länger bekannt. Das zuständige, von der CDU geleitete Bauministerium betont, einerseits an einer Lösung zu arbeiten, dementiert aber Pressemeldungen über eine zugesicherte Unterstützung. Obwohl klar ist, dass sich solche Einrichtungen kaum kostendeckend selbst tragen können, werden immer wieder neue Projekte begonnen, für die zwar Sondermittel eingeworben werden, eine solide langfristige Finanzierungsplanung aber fehlt, weshalb anschließend die Projekte von Ministerium zu Ministerium und von Träger zu Träger hin und hergeschoben oder gar geschlossen werden - mit fatalen Folgen für die Arbeit vor Ort.
So drohrt Baden-Württemberg eine kulturpolitische Blamage, angesichts des Status als UNESCO-Weltkulturerbes eine internationale Blamage...
Die Vermittlung von Archäologie- und Geschichtsthemen auf wissenschaftlicher Basis ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Der Blick in die Vergangenheit schafft Orientierung in der Gegenwart, bringt eine bessere Einschätzung von Krisensituationen und stärkt die gesellschaftliche Resilienz gegenüber unrealistischen Zukunftsversprechungen und Verschwörungsmärchen - vorausgesetzt, es gibt einen seriösen wissenschaftlichen Hintergrund, der der Mystifizierung und Instrumentalisierung der Vergangenheit entgegentritt. Eine Kommerzialisierung, sei es privatwirtschaftlich oder als Landesbetrieb, ist daher gefährlich.
Die Darstellung des Lebens in der letzten Eiszeit ist ein wichtiger Beitrag zur historischen Bildung, zeigt doch gerade der Kontrast mit den heutigen Lebensverhältnissen, wie vielfältig menschliche Kulturen sind und dass sich Gesellschaften auch stetig verändern. Er trägt dazu bei, die zeitliche Dimension zu verstehen, was Voraussetzung ist, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.
Presseberichte
- Wissenschaftler fürchten Aus für Archäopark Vogelherd. Süddeutsche Zeitung (7.10.2022). - https://www.sueddeutsche.de/kultur/denkmaeler-niederstotzingen-wissenschaftler-fuerchten-aus-fuer-archaeopark-vogelherd-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-221007-99-37713 und Wissenschaftler fürchten Aus für Archäopark Vogelherd. Stuttgarter Nachrichten (7.10.2022). - https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.park-in-niederstotzingen-wissenschaftler-fuerchten-aus-fuer-archaeopark-vogelherd.275350e9-3c90-41dd-bbda-ade577df8ac5.html via dpa
- „Absolute Blamage für das Land“ 42 Wissenschaftler aus aller Welt fordern Rettung des Niederstotzinger Archäoparks. Heidenheimer Zeitung (7.10.2022). - https://www.hz.de/meinort/niederstotzingen/_absolute-blamage-fuer-das-land_-42-wissenschaftler-aus-aller-welt-fordern-rettung-des-niederstotzinger-archaeoparks-66937689.html
- Angebot liegt vor: So will das Land den Archäopark Niederstotzingen unterstützen. swr aktuell (6.10.2022). - https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/hilfe-fuer-archaeopark-100.html
- Der Archäopark Vogelherd: Auszeit in der faszinierenden Eiszeit. Augsburger Allgemeine Zeitung (22.9.2022). - https://www.augsburger-allgemeine.de/guenzburg/niederstotzingen-der-archaeopark-vogelherd-auszeit-in-der-faszinierenden-eiszeit-id63881196.html (paywall)
eine Zusammenstellung unter https://www.openpetition.de/petition/blog/wir-fordern-finanzielle-unterstuetzung-des-welterbes-hoehlen-und-eiszeitkunst-der-schwaebischen-alb#petition-main
Offener Brief von Nicolas Conard an die Landesregierung
- https://uni-tuebingen.de/en/universitaet/aktuelles-und-publikationen/attempto-online/newsfullview-attempto/article/archaeopark-vogelherd-erhalten/ mit pdf
mit zahlreichen Unterschriften von Fachkolleg*innen insbesondere der deutschen Urgeschichtsforschung
Ich persönlich fand schon den Gedanken an einen "Park" rund um und an den historischen Stätten unerträglich. In Schelklingen am Hohle Fels, wurde das Ansinnen aufgehalten, hier eine differenzierte Infrastruktur anzulegen, oder kam einfach nicht zustande, weil jeder Form von Gott sei Dank das Geld bisher fehlte. Wie kurzlebig hier Eingriffe in das Umfeld sein können, obwohl diesen primären Quellen der Urgeschichtsfprschung ein Welterbestatus eingeräumt wird, ist für mich überraschend. Ich habe damit gerechnet, dass ich die Erkenntnis über die Unsinnigkeit und Unsäglichkeit das in dieser Art und Weise kommerziell zu vermarkten nicht mehr erleben würde. Protzerei und provinzielle Wichtigtuerei wird letztlich dadurch verhindert, dass sie niemand mehr finanzieren will. Was sinnvoll und nachhaltig sein wird, muss oft sehr kostspielige Umwege gehen. Am besten bleiben solche Versuche zerstörungsfrei.
AntwortenLöschenIch würde es auch sehr bedauern;(
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