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Montag, 31. Oktober 2022

Es geht nicht nur um Objekte - es geht um Menschen. zum Beispiel um Sussy Dakaro

Die Restitutionsdebatte ist in vollem Gang. Es geht um Objekte in Museen und menschliche Skelettreste in anthropologischen Sammlungen. 

Aber es geht auch um Menschen. Am 23. Juni 1885 ist in Eberfeld bei Wuppertal ein junges Mädchen verstorben. Sie war eine indigene Australierin und wurde mit 14 zusammen mit einer ganzen Gruppe weiterer Aboriginees von der australischen Inselgruppe Palm Island verschleppt und als »exotische Wilde« in den USA und dann in europäischen Zoos vorgeführt. Täter war Robert A. Cunningham, ein Menschenhändler und -jäger, der auch den berühmten Zirkus Barnum in den USA belieferte. Bei dessen Völkerschau ("Grand Ethnological Congress") ging es aber nicht um die Vermittlung fremder Kulturen, sondern um Schauereffekte und die Erhöhung der eigenen weißen Identität. 

Das Mädchen vom Wuppertaler Friedhof ist ein Opfer dieser rassistischen Haltung. Sie hieß Sussy Dakaro, doch ist ihr eigentlicher Name, den sie von ihrer Famile erhalten hatte, unbekannt, 

Den Männern, die 1882 mit Sussy Dakaro verschleppt wurden, wurden Knochen ins Gesicht gebohrt, damit sie besser als "letzte Kannibalen" vermarktet werden konnten. Schon in den USA war Sussy's Partner Kukamunburra, genannt Tambo verstorben. Sein Leichnam wurde mummifiziert, um ihn an ein Kuriositätenkabinett verkaufen zu können.  1993 wurde er in einem Bestattungsinstitut in Cleveland/Ohio wieder entdeckt. Die mediale Aufmerksamkeit regte eine wissenschaftliche Aufarbeitung (Poignant 2004) an, die auch die Toten in Deutschland ins Bewusstsein rief. 2017 wurde Sussy Dakaro an ihrem Grab ein Gedenkstein gesetzt. Recherchen des Spiegels führten 2021 zu einer Einladung an ihre Verwandten und zur erneuten Diskussion um eine mögliche Rückführung ihres Leichnams nach Palm Island. Den Journalisten war es gelungen, im Museum für Völkerkunde in Dresden sieben lebensgroßen Büsten zu finden, die von Mitgliedern der Aboriginee-Gruppen gefertigt wurden, mit denen  Zirkusunternehmer und Entführer Cunningham tourte. Bereits vor Sussy waren andere Mitglieder der Gruppe in Chemnitz und Darmstadt verstorben. Ihre Gräber scheinen unbekannt.


Gedenkstein an der Grabstelle von 'Sussy Dakaro'
im Alten Evangelischen Friedhof in Wuppertal-Sonnborn, gegenüber des Zoos
(Foto: Atamari [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)

 
Die Restitutionsdebatte, die neben ethnologischen auch archäologische Objekte betrifft, fokussiert stark auf die Objekte in Museen, die durch Ausstellungen in unserer Gegenwart sichtbar sind. Sie betrifft auch menschliche Präparate in Sammlungen, jedoch kaum die verschleppten, versklavten und oft genug mishandelten Menschen, die in der Ferne begraben liegen. Im Falle der australischen Aboriginees ist die Bestattung in der Heimaterde ein wichtiges Gut, nicht nur für die Verstorbenen, sondern auch für die Nachfahren. 
Hier ergibt sich auch ein Berührungspunkt mit der Archäologie der Moderne, deren Aufgabe nicht die Exhumierung sein kann, die aber doch in besonderem Maße ein Potential hat, sich mit diesen Menschen ohne Stimme und ohne Rechte auseinanderzusetzen. Sie wird daher immer wieder in die Situation kommen, in der menschliche Reste als archäologische Funde auftauchen - und in der es wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass es nicht um Objekte, sondern um Menschen geht.

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Literaturhinweis

  • Poignant 2004: R. Poignant, Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle (New Haven 2004) -  ISBN 978-0-300-10247-5

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